TE OGH 1985/10/30 6Ob665/85

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Veröffentlicht am 30.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert A, Kaufmann, Forststraße 8 a, 6890 Lustenau, vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei mj. Wolfgang B, geboren am 28. September 1969, Schüler, Erlengasse 17, 6890 Lustenau, vertreten durch seinen ehelichen Vater Hans-Walter B, wohnhaft ebendort, als seinen gesetzlichen Vertreter, dieser vertreten durch Dr. Clement Achamer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 1,099.742 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Juni 1985, GZ 1 R 118/85-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 13. Februar 1985, GZ 7 a Cg 4647/83-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 19.159,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.578,15 S Umsatzsteuer und 1.800 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt in Lustenau einen Handel mit Altmaterial. Auf seinem Betriebsgelände standen zwei Hallen; in einer von ihnen wurden ausschließlich gepreßte Stoffballen gelagert. Am 2. März 1982 verschafften sich der minderjährige Beklagte und seine beiden gleichfalls minderjährigen Freunde Andreas C und Herbert D wie schon an den beiden vorangegangenen Tagen unbemerkt den Zugang zu dieser Halle. Herbert D hatte zwei Kerzen und eine Fackel mitgebracht, der Beklagte hatte Zigaretten und ein Feuerzeug bei sich. Einer der Buben verfiel schließlich auf die Idee, Stoffetzen anzuzünden und sie sodann auszulöschen. Das gelang ihnen zunächst auch, bis der Beklagte das Feuer an einem Lappen, den er dabei in der Hand hielt, nicht mehr rechtzeitig löschen konnte. Er war genötigt, den brennenden Lappen durch eine Fensteräffnung ins Freie zu werfen. Dabei fiel ein Teil des brennenden Gewebes auf einen Stoffballen, der sofort Feuer fing. Als der Beklagte und Herbert D erkennen mußten, daß sie nicht mehr imstande waren, den entfachten Brand zu löschen, ergriffen sie die Flucht. Der Beklagte war zur Tatzeit Schüler des ersten Klassenzugs der dritten Klasse der Hauptschule Lustenau-Kirchdorf. Seine Leistungen in der Schule waren durchschnittlich. Dem Beklagten war ebenso wie seinen beiden Freunden bewußt, daß sie sich verbotenerweise in der Halle aufhielten und das Hantieren mit dem Feuer schon deshalb besonders gefährlich war, weil Stoffballen leicht zu entflammen sind. Die Eltern des Beklagten haben bei der E F G eine Bündelversicherung abgeschlossen, die auch eine Haftpflichtversicherung für Sachschäden mit einer Versicherungssumme von S 2 Mill. umfaßt; der Beklagte ist mitversichert.

Durch den Brand wurde die Halle samt dem darin gelagerten Altmaterial zerstärt. Außerdem verbrannte ein LKW des Klägers, und an Nachbargebäuden und Fernmeldeanlagen der H I J entstand beträchtlicher Sachschaden.

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Ersatz der durch Versicherungsleistungen nicht abgedeckten Schäden im Betrage von 1,099.742 S s.A. Er brachte hiezu vor, der Beklagte habe einsehen können, daß sein Verhalten unerlaubt und überaus gefährlich sei. Das Kind sei gegen Haftpflicht versichert, die Versicherungsanstalt habe auch bereits Akontozahlungen erbracht. Der Beklagte habe dem Kläger für den Schaden gemäß § 1310 ABGB einzustehen.

Der Beklagte stellte zwar 'die Schadenersatzansprüche des Klägers' der Höhe nach mit S 1,-- außer Streit, wendete jedoch ein, der Kläger habe es zu vertreten, daß eine Wand der Lagerhalle ein großes Loch aufgewiesen habe; nur dadurch sei es den Kindern ermöglicht worden, in die Halle einzusteigen. Den Kläger treffe daher ein Mitverschulden im Ausmaß von zwei Dritteln. Außerdem sei die Überwälzung des Schadens grob unbillig. Der Beklagte habe die Gefährlichkeit seines Tuns nicht erkennen können.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Ansprüche des Klägers auf Ersatz des Verkaufswertes des verbrannten Altmaterials, der Aufräumungskosten, des an den Nachbargebäuden und den Fernmeldeanlagen der H I J entstandenen Schadens und des Zeitwertes des verbrannten LKWs dem Grunde nach zu Recht bestehen. Dieses Zwischenurteil erwuchs erst nach Ausschöpfung des Instanzenzuges bis zum Obersten Gerichtshof in Rechtskraft.

Der Beklagte wendete im fortgesetzten Verfahren weiter ein, die Haftpflichtversicherung decke an Hauptsache, Zinsen und Kosten einen Schaden von S 2 Mill. Angesichts der Forderungen des Feuerversicherers errechne sich ein Gesamtschaden von mindestens 3,500.000 S. Der Feuerversicherer habe die Ansprüche bereits beim Haftpflichtversicherer des Beklagten geltend gemacht. Es werde daher beantragt, gemäß '§ 1310 Abs 3 ABGB' die Ansprüche des Klägers verhältnismäßig zu kürzen, zumal dieser den Schaden aufgrund seiner Vermögenslage leichter tragen könne als der Beklagte. Dagegen brachte der Kläger vor, der Feuerversicherer habe seine Ansprüche bisher nicht klageweise geltend gemacht, diese seien vielmehr vom Haftpflichtversicherer abgelehnt worden; dieser stehe auf dem Standpunkt, daß vorerst die Forderungen des Klägers zu erledigen seien. Im vorliegenden Verfahren reiche die vorhandene Versicherungssumme jedenfalls aus.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens - statt; es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Am 2. März 1982 hatte der Kläger in den beiden Hallen auf seinem Betriebsgelände Altmaterial gelagert, und zwar 195.673 kg Textilien,

10.120 Paar Socken, 2.918 m Blusenstoff, 3.305 Stück Strumpfhosen und 350.000 kg gepreßtes Altpapier. Das gesamte Altmaterial wurde durch den Brand vernichtet. Der Verkaufswert der gelagerten Textilien betrug 1,199.824 S, jener der Socken 65.288 S, der Blusenstoffe 43.040 S, der Strumpfhosen 36.740 S und des gepreßten Altpapiers 402.500 S, insgesamt daher 1,747.392 S. Durch den Brand wurde ferner ein LKW des Klägers zerstärt, dessen Zeitwert 35.000 S betrug. Auf diesen Schaden leistete der Feuerversicherer des Klägers eine Zahlung von 550.000 S. Die zerstärten Lagerhallen und die Reste des gelagerten Materials mußten nach dem Brand beseitigt und der Brandplatz mußte aufgeräumt werden. Der Kläger mußte an die Marktgemeinde Lustenau und drei Unternehmen, die an den Aufräumungsarbeiten beteiligt waren, Zahlungen von insgesamt 116.406 S leisten. Außerdem erbrachte der Kläger auch Eigenleistungen; so mußte ein LKW mit Fahrer 58 Stunden und ein Hubstapler mit Fahrer 70 Stunden eingesetzt werden. Für eine LKW-Stunde sind 480 S und eine Hubstaplerstunde 420 S anzusetzen.

Außerdem mußte der Kläger 120 Hilfsarbeiter-Stunden a 150 S bezahlen. Die Aufräumungsarbeiten kosteten ihn somit insgesamt 195.776 S (richtig: 191.646 S). Durch den Brand wurden auch Nachbargebäude und benachbarte Gärten beschädigt. Die Beseitigung dieser Schäden kostete den Kläger insgesamt 40.000 S; etwa die Hälfte des Betrages hat er bereits bezahlt. Wegen der Vernichtung von Fernmeldeanlagen entstand dem Kläger ein Aufwand von 8.237 S, für die Behebung der Schäden am Humus und an einem Zaun ein solcher von 10.000 S. Vom Feuerversicherer erhielt der Kläger zur Abdeckung der Aufräumungskosten einen Betrag von 102.000 S.

In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, der Beklagte sei verpflichtet, die berechtigten Ansprüche des Klägers in voller Höhe zu ersetzen. Eine Kürzung der Ansprüche nach § 1310 ABGB komme nicht in Betracht, weil der Schaden durch eine Haftpflichtversicherung des Beklagten gedeckt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es führte aus, dem Beklagten falle ein zurechenbares Verschulden zur Last, sodaß es keiner Erörterung seiner Vermögensverhältnisse bedürfe. Da ein Mitverschulden des Klägers zu verneinen sei, könne dieser den gesamten Schaden geltend machen. Der Beklagte habe im fortgesetzten Verfahren eingewendet, die Versicherungssumme decke die Schadenersatzansprüche nicht zur Gänze, weil der Gesamtschaden bei Berücksichtigung der Forderungen des Feuerversicherers mindestens 3,5 Mill. S betragen werde; daher seien die Schadenersatzansprüche des Klägers verhältnismäßig zu kürzen. Dem sei entgegenzuhalten, daß die Ansprüche des Feuerversicherers auf Ansprüche des Klägers zurückgingen. Stehe einem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, gehe dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetze. Der Übergang könne jedoch gemäß § 67 Abs 1 VersVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden, der Regreßanspruch des Versicherers gehe vielmehr den verbleibenden Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers nach. Ersetze der Versicherer nur einen Teil des Schadens, bleibe der Versicherungsnehmer Gläubiger des Schadenersatzanspruches, soweit dieser die Versicherungsleistung übersteige. Er genieße in diesem Umfang Vorrang vor dem Versicherer, sodaß der auf diesen übergegangenen Teil der Forderung im Range nachfolge. Deshalb müsse auch nicht erwogen werden, ob und inwieweit die Schadenersatzansprüche des Klägers aus Billigkeit zu kürzen seien. Die dem Kläger verbliebenen Schadenersatzforderungen fänden in der Haftpflichtversicherungssumme Deckung, weil ihn kein Mitverschulden am Brand treffe. Welchen Betrag die auf den Feuerversicherer des Klägers übergegangenen Ansprüche erreichten, müsse deshalb nicht geprüft werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Der Beklagte wendet sich nur mehr gegen die Ablehnung der begehrten Kürzung der Ansprüche des Klägers aus dem Grunde, daß diese Ansprüche einschließlich der auf den Feuerversicherer übergegangenen Forderungen die Haftpflichtversicherungssumme bei weitem überstiegen. Dabei übersieht der Kläger jedoch, daß im Verfahren über die Höhe der Klagsansprüche den Grund betreffende Einwendungen nur mehr insoweit erhoben werden können, als rechtsbegründende Tatsachen nachträglich weggefallen oder eingetreten sind (EvBl 1972/201; SZ 46/5; 1 Ob 65/75). Die Leistungen des Feuerversicherers an den Kläger waren jedoch bereits vor Einbringung der Klage erfolgt und sind deshalb von diesem schon in der Klage bei der Berechnung seiner Ersatzansprüche berücksichtigt worden. Da der Oberste Gerichtshof bereits im Verfahren über den Grund des Anspruches die Kürzung der Ersatzansprüche des Klägers aus dem Grunde der Billigkeit abgelehnt hat (AS 115), kann diese Frage im fortgesetzten Verfahren über die Höhe der Ansprüche nicht neuerlich aufgerollt werden. An die rechtskräftige Entscheidung über den Grund des Anspruches ist auch das Revisionsgericht gebunden. Im übrigen hat das Berufungsgericht durch den zutreffenden Hinweis auf das aus § 67 Abs 1 VersVG abzuleitende Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers (ZVR 1978/143;

ZVR 1977/83; vgl. Prölls-Martin, Versicherungsvertragsgesetz 23,

413) überzeugend dargetan, daß die Ansprüche des Klägers in der Haftpflichtversicherungssumme Deckung finden; in welcher Weise mit allfälligen (Regreß-)Ansprüchen des Feuerversicherers zu verfahren sein wird, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E06962

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00665.85.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19851030_OGH0002_0060OB00665_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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