Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Günter A, Rechtsanwalt, 3550 Langenlois, Holzplatz 1, als Sachwalter (der Gläubiger im Ausgleichsverfahren) der SAX-Werke August B Gesellschaft m.b.H. (Sa 2/81 des Kreisgerichtes Krems an der Donau), wider die beklagte Partei Franz C, Feiner Innenausbau-Fenster-Türen, 8644 Mürzhofen 64, vertreten durch Dr.Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wegen 326.663,88 S.s.Ng., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4. Oktober 1984, GZ.7 R 144/84-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10. Mai 1984, GZ.5 Cg 223/82-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 9.652,10 S (darin 1.280,-- S Barauslagen und 761,10 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
über die SAX-Werke August B Gesellschaft m.b.H (in der Folge als SAX-Werke bezeichnet) wurde Anfang März 1981 vom Kreisgericht Krems an der Donau zu Sa 2/81 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Aus dem Beschluß dieses Gerichtshofes vom 18.9.1981, Sa 2/81-107, über die Bestätigung des Ausgleichs ergibt sich unter anderem, daß sich die Ausgleichsschuldnerin bis zur vollständigen Erfüllung des Ausgleichs einer Sachwaltung nach dem damaligen § 55 b AO durch den Ausgleichsverwalter Dr.Günter A unterwarf, diesem ihr gesamtes Vermögen übertrug und ihn nach dem damaligen § 55 c AO unwiderruflich unter anderem ermächtigte, ihr gesamtes Vermögen einschließlich der Liegenschaften zu verwerten, zu verkaufen, Gelder einzuziehen, darüber zu verfügen, die Ausgleichsschuldnerin vor allen Behörden und überhaupt gegenüber Dritten zu vertreten.
Mit der am 11.5.1982 eingebrachten Klage begehrte der genannte Sachwalter vom Beklagten für verkaufte und gelieferte Waren laut Rechnung Nr.10.291 vom 5.2.1981 275.902,88 S und wegen grob fahrlässigen Zahlungsverzugs 13 % Zinsen, wobei er die bis 3.5.1982 aufgelaufenen Zinsen und 'Spesen', zusammen 50.761,-- S, neben dem Rechnungsbetrag geltend machte und daher 326.663,88 S samt 13 % Zinsen aus 275.902,88 S seit 4.5.1982 zuzüglich 18 % 'MWSt' von den Zinsen einklagte.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er habe den SAX-Werken mit Belastungsnoten vom 13.2.1981 Gewährleistungsschäden von zusammen 277.197,39 S in Rechnung gestellt, welcher Betrag anerkannt worden sei. Zwischen (dem damaligen) Direktor (der SAX-Werke) D und dem Beklagten sei mündlich vereinbart worden, daß der anerkannte Betrag mit der Rechnung vom 5.2.1981 gegenverrechnet und die Geschäftspartner einander nichts mehr schulden würden. Diese Gegenverrechnung sei Ende Februar 1981 'perfektuiert' worden.
Der Kläger replizierte, es sei keine Mängelrüge erhoben worden; die behaupteten Belastungsnoten gebe es nicht, jedenfalls seien sie den SAX-Werken niemals zugekommen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest, in dem bereits die zusätzlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes berücksichtigt sind:
Zwischen dem Beklagten und den SAX-Werken bestand eine langjährige Geschäftsverbindung, während der der Beklagte jährlich durchschnittlich mindestens 5000 Türen für verschiedene Bauvorhaben bezog. Ende des Jahres 1980 hatte der Beklagte gegen die SAX-Werke wegen rechtzeitig gerügter Mängel von in den Jahren 1979 und 1980 in Rechnung gestellten Türlieferungen noch nicht verrechnete Gewährleistungsforderungen von zusammen 277.197,39 S. Wegen Gerüchten über finanzielle Schwierigkeiten der SAX-Werke bzw. der mit ihnen finanziell zusammenhängenden Firma E und wegen einer größeren Falschlieferung unterdimensionierter Türen kam es Ende Jänner, Anfang Februar 1981 in F zu einem Gespräch zwischen dem damaligen Betriebsleiter der SAX-Werke, Direktor D, und dem Beklagten. Dabei machte dieser an Hand einer mitgebrachten Liste die bisherigen Gewährleistungsansprüche von 277.197,39 S geltend, während jener nach längerem Gespräch erklärte, daß 'die Angelegenheit in Ordnung gehe'. Die Gesprächspartner kamen überein, daß der Beklagte die von ihm gerügten unterdimensionierten Türen abnehmen, deren Kaufpreis von 275.902,88 S aber nicht bar bezahlen werde, sondern eine Verrechnung mit den Gewährleistungsansprüchen aus den Jahren 1979 und 1980 erfolgen solle. Aufgrund dieser Vereinbarung lieferten die SAX-Werke dem Beklagten diese Türen und legten dafür die (eingeklagte) Rechnung vom 5.2.1981 über insgesamt 275.902,88 S. Daraufhin übermittelte der Beklagte den SAX-Werken mit Schreiben vom 13.2.1981 unter Bezugnahme auf einen am 10.2.1981 telefonisch geäußerten Wunsch Direktor Ds vom 13.2.1981 datierte Belastungsnoten über insgesamt 277.197,39 S und erklärte, diesen Gesamtbetrag gegen die Rechnung vom 5.2.1981 aufzurechnen und den Differenzbetrag auszubuchen, sodaß das Konto der SAX-Werke ausgeglichen sei.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß die Gewährleistungsansprüche des Beklagten wegen der festgestellten Vereinbarung zwischen ihm und Direktor D, aber auch deshalb berechtigt seien, weil die SAX-Werke gegen das ihnen zugekommene Schreiben des Beklagten vom 13.2.1981 keine Einwände erhoben hätten. Die eingeklagte Forderung sei daher durch die vereinbarte Aufrechnung mit der Gewährleistungsforderung des Beklagten getilgt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, verneinte die behaupteten Verfahrensmängel der ersten Instanz, übernahm deren durch eigene Feststellungen ergänzte Feststellungen und erachtete auch die Rechtsrüge als unbegründet. Die seinerzeitigen Vertragspartner hätten einen zweiseitigen verbindlichen Vertrag über zweifelhafte Rechte im Sinn des § 1380 ABGB geschlossen. Diese Vereinbarung sei auch nicht nach § 20 AO unzulässig gewesen, weil das Ausgleichsverfahren erst Anfang März 1981 eröffnet worden sei und nichts dafür spreche, daß der Beklagte Ende Jänner, Anfang Februar 1981 von der Zahlungsunfähigkeit der SAX-Werke Kenntnis gehabt habe oder hätte haben müssen. Die eingeklagte Forderung sei daher durch die vereinbarte Verrechnung mit dem Gewährleistungsanspruch des Beklagten längst getilgt.
Obwohl der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, lediglich 275.902,88 S beträgt, weil es sich bei den dem eingeklagten Kaufpreis zugeschlagenen 50.761,-- S um gemeinsam mit der Hauptforderung und damit als Nebenforderung geltend gemachte 'Zinsen, Schäden und Kosten' im Sinn des § 54 Abs 2 JN handelt, die nach dieser gemäß § 500 Abs 2 ZPO bei der Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes sinngemäß anzuwendenden Gesetzesstelle bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleiben, unterließ das Berufungsgericht zunächst den nach § 500 Abs 3 ZPO nötigen Ausspruch, weshalb ihm die vorgelegten Akten vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 10.4.1985, 3 Ob 506/85, zur amtswegigen Berichtigung des Urteils zurückgestellt wurden.
Mit Beschluß vom 3.6.1985, 7 R 144/84, berichtigte das Berufungsgericht sein Urteil durch Beisetzen des Ausspruchs, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
In seiner mit Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache begründeten Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, allenfalls es zwecks neuerlicher Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt die Bestätigung des Berufungsurteils.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Ein in einem nicht amswegigen Verfahren erster Instanz angeblich unterlaufener vom Berufungsgericht jedoch verneinter Verfahrensmangel kann nach ständiger Rechtsprechung nicht unter dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO mit Erfolg geltend gemacht werden (MietSlg. 35.800; EFSlg 44.102; 41.770; SZ 51/8, 50/14 ua). Daß der vom Obersten Gerichtshof vertretene Grundsatz in letzter Zeit durch Rechberger-Simotta (ZPR 2 RZ 716) und Fasching (ZPR RZ 1909) neuerlich abgelehnt wurde, bietet mangels neuer Argumente keinen Anlaß, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen, die auf der überlegung fußt, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nicht in weiterem Maße bekämpft werden kann als eine viel schwerer wiegende Nichtigkeit (JBl 1972,569 ua).
Auch die Rechtsrüge ist unbegründet.
Nach den der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Feststellungen der Vorinstanzen bestanden zwischen den SAX-Werken und dem Beklagten Ende Jänner, Anfang Februar 1981 zweifelhafte Rechte: einerseits die Gewährleistungsansprüche des Beklagten, andererseits die Unklarheit über die weitere Abwicklung des Geschäftes über die später mit der eingeklagten Rechnung fakturierten Türen. Daß die Geschäftspartner über diese beiden Fragen nicht einig waren, ergibt sich unter anderem aus den festgestellten Umständen, daß der Beklagte darüber mit dem Direktor der SAX-Werke an deren Sitz persönlich verhandeln wollte und daß die Vertragspartner erst nach einem längeren Gespräch zu einer beide Fragen betreffenden Einigung kamen, bei der beide Teile nachgaben. Während die SAX-Werke die Gewährleistungsansprüche des Beklagten akzeptierten, erklärte sich dieser mit der übernahme der unterdimensonierten Türen einverstanden, die er bisher abgelehnt hatte. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß der Kaufpreis dieser Türen mit den Gewährleistungsansprüchen verrechnet werden und die gegenseitigen Forderungen der Vertragspartner damit ausgeglichen sein sollten, wodurch der Beklagte auf einen, wenn auch kleinen Teil seiner Gewährleistungsansprüche verzichtete.
Das Berufungsgericht hat diese Vereinbarung zwischen den SAX-Werken und dem Beklagten daher ohne Rechtsirrtum als Vergleich im Sinn des § 1380 ABGB beurteilt.
Dieser Feststellungsvertrag beinhaltet auch die Vereinbarung der Aufrechnung der darin festgelegten, auf Geld gerichteten beiderseitigen Ansprüche, also auch, aber - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - nicht ausschließlich ein pactum de compensando, wobei die beiderseitigen Geldforderungen einander jedenfalls mit der noch im Februar 1981 erfolgten Lieferung der mit der eingeklagten Rechnung vom 5.2.1981 fakturierten Türen einander als fällige Forderungen gegenüberstanden und im Hinblick auf die Aufrechnungsvereinbarung getilgt wurden.
Die im § 20 Abs 1 AO verfügten Einschränkungen der Aufrechnung gelten für die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Aufrechnung schon deshalb nicht, weil diese bei Eröffnung des Ausgleichsverfahrens bereits vollzogen war und die erwähnten Beschränkungen sich nur auf Aufrechnungen während des Ausgleichsverfahrens beziehen (Bartsch-Pollak 3 II 220 Anm.45 zu § 20 AO). Ob der Beklagte zur Zeit des Erwerbes seiner Gegenforderung (Gewährleistungsansprüche) von der Zahlungsunfähigkeit der SAX-Werke Kenntnis hatte oder Kenntnis haben mußte, ist daher in diesem Rechtsstreit ohne Bedeutung, zumal in erster Instanz ein Anfechtungstatbestand nicht behauptet wurde. Der unbegründeten Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, wobei als Bemessungsgrundlage nach den §§ 3 und 4 G der Wert des Streitgegenstandes, also 275.902,88 S anzunehmen war.
Anmerkung
E06822European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00569.85.1030.000Dokumentnummer
JJT_19851030_OGH0002_0030OB00569_8500000_000