TE OGH 1985/11/7 7Ob562/85

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Veröffentlicht am 07.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A. A Kaufhaus-Gesellschaft mbH in Wien 7., Mariahilferstraße 38-48, vertreten durch Dr.Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dieter B, Kaufmann in Wien 3.,

Seidlgasse 28/3, vertreten durch Dr.Walter Schuppich, Dr.Werner Sporn und Dr.Michael Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des Nichtbestehens von Benützungsrechten, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 25.April 1984, GZ 41 R 290/84-90, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.November 1983, GZ 47 C 234/80-83, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.940,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 480 S Barauslagen und 223,65 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die k l a g e n d e Partei betreibt auf der ihr gehörigen Liegenschaft in Wien 1., Kärntner Straße 19, ein Warenhaus. Auf der zwischen den straßenseitigen Schaufenstern und dem Gehsteig gelegenen Fläche hat der Beklagte seit August 1976 zunächst auf Grund wiederholter, teils schriftlicher und teils mündlicher "Propagandaverträge" und zuletzt auf Grund eines am 26.3.1979 auf die Dauer von fünf Monaten abgeschlossenen "Pachtvertrages" einen Platz von 4 x 1 m für den Verkauf eigener Bijouteriewaren benützt. Mit der am 7.9.1979 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei - nach rechtskräftiger Abweisung eines Räumungsbegehrens - die Feststellung, daß der beklagten Partei (nach Ablauf der letzten Pachtvertragsdauer) keine Mietrechte und auch sonst keine Rechte zustehen, auf Grund deren er zur (weiteren) Benützung des Standplatzes berechtigt wäre.

Der B e k l a g t e wendete im wesentlichen ein, daß der zuletzt geschlossene Pachtvertrag nur aus betriebsinternen Gründen der klagenden Partei an die Stelle der früheren Verträge gesetzt worden sei und daß es sich in der Gesamtheit um ein geschütztes Mietverhältnis handle.

Der E r s t r i c h t e r gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen wurde der erste Propagandavertrag im August 1976 mündlich abgeschlossen, nachdem auf dem strittigen Platz schon vorher ein anderer Propagandist gestanden war und die gleichen Waren wie später der Beklagte verkauft hatte. Den Parteien war es von Anfang an klar, daß der Beklagte den Platz so wie alle anderen bisherigen Propagandisten benützt, und sie gingen davon aus, wonach es Sinn und Zweck dieses Vertrages sei, daß der Propagandist an seinem Stand vor dem Kaufhaus seine Waren in lautstarker Weise anpreist und dadurch Leute anlockt, sodaß dieselben in der Folge auch das Kaufhaus frequentieren. Diese Absicht wurde dem Beklagten auch durch die Organe der klagenden Partei eindeutig zum Ausdruck gebracht. Der Beklagte wußte demnach von Anfang an, daß er so wie die anderen Propagandisten "den Standplatz als solchen benützen wird und nicht unabhängig vom Kaufhaus den Stand als selbständiger Kaufmann betreibt". Die Propagandaverträge wurden kurzfristig zwischen einigen Wochen und einigen Monaten "nach den Erfordernissen des Kaufhauses" bemessen. (Der Propagandist habe immer diejenige Ware anpreisen müssen, die gerade gängig war. Sei eine Ware nach einiger Zeit nicht mehr zu verkaufen gewesen, so habe der Propagandist seinen Stand räumen und mit dem Kaufhaus einen neuen Vertrag über eine neue gängige Ware abschließen müssen.) Der Beklagte wurde von Anfang an gleich den übrigen Propagandisten vor und während seiner Zeit behandelt. Der Propagandist mußte seine Waren selbst beischaffen und seine eigenen Angestellten zur Verfügung stellen. Nur gewisse Manipulationsaufwendungen wurden ihm vom Kaufhaus vergütet. Der Beklagte (im Ersturteil unrichtig: Kläger) stand viele Jahre hindurch, nämlich von 1976 bis 1979, auf dem strittigen Standplatz. Er hat immer die Handhabung der klagenden Partei - nämlich nach einiger Zeit (den Standplatz aufzugeben und) wieder einen neuen Propagandavertrag abzuschließen - akzeptiert und auch den Sinn und Zweck desselben als richtig erachtet. Die Vereinbarung wurde nie als Mietvertrag bezeichnet. (Wenngleich der Beklagte seit 1976 den strittigen Platz benützte, sei dies doch mit Unterbrechungen geschehen, weil er zeitweise den auf der rechten Seite befindlichen Platz in Benützung genommen und auch zwischendurch im Inneren des Kaufhauses - zeitweise nebenher - einen Standplatz für Propagandazwecke innegehabt habe.) Der Beklagte war von Anfang an an die Verkaufszeiten des Kaufhauses C gebunden und hielt dieselben auch immer ein, außer wenn er auf Urlaub fuhr oder krank war oder zu schlechtes Wetter herrschte. Für solche Tage zahlte der Beklagte kein Platzgeld. Aus dem Sinn und Zweck des Vertrages war von Anfang an ersichtlich, daß der Beklagte im übrigen verpflichtet war, den Standplatz zu betreiben, um dadurch die Frequenz des Kaufhauses zu erhöhen. Die beklagte Partei wäre, wieder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages, im anderen Fall berechtigt gewesen, den Standplatz jederzeit aufzukündigen. Ein Recht, diesen Standplatz an Dritte weiterzugeben, wurde dem Beklagten nie eingeräumt. Er war vielmehr auch immer an die Hausordnung des Kaufhauses gebunden. In der Zeit vom 15.1. bis 28.2.1979 war der Beklagte auf Urlaub. Er einigte sich mit dem Vertreter der klagenden Partei, daß während seines Urlaubs ein anderer Propagandist, Herbert D, den Platz benütze. D schloß mit der klagenden Partei einen eigenen Propagandavertrag und verkaufte in der genannten Zeit auf einem eigenen Handwagen seine eigene Ware. D war nicht Vertreter des Beklagten während dessen Urlaubs.

Am 26.3.1979 schlossen die Streitteile erstmals einen Pachtvertrag, befristet bis 25.8.1979. Auch bei diesem Pachtvertrag lag wie bei den vorhergehenden mündlichen und schriftlichen Propagandaverträgen das Schwergewicht "nicht auf der Zurverfügungstellung eines Standplatzes, sondern darauf, daß dem Beklagten Gelegenheit geboten wurde, seine Waren zu verkaufen." Der Pachtvertrag war ähnlich aufgebaut wie die vorhergehenden Propagandaverträge. Auch Sinn und Zweck des Pachtvertrages waren inhaltlich genau gleich wie bei den Propagandaverträgen. Die klagende Partei brachte dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck, daß er nach wie vor als Propagandist anzusehen sei, wenn auch nunmehr aus rein formellen Gründen - intern, um das bisherige Verrechnungssystem der klagenden Partei auf einen einheitlichen Nenner zu bringen - ein Pachtvertrag geschlossen werde. Es ist nicht richtig, daß dem Beklagten gesagt worden wäre, der Pachtvertrag ändere nichts an seinem bisherigen "Mietverhältnis". Die klagende Partei machte auch keinerlei Zusagen, daß das Vertragsverhältnis über den vereinbarten Endpunkt 25.8.1979 hinaus fortgesetzt werden würde. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte der Erstrichter am Rande noch aus, daß, was das Entgelt "des Propagandisten" betrifft, "derselbe umsatzabhängig" sei, und daß von Anfang an nie daran gedacht worden sei, daß dem Beklagten ein Kündigungsschutz zustehen solle.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters entstehe zwar grundsätzlich ein Mietvertrag, wenn ein Objekt gegen Entgelt zur Benützung überlassen werde. Ein allfälliger gegenteiliger Parteiwille des Bestandgebers könne das stillschweigende Zustandekommen eines Bestandverhältnisses nicht hindern, wenn dieser Parteiwille dem Gegner nicht eindeutig mitgeteilt wurde. Hier liege aber kein Normalfall vor, sondern ein Propagandavertrag, der durch seinen Inhalt und sein Wesen eindeutig für jedermann und besonders für den Beklagten von Anfang an erkennbar charakterisiert worden sei. Auf die Benennung komme es zwar nicht an, wohl aber auf die beabsichtigten Wirkungen und die Rechtsnatur des Vertrages. Der Beklagte habe von Anfang an gewußt, was der Sinn des Propagandavertrages war, sodaß es gleichgültig sei, wie dieser Vertrag zeitweise benannt wurde und daß das Entgelt zeitweise als Standmiete bewertet worden sei, zumal das in den Kassenbestätigungen Beil. 5 und 6 von seiten eines juristisch Ungebildeten geschehen sei. Es handle sich im vorliegenden Fall nicht um einen geschützten Mietvertrag, sondern um einen Vertrag besonderer Art, der allerdings auch bestandrechtliche Elemente in sich trage. Da aber ein Kündigungsschutz nicht bestehe, sei das Benützungsrecht des Beklagten mit dem Ablauf des letzten Vertrages erloschen, der ungeachtet seiner Benennung als Pachtvertrag gleich den vorherigen Propagandaverträgen zu beurteilen sei.

Das B e r u f u n g s g e r i c h t bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens mit Ausnahme jener Feststellungen, daß von "einem Propagandisten" immer diejenige Ware angepriesen werden müsse, die gerade gängig sei (weil die vom Beklagten verkaufte Warengattung über die Jahre gleich geblieben sei) und betreffend ein (vielleicht in anderen Fällen) umsatzorientiertes Entgelt des Propagandisten sowie schließlich (wegen Rechtsunerheblichkeit), ob dem Beklagten die strittige Grundfläche stets zur Verfügung stand oder aber ihm nie ein bestimmter Verkaufsplatz mit einem bestimmten Ausmaß überlassen wurde. Das Berufungsgericht billigte im Ergebnis auch die Rechtsansicht des Erstrichters. Im Vordergrund sei die Zurverfügungstellung eines Standplatzes gestanden, wobei das Gebrauchsrecht des Beklagten selbst dann nur ein eingeschränktes gewesen sei, wenn man zu seinen Gunsten davon ausginge, daß ihm eine bestimmt bezeichnete, räumlich abgegrenzte Grundfläche überlassen wurde. Er sei nämlich nur berechtigt gewesen, unter gleichzeitiger Bindung an die Hausordnung des Kaufhauses während der Verkaufszeiten des Kaufhauses zu verkaufen. Gegen die Annahme einer Miete, die im bloßen Gebrauch einer Sache bestehe, spreche auch die sich aus dem zugrundegelegten Vertragszweck als sogenannter "Propagandavertrag" ergebende, ausdrücklich vereinbarte Betriebspflicht. Atypisch für einen Mietvertrag sei auch ein bloß nach Tagen der tatsächlichen Benützung zu entrichtendes Entgelt. Es handle sich demnach nicht um unzulässige Ketten-Mietverträge mit gesetzlichem Schutz; das Vertragsverhältnis habe vielmehr vereinbarungsgemäß mit dem Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer geendet.

Rechtliche Beurteilung

Die R e v i s i o n des Beklagten ist nicht berechtigt.

Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

Zum Teil bekämpft der Revisionswerber Feststellungen, die das Berufungsgericht ohnehin nicht übernommen hat, zum andern Teil die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbare Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist nach dem Ausscheiden der nicht übernommenen Feststellungen hinreichend klar, auf welchen verbliebenen Feststellungen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes beruht. Von einer weiteren Begründung zur Mängelrüge wird gemäß § 510 Abs. 3 Satz 2 ZPO abgesehen.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist davon auszugehen, daß die vorliegende Klage noch vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erhoben wurde. Nach § 48 Abs. 1 dieses Gesetzes sind die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens anhängigen Verfahren nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften durchzuführen. Unter anhängigen Verfahren sind nicht nur außerstreitige, sondern auch streitige Verfahren zu verstehen, und zu den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften gehören auch jene des materiellen Rechtes (MietSlg 34.362, 34.357 f uva; vgl auch Würth in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 48 MRG). Dazu kommt, daß wohl nach § 1 Abs. 1 MRG nur noch die Miete von Geschäftsräumlichkeiten, also die Raummiete, und nicht mehr die Miete einer Grundfläche für Geschäftszwecke kündigungsgeschützt ist, bei bestehenden Verträgen aber nach der Übergangsnorm des § 49 Abs. 1 zweiter Satz MRG der Kündigungsschutz des Mietengesetzes bis Ende 1986 bestehen bleibt. Da also insofern noch altes Recht gilt, muß die Frage beantwortet werden, ob das vorliegende Rechtsverhältnis als Miete einer Grundfläche für Geschäftszwecke im Sinn der Judikatur zu § 1 Abs. 1 MG zu beurteilen und damit kündigungsgeschützt ist.

Im grundsätzlichen sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß für die Rechtsnatur eines Vertrages nicht dessen Bezeichnung durch die Parteien, sondern der Inhalt und der Zweck des Vertrages sowie die Absicht der Vertragsschließenden über seine Wirkungen maßgebend sind (SZ 49/53, MietSlg 28.110, 33.144 uva), daß weiters die entgeltliche Überlassung einer Grundfläche zur Benützung für geschäftliche Zwecke im allgemeinen als Miete anzusehen ist (MietSlg 20.228 uva) und daß typische Vertragsfiguren grundsätzlich typisierte Rechtswirkungen nach sich ziehen (MietSlg 28.110 ua). Auch die sogenannte Platzmiete und ebenso die Überlassung von Geschäftsräumen im Rahmen eines anderen Unternehmens wie etwa in Hotels, Bahnhofshallen und dergleichen ist deshalb in der Regel Geschäftsraummiete (MietSlg 32/23 mwN). Die herrschende Vertragsfreiheit erlaubt es aber andererseits den Parteien, Dauerrechtsverhältnisse zu vereinbaren, die im Gesetz nicht typisiert sind (RZ 1982/53 ua). Soweit damit nicht zwingende Vorschriften wie etwa die Kündigungsschutzbestimmungen umgangen werden, ist dann für die Beurteilung jeder einzelnen Leistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschrift (der in Betracht kommenden typisierten Verträge) heranzuziehen (Koziol-Welser, Grundriß 7 I 184, 1 Ob 615/80).

Besondere Vertragsgestaltungen im Rahmen der grundsätzlichen Vertragsfreiheit liegen in jenen Fällen nahe, in denen ein Unternehmer seinen Betrieb dadurch ergänzt, daß er einem anderen Gewerbsmann in den eigenen Räumen die Ausübung eines anderen Gewerbes gestattet. So nahm der Oberste Gerichtshof in SZ 22/42 bei einem Theaterbuffet, dessen Prosperität vor allem vom Theaterbetrieb abhängt, an, daß dem Inhaber des Hauptbetriebes gestattet sein muß, den Vertrag frei zu lösen, weil er nicht Gefahr laufen soll, seinen eigenen Betrieb zu gefährden, wenn der Nebenbetrieb nicht entsprechend geführt wird. Andererseits kommt es immer auf den Gegenstand und den Inhalt des im Einzelfall abgeschlossenen Vertrages an (vgl MietSlg 21.135 und 32/23). Den besonderen Fall des "Buffetvertrages" und ähnlicher Vertragsgestaltungen hat Klang in Klang 2 V 20 näher untersucht: Bedürfe der Inhaber eines Unternehmens zur Ergänzung eines anderen Betriebes und gestatte er zu diesem Zweck einem anderen Kaufmann gegen Entgelt die Ausübung seines Gewerbes innerhalb des eigenen Betriebes, etwa durch Übertragung des Buffetbetriebes in Theatern und Kinos oder einer Wechselstube oder Buchhandlung auf Bahnhöfen oder in Hotelgebäuden, so enthielten solche Verträge zwar in der Überlassung der Raumbenutzung ein Element des Bestandvertrages. Dieses spiele aber, wie etwa das Reichsgericht in der Entscheidung ZBl 42/289 nach Ansicht Klangs zutreffend ausgeführt habe, eine ganz untergeordnete Rolle, zumal dem Inhaber des Nebengewerbes eine Verfügung über den Raum nicht zustehe. Das Hauptgewicht liege auf der Gewerbeausübung, was namentlich dort scharf hervortrete, wo dem vermeintlichen Bestandnehmer eine Betriebspflicht auferlegt sei. Sie sei aber auch in anderen Fällen jenes Moment, welches dem ganzen Verhältnis das charakteristische Gepräge verleihe. Sein Bestand und seine Lösung müßten sich nach den Bedürfnissen des Hauptbetriebes richten, sodaß für die Anwendung der Mieterschutzbestimmungen kein Raum bleibe. Es liege in diesen Fällen ein gemischter Vertrag vor, dessen Wesen durch die bestandrechtliche Beimengung nicht entscheidend beeinflußt werde. Zu unterscheiden sei davon allerdings wiederum die gewöhnliche Vermietung eines Geschäftslokales an einen Gewerbetreibenden, auf dessen Tätigkeit bloß in räumlichem Zusammenhang mit seinem eigenen Unternehmen der Vermieter Wert lege. Dieser Rechtsansicht tritt der Oberste Gerichtshof im wesentlichen bei. Die dargestellte Unterscheidung ist auch für den vorliegenden Fall ausschlaggebend. Selbst bei Ausschaltung der vom Berufungsgericht nicht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstrichters ist der vorliegende Fall durch mehrere Besonderheiten in der Richtung charakterisiert, daß die entgeltliche Überlassung der Grundfläche zu Geschäftszwecken hinter andere Besonderheiten und den beabsichtigten Vertragszweck zurücktritt. Einerseits handelt es sich um eine sehr kleine Grundfläche von 4 x 1 m, die infolge der Lage zwischen den Schaufenstern und dem Gehsteig in einem unmittelbaren Naheverhältnis zum Kaufhaus der klagenden Partei steht. Zum Verkauf ist diese Fläche infolge der freien Lage zur Straße nur bedingt geeignet, wie sich auch aus der Feststellung der teilweisen Nichtbenutzung bei Schlechtwetter und der dann entfallenden Zinszahlung ergibt. Wegen des engen Zusammenhanges mit dem Kaufhausbetrieb der klagenden Partei war der Beklagte an die Betriebszeiten des Kaufhauses gebunden, in diesen Zeiten aber andererseits zur geschäftlichen Tätigkeit (abgesehen von Schlechtwetter, Krankheit und Urlaub) verpflichtet. Diese Betriebspflicht stand im engen Zusammenhang mit dem erklärten und vom Beklagten anerkannten Zweck des Vertrages, nämlich der durch die lautstarke Anpreisung gängiger Waren (daß die Bijouterieartikel des Beklagten gängig sind, ergibt sich nach der keineswegs denkgesetzwidrigen Ansicht des Berufungsgerichtes schon aus dem jahrelangen Verkauf derselben Artikel) mit dem Zweck der Anlockung von Passanten, die in der Folge auch das Kaufhaus frequentieren sollen. Wegen dieses besonderen Vertragszweckes, der auch objektiv durchaus einleuchtet, erscheint die zunächst gewählte Bezeichnung der Verträge als Propagandaverträge griffig und treffend. Es wurde damit der von der klagenden Partei beabsichtigte besondere Vertragszweck auch dem Beklagten (zumal er bereits an die Stelle eines anderen Propagandisten getreten war) deutlich gemacht, daß es nämlich der klagenden Partei weniger um das Entgelt für die an den Beklagten überlassene Grundfläche ging, sondern daß dieser seine geschäftliche Tätigkeit im Zusammenhang und zur Förderung der Geschäftszwecke der klagenden Partei auszuführen hatte. In diesem Sinn liegt in dem besonderen Vertragsverhältnis der Streitteile als weitere Abweichung vom Vertragstyp der Geschäftsmiete ein Element eines Gesellschaftsvertrages, ähnlich den Fällen des Betriebes einer Garderobe in einem Kaffeehaus gegen Entgelt (Klang aaO), der Zurverfügungstellung eines Raumes in einer Sauna an einen Masseur (3 Ob 634/76) oder der Überlassung eines Kanzleiraumes an einen anderen Rechtsanwalt ohne Begründung einer eigentlichen Kanzleigemeinschaft (MietSlg 8.602).

Aus den dargestellten Gründen treten im vorliegenden Fall die mietrechtlichen Elemente des Vertrages hinter der sonstigen Vertragsgestaltung und dem Zweck der Vereinbarungen ungeachtet der Benennung der Verträge zurück. Mangels einer echten Geschäftsflächenmiete besteht kein Kündigungsschutz. Nach Ablauf des letzten Vertrages ist das Feststellungsbegehren der klagenden Partei berechtigt.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E07176

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00562.85.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19851107_OGH0002_0070OB00562_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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