TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/08/0058

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

21/01 Handelsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
HGB §114 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 20. Februar 2003, Zl. 120.432/1-6/2003, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Dipl. Ing. Mag. Dr. RW in W, 2. H, 3. U, 4. Mag. W,

5. G, alle p.A. A Dr. R. W KEG in W, 6. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, 7. Arbeitmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57,

8. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Juli 1998 hat die Beschwerdeführerin festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als "geschäftsführender Gesellschafter (Manager) beim Dienstgeber A Dr. R. W KEG" (im Folgenden: A. KEG) ab 15. Juni 1998 in keinem die Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und die Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund dieser Tätigkeit auch nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 in Verbindung mit Abs. 4 ASVG unterliege, und es wurde die am 15. Juni 1998 erstattete Anmeldung abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die A. KEG und der Erstmitbeteiligte Einspruch, der vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 17. November 1998 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 16. Februar 2000 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Stellung im Unternehmen als Komplementär und geschäftsführender Gesellschafter nicht als Dienstnehmer und auch nicht als freier Dienstnehmer angesehen werden könne. In der Begründung dieses Bescheides wurde weiters ausgeführt, dass die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten hinsichtlich der Versicherungspflicht "am ehesten unter § 2 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 4 GSVG subsumierbar" wäre, dies jedoch daran scheitern könnte, dass die Gesellschaft kein Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sei bzw. der Erstmitbeteiligte seine Einkünfte nicht gemäß §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG versteuere, sondern Lohnsteuer abführe. Im Sinne des Grundsatzes der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung sei die Beschwerdeführerin jedoch angehalten, eine Änderungsmeldung in der Hinsicht entgegenzunehmen, dass der Erstmitbeteiligte zwar nicht Dienstnehmer der A. KEG sei, sondern "in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der KEG Dienstnehmer der vier stillen Gesellschafter (GesBR) auf Grund des Geschäftsführervertrages vom 1.6.1998" sei, da die Beteiligung der stillen Gesellschafter an der KEG nicht einen Bestandteil der Kommanditerwerbsgesellschaft darstelle, sondern eine stille Gesellschaft zwischen der KEG und den stillen Gesellschaftern. Die stillen Gesellschafter seien nicht "Bestandteil" der KEG, deshalb sei es möglich, dass sie in ihrem eigenen Interesse jemanden als Geschäftsführer für eine Gesellschaft, an der sie eine hohe Kapitalbeteiligung hielten, beschäftigten. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

Auf der Grundlage dieser Berufungsentscheidung erfolgte für den Erstmitbeteiligten eine neuerliche Anmeldung ab 15. Juni 1998, wobei nunmehr als Dienstgeberbezeichnung "Stille Gesellschaft zu A. KEG, Vermietung" geführt wurde. Mit Bescheid vom 12. Juli 2000 stellte die Beschwerdeführerin in der Folge fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter (Manager) für die Gesamtheit der stillen Gesellschafter der A. KEG in keinem die Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG und die Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Gleichzeitig stellte die Beschwerdeführerin auch fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund dieser Tätigkeit auch nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 in Verbindung mit Abs. 4 ASVG unterliege, und lehnte die erstattete Anmeldung ab 15. Juni 1998 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Erstmitbeteiligte Einspruch, über den der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 31. August 2000 entschied und feststellte, dass der Erstmitbeteiligte zu den Zweit- bis Fünftmitbeteiligten ab 15. Juni 1998 in einem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2003 hat die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid von folgendem Sachverhalt aus, der auf der anschließend ebenfalls wiedergegebenen Beweiswürdigung beruht:

"(Der Erstmitbeteiligte) ist Komplementär der Kommandit-Erwerbsgesellschaft (A. KEG) ..., die seit 21.1.1993 besteht. Er ist der einzig persönlich haftende Gesellschafter und vertritt seit 21.1.1993 die Gesellschaft selbstständig. Weitere Gesellschafter sind eine Kommanditistin und vier stille Gesellschafter. (Der Erstmitbeteiligte) übt die Geschäftsführung der KEG aus. Im Innenverhältnis ist er als Arbeitsgesellschafter nicht (bzw. bis 1997 nur zu 2%) an Gewinn und Verlust beteiligt, bekommt für seine Geschäftsführertätigkeit ein regelmäßiges Entgelt und ist den stillen Gesellschaftern auf Grund ihres großen Kapitaleinsatzes in einer gewissen Weise weisungs- und kontrollunterworfen, indem er in der Gesellschafterversammlung getroffene Entscheidungen durchzuführen hat.

Am 1.6.1998 wurde mit (dem Erstmitbeteiligten) ein Geschäftsführervertrag mit Wirkung vom 15.6.1998 abgeschlossen, in dem Weisungsunterworfenheit bezüglich der Beschlüsse und Entscheidungen der Generalversammlung sowie seine disziplinäre Verantwortlichkeit normiert wird. Das vereinbarte monatliche Entgelt für 20 Stunden Wochenarbeitszeit beträgt öS 10.000,--, die einzuhaltende Arbeitszeit wurde mit einer täglichen Anwesenheitspflicht von 9-11 Uhr sowie von 13-15 Uhr festgesetzt. Eine Kündigung kann beiderseits nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes erfolgen. Dieser Vertrag wurde von (dem Erstmitbeteiligten) und stellvertretend für die Generalversammlung von einer der stillen Gesellschafterinnen unterzeichnet.

Aus der bereits im Vorverfahren vorgelegten und der Wiener Gebietskrankenkasse zur Stellungnahme gebrachten Einkommensteuererklärung des (Erstmitbeteiligten) aus dem Jahr 1998 sind sehr wohl Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in der Höhe von öS 75.000 für den Zeitraum 15.6.1998 bis 31.12.1998 angeführt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Versicherungs- und Verwaltungsakten sowie aus den (vom Erstmitbeteiligten) vorgelegten Unterlagen und Nachweisen und ist im Wesentlichen unbestritten. Zum Einwand der (Beschwerdeführerin), es lägen keine Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit vor, ist zu bemerken, dass sich die Recherchen der (Beschwerdeführerin) auf Zeiten vor 1998 beziehen, sowohl der Dienstvertrag als auch die tatsächliche Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit erst mit 1998 begannen und für diesen Zeitraum sehr wohl bereits im Vorverfahren eine Einkommensteuererklärung für 1998 vorlag, die Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit vorwies.

Die Nichtvorlage der beglaubigten Verträge zwischen den stillen Gesellschaftern und (dem Erstmitbeteiligten) sieht die Berufungsbehörde nicht als derart wesentlich an, ihre Entscheidung zu ändern, da bereits mit dem Geschäftsführervertrag ausreichende Grundlagen zur Feststellung eines Dienstverhältnisses vorliegen und in den genannten Verträgen vermutlich nichts über die Regelung des Dienstverhältnisses zu erwarten ist."

In der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde zunächst aus, dass der Erstmitbeteiligte - als einziger Komplementär - für die A. KEG vertretungsberechtigt sein müsse und eventuell andere Vereinbarungen im Innenverhältnis bei der Beurteilung der Dienstnehmer- bzw. Dienstgebereigenschaft keine Rolle spielten. Demnach scheide eine Dienstnehmereigenschaft des Erstmitbeteiligten als geschäftsführender Gesellschafter beim Dienstgeber A. KEG auf Grund der faktischen Identität von Dienstgeber (A. KEG, vertreten durch den Erstmitbeteiligten als einzigem geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Komplementär) und Dienstnehmer (der Erstmitbeteiligte als geschäftsführender Komplementär) aus. In der Folge hält die belangte Behörde fest, dass die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten "am ehesten unter § 2 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 4 GSVG subsumierbar" wäre. Dies scheitere aber daran, dass die Gesellschaft kein Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sei bzw. der Erstmitbeteiligte seine Einkünfte nicht gemäß der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG versteuere, sondern Lohnsteuer abführe. In der Folge bezieht sich die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0222, wonach für die Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Dienstgebers in Abgrenzung von sonstigen Personen, die am Betriebsergebnis interessiert oder beteiligt oder in die Beziehungen zum Dienstnehmer eingebunden sind, zunächst wesentlich ist, wer aus den im Betrieb getätigten Geschäften, zu denen auch die Beschäftigung von Personen gehört, unmittelbar berechtigt oder verpflichtet wird, wen also demnach das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Nach Wiedergabe der wesentlichen Erwägungen des zitierten Erkenntnisses kommt die belangte Behörde schließlich zu folgendem Ergebnis:

"Unter diesen Voraussetzungen sieht das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen es für möglich an, dass die stillen Gesellschafter, die eigentlich allein das ganze Kapital für die KEG einbrachten und allein gewinnbeteiligt sind, während der Komplementär und der Kommanditist lediglich ihre Arbeitskraft einbringen und im Wesentlichen auf Lohn- und nicht aus Gewinnbasis arbeiten, als faktische Gesellschaft bürgerlichen Rechts Dienstgeber (des Erstmitbeteiligten) sind, da ihnen faktisch und rechtlich wesentlicher Einfluss auf die Betriebsführung zukommt. Für diese Konstruktion spricht auch, dass der Dienstvertrag von einem stillen Gesellschafter für die Generalversammlung als Dienstgeber und (vom Erstmitbeteiligten) als Dienstnehmer unterzeichnet wurde."

Schließlich sei "im Sinne des Grundsatzes der Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung" nicht einzusehen, dass der Erstmitbeteiligte nicht Dienstnehmer der vier stillen Gesellschafter (GesbR) auf Grund des Geschäftsführervertrags vom 1. Juni 1998 sei, da die Beteiligung der stillen Gesellschafter an der KEG nicht einen Bestandteil der Kommanditerwerbsgesellschaft darstelle, sondern eine stille Gesellschaft zwischen der KEG und den stillen Gesellschaftern, da der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ASVG erfülle. Da Weisungsunterworfenheit, Kontrollunterworfenheit und Bindung an Ordnungsvorschriften über Arbeitszeit und -ort als erwiesen angenommen worden seien, ergebe sich "ein Überwiegen der Merkmale der persönlichen Abhängigkeit gegenüber den stillen Gesellschaftern als Dienstgeber". Auf Grund des Vorliegens der persönlichen Abhängigkeit scheide ein freier Dienstvertrag nach § 4 Abs. 4 ASVG aus. Dass der Erstmitbeteiligte im gegenständlichen Fall selbst auch Gesellschafter sei, spiele "nach der klaren Festlegung seiner Verpflichtungen im Geschäftsführervertrag, nach der man eindeutig von einem Dienstverhältnis ausgehen" könne, nur eine untergeordnete Rolle, da er zurzeit nicht am Gewinn der KEG beteiligt sei und trotzdem das Risiko auf sich nehme, unbeschränkt zu haften, sodass man davon ausgehen könne, dass sein wesentliches Interesse an der Erwerbstätigkeit selbst liege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet. Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. a oder b EStG 1988 oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen.

Unter einem Beschäftigungsverhältnis im hier maßgeblichen Sinne ist nach der Rechtsprechung das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 erster Satz ASVG zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4.495/A). Ob jemand in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG steht, ist daher immer in Bezug auf eine bestimmte andere Person, nämlich - vom Fall der Indienstnahme durch Mittelspersonen abgesehen - dem Dienstgeber zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1961, Slg. Nr. 5.577/A und das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A).

Gemäß § 35 Abs. 1 erster Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, auf dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Vollversicherungspflicht des Erstmitbeteiligten auf Grund dessen Tätigkeit als Geschäftsführer der A. KEG "für die stillen Gesellschafter dieser Gesellschaft" festgestellt; dies ist im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides dahingehend auszulegen, dass die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Dienstgebereigenschaft den - im angefochtenen Bescheid namentlich genannten - vier stillen Gesellschaftern (Zweit- bis Fünftmitbeteiligte) zukommen soll.

Im vorliegenden Beschwerdefall erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, der Erstmitbeteiligte stehe in einem Dienstverhältnis zu den Zweit- bis Fünftmitbeteiligten, als nicht nachvollziehbar begründet. Die belangte Behörde stützt sich in ihrer rechtlichen Beurteilung hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses des Erstmitbeteiligten zu den stillen Gesellschaftern der A. KEG lediglich auf den mit Wirkung vom 15. Juni 1998 abgeschlossenen "Geschäftsführervertrag", in dem eine Weisungsunterworfenheit "bezüglich der Beschlüsse und Entscheidungen der Generalversammlung" sowie eine "disziplinäre Verantwortlichkeit" des Erstmitbeteiligten normiert werde.

Hiezu bringt die Beschwerdeführerin - wie bereits in ihrer Berufung - zutreffend vor, dass dieser "Geschäftsführervertrag" nach seinem eindeutigen Wortlaut zwischen der A. KEG und dem Erstmitbeteiligten abgeschlossen wurde. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb die belangte Behörde davon ausgeht, dass bereits mit dem zwischen dem Erstmitbeteiligten und der A. KEG geschlossenen Vertrag "ausreichende Grundlagen zur Feststellung eines Dienstverhältnisses" zwischen dem Erstmitbeteiligten und den Zweitbis Fünftmitbeteiligten vorliegen würden, zumal sämtliche "Weisungsrechte" nach diesem Vertrag der Gesellschafterversammlung der A. KEG, nicht aber den stillen Gesellschaftern als solchen, zukommen. Es kann dahingestellt bleiben, auf welcher Grundlage die Einbeziehung der stillen Gesellschafter in die Gesellschafterversammlung der A. KEG beruht und ob bzw. auf welcher Grundlage der den Vertrag "für die Gesellschafterversammlung" der A. KEG unterzeichnenden stillen Gesellschafterin tatsächlich Vertretungsbefugnis für die A. KEG zukommt, da sich jedenfalls auch bei Annahme eines wirksamen Abschlusses dieses "Geschäftsführervertrages" daraus ein Dienstverhältnis zwischen dem Erstmitbeteiligten und den Zweitbis Fünftmitbeteiligten nicht ableiten lässt.

Im Übrigen ist die belangte Behörde auf die im Hinblick auf den Dienstgeberbegriff des § 35 ASVG entscheidungswesentliche Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb geführt wird, in dem der Erstmitbeteiligte in einem Beschäftigungsverhältnis stehen soll, nicht eingegangen und hat den Bescheid damit mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet. Gerade der "Geschäftsführervertrag", der die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten als Geschäftsführer der A. KEG regelt, würde die Annahme nahe legen, dass die von der belangten Behörde zu beurteilende Tätigkeit des Erstmitbeteiligten in dem auf Rechnung und Gefahr der A. KEG geführten Betrieb dieser Gesellschaft entfaltet wird (vgl. zur KEG als Dienstgeber die hg. Erkenntnisse vom 17. November 2004, Zl. 2002/08/0261, und vom 23. April 1996, Zl. 94/08/0073). Selbst das Vorliegen umfassender Ingerenzmöglichkeiten der Zweit- bis Fünftmitbeteiligten betreffend die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten vermöchte in diesem Fall eine Dienstnehmerstellung des Erstmitbeteiligten (in Bezug auf den Betrieb der KEG als Dienstgeber) nicht zu begründen, da dieser als nach dem Gesetz zur Geschäftsführung verpflichteter und zur Vertretung ermächtigter Komplementär der KEG selbstständig erwerbstätig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2000/08/0108).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Juni 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Selbständige Erwerbstätigkeit Abgrenzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080058.X00

Im RIS seit

22.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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