Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Kuderna und Dr.Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A Arzneimittel Gesellschaft m.b.H., Wien 9., Boltzmanngasse 11, vertreten durch Dr.Horst Reitbäck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B Drogengroßhandel Gesellschaft m.b.H., Wien 3., Marokkanergasse 20, vertreten durch Dr.Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.Juni 1985, GZ.3 R 115/85-14, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16.April 1985, GZ.37 Cg 199/85-5, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.198,-- bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin sind S 927,-- an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verbot der klagenden Partei mit einstweiliger Verfügung, Rezepturen zu vertreiben, die den von der klagenden Partei entwickelten, erzeugten und vertriebenen näher beschriebenen Rezepturen sklavisch nachgeahmt sind, insbesondere das Produkt RP 2001; ferner Beipacktexte zu verwenden, die in ihrem Wortlaut und in ihrer Aufmachung den von der klagenden Partei zu den oben genannten Produkten verwendeten Beipacktexten sklavisch nachgeahmt sind, insbesondere den Beipacktext der beklagten Partei zum Produkt RP 2001.
Das Erstgericht nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als bescheinigt an: Die beklagte Partei betreibt einen Handel mit Fütterungsarzneimitteln. Die hiebei vertriebenen Artikel sind den von der klagenden Partei entwickelten, erzeugten und vertriebenen Rezepturen genau nachgeahmt. Die von der beklagten Partei verwendeten Beipacktexte, insbesondere der für das Produkt RP 2001 verwendete Beipacktext, sind den Originalen der von der klagenden Partei verwendeten Beipacktexte mit Ausnahme von geringfügigen Änderungen und Zusätzen bis ins kleinste Detail nachgeahmt und enthalten genau dieselben von der klagenden Partei entwickelten Elemente und Zusammensetzungen. Es besteht sowohl hinsichtlich der graphischen Gestaltung dieser Texte als auch hinsichtlich ihres Inhalts Übereinstimmung. Die von der beklagten Partei verwendeten Bestandteile und Mengen der einzelnen Produktbestandteile sind mit jenen der klagenden Partei völlig identisch. Die Produktnummer wurde geringfügig geändert (RP 2001 statt RP 1001; der Firmenname der klagenden Partei wurde hiebei weggelassen).
Gleichartige Rezepturen anderer Unternehmungen sind in der graphischen Gestaltung der Beipacktexte gräßtenteils unterschiedlich; die Wahrscheinlichkeit einer derartig gleichen Zusammensetzung der Produkte ist sehr gering. Es gibt zwar Ähnlichkeiten aufgrund der allgemein bekannten Forschung, jedoch nicht eine derartige Übereinstimmung. Die Eigenart der von der klagenden Partei erzeugten Produkte liegt in der mengenmäßigen Zusammensetzung der Futtermittel aus verschiedenen chemischen Bestandteilen, die von der beklagten Partei genauestens übernommen wurde.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Beklagte habe durch die genaue Übernahme der Zusammensetzung des Produktes, sowie des Inhaltes und der Form des Beipackzettels ohne ausreichenden Grund das Erzeugnis der klagenden Partei in einer Art nachgeahmt, die zu Verwechslungen führen kann und damit gegen § 1 UWG verstoßen. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es den Sicherungsantrag abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, die klagende Partei könne für ihre Produkte keinen Sonderrechtsschutz in Anspruch nehmen. Die Herstellung von Fütterungsarzneimitteln in der gleichen Zusammensetzung eines Konkurrenzproduktes allein vermäge noch keine Herkunftsvorstellung auszuläsen. Da auf den Beipackzetteln beider Parteien in auffälliger Weise die jeweilige Firma aufscheine, sei eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Da eine Leistungsübernahme mit Hilfe eines technischen Vervielfältigungsverfahrens bei Arzneimitteln nicht in Betracht komme und hinsichtlich der Beipackzettel nicht behauptet worden sei, fehle auch das Sittenwidrigkeitselement der unmittelbaren Aneignung. Die identische Zusammensetzung der Arzneimittel sei für sich allein ebenfalls nicht sittenwidrig, zumal Umstände in der Richtung, daß die klagende Partei nicht in der Lage gewesen sei, die Früchte ihrer Arbeit ausreichend zu ziehen, nicht vorlägen. Ein Verstoß der beklagten Partei gegen den (in der Klage zur Begründung des Unterlassungsanspruches ausschließlich in Anspruch genommenen) § 1 UWG sei daher nicht bescheinigt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzielende Revisionsrekurs der klagenden Partei.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig (ÖBl 1984, 48); er ist aber nicht berechtigt.
Das Verhalten eines Unternehmers, der ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang, das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen, verstößt gegen den § 1 UWG (ÖBl 1981, 16; ÖBl 1980, 97; 4 Ob 303/85 u.a.).
Diese Voraussetzungen liegen hier weder hinsichtlich der Nachahmung des von der beklagten Partei erzeugten und vertriebenen Produktes RP 2001 noch hinsichtlich des Beipacktextes vor. Die unmittelbare Leistungsübernahme wäre hinsichtlich des vorgenannten Produktes nur dann sittenwidrig, wenn die beklagte Partei den für die Entwicklung dieses Fütterungsarzneimittels der klagenden Partei erwachsenen Kostenaufwand ausnützen und auf diese Weise für sich Vorteile auf Kosten des Mitbewerbers erzielen wollte. Da die klagende Partei für dieses Produkt keinen Sonderrechtsschutz besitzt, ist die bloße Erzeugung eines identischen Produktes, dessen Zusammensetzung dem beiliegenden Beipacktext von jedermann entnommen werden kann, an sich nicht sittenwidrig. Die klagende Partei hat in ihrem Vorbringen eine solche Ausnützung ihrer Entwicklungskosten wohl behauptet und Bescheinigungsmittel dafür angeboten, doch hat das Bescheinigungsverfahren in dieser Richtung keine Ergebnisse erbracht. Die Untergerichte haben daher auch keine Feststellungen dazu getroffen. Davon abgesehen wurde von der klagenden Partei weder behauptet noch bescheinigt, daß ein derartiges Fütterungsarzneimittel mit der gleichen Wirkung auch in einer anderen Zusammensetzung erzeugt und vertrieben werden könnte. Das von der klagenden Partei angestrebte Verbot der Erzeugung und des Vertriebes eines solchen Produktes liefe auf einen - ihr aber nicht zustehenden - monopolartigen Sonderrechtsschutz hinaus. Da somit ein sittenwidriges Verhalten der beklagten Partei nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens hier nicht vorliegt - verwechselbare Ähnlichkeit der Bezeichnungen der Produkte wurde zwar in der Klage vorgebracht, im Unterlassungsbegehren und im Sicherungsantrag aber nicht inkriminiert -, fehlt dem Sicherungsantrag in diesem Punkt die Berechtigung.
Bei den Beipackzetteln ist davon auszugehen, daß sie in der für solche Texte allgemein gebräuchlichen Form abgefaßt sind. Ihr Inhalt ist durch die Ware, deren Beschaffenheit und Zweckbestimmung vorgegeben und hat keine eigenständige Bedeutung. Über die sachliche Beschreibung der Zusammensetzung des Produktes, seiner Wirkung und der einzuhaltenden Dosierung hinausgehende auf einer zusätzlichen Leistung beruhende Angaben wie Werbetexte u.a. enthält auch der von der klagenden Partei ihrer Ware beigegebene Beipackzettel nicht, so daß eine derartige werbewirksame Ankündigung oder eine solche Gestaltung nicht übernommen werden konnten. Der Inhalt der sachlichen Beschreibung könnte aber nur geändert werden, wenn die enthaltenen Angaben unrichtig oder unvollständig blieben. Es besteht somit in dieser Hinsicht praktisch keine zumutbare Ausweichmöglichkeit. Die bloße Umstellung in der Reihenfolge der Aufzählung der einzelnen Bestandteile, Eigenschaften oder Dosierungsangaben kann nicht als erheblich angesehen werden. Die Form des Beipackzettels weist aber keinerlei Eigenart auf. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, daß sich die beklagte Partei irgendwelche ins Gewicht fallende eigene Leistungen für eine zumutbare andere inhaltliche oder formale Gestaltung ihrer Beipackzettel durch eine unzulässige Übernahme der Leistung der klagenden Partei erspart hätte. Ein konkretes Vorbringen wurde dazu von der klagenden Partei auch nicht erstattet.
Nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens liegt daher weder in dem einen noch im anderen Fall ein Verstoß gegen den § 1 UWG vor, sodaß der Unterlassungsanspruch nicht bescheinigt ist. Der Sicherungsantrag wurde daher vom Rekursgericht mit Recht abgewiesen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO begründet.
Anmerkung
E06938European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00371.85.1112.000Dokumentnummer
JJT_19851112_OGH0002_0040OB00371_8500000_000