TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/04/0042

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §52;
AVG §56;
AVG §60;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der R Gastronomie GmbH in I, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. November 2002, Ge- 442820/9-2002-Re/Str, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Diskothek in einem näher bezeichneten Standort gemäß den §§ 74 Abs. 2 und 3 und 77 GewO 1994 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin sei ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und dabei ein lärmtechnisches und ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. Der lärmtechnische Amtssachverständige habe folgendes Gutachten erstattet (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde zunächst am 11. 9. 2002 ein Ortsaugenschein durchgeführt. Demzufolge ist festzustellen, dass die geplante Diskothek in einem Gewerbegebiet betrieben werden soll. Dazu soll ein leerstehendes Betriebsgebäude adaptiert werden. Zusätzlich zu den baulichen Maßnahmen beim Gebäude ist auch die Errichtung von PKW-Stellplätzen vorgesehen. Laut den Planungsunterlagen sind insgesamt 199 Stellplätze geplant, wobei diese vor allem westlich des Betriebsgebäudes situiert sind (121 Stellplätze). Der Betriebsanlagenstandort befindet sich im Nahbereich der B 309 Innviertler Ersatzstraße und ist von verschiedenen Betrieben umgeben. Zwei der umliegenden Betriebe, und zwar D. und T., haben bei ihren Betriebsgebäuden auch einen Wohnbereich angeschlossen. Die beurteilungsrelevanten Nachbarbereiche wurden im erstinstanzlichen Verfahren bereits definiert und sind diese bei der Familie D. der Wintergarten und bei der Familie T. das Schlafzimmer. Die durchgeführten messtechnischen Erhebungen der Ist-Situation ergaben im Wintergarten D. bei gekippter Terrassentür in den Nachtstunden einen Grundgeräuschpegel von LA,95 = 21,0 dB, einen Dauerschallpegel von LA,eq = 32,4 dB und einen Spitzenpegel von LA,1 = 42,5 dB. Diese Geräuschsituation ist durch den Verkehr auf der vorbeifahrenden Bundesstraße bestimmt.

Im Schlafzimmer der Wohnung T. im 1. Obergeschoss wurde bei geöffnetem Fenster ein ebenfalls durch Straßenverkehr bestimmter

Grundgeräuschpegel von LA,95 = 32,5 dB, ein Dauerschallpegel von

LA,eq = 41,4 dB und ein Spitzenpegel von LA,1 = 51,5 dB gemessen.

Die schalltechnischen Auswirkungen vom Betrieb der geplanten Diskothek sind im medizinischen Gutachten von Univ. Doz. Mag. Dr. G H dargestellt. Den Hauptanteil an der prognostizierten Lärmbelastung hat der Parkplatzverkehr. Dieser wurde nach den Grundsätzen der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz, 3. Auflage, berechnet. Die Prognoserechnungen ergaben für den Wintergarten D. einen Beurteilungspegel von 21 bis 25 dB und einen Spitzenpegel von 33 dB, für das Schlafzimmer T. bei geöffnetem Fenster einen Beurteilungspegel von 41 dB und einen Spitzenpegel von 39 dB. Zu den Prognoserechnungen nach der zitierten Parkplatzlärmstudie ist festzustellen, dass diese für die Berechnung des Beurteilungspegels (Dauerschallpegel) die Besonderheiten bestimmter Parkplatztypen in Form von Zuschlägen berücksichtigt. Die Besonderheiten eines Diskothekenparkplatzes ist das häufig lautstarke Unterhalten von Personen, das laute Aufdrehen von Autoradios und das heftige Zuschlagen von Autotüren. Der Zuschlag für einen Diskothekenparkplatz beträgt 5 dB und wurde dieser bereits berücksichtigt.

Es kann in der Folge der Feststellung des schalltechnischen Projektanten jedoch nicht gefolgt werden, dass die Berücksichtigung eines Zuschlages zum Dauerschallpegel für besondere Ereignisse eine gesonderte Betrachtung von Spitzenpegeln ausschließt. Wie in vielen anderen Bereichen ist ein Geräusch nicht nur durch einen Dauerschallpegel gekennzeichnet und ausreichend beschrieben, sondern auch durch allenfalls vorhandene Schallpegelspitzen. Es bedarf daher sehr wohl einer eigenen Betrachtung der im Bereich der Diskothek und hier vor allem im Bereich des Parkplatzes entstehenden Spitzenpegel. Wie in den letzen Jahren in steigendem Ausmaß zu beobachten ist, halten sich im Parkplatzbereich laufend Personen auf. Neben dem reichlichen Konsum von Alkohol aus dem Kofferraum wird das Autoradio aufgedreht und es erfolgen teils sehr lautstarke und intensive Unterhaltungen.

Der in diesem Zusammenhang vom Gewerbetechniker angesetzte Schallleistungspegel von 88 dB in 1 m Abstand kann nicht schlüssig nachvollzogen werden. Ein schlüssiger Ansatz des bei lauter angeregter Unterhaltung entstehenden Spitzenpegels ist nach der ÖNORM S 5012 "Schalltechnische Grundlagen für die Errichtung von Gastgewerbebetrieben, vergleichbaren Einrichtungen sowie den damit verbundenen Anlagen" möglich. So wird beispielsweise bei angeregter Unterhaltung mit Lachen ein LW,A = 102 dB in dieser ÖNORM S 5012 angegeben. Aus diesem Ansatz errechnet sich im Schlafzimmer T. ein Spitzenpegel von 54 dB vor dem Fenster bzw. von 45 dB im Schlafzimmer bei geöffnetem Fenster.

Aus lärmschutztechnischer Sicht ist zusammenfassend festzustellen, dass durch den Bereich der Diskothek, vor allem durch den Parkplatzverkehr bzw. durch die Aktivitäten am Parkplatz nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Liegenschaft T. (bestehendes Schlafzimmer in Richtung Parkplatz) zu erwarten sind. Zum einen wird die örtliche Ist-Situation, die durch den Straßenverkehr bestimmt ist, um rund 3 dB angehoben. Zum anderen treten auch Spitzenpegel auf, die in einer Größenordnung von 45 dB liegen und damit deutlich wahrnehmbar sind. Es sind zwar vom bestehenden Straßenverkehr ebenfalls Spitzenpegel vorhanden (in einer Größenordnung von 52 dB), jedoch ist ein deutlicher Unterschied in der Geräuschcharakteristik gegeben. Ein Spitzenwert einer Fahrbewegung ist geprägt durch ein langsames Ansteigen und nach Erreichen des Maximalwertes wieder ein langsames Abfallen. Der durch Rufe, Lachen, Schreie und dergleichen verursachte Spitzenwert ist ein kurzzeitiges plötzlich auftretendes Ereignis. Eine gesonderte Betrachtung der am Parkplatz durch Personenunterhaltung entstehenden Schallpegelspitzen wird aus den vorstehenden Gründen jedenfalls für notwendig erachtet."

Auf Grund dieses Gutachtens habe der medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten u.a. ausgeführt, von der Weltgesundheitsorganisation werde zur Sicherung eines erholsamen Schlafes ein äquivalenter Dauerschallpegel von weniger als 35 dB LA,eq im Rauminneren angegeben. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um Mittelungspegel handle, bei denen eine besondere Charakteristik des Störgeräusches unberücksichtigt bleibe. Weiters habe der Gutachter ausgeführt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Im Schlafzimmer T. ist jetzt schon der Richtwert für einen erholsamen Schlaf von 35 dB LA,eq überschritten. Es sollte daher nach Maßgabe obiger Ausführungen zumindest zu keiner Verschlechterung der Lärmsituation kommen. Eine Veränderung kann sich durch Anhebung des Lärmpegels oder Änderung der Geräuschcharakteristik ergeben.

Die Berechnungen ergeben eine Erhöhung des Lärmpegels um rd. 3 dB. Es wird außerdem zu einer merklichen Änderung der Lärmcharakteristik kommen, nämlich dahingehend, dass immer wieder -

informationshältiger Lärm - Gesprächslärm im Schlafraum wahrzunehmen sein wird.

Als Reaktion des vegetativen Nervensystems können beispielsweise Veränderungen des Herz-Kreislaufsystems mit erhöhtem Blutdruck auftreten sowie durch die Einschlafstörungen eine abnehmbare Leistungsfähigkeit. Derartige Veränderungen stellen eher Schwankungen in physiologisch funktionellem Sinn dar. Der Organismus wird in Alarmbereitschaft versetzt. Dies ist als adäquate Reaktion auf eine äußere Bedrohung zu werten.

Ruhe und Entspannungsphasen werden bei immer wiederkehrendem Auftreten des Störlärms in nachhaltiger Weise gestört. Es kommt dabei ein Stress-Mechanismus zum Tragen, der zumindest einen Co-Faktor für die Entstehung von Krankheiten bei gefährdeten Personen darstellen kann."

Diesen in sich widerspruchsfreien und schlüssigen Gutachten schließe sich die belangte Behörde an. Aus diesen ergebe sich im Schlafzimmer T. bei geöffnetem Fenster ein Spitzenpegelwert von 45 dB.

Die Berufungswerberin biete in ihrer Berufung an, wie bei "vergleichbaren Projekten" Hundeführer auf den Parkplätzen patrouillieren zu lassen. Aus Sicht der Berufungsbehörde bedürfe es jedoch keines weiteren Beweises für die Feststellung, dass private patrouillierende Hundeführer, welche mit keinerlei hoheitlicher oder polizeilicher Gewalt ausgestattet seien, in der Praxis keine Gewähr dafür bieten könnten, auf einem Großparkplatz mit bis zu 200 Kraftfahrzeugen vor einer Diskothek mit bis zu 1000 Besuchern für Ruhe zu sorgen. Derartige allenfalls patrouillierende private Personen könnten jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit unzumutbare oder gesundheitsgefährdende Lärmstörungen auf dem Parkplatz hintanhalten. Vielmehr seien beim Einschreiten derartiger nicht autorisierter "Organe" zusätzliche lautstarke Auseinandersetzungen zu befürchten. Überdies müssten Auflagen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, bestimmt, geeignet und behördlich erzwingbar sein, wobei es der Behörde verwehrt sei, durch Auflagen dritte Personen zu verpflichten. Die Gewerbebehörde habe keine Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit der von der Berufungswerberin vorgeschlagenen privaten Wacheorgane, die in einem vertraglichen Verhältnis zur Betriebsanlageninhaberin stünden. Die Verpflichtung von privaten Wacheorganen könne daher mittels Auflage nicht zulässigerweise vorgeschrieben werden.

Zum Vorbringen, beim Messpunkt der Familie T. liege der gemessene Dauerschallpegel bereits jetzt bei 41,4 dB und somit wesentlich über dem von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Wert von 35 dB, somit sei ein erholsamer Schlaf bereits jetzt nur mit geschlossenem Fenster denkbar, sei auszuführen, dass bei einer bestehenden Lärmsituation, welche die Zumutbarkeitsgrenze bereits überschreite, jede weitere Erhöhung hintan zu halten sei.

In der GewO seien keine Anhaltspunkte dahingehend vorhanden, dass Nachbarn im Grunde des § 75 GewO 1994 in Betriebswohnungen anders zu beurteilen seien als solche, die nicht in Betriebswohnungen wohnten, andererseits dürfe auch im Betriebsbaugebiet jedenfalls eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen nicht zugelassen werden. Die im abschließenden ergänzenden Ermittlungsverfahren von der Berufungswerberin eingeholte Stellungnahme enthalte im Wesentlichen Argumente, die bereits in der Berufungsschrift enthalten seien und träten den ergänzenden Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Daher sei auch eine weitere mündliche Verhandlung, wie von der Genehmigungswerberin beantragt, nicht erforderlich gewesen.

Die belangte Behörde komme auf Grund der vorliegenden Sachverständigengutachten zur Auffassung, dass durch den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage, insbesondere den zugehörigen Parkplatz, Lärmimmissionen aufträten, die bei Nachbarn zu gesundheitlichen Gefahren führen könnten. Derartige Lärmimmissionen könnten mit Auflagen, die nicht in das Wesen der Betriebsanlage eingriffen, nicht eingeschränkt werden. Außer dem Vorschlag der Genehmigungswerberin, private Wachpersonen auf dem Parkplatz patrouillieren zu lassen, was kein taugliches Instrument für eine verlässliche Verhinderung solcher Lärmimmissionen sei, seien weitere Vorschläge, welche im Rahmen von Projektsänderungen (wie z.B. Errichten von Lärmschutzeinrichtungen, Verkleinerungen der Anlage etc.) eventuell einen Einfluss auf die zu beurteilende Lärmsituation haben könnten, von der Genehmigungswerberin nicht beigebracht worden und sei es nicht Aufgabe der Behörde, derartige Projektsänderungen vorzuschlagen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung verletzt.

Sie bringt hiezu vor, in dem von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachten des Univ. Doz. Mag. Dr.  H. sei als Hauptanteil für die prognostizierte Lärmbelastung der Parkplatzverkehr ausgewiesen worden. Dieser sei in diesem Gutachten nach den Grundsätzen der Parkplatzlärmstudie des Bayrischen Landesamtes für Umweltschutz (3. Auflage) mit einem Zuschlag für einen Diskothekenparkplatz von 5 dB berücksichtigt worden. Der Amtssachverständige habe dagegen bei der Berechnung des Spitzenpegels die ÖNORM S 5012 "Schalltechnische Grundlagen für die Errichtung von Gastgewerbebetrieben, vergleichbaren Einrichtungen sowie den damit verbundenen Auflagen" und den dort genannten, höchsten für Gastgärten ausgewiesenen, "maximalen Schallleistungspegel" von 102 dB herangezogen. Ausschließlich auf dieser Basis sei der Spitzenpegel von 45 dB im Schlafzimmer T. bei geöffnetem Fenster errechenbar. Die Versagung der beantragten gewerberechtlichen Genehmigung werde von der belangten Behörde ausschließlich mit diesem Gutachten des technischen Amtssachverständigen und der von diesem vorgenommen Heranziehung von "völlig unsachlichen Spitzenpegelwerten" begründet, während u.a. derselbe Amtssachverständige in "vergleichbaren Gewerberechtsverfahren" ausschließlich die Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz als Beurteilungsmaßstab herangezogen habe. Der nach Kenntnis der Beschwerdeführerin ausschließlich im vorliegenden Verfahren herangezogene Spitzenwert von 102 dB aus der ÖNORM S 5102 stelle eine sachlich ungerechtfertigte Willkür der belangten Behörde dar und bewirke die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde habe auch keinen Nachweis erbracht, dass die herangezogene ÖNORM S 5012 "Verkehrssitte" geworden sei.

Die Beschwerdeführerin habe als Standort der geplanten Diskothek bewusst ein Gewerbegebiet ausgesucht. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Belästigung sei bei einem Gewerbegebiet ein weniger strenger Maßstab anzulegen als in einem reinen Wohngebiet. Der ausschließlich relevante Beurteilungsmaßstab sei die oberösterreichische Grenzwerteverordnung, die für Betriebsgebiete in der Nacht einen Grenzwert von 55 dB normiere.

Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Gutachten spreche ausschließlich "von möglichen Belästigungseffekten", nicht jedoch von über Belästigungen hinausgehenden "Gefährdungen". Gewisse Belästigungen seien nach der GewO aber jedenfalls zulässig. Im Schlafzimmer T. sei bereits jetzt der Richtwert für erholsamen Schlaf von 35 dB überschritten und überstiegen die Lärmspitzen des Straßenverkehrs die zu erwartenden Lärmspitzen aus der beantragten Betriebsanlage wesentlich. Es sei daher rechtswidrig, die Werte auf Basis eines geöffneten Fensters zu errechnen. Überdies wäre der prognostizierte Spitzenpegel von 45 dB bei geöffnetem Fenster gemäß ÖAL-Richtline Nr. 3 im Betriebsbaugebiet zulässig.

Die Behörde erster Instanz sei in ihrem Bescheid von den von ihr in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zum Nachteil der Beschwerdeführerin abgewichen, ohne selbst das notwendige Fachwissen zu haben. Sie habe - in der Beschwerdeschrift ausführlich dargelegte - Einwände der Beschwerdeführerin gegen diese Sachverständigengutachten nicht berücksichtigt, die daher in der Berufung gegen den Bescheid erster Instanz neuerlich vorgebracht worden seien. Weite Bereiche "des angefochtenen Bescheides erster Instanz" beruhten offensichtlich auf falschen Annahmen und führten daher zu falschen Schlussfolgerungen. Auch die belangte Behörde habe sich mit den Argumenten der Berufung der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt.

Dass für den Parkplatz der beantragten Betriebsanlage keine geeigneten Auflagen erteilt werden könnten, sei unrichtig. Durch die vorgeschlagene Auflage, einen Wachdienst bzw. Ordnerdienst zu organisieren, werde ausschließlich die Konsenswerberin verpflichtet, nicht jedoch dritte Personen. Diese Auflage sei daher sehr wohl behördlich erzwingbar. Es wären auch Auflagen wie etwa die zeitweise Sperre bestimmter Parkplatznahbereiche zu Nachtzeiten denkbar. Die Ausführungen der belangten Behörde betreffend möglicher lautstarker Auseinandersetzungen mit einem Ordnerdienst seien gänzlich irrelevant. Es sei unzulässig, bereits von vornherein als Beurteilungsmaßstab die Annahme zu vertreten, dass Auflagen nicht erfüllt werden würden. Warum ein entsprechender Wachdienst keine geeignete Auflage sei, werde im Bescheid erster Instanz nicht begründet. Die Behörde erster Instanz wäre auch verpflichtet gewesen, andere Auflagen zu prüfen. Der "angefochtene Bescheid erster Instanz" beruhe daher insgesamt auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung.

2. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst (u. a.) geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Gemäß § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, ist gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

3. Die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auszuüben vermögen.

Dabei gehört es grundsätzlich zu den Aufgaben des gewerbetechnischen Sachverständigen, sich in einer die Schlüssigkeitsprüfung ermöglichenden Weise nicht nur über das Ausmaß, sondern auch über die Art der zu erwartenden Immissionen zu äußern und in diesem Zusammenhang darzulegen, ob und gegebenenfalls welche Eigenart einem Geräusch (z.B. Impulscharakter, besondere Frequenzzusammensetzung, Informationshältigkeit) unabhängig von seiner Lautstärke anhaftet. Demgegenüber hat der ärztliche Sachverständige auch dann, wenn hinsichtlich der Klangcharakteristik subjektive Wahrnehmungen von Bedeutung sein können, vor allem von den objektiven durch den gewerbetechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten aufgenommenen Beweisen auszugehen.

Erst sachverständig fundierte Feststellungen über den Charakter der erhobenen Lärmereignisse und der damit verbundenen Lärmspitzen ermöglichen eine Abklärung aus medizinischer Sicht, welche Auswirkungen diese Immissionen ihrer Art und ihrem Ausmaß nach auf den menschlichen Organismus auszuüben vermögen (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0001, mwN).

4. Insoweit sich die Beschwerde gegen die im Verfahren vor der Behörde erster Instanz ergangenen Sachverständigengutachten wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ausdrücklich (auch) auf die im ergänzenden Ermittlungsverfahren eingeholten lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigengutachten stützt und diese ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat.

5. Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen das von der belangten Behörde eingeholte lärmtechnische Gutachten und hält diesem das von ihr im Berufungsverfahren vorgelegte lärmtechnische Gutachten des Privatsachverständigen Univ. Doz. Mag. Dr.  H. entgegen. Der Amtssachverständige übernimmt in seinem Gutachten auch die wesentlichen Aussagen dieses Privatsachverständigen zu den schalltechnischen Auswirkungen der beantragten Betriebsanlage und folgt diesem auch darin, dass nach den Grundsätzen der Parkplatzlärmstudie des Bayrischen Landesamtes für Umweltschutz für die Berechnung des Dauerschallpegels ein Zuschlag von 5 dB für den Lärm eines Diskothekenparkplatzes vorzunehmen ist. Darüber hinaus hält der Amtssachverständige jedoch eine weitere gesonderte Beurteilung von Spitzenpegeln für erforderlich, da ein Geräusch nicht nur durch einen Dauerschallpegel, sondern auch durch vorhandene Schallpegelspitzen gekennzeichnet ist und führt dann die bei Diskotheken in den letzten Jahren zu beobachtenden Lärmcharakteristika auf. Diese Ausführungen sind - auch im Hinblick auf die unter 4. dargelegte hg. Rechtsprechung zur Notwendigkeit sachverständig fundierter Feststellungen über den Charakter der erhobenen Lärmereignisse und der damit verbundenen Lärmspitzen - nicht als unschlüssig zu erkennen. Sie wurden im Übrigen von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde nicht (mehr) auf gleicher fachlicher Ebene bestritten (vgl. zum Erfordernis der Entgegnung auf gleicher fachlicher Ebene das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2002/04/0124, mwN). Von diesem Erfordernis kann auch der Umstand nicht befreien, dass die Behörde dem Ersuchen der Beschwerdeführerin auf Abhaltung einer Besprechung des lärmtechnischen Amtssachverständigen mit dem Privatsachverständigen zur Abklärung unterschiedlicher Berechnungsansätze nicht nachgekommen ist.

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang einwendet, es sei rechtswidrig, die zu erwartenden Lärmemissionen auf Basis eines geöffneten Fensters zu errechnen, so ist sie darauf hinzuweisen, dass ein bestimmtes, dem Schutz vor Emissionen dienendes Verhalten der Nachbarn vom Gesetz nicht normiert ist und es dem Nachbarn daher unbenommen bleiben muss, z.B. seine Fenster zu öffnen oder zu schließen (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 564, Rz. 13 zu § 77 GewO 1994 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

6. Die Beschwerde wendet sich auch gegen das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Gutachten und bringt vor, mit diesem Gutachten seien lediglich Belästigungen, nicht jedoch Gefährdungen durch die geplante Betriebsanlage festgestellt worden.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann die Auffassung der belangten Behörde, dieses medizinische Gutachten belege, dass die von der beantragten Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen eine Gefährdung der Gesundheit der Anrainer T. befürchten ließen, nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal dieses festhält, dass es bei den Anrainern T. aus medizinischer Sicht zumindest zu keiner Verschlechterung der Lärmsituation kommen solle und auf Grund der zu erwartenden Steigerung der Lärmsituation der Organismus als Reaktion des vegetativen Nervensystems in Alarmbereitschaft versetzt wird, was "als adäquate Reaktion auf eine äußere Bedrohung zu werten" sei.

Zudem ist die Beschwerde diesen nicht als unschlüssig zu erkennenden sachverständigen Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

7. Soweit die Beschwerde geltend macht, auf Grund des Standortes der geplanten Betriebsanlage in einem "Betriebsgebiet" sei für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Belästigung ein weniger strenger Maßstab anzulegen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Lösung der Frage, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Emissionen eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1und 2 GewO 1994 bewirken, nicht von der Widmung des Betriebsstandortes im Flächenwidmungsplan abhängt (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., 580, Rz. 35 zu § 77 GewO wiedergegebene hg. Rechtsprechung zur Rechtslage des § 77 Abs. 2 in der Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 1988). Da nach dieser Rechtslage allein auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse abzustellen ist, geht auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Oberösterreichische Grenzwertverordnung, LGBl. Nr. 22/1995, fehl.

8. Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die Auffassung der belangten Behörde, die von ihr vorgeschlagene Auflage des Einsatzes eines Wach- bzw. Ordnerdienstes sei, da sie sich an Dritte richte, nicht zulässig und weiters nicht geeignet, um die vom Parkplatz der projektierten Anlage ausgehenden Lärmimmissionen zu unterbinden. Es ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass die Vorschreibung einer derartigen Auflage ausschließlich die Projektswerberin und nicht Dritte verpflichten würde und daher nach der von der Behörde angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken begegnen würde (vgl. hiezu die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., 570, Rz. 17 zu § 77 GewO 1994 angeführte hg. Rechtsprechung). Dennoch lässt die Beschwerde Ausführungen darüber vermissen, warum die Auffassung der Behörde unrichtig sei, angesichts der Größe des projektierten Parkplatzes (für bis zu 200 PKW und bis zu 1000 Besucher der Diskothek) und der zu erwartenden zusätzlichen lautstarken Auseinandersetzungen mit dem von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Wach- bzw. Ordnerdienst, sei die vorgeschlagene Massnahme nicht geeignet, unzumutbare oder gesundheitsgefährdende Lärmstörungen durch die nächtliche Benutzung des Parkplatzes hintan zu halten.

Sofern die Beschwerde einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides behauptet, weil sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob andere Auflagen geeignet wären, die zu erwartenden, gesundheitsgefährdenden Lärmstörungen zu vermeiden und somit die Genehmigungsfähigkeit des Projektes herzustellen, hat sie die gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 lit. c VwGG erforderliche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan, da sie ein konkretes Vorbringen vermissen lässt, welche Auflagen die Behörde nun hätte vorschreiben sollen, um die Genehmigungsfähigkeit des vorliegenden Projektes zu erreichen.

9. Da sich die Beschwerde daher insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs.1 VwGG abzuweisen.

10. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Juni 2005

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Sachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003040042.X00

Im RIS seit

18.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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