TE OGH 1985/11/13 1Ob683/85

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Veröffentlicht am 13.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula A, Pensionistin, Graz, Rosenberggasse 52, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster und Dr. Hans Günther Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Hannes B, Pensionsinhaber, Thärl, Fälz 322, vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 291.410,94) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19.Juli 1985, GZ 7 R 120/85-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21.Mai 1985, GZ. 9 Cg 108/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr der Beklagte aus dem Titel des Darlehens einen Betrag von S 291.410,94 schulde. Sie führt zur Begründung aus, sie habe dem Beklagten, ihrem Neffen zweiten Grades, mehrere Darlehen im Gesamtbetrag von S 495.410,40 gewährt, wobei die Möglichkeit sofortiger Fälligstellung vereinbart worden sei. Sie habe dem Beklagten erklärt, daß vom vorgenannten Betrag je S 100.000,-- an Elisabeth C bzw. Professor Ernst D zu bezahlen seien. Der Beklagte, der einen Betrag von S 4.000,-- bezahlt habe, habe am 20.April 1984 einen Schuldschein folgenden

Wortlautes ausgestellt: 'Unsere Tante, Frau Paula A, hat am Karfreitag, dem 20.April 1984 in Aflenz-Kurort in ihrer großen, einmaligen Güte im Einvernehmen und in Anwesenheit mit Frau

Elisabeth C und deren Tochter folgende Entscheidung getroffen: Ich, Hannes Vasold, schulde meiner Tante ab Ende 1984

noch S 200.000,--. Diese S 200.000,-- sind in den Jahren 1985 und 1986 zinsenfrei je zur Hälfte an Frau Elisabeth C, Brunnengasse 39, 1160 Wien, und an Herrn Professor Ernst Straka, Oberhofallee 376, 8911 Admont zu bezahlen.' Der Beklagte habe Anfang März 1985 unter Berufung auf den Wortlaut des Schuldscheins behauptet, daß ihm der Darlehensrest von S 291.410,94 erlassen worden sei. Der Schuldschein sei von ihm verfaßt worden, es sei ihr nicht aufgefallen, daß darin davon die Rede sei, daß der Beklagte 'noch' S 200.000,-- schulde. Ein Schulderlaß sei nicht erklärt worden.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung des Rechtsverhältnisses bestehe nicht, weil sie Leistungsklage erheben könne. Er habe von der Klägerin Darlehen in Höhe von S 497.083 erhalten und Beträge in Höhe von S 435.639,43 zurückbezahlt, weiters werde er in den Jahren 1985 und 1986 je S 100.000,-- an Elisabeth C und Professor Ernst D bezahlen. Der Rest der erhaltenen Darlehenssumme sei ihm in Gegenwart seines Sohnes und seiner Gattin erlassen worden.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Da die Klägerin nach dem Klagsvorbringen berechtigt sei, das noch aushaftende Darlehen jederzeit fälligzustellen, habe sie den Weg der Leistungsklage und nicht den der Feststellungsklage zu beschreiten. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung sei zu verneinen, weil mit der Leistungsklage der Feststellungsanspruch ausgeschöpft werde. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision zulässig ist. Ein Gläubiger, insbesondere ein Darlehensgläubiger, könne ein rechtliches Interesse daran haben, daß ein von ihm gewährtes Darlehen, das einem Schuldner bester Bonität zu günstigen Konditionen gewährt wurde, nicht vorzeitig zurückbezahlt werde. Wollte man in einem derartigen Fall den Gläubiger sofort auf eine Leistungsklage verweisen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, daß es ein rechtswidrig handelnder Schuldner in der Hand hätte, durch Verletzung seiner Verpflichtung den Gläubiger zu einem nachteiligen Handeln zu zwingen. Nach den Klagsbehauptungen sei zwischen den Streitteilen vereinbart worden, daß die Klägerin berechtigt sei, das Darlehen sofort fällig zu stellen. Vor Fälligstellung des Darlehens falle dem Schuldner eine Verzögerung im Sinne des § 1334 ABGB nicht zur Last. Damit sei aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Schuldner nicht auch vor einer solchen Fälligstellung zur Zahlung seiner Verbindlichkeit berechtigt sei. Es sei zwischen der Einforderbarkeit einer Forderung durch den Gläubiger und der Zahlbarkeit der Schuld durch den Schuldner zu unterscheiden. Auch nach Koziol-Welser, Grundriß 6 I 178 sei der Gläubiger zur Annahmeverweigerung wegen vorzeitiger Zahlung nur bei solchen Forderungen berechtigt, in Ansehung deren ein bestimmter Zahlungstermin vereinbart worden sei, nicht jedoch bei Forderungen, die im Sinne des § 1417 ABGB einer Fälligstellung bedürfen. Sei der Beklagte aber ohnehin berechtigt, das Darlehen jederzeit zurückzuzahlen, so könne auch der Klägerin kein rechtlich schützenswertes Interesse daran zugestanden werden, statt der ihr nach eigenen Behauptungen jederzeit möglichen Leistungsklage bloß ein Feststellungsbegehren zu erheben. Demnach sei das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung zu.

Die Revision ist zulässig, weil der Frage, ob ein Darlehensgläubiger vor Fälligkeit eines Darlehens berechtigt ist, die klageweise Feststellung des Bestandes der Darlehensforderung zu begehren oder aber nach Aufkündigung des Darlehens Leistungsklage zu erheben habe, nicht nur im Einzelfall, sondern allgemeine zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO).

Mit der Feststellungsklage (§ 228 ZPO) begehrt der Kläger die urteilsmäßige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde. Die Feststellungsklage soll zumeist vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist daher nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergibt sich, daß eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers vorausgesetzt wird (Fasching, Lehr- und Handbuch, Rz 1072), die darin gelegen sein kann, daß der Beklagte den klägerischen Anspruch verneint (Fasching a. a.O. Rz 1098). Es entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß die Feststellungsklage insofern subsidiär ist, als sie nur zulässig ist, wenn keine anderen oder nur wesentlich unäkonomischere Mittel zur Rechtsverfolgung zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit der Leistungsklage schließt demnach, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, die Feststellungsklage aus, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird (Fasching a.a.O. Rz 1101; SZ 55/139; SZ 48/86; JBl 1966, 618; JBl 1959, 184). Ist der gesamte Leistungsanspruch aus einem streitigen Rechtsverhältnis fällig, ist die Feststellungsklage unzulässig, weil mit der Leistungsklage das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird (JBl 1966, 618; Fasching a.a.O. Rz 1101); sind andererseits noch nicht alle Ansprüche fällig, ist die Feststellung des gesamten zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses als zulässig zu erachten (SZ 18/161). Der Oberste Gerichtshof hat auch ausgesprochen, daß die Möglichkeit, zu einem in Zukunft liegenden Zeitpunkt eine Leistungsklage zu erheben, die Einbringung einer Feststellungsklage nicht hindert, wenn nur ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtes besteht (MietSlg 34.728); unter dieser Voraussetzung steht die mangelnde Fälligkeit des Leistungsanspruchs der Feststellungsklage nicht entgegen (7 Ob 632/80; 5 Ob 120/72; MietSlg 16.658).

Nach dem Klagsvorbringen wurde für die Rückzahlung des behaupteten Darlehensrests kein bestimmter Termin vereinbart, die Klägerin hat sich nur die Möglichkeit jederzeitiger Aufkündigung des Darlehens vorbehalten. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß ein Darlehensgläubiger ein Interesse daran haben kann, daß ein (verzinsliches) Darlehen vom Schuldner nicht vorzeitig zurückbezahlt wird. Der Gläubiger ist aber auch nicht gehalten, die Aufkündigung des Darlehens nur deshalb zu bewirken, um gegenüber dem die Darlehensschuld bestreitenden Schuldner die Klarstellung des Bestehens der Schuld herbeizuführen. Die in der Bestreitung des klägerischen Anspruchs gelegene Rechtsgefährdung der Klägerin ist vielmehr ausreichende Grundlage für die Annahme eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung, daß der Beklagte aus dem Titel des Darlehens einen bestimmten Betrag schuldet. Diese Rechtsgefährdung wird auch nicht beseitigt, wenn es zutreffen sollte, daß der Beklagte berechtigt wäre, das Darlehen auch ohne Aufkündigung seitens der Klägerin zu einem ihm genehmen Zeitpunkt zurückzubezahlen, bestreitet er doch, daß er der Klägerin den strittigen Betrag noch schulde, indem er sich auf einen Erlaß der restlichen Darlehensschuld beruft; eine Rückzahlung des Darlehensrestes wird von ihm daher gar nicht ins Auge gefaßt. Unter diesen Umständen ist das rechtliche Interesse der Klägerin an der Feststellung des Bestandes der von ihr behaupteten Darlehensschuld zu bejahen.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E06889

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00683.85.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19851113_OGH0002_0010OB00683_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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