Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm A, Geschäftsmann, Wien 8., Josefstädterstraße 74/12, vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Walter B, Landwirt, St. Ruprecht an der Raab, Dörfl 22, vertreten durch Dr. Alfred Gorscheg, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen 340.000 S s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1985, GZ 2 R 97/85-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 30. Jänner 1985, GZ 24 Cg 27/84-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.253,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.030,35 S Umsatzsteuer und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückzahlung eines Darlehens von 340.000 S, das er diesem am 17. und 18.Dezember 1983 in drei Teilbeträgen zugezählt habe.
Der Beklagte bestritt die Zuzählung des Darlehens und wendete außerdem ein, der Kläger habe ihn am 17.Dezember 1983 mit der Verheißung, er werde nach Inkassi einen Teil der Bestandzinsschuld an den Beklagten abtragen, zu einer Fahrt nach Wien veranlaßt. Dort sei es in einer Wohnung zu einem Gelage gekommen, in dessen Verlauf der Beklagte schwer betrunken geworden sei. Am Nachmittag des folgenden Tages habe ihm der Kläger einen Barbetrag von 20.000 S zur teilweisen Abstattung der Bestandzinsschuld übergeben, was er diesem auch schriftlich bestätigt habe. Von der Überlassung weiterer Barbeträge und der Unterfertigung von Schuldscheinen wisse der Beklagte nichts, er habe sich am nächsten Tag auch nicht im Besitz solcher Beträge befunden. Nur vorsichtshalber wende er seine Bestandzinsforderung von 214.000 S zur Aufrechnung ein. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger sei ein säumiger Zahler und berichtige auch seine Bestandzinsschuld an den Beklagten nur äußerst schleppend. Er befinde sich stets in finanziellen Schwierigkeiten; gegen ihn seien zahlreiche Exekutionen anhängig. Etwa eine Woche vor dem 17.Dezember 1983 habe der Beklagte die rückständigen Bestandzinse, deren Einforderung auch Gegenstand des beim Erstgericht anhängigen Verfahrens 12 Cg 66/84 sei, beim Kläger fernmündlich eingemahnt; dieser habe ihm bedeutet, er habe zwar kein Geld, werde ihn aber demnächst besuchen. Tatsächlich habe er ihn am 17.Dezember 1983 gegen 18 Uhr in Begleitung Peter C in seinem Anwesen aufgesucht und etwa zwei Stunden später aufgefordert, ihn nach Hartberg zu einem Inkasso zu begleiten; danach werde er einen Teil der Bestandzinsschuld begleichen. Peter D sei zurückgeblieben. Sowohl in Hartberg als auch später in Eisenstadt sei es dem Kläger nach seiner Darstellung nicht gelungen, bei Kunden Geld aufzutreiben. Darauf habe er den Beklagten eingeladen, mit ihm nach Wien, wo er eine Wohnung habe, weiterzufahren; dort werde er schon zu Geld kommen. Gegen 21 Uhr seien die beiden in Wien eingetroffen und hätten in zwei Gasthäusern große Mengen alkoholischer Getränke genossen; der Beklagte, der Alkoholiker sei, sei zudem schon alkoholisiert gewesen, als sie von seinem Anwesen aufgebrochen seien. Schließlich habe der Kläger den schon ziemlich betrunkenen Beklagten aufgefordert, zu ihm in seine Wohnung zu kommen. Der Beklagte habe sich eingeladen gefühlt, vor allem sei er der Überzeugung gewesen, für die Konsumation werde der Kläger aufkommen. In der Wohnung in der Hebragasse hätten sich schließlich sechs Personen eingefunden, darunter auch die Prostituierte Susanne E und die Lebensgefährtin des Klägers. Es sei zu einem Gelage gekommen, in dessen Verlauf der Beklagte durch 'enormen' Alkoholkonsum - Champagner, Sekt und harte Getränke - schließlich derart betrunken geworden sei, daß er nicht mehr gewußt habe, was er tat; er sei völlig 'weggetreten' gewesen und erst am Nachmittag des folgenden Tages zu sich gekommen. Was bis dahin vorgefallen sei, vor allem ob er Geld entgegengenommen und Schriftstücke unterfertigt habe, wisse er nicht. Der Beklagte habe vom Kläger am Abend des 17.Dezember 1983 4.000 S erhalten; weitere 20.000 S habe ihm der Kläger übergeben wollen, doch habe der Beklagte die Übernahme abgelehnt, weil das Geld wegen seines Zustandes bei ihm nicht mehr sicher gewesen sei. Erst vor seiner Abreise habe er diesen Betrag angenommen. Die Barbeträge - insgesamt 24.000 S - habe er in der Auffassung entgegengenommen, der Kläger wolle damit einen Teil seiner Bestandzinsschuld abstatten; dies sei schließlich auch der Zweck der gemeinsam unternommenen Fahrt nach Wien gewesen. Der Beklagte habe zwar in jener Nacht auch noch weiteres Geld vom Kläger erhalten, doch habe er mit diesem um sich geworfen; die beiden anwesenden Mädchen hätten die Geldscheine eingesammelt und dem Kläger übergeben. Die Bestätigungen über den Empfang von Barbeträgen von 110.000 S, 10.000 S und 220.000 S (Beilagen A bis C) habe der Kläger in Gegenwart des Beklagten geschrieben; dieser habe die Schriftstücke in der Reihenfolge F unterfertigt. Bei der Unterfertigung sei der Beklagte stark alkoholisiert und deshalb derart kritiklos gewesen, daß er bei Leistung der Unterschriften und überhaupt in der fraglichen Nacht unzurechnungsfähig gewesen sei. Daraus zog das Erstgericht den Schluß, der Beklagte sei wegen seiner Alkoholisierung geschäftsunfähig gewesen und durch List zum Vertrag veranlaßt worden, so daß er gemäß § 870 ABGB nicht hafte. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Geschäftsunfähigkeit könne auch durch den vorübergehenden Zustand der Volltrunkenheit bewirkt werden. Der Beklagte sei bei Entgegennahme der Barbeträge - mit Ausnahme von Beträgen von insgesamt 24.000 S - und der Leistung der Unterschriften auf den Zahlungsbestätigungen derart unter Alkoholeinwirkung gestanden, daß er nicht nur nicht die Tragweite seines Handelns einzusehen, sondern das Geschehen überhaupt nicht zu erkennen in der Lage gewesen sei. Er sei deshalb während des gesamten Zeitraumes geschäftsunfähig gewesen. Soweit es deshalb überhaupt zur Zuzählung von Barbeträgen gekommen sei, seien diese Rechtsgeschäfte ungültig, so daß der Klagsanspruch eines wirksamen Rechtsgrundes entbehre. Der Kläger berufe sich erstmals in der Berufung für den Fall der Geschäftsunfähigkeit des Beklagten auf den bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch. Dem sei zu entgegnen, daß er sein Begehren nicht auf diesen Kondiktionsanspruch gestützt habe. Außerdem sei in Fällen der Leistung an Geschäftsunfähige die Rückzahlungsverpflichtung darauf abzustellen, ob der hieraus entstandene Nutzen fortdauere. Da der Beklagte das vom Kläger erhaltene Geld durch Vertrauen etc. zur Gänze verbraucht habe, müsse davon ausgegangen werden, daß er bei Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit keinen Nutzen mehr gehabt habe, so daß auch ein Bereicherungsanspruch zu veneinen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Mit der Rechtsrüge beruft sich der Beklagte zunächst aus die Beweisregel des § 294 ZPO, wonach unterschriebene Privaturkunden vollen Beweis begründen, daß die darin enthaltenen Erklärungen vom Aussteller herrühren; es ist aber nicht erkennbar, welches Ziel der Kläger mit diesem Hinweis verfolgen will. Daß der Kläger die drei Zahlungsbestätigungen (Beilagen A bis C) unterfertigt hat, haben die Vorinstanzen ohnehin festgestellt. Damit ist aber noch nichts über die geistige Verfassung des Ausstellers im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung gesagt. Geht man von den im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren Feststellungen des Erstgerichtes aus, der Kläger habe infolge seiner schweren Alkoholisierung im fraglichen Zeitraum nicht mehr gewußt, was er tat, er sei 'völlig weggetreten' und sich deshalb auch nicht bewußt gewesen, daß er Geld erhalte und Bestätigungen unterfertige, so ist die rechtliche Schlußfolgerung der Vorinstanzen, er sei bei Entgegennahme der Barbeträge und der Unterfertigung der Zahlungsbestätigungen geschäftsunfähig gewesen, unbedenklich. Es kann keine Frage sein, daß der Kläger infolge der Alkoholeinwirkung volltrunken und damit - für die Dauer dieser Einwirkung - geschäftsunfähig war (SZ 39/4; EvBl 1959/52 u.a.; Aicher in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 21 und Rummel ebendort Rdz 3 zu § 865; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 51). Zu Recht haben die Vorinstanzen das wirksame Zustandekommen eines Darlehens durch Hingabe von der Höhe nach nicht einmal feststellbaren Geldbeträgen an den Beklagten während seiner Volltrunkenheit wegen Geschäftsunfähigkeit des Klägers (§ 865 ABGB) verneint. Soweit der Kläger erstmals in der Berufung auch auf § 877 ABGB gestützte Kondiktionsansprüche geltend machte, ist er auf das Neuerungsverbot zu verweisen. Wird nämlich vom Kläger ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht, ist auch das Gericht an diesen gebunden (SZ 56/94 u.v.a.). Nur wenn der Kläger alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, könnte sich auch eine unrichtige rechtliche Qualifikation nicht zu seinem Nachteil auswirken (NZ 1973, 139). Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06895European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00667.85.1113.000Dokumentnummer
JJT_19851113_OGH0002_0010OB00667_8500000_000