Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 28. Jänner 1985 verstorbenen Ottokar A, Kaufmann, zuletzt wohnhaft Wien 7, Neustiftgasse 84, infolge Revisionsrekurses der Viktoria A, Private, Wien 9, Brünnlbadgasse 7, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 4. September 1985, GZ. 43 R 557/85-107, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. April 1985, GZ 4 A 111/85-47 teilweise aufgehoben, teilweise abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
In der Verlassenschaftssache nach dem am 28.1.1985 verstorbenen Kaufmann Ottokar A gab sein Bruder Maximilian A auf Grund des Testaments vom 14.8.1984 zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab, die zu Gericht angenommen wurde; dem erbserklärten Erben wurde der Nachlaß zur Besorgung und Verwaltung überlassen (ON 12). Die Witwe des Erblassers Viktoria A meldete im Abhandlungsverfahren Forderungen in der Höhe von S 280.000,-
zuzüglich Zinsen und Kosten im Betrag von S 35.005,52, weiters ihren Unterhaltsanspruch (§ 796 ABGB) in der Höhe von S 18.000,-
monatlich (ON 24) sowie den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch an und begehrte die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen des Erben (ON 25). Dem Antrag des Erben auf Ausfolgung von Buchhaltungsunterlagen und eines Betrages von S 500.000,- (ON 33) trat sie mit der Behauptung entgegen (ON 43), daß bei Ausfolgung der Buchhaltungsunterlagen die Gefahr bestehe, daß die Feststellung des Wertes des Unternehmens des Erblassers erschwert werde. Sie habe in Erfahrung gebracht, daß sich bis zum Tode des Erblassers in dessen Wohnung zwei große chinesische Bodenvasen und ein chinesischer Hocker sowie Schmuckstücke befunden haben, die bei der Inventarisierung nicht vorgefunden worden seien. Im Geschäft fehle das vorhanden gewesene vollständige Verzeichnis über das Perlenlager, es fehlten sämtliche Süßwasserperlen, sämtliche grauen und schwarzen Perlen, sämtliche geschliffenen Korallenketten, ca. 100 Perlenschnüre sowie eine Schatulle mit Schmuckstücken. Der erbserklärte Erbe beantragte die Zurückweisung des Separationsantrages wegen Verspätung, weil ihm bereits die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen worden sei (ON 46). Der Erstrichter bewilligte die Absonderung der Verlassenschaft gemäß § 812 ABGB und bestellte Rechtsanwalt Dr. Olaf Borodajkewycz zum Separationskurator. Er sprach aus, daß die Befugnis des erbserklärten Erben Maximilian A, den Nachlaß zu verwalten, bis zur Aufhebung der Nachlaßseparation ruhe. Der erbserklärte Erbe habe gegen den Separationsantrag keine meritorischen Einwendungen erhoben. Die Forderung der Antragstellerin sei bescheinigt, desgleichen die subjektive Besorgnis der Einbringlichkeit, zumal den Behauptungen der Antragstellerin über das Fehlen von Nachlaßgegenständen vom Erben nicht entgegengetreten worden sei. Im Hinblick auf den Umfang des Nachlasses sei zur Verwaltung ein Separationskurator zu bestellen.
Der erbserklärte Erbe bekämpfte diesen Beschluß mit Vorstellung und Rekurs. In der Rechtsmittelschrift erklärte er sich zur Leistung einer Sicherheit zum Zwecke der Abwendung der Separation des Nachlasses bereit. Viktoria A erklärte (ON 96), daß die angebotene Sicherheit unzureichend sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und sprach aus, daß der angefochtene Beschluß im Ausspruch über die Bestellung des Separationskurators und das Ruhen der Befugnis der erbserklärten Erben, den Nachlaß zu verwalten, ersatzlos behoben und im übrigen dahin abgeändert werde, daß der Antrag der Witwe Viktoria A auf Nachlaßseparation zur Sicherung ihres Pflichtteils gegen Erlag einer Sicherheitsleistun in der Form, daß von vorhandenen Barschaften ein Betrag von S 1 Mio. auf dem Sparbuch und Treuhanddepot des öffentlichen Notars Dr. Karl Freund verbleibt, ein Veräußerungsverbot auf der EZ 226 KG Neubau gültig bis zur Einantwortung der Verlassenschaft einverleibt und in der Urkundensammlung in Ansehung des Superädifikats Muckendorf gleichfalls ein Veräußerungsverbot mit Wirksamkeit bis zur Einantwortung der Verlassenschaft angemerkt werde, abgewiesen wird. Die Antragstellerin habe zur Begründung für die beantragte Separation des Nachlasses nur angeführt, daß im Falle der Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben Gefahr für ihren Pflichtteilsanspruch bestünde. Ihr weiteres Vorbringen, daß Gegenstände aus dem Nachlaß nicht mehr vorhanden seien, sei ausschließlich als Stellungnahme zum Antrag des Erben auf Ausfolgung von Buchhaltungsunterlagen zu verstehen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Viktoria A ist gerechtfertigt.
Vorauszuschicken ist, daß die Rechtsmittelwerberin einen Antrag auf 'Nachlaßseparation gegen Erlag einer Sicherheitsleistung' nicht gestellt hat. Die Sicherheitsleistung hat nicht die Witwe, sondern der erbserklärte Erbe zur Abwendung der Separation (im Rechtsmittel) angeboten.
Befürchtet ein Erbschaftsgläubiger, Legatar oder ein Noterbe, daß durch die Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben seine Forderung gefährdet wird, so ist er vor der Einantwortung berechtigt, die Absonderung der Verlassenschaft zu verlangen (§ 812 ABGB). Das Absonderungsrecht ist der verbliebene Rest (amtswegiger) Fürsorge für die Nachlaßgläubiger (SZ 56/28;
EvBl. 1976/137; SZ 9/218 u.a.). Es hat nicht nur den Zweck, das Verlassenschaftsvermögen dem Zugriff der Gläubiger des Erben zu entziehen, sondern es schlechthin gegen alle Gefahren zu sichern, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Erben ergeben (SZ 56/28; EvBl. 1976/137; SZ 9/218 u.a.), so insbesondere auch gegen eine die Nachlaßmasse schmälernde wirtschaftliche Gebarung (EvBl. 1976/137; Koziol-Welser, Grundriß+7 II 367). Die Überlassung des Nachlasses zur Verwaltung an den Erben schließt die Absonderung nicht aus (SZ 23/361). Die Absonderung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen. Es genügt jede hinreichend motivierte Besorgnis des Antragstellers, daß der Erbe den Nachlaß und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlaßforderung schmälern könnte. Einer Bescheinigung dieser Gefahr bedarf es nicht; der Gläubiger muß nur jene Umstände anführen, die bei vernünftiger Auslegung eine subjektive Besorgnis rechtfertigen können (SZ 56/28; JBl. 1978, 152; EvBl. 1976/137; NZ 1971, 80 u.a.;
Welser in Rummel, ABGB, Rdz 14, 15 zu § 812;
Koziol-Welser a.a.O. 367). Die subjektive Besorgnis wird auch nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der Nachlaß (auch) aus Liegenschaften besteht (SZ 56/28; Weiß in Klang, Komm.+2 III 1018). Wer die Absonderung des Nachlasses begehrt, muß nur das Vorhandensein der Voraussetzungen des § 812 ABGB wenigstens behaupten. Erforderlich ist demnach das Vorbringen konkreter Umstände, die einen Schluß auf die befürchtete Gefährdung zulassen;
insoweit tritt an die Stelle der Offizialmaxime (§ 2 Abs. 2 Z 5 und 6 AußStrG) die Dispositionsmaxime (SZ 25/215;
vgl. Welser a.a.O. Rdz 15 zu § 812). Im Separationsantrag vom 27.2.1985 (ON 26) hat die Rechtsmittelwerberin solche Umstände nicht vorgetragen. Sie hat lediglich behauptet, daß im Falle der Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben eine Gefahr für ihren Pflichtteilsanspruch bestehe. Dem Richter obliegt es nach der auch im Außerstreitverfahren analog anzuwendenden Bestimmung des § 84 Abs. 3 erster Satz ZPO, einen derartigen Schriftsatz der Partei zur Verbesserung zurückzustellen. Im vorliegenden Fall wurde aber ohnehin mit dem Schriftsatz vom 1.4.1985 (ON 43) ein Vorbringen erstattet, das als Behauptung subjektiver Besorgnis verstanden werden konnte und vom Erstrichter auch so verstanden wurde. Der Standpunkt des Rekursgerichtes, das dieses Vorbringen bei der Entscheidung über den Separationsantrag unbeachtet lassen will, weil es formell nicht als Ergänzung des Separationsantrages bezeichnet wurde, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt, zumal der Schriftsatz ON 43 der Vertreterin des Erben gleichzeitig mit der Aufforderung, sich zum Separationsantrag zu äußern, zugestellt wurde.
Nach Lehre und Rechtsprechung kann die Absonderung durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (SZ 56/28;
Welser a.a.O. Rdz 18 zu § 812; Koziol-Welser a.a.O. 367), so daß zu prüfen ist, ob der Alleinerbe zur Abwendung der Absonderung des Nachlasses geeignete Sicherheiten angeboten hat. Bei Beurteilung dieser Frage ist auf die Rechtsund Sachlage im Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den Erstrichter abzustellen (SZ 56/28; EFSlg. 37.257, 34.926, 34.922 u.a.). Auch im Verfahren außer Streitsachen können in Rekursen nur solche Tatsachen geltend gemacht werden, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstrichters bereits eingetreten waren (SZ 56/28; EFSlg. 44.517, 44.516, 34.923 u.a.). Der Schriftsatz vom 1.4.1985 (ON 43) wurde dem Erben mit der Aufforderung zur Äußerung binnen 14 Tagen zugestellt. In seiner Äußerung vom 16.4.1985 (ON 45) machte der Erbe nur geltend, daß der Separationsantrag verspätet gestellt worden sei, eine Sicherheitsleistung zur Abwendung der Nachlaßabsonderung bot er nicht an. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstrichters lag damit ein Anbot des Erben zur Leistung einer Sicherheit nicht vor. Auf die erst im Rekurs angebotene Sicherheit ist nicht Bedacht zu nehmen. Dies steht freilich einem Antrag auf Aufhebung der bewilligten Absonderung gegen Leistung einer angemessenen Sicherheit nicht entgegen (NZ 1985, 173; SZ 56/28). Da die von der Rechtsmittelwerberin vorgebrachten Gründe die Annahme subjektiver Besorgnis rechtfertigen, ist der Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen. Der Ausspruch über das Ruhen der Befugnis des Erben zur Verwaltung des Nachlasses (im Rahmen der Befugnis des Separationskurators) ist unbedenklich (EvBl. 1961/356; Welser a.a.O. Rdz 21 zu § 812).
Anmerkung
E06900European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00692.85.1113.000Dokumentnummer
JJT_19851113_OGH0002_0010OB00692_8500000_000