TE OGH 1985/11/13 1Ob647/85

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Veröffentlicht am 13.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B C D E AG, Wien 1., Seitzergasse 2-4, vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. F Warenhandels-Gesellschaft mbH & Co KG, 2. G Warenhandels-Gesellschaft mbH, 3. Herbert H, Gesellschaft mbH & Co KG, 4. Herbert H Gesellschaft mbH, 5. Herbert H, Geschäftsführer, 6. Brigitte H, Angestellte, alle Wien 6., Mariahilferstraße 99, alle vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 442.567 S s.A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Mai 1985, GZ 1 R 27/85-36, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. September 1984, GZ 13 Cg 132/81-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 21.081,28 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 1.741,93 S Umsatzsteuer und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zweitbeklagte Partei ist Komplementär der erstbeklagten Partei,

die viertbeklagte Partei ist Komplementär der drittbeklagten Partei. Mit dem an die klagende Partei gerichteten Schreiben vom 8. März 1977 nahmen die erstbeklagte Partei und die drittbeklagte Partei das Anbot der klagenden Partei, ihnen 'im Rahmen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen' ein Darlehen im Betrag von 570.000 S zu gewähren, an. Das Darlehen war bis spätestens 31.Mai 1977 zurückzubezahlen. Gemäß Punkt 16 des Annahmeschreibens verpfändeten die erst- und drittbeklagten Parteien der klagenden Partei zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche, die ihr aus einem wie immer gearteten Rechtsgrund bereits zustehen oder künftig zustehen werden und deren Höhe ausschließlich auf Grund der Bücher der klagenden Partei festzustellen ist, Elektronenrechner und Registrierkassen, die bei der Fa. I & Co, Internationale Transport-Aktiengesellschaft, Wien, eingelagert waren. Die Vereinbarung vom 8. März 1977 sieht weiters vor:

'Wir (d.h. die klagende Partei) sind nicht verpflichtet, uns bei Fälligkeit unserer Forderung nur an die Pfandsache zu halten. Im Falle eines Verkaufes der Waren bleiben Sie uns für einen etwaigen Ausfall weiter in Haftung, wobei die mit der Versteigerung verbundenen Auslagen zu Ihren Lasten gehen. Wir sind berechtigt, die Pfandware an jedem uns geeignet erscheinenden Ort ganz oder teilweise versteigern zu lassen, wenn Sie nicht binnen einer Woche nach Fälligkeit der Forderung Zahlung leisten.' Mit Vereinbarung vom 9. März 1977 wurde das Darlehen gegen Verpfändung von weiteren 19 Registrierkassen auf 790.000 S erhöht.

Es wurde festgehalten, daß alle sonstigen Sicherungen und Bedingungen gemäß dem Übereinkommen vom 8.März 1977 bis zur gänzlichen Abdeckung des Darlehens inklusive Zinsen und Nebenspesen vollinhaltlich aufrecht bleiben. Die Darlehensvaluta wurde den Darlehensnehmern von der klagenden Partei zur Verfügung gestellt. Der klagenden Partei wurden zwei Blankowechsel übergeben, die von den erst- bis viertbeklagten Parteien als Akzeptanten und den fünftund sechstbeklagten als Bürgen für die Akzeptanten unterzeichnet waren. Die erst-, dritt-, fünft- und sechstbeklagten Parteien übergaben der klagenden Partei eine Wechselwidmungserklärung, wonach die Wechsel zur Sicherstellung und allfälligen Abdeckung aller der klagenden Partei gegen die beklagten Parteien zustehenden derzeitigen und künftigen wie immer gearteten Forderungen und Ansprüche übergeben werden. Die klagende Partei wurde ermächtigt, die Wechsel ohne weiteres Einvernehmen mit den beklagten Parteien bis zur Höhe ihrer Forderungen zuzüglich der der klagenden Partei vereinbarungsgemäß zukommenden Nebengebühren in eigenem Namen auszufüllen, am Schalter der klagenden Partei zahlbar zu stellen, selbst als Aussteller zu fertigen und die Wechsel auf diese Weise fällig zu stellen und gegen die beklagten Parteien geltend zu machen.

Die klagende Partei begehrt mit Wechselklage die Bezahlung der Wechselsumme von 442.569 S s.A. Sie brachte vor, daß dieser Betrag aus der Geschäftsverbindung mit den erst- bis viertbeklagten Parteien unberichtigt aushafte.

Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Auf Grund der mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung sei diese nicht berechtigt, die Haftung der beklagten Parteien in Anspruch zu nehmen, solange sich die klagende Partei aus den ihr verpfändeten Waren durch Verkauf befriedigen könne. Da der Wert der verpfändeten Ware 823.000 S betrage, sei die offene Forderung durch die der klagenden ßartei bestellten Pfänder gedeckt. Die beklagten Parteien machten einredeweise eine Gegenforderung in der Höhe von 823.000 S geltend, weil sich die klagende Partei vertragswidrig weigere, die Pfandware zu verwerten und dadurch den beklagten Parteien ein Schaden in dieser Höhe zugefügt worden sei. Das Erstgericht sprach aus, daß die geltend gemachte Forderung mit dem Betrag von 442.567 S s.A. zu Recht, die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 442.567 S s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren wies es ab. Die klagende Partei sei nach der mit den Darlehensnehmern getroffenen Vereinbarung nicht gehalten, vor Geltendmachung der Darlehensschuld Befriedigung aus der Pfandsache zu suchen. Demnach bestehe die eingeklagte Forderung zu Recht, wogegen die Gegenforderung nicht berechtigt sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Mit der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision bekämpfen die beklagten Parteien das Urteil des Berufungsgerichtes nur insoweit, als die Berechtigung der einredeweise geltend gemachten Gegenforderung verneint wurde.

Die Revisionswerber führen aus, der Pfandgläubiger sei bei Lombardkrediten verpflichtet, sich vorerst an die Pfandsache zu halten, die persönliche Haftung des Darlehensnehmers bestehe nur insoweit, als der Darlehensgeber aus der Pfandsache keine Befriedigung erlangen könne.

Den Revisionswerbern ist einzuräumen, daß Ehrenzweig, System 2 I/2, 453 FN 48 und 51, den Standpunkt vertritt, daß der Pfandgläubiger zwar gemäß § 465 ABGB nicht gehalten sei, sich zuerst an das Pfand zu halten und dann erst für den Ausfall auf das sonstige Vermögen des persönlichen Schuldners zu greifen, daß aber beim Lombardgeschäft und beim Geschäft der Versatzämter und Pfandleihanstalten anderes gelte. Ehrenzweig beruft sich für seine Rechtsansicht auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtes Brünn vom 11. Mai 1920, Prager Juristische Zeitschrift 1921, 95. Dieser Entscheidung lag die Gewährung eines Darlehens zum Zwecke der Anschaffung von Kriegsanleihe zugrunde; die Wertpapiere wurden dem Darlehensgeber zur Sicherung seines Darlehens verpfändet. Das Oberste Gericht Brünn führte aus, daß die mit Feststellungsklage geltend gemachte persönliche Haftung des Schuldners für die Rückzahlung des Darlehens im Hinblick auf die Bestimmung des § 983 ABGB nicht zweifelhaft sein könne. Die Erwartung des Darlehensnehmers, das Darlehen aus dem Erlös der Wertpapiere zurückzahlen zu können, sei mangels einer Vereinbarung mit dem Darlehensgeber, daß die persönliche Haftung ausgeschlossen sein solle und der Darlehensgeber Befriedigung nur aus dem Pfand suchen dürfe, unberechtigt. Wenn nach dem derzeitigen Kurs der Kriegsanleihe deren Preis zur Begleichung des dem Beklagten gewährten Darlehens nicht hinreiche, könne daraus nicht gefolgert werden, daß nur das Pfand und nicht auch der Beklagte persönlich für das Darlehen zu haften habe. Aus dieser Entscheidung kann demnach nicht abgeleitet werden, daß beim Lombarddarlehen der Darlehensschuldner nur für den Ausfall hafte und die persönliche Haftung nur nach Maßgabe eines solchen geltend gemacht werden könne. Klang in Klang 2 II 510 schließt sich der Meinung Ehrenzweigs ohne nähere Begründung an. Schinnerer-Avancini, Bankverträge 3 I 268, führen bei Behandlung der Konkurrenz der Verwertung von Sicherheiten und dem Zugriff auf anderes Vermögen des Schuldners aus (aaO FN 72), daß der Gläubiger grundsätzlich die Pflicht habe, zunächst aus dem Pfand Befriedigung zu suchen, ehe er die Zwangsvollstreckung in das übrige Vermögen unternehme. Punkt 24 Abs 1 letzter Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (Fassung vom 1.Juli 1971), wonach die Kreditunternehmung befugt sei, von einem etwaigen exekutionsrechtlichen Titel Gebrauch zu machen, um in anderen Vermögenswerten des Schuldners als jenen, die ihr zur Sicherheit übertragen wurden, Befriedigung zu suchen (idF der Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1979 lautet die Bestimmung dahin, daß die Bank, auch dann, wenn sie über Sicherheiten verfügt, im Interesse der raschen Regelung ihrer Forderung zunächst Befriedigung in einem sonstigen Vermögen des Kunden suchen kann), stelle eine Ausnahme von einem allgemein anerkannten Grundsatz dar. Schinnerer-Avancini berufen sich auf die Ausführungen von Godin in RGR-Komm.z.HGB 2 III § 368 Anm. 40 F. Dort wird ausgeführt, daß der Gläubiger die Pflicht habe, zunächst aus dem Pfand die Befriedigung zu suchen, ehe er die Zwangsvollstreckung in das übrige Vermögen nachsuche. Dem Schuldner stehe sonst die Verweisung auf das Pfand gemäß § 777 dZPO zu. In Anm. 86 führt Godin aus, daß der Pfandgläubiger, solange er die seinem Schuldner gehörige bewegliche Pfandsache besitze, nicht berechtigt sei, in das übrige Vermögen seines Schuldners zu vollstrecken. Das Gericht oder der Gerichtsvollzieher dürfe eine solche Vollstreckung zwar nicht ablehnen, aber der Schuldner habe das Einspruchsrecht (beneficium excussionis realis, § 777 dZPO). Der Anspruch sei in Form einer Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung geltend zu machen. § 777 dZPO sieht vor, daß der Schuldner einer Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen widersprechen kann, wenn der Gläubiger eine bewegliche Sache des Schuldners im Besitz hat, in Ansehung deren ihm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, soweit die Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist. Hiezu führt Hartmann in Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO 43 1603 f. aus, daß das BGB keine Verweisung des Gläubigers auf das Pfand kenne. § 777 dZPO enthalte eine abweichende Regelung; der in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Widerspruch diene aber nur der Abwendung der Zwangsvollstreckung. Dem § 777 dZPO entspricht im österreichischen Recht die Regelung des § 263 EO (vgl. Ehrenzweig aaO 454 FN 53), wonach der Verpflichtete beim Exekutionsgericht die Einschränkung der Pfändung beantragen kann, wenn der betreibende Gläubiger eine bewegliche körperliche Sache des Verpflichteten in seiner Gewahrsame hat, an der ihm ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht zusteht, soweit die Forderung des betreibenden Gläubigers durch diese Sache gedeckt ist. Im Interesse des Schuldners soll eine übermäßige Exekution vermieden werden, wenn der Gläubiger freiwillig Sachen als Pfand genommen hat; durch Freigabe der Sache kann sich der betreibende Gläubiger sein Pfandrecht auf die übrigen Sachen des Schuldners erhalten (Heller-Berger-Stix, Komm. 1752). Auch § 263 EO normiert demnach, wie § 777 dZPO, nur Schranken gegen eine übermäßige Exekution, somit eine Befriedigungsbeschränkung (vgl. Klang aaO 511;

EvBl 1967/33). Jener Bestimmung kann eine Verpflichtung des Gläubigers, die persönliche Haftung des Schuldners im Klagsweg erst dann in Anspruch zu nehmen, wenn sich die Pfanddeckung als unzureichend erwiesen hat, nicht entnommen werden. Dem Gläubiger steht es vielmehr gemäß § 466 ABGB grundsätzlich frei, zuerst die persönliche Haftung und dann die Pfandhaftung oder beide zugleich geltend zu machen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 465, Rdz 3 zu § 466; Ehrenzweig aaO 454; Klang aaO 511).

Eine Verpflichtung der klagenden Partei, vor Geltendmachung der persönlichen Haftung im Klagewege die Befriedigung aus dem Pfand zu suchen, hätte demnach besonderer Vereinbarung bedurft. Aus der getroffenen vertraglichen Regelung, wonach die klagende Partei nicht verpflichtet ist, sich bei Fälligkeit ihrer Forderung nur an die Pfandsache zu halten, kann aber gerade das Gegenteil entnommen werden; auch aus der weiteren Vertragsbestimmung, wonach die Darlehensnehmer im Falle des Verkaufs der Ware für den Ausfall haften, kann nicht geschlossen werden, daß sich die klagende Partei verpflichtet hätte, vor Erhebung der Klage Befriedigung aus den verpfändeten Waren zu suchen. Die klagende Partei hat also nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie es unterließ, vor Geltemdmachung der persönlichen Haftung die Pfandsachen einer Verwertung zuzuführen, so daß schon aus diesem Grund die Gegenforderung nicht berechtigt ist.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E06887

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00647.85.1113.000

Dokumentnummer

JJT_19851113_OGH0002_0010OB00647_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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