Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Dezember 1984, GZ 6 d Vr 11.043/83-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Messer zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Kurt A wird von der Anklage, er habe Ende 1977 in Klosterneuburg mit Friedrich B und noch auszuforschenden Mittätern (§ 12 StGB) das Vermögen der Fa. B OHG bzw des Friedrich B im bewußten und gewollten Zusammenwirken verringert und die Befriedigung der Gläubiger geschmälert, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden zumindest 1 Million S beträgt, indem B als Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 4756 der KG Klosterneuburg seine Zustimmung erteilte, daß die seiner Liegenschaft vorgelagerte Liegenschaft EZ 5683 KG Klosterneuburg, welche im Zuge einer Änderung der Trassenführung der Bundesstraße 14
nicht mehr für Zwecke der Bundesstraßenverwaltung benötigt wurde, an Kurt A veräußert werden könne, und er habe hiedurch das Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt A des Verbrechens der Schädigung fremder Gläubiger nach § 157 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er Ende 1977 in Wien bzw Klosterneuburg ohne Einverständnis mit dem Schuldner (mehrerer Gläubiger) Friedrich B einen Bestandteil dessen Vermögens wirklich verringert und dadurch die Befriedigung dessen Gläubiger geschmälert, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden zumindest 1 Million S beträgt, indem er von Friedrich B als Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 4756 der KG Klosterneuburg dessen Zustimmung zum Erwerb der dem bezeichneten Grundstück vorgelagerten Liegenschaft EZ 5683 der KG Klosterneuburg, die auf Grund der Änderung der Trassenführung der Bundesstraße 14 von der Bundesstraßenverwaltung nicht mehr benötigt wurde, durch ihn erwirkte.
Das Erstgericht stellte dazu im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Durch Änderung der Trassenführung der Bundesstraße 14, die vor der eingangs bezeichneten Liegenschaft des Friedrich B verläuft, wurde das zwischen dieser Liegenschaft und der Bundesstraße gelegene Grundstück im Ausmaß von etwa 400 m 2 für den Straßenbau nicht mehr benötigt. Es handelt sich dabei um ein im Bauland gelegenes sogenanntes 'Ergänzungsgrundstück', das nach der nä Bauordnung nur an Anrainer (hier also an Friedrich B) zu veräußern ist, da diesen sonst der Zugang zur Straße genommen wird. Im vorliegenden Fall wäre bei einem Verkauf des Ergänzungsgrundstücks an eine andere Person als den Anrainer B der Zugang zu dessen Liegenschaft 'nur äußerst beschwerlich auf Umwegen und nur mit Kleinfahrzeugen möglich gewesen' (S 298/299), womit auch im Falle einer Zwangsversteigerung die Liegenschaft des B nur für denjenigen von besonderem Wert wäre, dem auch das an der Straße liegende Teilstück gehört. Ende 1977 gab Friedrich B vor einem Wiener Rechtsanwalt die Erklärung ab, daß er als Eigentümer der Liegenschaft in Klosterneuburg, Wienerstraße 55, und als Anrainer des vorgelagerten Grundstücks Nr 3265/25 keine Einwendungen gegen den gesonderten Verkauf dieses Grundstücks an den Angeklagten habe. Diese Erklärung wurde noch Ende 1977 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung in Wien eingereicht (S 299/300). Mit Kaufvertrag vom 14. Jänner 1980 erwarb sodann der Angeklagte dieses Grundstück vom Landeshauptmann von Niederösterreich als dem Vertreter der Republik Österreich/Bundesstraßenverwaltung; dieser Kaufvertrag wurde im März 1980 verbüchert. Friedrich B war über diese Vorgänge nicht informiert (S 301).
Hinsichtlich der Liegenschaft des Friedrich B war bereits Ende 1978 bzw Anfang 1979 über Antrag der C D beim Bezirksgericht Klosterneuburg das Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden (S 300). In diesem Verfahren teilte der Angeklagte am 31.März 1980 dem Gericht mit, daß der Zugang zu den von der Zwangsversteigerung betroffenen Grundstücken des B über das nunmehr ihm (dem Angeklagten) gehörende Grundstück (Nr 3265/25) führe und er jedermann das Betreten seines Grundstücks verbieten werde (S 301). Das hatte zur Folge, daß hinsichtlich der Liegenschaft des Friedrich B eine neuerliche Schätzung durchgeführt werden mußte, bei welcher der Wert der Liegenschaft EZ 4756 von bis dahin 1,499.500 S auf 496.500 S und jener des (darauf befindlichen Gebäudes) von bis dahin 2,508.000 S auf 2,006.400 S verringert wurde (S 302). Bei der schließlich am 13.März 1981 durchgeführten Versteigerung erhielt die C D mit dem Meistbot von 2,050.000 S den Zuschlag (S 303). Bei der Verteilung wurden dem Magistrat der Stadt Wien und der Stadtgemeinde Klosterneuburg ein Betrag von 34.847,04 S als Vorzugspost zugewiesen, die restliche Masse fiel der C D zu, während alle übrigen Gläubiger leer ausgingen (S 303).
Friedrich B war vom Angeklagten vom Erwerb des Grundstücks Nr 3265/25 nicht informiert worden; er wußte nach den Konstatierungen des Schöffengerichts vom 'objektiven Vorgang' überhaupt nichts, 'da er weder eingeweiht war noch eine Ingerenzmöglichkeit' hatte (S 304). Zur Abgabe der Zustimmungserklärung war er vom Angeklagten 'ohne sein Wissen' veranlaßt worden (S 304/305).
In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß im vorliegenden Fall ein nicht unbedeutender Teil des Vermögens des Friedrich B, der Schuldner mehrerer Gläubiger war, in dem Anrainerrecht auf die seiner Liegenschaft EZ 4756 vorgelagerte Liegenschaft EZ 5683 bestand. Dadurch, daß der Angeklagte den Friedrich B 'ohne dessen Wissen' veranlaßte, seine Zustimmung zum Erwerb der zuletzt bezeichneten Liegenschaft zu erteilen, kam es zu einer erheblichen Wertminderung der Liegenschaft des B und damit zu einer Schädigung der Gläubiger des B um mindestens 1 Million S. In der angeführten Erwirkung der Zustimmung des B zum Erwerb der Liegenschaft EZ 5683 erblickte das Erstgericht ein Beiseiteschaffen eines Bestandteils des Vermögens des Friedrich B im Sinn des § 157 StGB, wobei es weiters davon ausging, daß der Angeklagte auch den subjektiven Tatbestand dieses Delikts erfüllt habe, weshalb es zum eingangs angeführten Schuldspruch gelangte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er sich lediglich gegen die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands wendet. Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil mit einer vom Angeklagten nicht relevierten, sich zu seinem Nachteil auswirkenden materiellen Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, die gemäß § 290 Abs. 1 StPO wahrzunehmen ist.
Zum einen irrte nämlich das Erstgericht zunächst schon darin, daß es die dem Angeklagten als Tathandlung im Sinn des § 157 StGB angelastete Erwirkung der Erklärung des Friedrich B, als Anrainer des seiner Liegenschaft vorgelagerten Grundstücks keine Einwendungen zum Verkauf dieses (im Tatzeitpunkt der Republik Österreich/Bundesstraßenverwaltung gehörenden) Grundstücks an den Angeklagten zu haben, als Beiseiteschaffen eines Bestandteils des Vermögens des Friedrich B beurteilte, wiewohl - recht besehen - darin (unter der Annahme, daß die Tathandlung überhaupt einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners B betroffen hat) nur eine sonstige Vermögensverringerung erblickt werden kann, die indes - mangels einer Generalklausel in § 157 StGB - als Tathandlung nach dieser Gesetzesstelle nicht ausreicht. Denn § 157 StGB zählt die einzelnen Fälle der (die Befriedigungsrechte der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen schädigenden) Vermögensverringerung taxativ auf, nämlich das Verheimlichen, Beseitigen, Beiseiteschaffen, Veräußern oder Beschädigen eines schuldnerischen Vermögensbestandteils sowie die Geltendmachung eines nicht bestehenden Rechts gegen das Schuldnervermögen, und läßt damit eine auf sonstige Weise bewirkte (wirkliche oder scheinbare) Vermögensverringerung nicht genügen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 157 RN 3; Liebscher in WrKommentar § 157 Rz 5). Im Verzicht (oder im Verfallenlassen) eines Rechts (wie dies vorliegend vom Erstgericht ersichtlich angenommen wurde) kann aber nicht ein Beiseiteschaffen eines Vermögensbestandteils, sondern (nur) eine sonstige, nach dem Gesagten von den in § 157 StGB aufgezählten Tathandlungen nicht erfaßte Vermögensverringerung erblickt werden (so schon Rittler II 2 236, 248). Dazu kommt, daß vorliegend die schädigende Vermögensverfügung gar nicht vom Angeklagten, sondern - wenngleich nach Ansicht des Erstgerichts nicht bäsgläubig - vom Schuldner selbst getroffen worden ist, wenn auch kausal initiiert vom bäsgläubig handelnden Angeklagten. Ob diesfalls überhaupt der Tatbestand des § 157 StGB erfüllt sein kann oder ob das Verhalten des Angeklagten nicht - wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme vermeint - als Bestimmung des (vorsatzlos handelnden) Schuldners und damit nach §§ 12 zweiter Fall, 156 StGB zu beurteilen ist, kann im gegebenen Fall auf sich beruhen. Denn das Erstgericht hat - zum anderen - auch darin geirrt, daß die Tathandlung in bezug auf einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners im Sinn des § 157 StGB (und damit auch des § 156 StGB) begangen wurde. Unter Vermögensbestandteilen im Sinn der §§ 156, 157 StGB sind nicht nur Sachen, sondern auch Forderungen und (Vermögens-)Rechte zu verstehen, die dem exekutiven Zugriff der Gläubiger unterliegen (ÖJZ-LSK 1975/190;
Leukauf-Steininger aaO § 1156 RN 8; Liebscher aaO § 156 Rz 10). Ein dem exekutiven Zugriff der Gläubiger (insb iS der §§ 331 ff EO) unterliegendes Vermögensrecht stand aber dem Schuldner Friedrich B in Ansehung der Liegenschaft EZ 5683
KG Klosterneuburg gar nicht zu. Denn der nä Bauordnung kann - entgegen der Meinung des Erstgerichts - ein Anwartschaftsrecht der Anrainer auf eine sogenannte Ergänzungsfläche zwischen ihrer Liegenschaft und der Straßenfluchtlinie nicht entnommen werden. § 17 nä BauO sieht lediglich vor, daß anläßlich eines beabsichtigten baubewilligungspflichtigen Bauvorhabens gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 und Z 2 leg cit (nämlich für Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden !Z 1 und für die Errichtung anderer Bauwerke und Anlagen, durch welche Gefahren für Personen oder Sachen entstehen, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden können !Z 2) der Eigentümer eines im Bauland gelegenen Grundstücks bescheidmäßig (durch die Baubehörde) zu verpflichten ist, die zwischen der vorderen Grundstücksgrenze und der Straßenfluchtlinie liegende fremde Ergänzungsfläche zu erwerben (§ 17 Abs. 1), und daß die zum Erwerb der Ergänzungsfläche verpflichteten Grundeigentümer die Enteignung zu ihren Gunsten zu beantragen haben, sofern innerhalb angemessener Frist kein Vertrag (mit dem Eigentümer der Ergänzungsfläche) zustandekommt (§ 17 Abs. 3). Daß Friedrich B als Eigentümer des Anrainergrundstücks EZ 4756 im Sinn des § 17 Abs. 1 nä BauO zum Erwerb der vorgelagerten, in fremdem (nämlich der Republik Österreich/Bundesstraßenverwaltung) Eigentum stehenden Ergänzungsfläche (EZ 5683) bescheidmäßig verpflichtet worden wäre oder daß auch nur die Voraussetzungen für eine solche Verpflichtung, nämlich eines der erwähnten baubewilligungspflichtigen Bauvorhaben, vorgelegen wären, ergibt sich aber weder aus den Feststellungen des Erstgerichts noch aus den aktenkundigen Verfahrensergebnissen.
Von einem (dem exekutiven Zugriff der Gläubiger unterliegenden) Anwartschaftsrecht auf Erwerb der in Rede stehenden Ergänzungsfläche - etwa ähnlich einer Anwartschaft auf Grund eines Vorkaufsrechts - kann somit im vorliegenden Fall keine Rede sein.
Ein solches Anwartschaftsrecht ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften, insbesondere auch nicht aus dem Bundesstraßengesetz oder aus dem nä Raumordnungsgesetz. Die Tatsache allein, daß derartige, im Eigentum der Bundesstraßenverwaltung stehende Ergänzungsflächen nach der vom Erstgericht angenommenen Praxis der Bundesstraßenverwaltung jeweils an die Anrainer (zur Wahrung des leichteren Zugangs zur Straße) veräußert werden, vermag ein exequierbares Recht auf den Erwerb solcher Flächen durch die Anrainer (und somit einen Bestandteil deren Vermögens im Sinn der §§ 156, 157 StGB) nicht zu begründen. Die inkriminierte Erklärung des Friedrich B, keine Einwendungen gegen den Erwerb des Grundstücks EZ 5683 durch den Angeklagten zu erheben, kann mithin - nach dem Gesagten - nicht als Verzicht auf ein dem Genannten zustehendes Vermögensrecht gewertet werden. Davon ausgehend bedarf es aber nicht der von der Generalprokuratur angeregten Verfahrensergänzung unter dem von ihr herausgestellten Gesichtspunkt einer allfällig möglichen Tatbeurteilung nach §§ 12 zweiter Fall, 156 StGB. Es war vielmehr sogleich in der Sache selbst zu erkennen und der Angeklagte von dem wider ihn erhobenen Anklagevorwurf (vgl hiezu S 252/II) freizusprechen, auf welche Entscheidung der Angeklagte mit seinen Rechtsmitteln sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel zu verweisen waren.
Anmerkung
E06876European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00088.85.1114.000Dokumentnummer
JJT_19851114_OGH0002_0120OS00088_8500000_000