TE OGH 1985/11/20 9Os171/85

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Veröffentlicht am 20.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Angela A und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 129 Z 1 und 3, 130 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten A sowie über die Berufung des Angeklagten Ewald L*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 5. September 1985, GZ 7 b Vr 290/85-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Angela A wird zurückgewiesen.

Über ihre sowie die Berufung des Angeklagten Ewald L*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten A auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die 31-jährige Angela A und der 21-jährige Ewald L*** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 129 Z 1 und 3, 130 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie in Gesellschaft als Beteiligte in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu beschaffen, fremde bewegliche Sachen, die teils der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet waren, in einem 100.000 S übersteigenden (insgesamt rund 240.000 S ausmachenden) Wert den nachgenannten Personen teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1.) im April 1985 in Tumeltsham den Eheleuten Johann und Maria

B vier Barockengel im Wert von ca. 100.000 S aus einer Kapelle durch Aufbrechen der Altarvergitterung,

2.) zwischen 16. und 18. April 1985 in Gaming der Monika

C ein Kreuz mit Glassturz und zwei hölzerne Kerzenleuchter im Gesamtwert von ca. 10.000 S durch Aufbrechen der Gittertür einer Kapelle,

3.) zwischen 15. und 26. April 1985 in Hollenstein dem Peter

D zwei Glasstürze mit Jesuskind aus Wachs im Gesamtwert von ca. 14.000 S durch Aufbrechen der Tür einer Kapelle,

4.) am 26. April 1985 in Neustadl an der Donau dem Josef E ein Hinterglasbild, eine Pendeluhr und Bettwäsche im Gesamtwert von ca. 30.000 S durch Einbruch in ein Bauernhaus,

5.) am 24. Februar 1985 in Adlwang der Stefanie F einen alten Bauernkasten im Wert von mindestens 5.000 S durch Einbruch in ein Bauernhaus,

6.) im April 1985 zwischen Weyer und Gaflenz einem bisher Unbekannten einen Wachssturz im Wert von ca. 1.500 S, drei weitere Sturzgläser geringen Wertes sowie eine Jesusstatue im Wert von ca. 60.000 S aus einer Kapelle durch Einbruch,

7.) im April 1985 zwischen Enns und St. Florian einem bisher Unbekannten einen Christus-Corpus im Wert von ca. 8.000 S aus einer Kapelle, und

8.) im April 1985 im Raum Freistadt bislang Unbekannten eine Madonna mit Kind im Wert von ca. 3.000 S, ein Kruzifix aus Schaumglas im Wert von ca. 5.000 S, zwei Porzellanengel, eine Marienfigur aus Porzellan und ein Holzkreuz mit Christus-Corpus aus Porzellan im Wert von mindestens 4.000 S aus zwei Kapellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten A wendet sich mit den Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gegen die Annahme eines 100.000 S übersteigenden Schadens und damit gegen die Qualifikation nach § 128 Abs 2 StGB; mit dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund bekämpft sie darüber hinaus den Schuldspruch zum Faktum 5 des Urteilssatzes in seiner Gesamtheit.

Die Beschwerde ist teils offenbar unbegründet, teils entbehrt sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Mit Bezug auf die Bewertungsfrage ist davon auszugehen, daß Objekte der gegenständlichen Art nach der Lebenserfahrung häufig einen hohen antiquarischen Wert besitzen, weshalb schon allein aus dieser Prämisse in Verein mit der Zahl der Angriffe der denkrichtige Schluß gezogen werden konnte, die Beschwerdeführerin habe eine möglichst wertvolle Beute angestrebt und es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß der Wert der Sachen insgesamt über 100.000 S liege.

Von einer unzureichenden Begründung der in Frage stehenden Konstatierung kann mithin keine Rede sein.

Es haften dem Urteil aber auch die behaupteten Unvollständigkeiten nicht an.

Daß der von der Beschwerdeführerin für zwei der vier gestohlenen Barockengel (Faktum 2) begehrte niedrige Preis - der laut Urteil unter anderem deshalb so angesetzt wurde, um dem Händler eine reelle Herkunft zu erklären (Band II Seite 35) - letztlich zur Aufdeckung der Straftaten führte, also nicht den von der Angeklagten gewünschten Effekt hatte, mußte, weil mit ihrer Motivationslage im Zeitpunkt des Anbotes in keinem Zusammenhang stehend, ebensowenig einer speziellen Erörterung unterzogen werden, wie der die Bewertung des Diebsgutes betreffende Teil ihrer Verantwortung, zumal die Tatrichter ihr ohnehin zubilligten, im Antiquitätenhandel - also ersichtlich auch in dessen Preisgefüge - "nicht so bewandert" gewesen zu sein. Diese Annahme machte es an sich schon entbehrlich, die Vermutung des Zeugen G, seinem Eindruck nach habe die Beschwerdeführerin nicht gewußt was die Engel wert seien und die Erklärung des Mitangeklagten L***, sie habe von "solchen Sachen" nur eine "kleine Ahnung" gehabt, einer Würdigung zu unterziehen; dazu tritt, daß die persönliche Ansicht eines Zeugen über die Verschuldensfrage für das Gericht nicht maßgebend ist und nur eine Tatsachenmitteilung, nicht aber die Bekanntgabe einer subjektiven Meinung über das gegebene Tatsachenmaterial ein Zeugnis darstellt (Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 150 E Nr 7 ff.), und daß schließlich zur Wertzurechnung dolus eventualis genügt, ein (positives) Wissen darum also nicht Qualifikationsvoraussetzung ist und auch eine "kleine Ahnung" mit bedingtem Vorsatz durchaus einhergehen kann.

Frei von formalen Begründungsmängel sind aber auch die zu Faktum 5 getroffenen Konstatierungen. Da es notorisch und mithin keines Beweises bedürftig ist, daß auch Personen, die über Einkünfte verfügen, in finanzielle Schwierigkeiten geraten beziehungsweise Diebstähle begehen können, konnte eine Erörterung der Verantwortung der Angeklagten, ihr Lebensgefährte Oskar L*** habe sie noch im Februar 1985 unterstützt und sei erst im März dieses Jahres in Haft genommen worden, sanktionslos unterbleiben. Die aus dem Gesamtzusammenhang gerissene Bekundung des Mitangeklagten Ewald L*** hinwieder, er habe erst im April 1985 mit der Beschwerdeführerin Kontakt gehabt, mußte deshalb nicht einläßlich gewürdigt werden, weil der Genannte noch in der selben Hauptverhandlung seine Verteidigungslinie bezüglich des Faktums 5 änderte, zu seinem im Vorverfahren abgelegten Geständnis zurückkehrte und zugestand, diesen Diebstahl gemeinsam mit der Beschwerdeführerin im Februar 1985 verübt zu haben (vgl. Band II Seite 14).

Da schließlich die Rechtsrüge der Angeklagten mit ihrer Behauptung, das Urteil spreche in Ansehung des 100.000 S übersteigenden Wertes lediglich von "bedingtem Vorsatz" und gebrauche sohin unzureichenderweise lediglich einen juristischen Fachausdruck, welcher Rückschlüsse bezüglich der Geistes- und Willenshaltung der Beschwerdeführerin nicht erkennen lasse, in prozeßordnungswidriger Weise die tatrichterliche Konstatierung neglegiert, die beiden Angeklagten hätten es zumindest für ernstlich möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß der Wert der Diebsbeute über 100.000 S liege (Band II Seite 35), war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Über die Berufungen der beiden Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07108

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00171.85.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19851120_OGH0002_0090OS00171_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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