TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/29 2003/08/0178

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Veröffentlicht am 29.06.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §9 Abs5;
AMPFG 1994 §5b Abs1;
AMPFG 1994 §5b Abs2 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/08/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden der G GmbH in G, vertreten durch Dr. Franz Marschall, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich je vom 18. Juli 2003, I. Zl. GS8-SV-71/6-2003 (zur hg. Zl. 2003/08/0178) und II. Zl. GS8- SV-72/2-2003 (zur hg. Zl. 2003/08/0179), jeweils betreffend Beitrag nach § 5b AMPFG (jeweils mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.816,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende unstrittige Sachverhalt:

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt ein Bauunternehmen, bei dem R. (zu I.) und B. (zu II.) bis zu ihren Kündigungen im Dezember 2000 bzw. im Jänner 2001 beschäftigt waren. In diesen Zeitpunkten waren beide Beschäftigte über 50 Jahre alt und mehr als zehn Jahre bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt gewesen.

B. wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft mit 21. Dezember 2000, R. mit 17. Jänner 2001 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse abgemeldet.

Mit Schreiben vom 8. Jänner 2001 teilte die beschwerdeführende Gesellschaft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit, sie werde B. "voraussichtlich im Frühjahr 2001 in unserer Firma" wieder einstellen.

Mit Schreiben vom 22. Jänner 2001 teilte die beschwerdeführende Gesellschaft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit, dass R. "voraussichtlich ab Frühjahr 2001 wieder bei uns beschäftigt" werde.

Eine Anfrage der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, ob es hinsichtlich der genannten Beschäftigungen eine schriftliche Zusage auf Wiedereinstellung gegeben habe, beantwortete die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben vom 29. August 2001 dahin, dass allen mit Jahresende 2000 gekündigten Arbeitnehmern eine Wiedereinstellung für Frühjahr 2001 zugesagt worden sei. Die Genannten hätten jedoch bei anderen Unternehmen zu arbeiten begonnen, sodass eine Wiedereinstellung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht möglich gewesen sei.

Die Frage nach einer schriftlichen Zusage auf Wiedereinstellung beantwortete die beschwerdeführende Gesellschaft in einem mit 5. März 2002 datierten Vordruck mit "mündlich und schriftlich, siehe Beilage" und jene nach dem Grund der gleichzeitig mit der Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgten Kündigung der von R. bewohnten Dienstwohnung damit: "Dies geschah nicht auf Grund der Beendigung DV sondern wegen Verkauf des Hauses wurden alle Dienstwohnungen gekündigt." Als Beilagen schloss die beschwerdeführende Gesellschaft ihre oben angeführten Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 8. und vom 22. Jänner 2001 an.

In einem handschriftlichen Vermerk ist im Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu B. festgehalten, "lt. pers. Vorsprache kein Vertrag vorhanden, DN ruft immer wieder an, aber keine Arbeit für ihn da".

R. teilte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 5. September 2001 mit, dass er nach der Kündigung durch die beschwerdeführende Gesellschaft auch aus der Dienstwohnung habe ausziehen müssen. Er habe sich sofort arbeitslos gemeldet und dann eine neue Beschäftigung begonnen, um die neue Wohnung finanzieren zu können.

In einem als Einspruch bezeichneten Schreiben vom 17. Mai 2002 teilte die beschwerdeführende Gesellschaft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit, sie habe für R. und B. bei der Abmeldung eine mündliche Wiedereinstellungszusage gegeben. Diese mündlichen Zusagen seien in der Folge am 22. Jänner 2001 schriftlich an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse übermittelt worden. R. habe bereits im Winter 2001 bei einer "Konkurrenzfirma" eine Beschäftigung angenommen, B. habe im Frühjahr 2001 nicht mehr bei der beschwerdeführenden Gesellschaft arbeiten wollen. Die beschwerdeführende Gesellschaft treffe daher kein Verschulden, dass die Genannten nicht wieder eingestellt worden seien.

Mit zwei Bescheiden vom 24. Juli 2002 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Gesellschaft als ehemalige Dienstgeberin von R. und von B. zur Zahlung je eines Betrages gemäß § 5b AMPFG in der Höhe von EUR 3.027,64 bzw. EUR 1.977,82.

Nach den im Wesentlichen gleich lautenden Begründungen hätten die beiden Dienstnehmer bei Beendigung des Dienstverhältnisses das 50. Lebensjahr überschritten gehabt, seien mindestens zehn Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesen und die Arbeitsverhältnisse seien auf Betreiben des Arbeitgebers aufgelöst worden. Die Erhebungen hätten gezeigt, dass im Zeitpunkt der Beendigung der Dienstverhältnisse den Dienstnehmern eine Wiedereinstellungszusage nicht in schriftlicher Form vorgelegen sei. Es sei daher - je - ein "Malusbetrag" in Rechnung zu stellen gewesen.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüche führte die beschwerdeführende Gesellschaft gleich lautend aus, die bei ihr beschäftigten Arbeiter würden entweder im Dezember abgemeldet oder bis zur nächsten Saison weiter behalten werden. Seit mehr als 30 Jahren habe es nur mündliche Wiedereinstellungsvereinbarungen gegeben. Trotz des Vorliegens von Wiedereinstellungsvereinbarungen hätten R. und B. bei anderen Unternehmen zu arbeiten begonnen. Für die Praxis der mündlichen Wiedereinstellungsvereinbarung gebe es viele Zeugen im Betrieb. R. und B. seien viele Jahre "mit der mündlichen Wiedereinstellungspraxis" einverstanden gewesen.

Am 30. Jänner 2003 gab R. bei einer von der belangten Behörde im Wege der Rechtshilfe veranlassten Einvernahme an, es sei ihm seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft gesagt worden, dass Personal abgebaut werde; eine Wiedereinstellung sei nicht zugesagt worden; er habe die Dienstwohnung der beschwerdeführenden Gesellschaft seit 1982 bewohnt, diese wurde zum 31. Jänner 2001 gekündigt. Auf die Frage, ob es R. möglich gewesen wäre, im Jahre 2001 wieder bei der beschwerdeführenden Gesellschaft zu arbeiten, antwortete er, er hätte im Mai wieder dort arbeiten können, er sei jedoch seit 19. März 2001 bei einem anderen Unternehmen beschäftigt gewesen. Er habe dort zu arbeiten begonnen, weil er ein Angebot erhalten habe, seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft habe es kein Angebot gegeben.

In einem offenbar bei dieser Einvernahme vorgelegten Schreiben der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 4. Jänner 2001 an R. heißt es:

"Zufolge Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit 17.01.2001, ersuchen wir Sie die Dienstwohnung in Wien 1200, ... bis zum 31.01.2001 zu räumen und die Schlüssel im Büro zu übergeben. (Gemäß Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer)".

In einer Äußerung der nunmehr anwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Gesellschaft vom 12. März 2003 wurde vorgebracht, dass die Kündigung des mit R. abgeschlossenen Mietvertrages über die Dienstwohnung ihren Grund nicht in der Beendigung des Dienstverhältnisses mit R. gehabt habe, sondern sämtliche Bestandverhältnisse gelöst worden seien, weil das Haus verkauft worden sei. Zum Beweis dafür, dass mit R. eine Wiedereinstellungsvereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 7 AlVG getroffen worden sei, wurden namentlich vier Zeugen, "sämtliche per Adresse der Einschreiterin", sowie ein weiterer Zeuge mit konkreter Anschrift namhaft gemacht.

In einem weiteren Schriftsatz vom 30. April 2003 nahm die beschwerdeführende Gesellschaft zu Äußerungen der belangten Behörde zu Fragen der Beweiswürdigung und der Durchführung des Ermittlungsverfahrens Stellung und führte zu dem konkreten Vorhalt, dass zu B. noch keine Stellungnahme abgegeben worden sei, aus, es sei auch mit B. eine Wiedereinstellungsvereinbarung getroffen worden, was der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 8. Jänner 2001 bekannt gegeben worden sei.

Mit dem zu I. angefochtenen Bescheid (R. betreffend) gab die belangte Behörde dem Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge. Begründend fasste sie den Gang des Verwaltungsverfahrens zusammen und stellte fest, R. sei im Jänner 2001 bereits mehr als zehn Jahre bei der beschwerdeführenden Gesellschaft beschäftigt und zu diesem Zeitpunkt beinahe 55 Jahre alt gewesen. Er sei zum 17. Jänner 2001 gekündigt worden. Zur Kündigung sei ihm erklärt worden, dass Personal abgebaut würde. Eine Wiedereinstellungszusage von der beschwerdeführenden Gesellschaft habe es nicht gegeben. R. habe sich sofort arbeitslos gemeldet, sei aus der Dienstwohnung, die er seit 1982 bewohnt habe, ausgezogen und habe sich eine andere Beschäftigung gesucht.

In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, schon wegen der Kündigung der Dienstwohnung sei das Vorliegen einer Wiedereinstellungszusage "äußerst unwahrscheinlich". Im Schreiben vom 4. Jänner 2001 habe die beschwerdeführende Gesellschaft von einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesprochen und es fehle jeder Hinweis, dass es sich dabei nicht um eine endgültige Maßnahme gehandelt haben sollte oder eine Wiedereinstellungszusage vorgelegen wäre. Die Behauptung, es liege eine Wiedereinstellungszusage vor, werde als Schutzbehauptung gewertet. Dieser Eindruck verstärke sich durch den Umstand, dass die beschwerdeführende Gesellschaft in Missachtung ihrer Mitwirkungspflicht die Angabe von Privatadressen verweigere; dadurch erscheine eine gewisse "Koordination der beantragten Zeugen" durch die beschwerdeführende Partei möglich, womit gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer unbefangenen und wahrheitsgemäßen Zeugenaussage sinke. Andererseits könne die Glaubwürdigkeit "der beantragten Zeugen" nicht beurteilt werden, weil Dienstnehmer erfahrungsgemäß ungern Aussagen tätigten, die ihrem Dienstgeber schaden könnten. Die Nennung weiterer Zeugen zur Frage des Grundes der Kündigung der Dienstwohnung habe die beschwerdeführende Gesellschaft verweigert; es sei der belangten Behörde nicht zumutbar, bloß solche Zeugen einzuvernehmen, die in irgendeinem Naheverhältnis zur beschwerdeführenden Partei stünden. Die Ladung an der Adresse der beschwerdeführenden Partei sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass es sich bei den Zeugen um Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei handle. Der Sachverhalt sei auf Grund der Aussage von R., seinem Schreiben an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 5. September 2001 und dem Schreiben der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 4. Jänner 2001 an R. (betreffend Räumung der Dienstwohnung) so klar und eindeutig erwiesen, dass weitere Beweiserhebungen entbehrlich seien und den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens widersprechen würden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es habe aus Anlass der Kündigung von R. im Jänner 2001 keine Wiedereinstellungsvereinbarung zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und R. gegeben.

Mit dem zu II. angefochtenen Bescheid (B. betreffend) hat die belangte Behörde dem Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge gegeben. Begründend stellte sie den Gang des Verwaltungsverfahrens sowie die von ihr herangezogenen Beweismittel dar und stellte fest, dass B. von der beschwerdeführenden Gesellschaft im Dezember 2000 gekündigt worden sei; damals sei er mehr als zehn Jahr dort beschäftigt und 57 Jahre alt gewesen. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe bei der Kündigung keine Wiedereinstellungszusage gegeben. Eine Befragung von B. bei der Wiener Gebietskrankenkasse habe ergeben, dass B. wieder bei der beschwerdeführenden Gesellschaft gearbeitet hätte, wenn sie ihn wieder eingestellt hätte. Er habe dort immer wieder angerufen, aber keine Arbeit bekommen. Darauf hin habe er eine andere Beschäftigung gefunden.

In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus: "Nach der gegebenen Beweislage (sei) das Nichtvorliegen einer Wiedereinstellungszusage hinsichtlich B. erwiesen". Darüber hinaus sei "auch sonst die Glaubwürdigkeit der Behauptungen der (beschwerdeführenden Gesellschaft) durchaus enden wollend, wie das parallele Verfahren hinsichtlich des R. gezeigt hat ... Eine Wiedereinstellungszusage im Sinne der einschlägigen Bestimmungen ist also keinesfalls anzunehmen".

Gegen diese Bescheide hat die beschwerdeführende Gesellschaft Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls Gegenschriften erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 5b Abs. 1 AMPFG hat der Dienstgeber einen Beitrag zu entrichten, wenn das Dienstverhältnis einer Person, die zum Beendigungszeitpunkt das 50. Lebensjahr vollendet oder überschritten hat, aufgelöst wird und das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre gedauert hat.

Nach § 5b Abs. 2 Z 4 AMPFG besteht die Beitragspflicht nicht, wenn ein Wiedereinstellungsvertrag oder eine Wiedereinstellungszusage vorliegt.

Unter einer Wiedereinstellungszusage ist eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen dem früheren Dienstgeber und dem Arbeitslosen, auf Grund derer letzterer verpflichtet ist, seine Beschäftigung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen, zu verstehen. Davon zu unterscheiden ist eine (schlichte) Zusage, den Arbeitslosen künftig einstellen (wieder einstellen) zu wollen, ohne dass dem eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Arbeitslosen zum Arbeitsantritt gegenübersteht (vgl. das Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0019).

In den vorliegenden Beschwerdefällen hat die beschwerdeführende Gesellschaft während des Verwaltungsverfahrens zunächst vorgebracht, lediglich Wiedereinstellungszusagen gegeben zu haben. Erstmals in der Äußerung der dann anwaltlich vertretenen beschwerdeführenden Gesellschaft vom 12. März 2003 wurde vorgebracht, dass mit R. eine Wiedereinstellungsvereinbarung im Sinne des § 9 Abs. 7 AlVG getroffen worden sei. Strittig ist demnach, ob die beschwerdeführende Gesellschaft mit R. und B. anlässlich der Beendigung der Dienstverhältnisse Wiedereinstellungsvereinbarungen getroffen hat, die die Beitragspflicht gemäß § 5b Abs. 4 Z 2 AMPFG ausschlössen. Die übrigen Voraussetzungen für die Leistung eines Beitrages gemäß § 5b Abs. 1 AMPFG liegen in beiden Fällen unstrittig vor.

Zu I.:

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat sich die Behörde - zwar ohne an formale Regeln gebunden zu sein, aber unter Wahrung aller Verfahrensgrundsätze (ordnungsgemäß und vollständig durchgeführtes Ermittlungsverfahren, Parteiengehör) - Klarheit über den maßgeblichen Sachverhalt zu verschaffen. Die freie Beweiswürdigung bezieht sich jedoch nur auf die bereits vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens und lässt es keineswegs zu, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen. Die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit hin setzt die Aufnahme des Beweises voraus. Eine Würdigung der Beweise hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach ihrer Aufnahme möglich, eine vorgreifende Beweiswürdigung ist somit unzulässig (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 229. ff zu § 45 AVG).

Unter Verletzung dieser Regeln hat die belangte Behörde von der Einvernahme der von der beschwerdeführenden Gesellschaft für das entscheidungswesentliche Beweisthema, nämlich ob eine Wiedereinstellungsvereinbarung vorliege, namhaft gemachten Zeugen Abstand genommen und unter Heranziehung einzelner ausgewählter Beweismittel einen von den Behauptungen der beschwerdeführenden Gesellschaft abweichenden Sachverhalt festgestellt.

Angebotene Beweise dürfen aber nur dann von vornherein abgelehnt werden, wenn die angebotenen Beweismittel an sich nicht geeignet sind, über den Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 235.) Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal die beschwerdeführende Gesellschaft zum Beweis des Zustandekommens der konkreten Wiedereinstellungszusagen Zeugen namhaft gemacht hat, deren Einvernahmen nach der Aktenlage kein Hindernis im Wege stand. Ein allfälliges Naheverhältnis zur beschwerdeführenden Gesellschaft ist jedenfalls nicht geeignet, den Zeugen vorweg jede Glaubwürdigkeit abzusprechen.

Die belangte Behörde hat durch die Unterlassung der beantragten Einvernahme der Zeugen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der mit den genannten Verfahrensmängeln behaftete angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Zu II:

Der in § 45 Abs. 2 AVG zum Ausdruck kommende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Diese Bestimmung hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber keineswegs eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt insoweit nicht gebunden, als dieser in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, der Ergänzung bedarf oder bei seiner Ermittlung Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0082, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Beweiswürdigung der Behörde unterliegt auch der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung, ob alle zum Beweis oder zur Widerlegung strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden und die Behörde bei der Würdigung dieser Umstände (bzw. bei Gewinnung ihrer Schlussfolgerungen) deren Gewicht (im Verhältnis zueinander) nicht verkannt hat. Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes für die Beantwortung der Frage, ob Umstände in diesem Sinn objektiv geeignet (und daher zu berücksichtigen) sind und ob ihr Gewicht (an sich oder im Verhältnis zu anderen Sachverhaltselementen) verkannt wurde, sind die Gesetze der Logik und das allgemeine menschliche Erfahrungsgut (vgl. das Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 96/08/0073).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweisen sich die Erwägungen der belangten Behörde in der Beweiswürdigung, mit denen das Nichtvorliegen einer Wiedereinstellungszusage begründet werden sollte, als nicht schlüssig. Hinweise auf die "gegebene Beweislage" und eine "enden wollende Glaubwürdigkeit" sind keine Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der diesen Aussagen zu Grunde liegenden Denkvorgänge.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333; da das jeweilige Kostenbegehren der am 8. September 2003 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerden hinter dem Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der am 18. Juli 2003 ausgegebenen Verordnung zurückblieb, war nur der begehrte Betrag zuzusprechen. Im pauschalierten Aufwandersatz für den Beschwerdeschriftsatz ist die Mehrwertsteuer bereits enthalten, weshalb das jeweilige Mehrbegehren abzuweisen war.

Das auf den Ersatz der Eingabegebühr gerichtete Kostenbegehren war wegen der hier geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 5c Abs. 1 AMPFG iVm § 110 Abs. 1 ASVG) abzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2005

Schlagworte

Allgemein Verfahrensbestimmungen Allgemein Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080178.X00

Im RIS seit

03.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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