Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Ernst Chalupsky, Rechtsanwalt, Bahnhofstraße 10, 4600 Wels als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** Gesellschaft mbH, *****, wegen 2,664.874 S infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juni 1984, GZ 2 R 102/84-32, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 9. März 1984, GZ 7b Cg 4/83-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird in ihrem Ausspruch über die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Begehrens auf Feststellung einer Konkursforderung von 1,964.874 S durch das Erstgericht bestätigt. Die Entscheidung des Erstgerichts ist in diesem Umfange als Teilurteil anzusehen.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 17.437,20 S (einschließlich 1.585,20 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens über diese Revision zu ersetzen.
Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird in seinem nicht bestätigten Ausspruch aufgehoben. In diesem Umfange wird die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung in die zweite Instanz zurückverwiesen.
In diesem Umfang sind die Kosten des Revisionsverfahrens weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Leasing-Gesellschaft mbH hat im Jahre 1978 der S***** Gesellschaft mbH durch zwei als „Bestandvertrag“ bezeichnete, inhaltlich im allgemeinen Teil gleichlautende Formularverträge für die Zeit bis zum 31. 5. 1984 zwei Autokräne (Liebherr LG 1060 und Krupp 3-Achsen 18 GMT) und ein Sattelzugfahrzeug (Steyr 1490) vermietet. Als Entgelt („Bestandentgelt“) wurde für die beiden Autokräne ein ab dem 12. Monat der Miete zahlbarer Betrag von 156.000 S zuzüglich Umsatzsteuer und für das Sattelzugfahrzeug ein ab dem 6. Monat der Miete zahlbarer Betrag von 16.500 S zuzüglich Umsatzsteuer je pro Monat und wertgesichert am Maßstab des Diskontsatzes der österreichischen Nationalbank, der damals 4,5 % betrug, vereinbart; bei Absinken des Diskontsatzes unter 4,5 % sollte das „Bestandentgelt“ nicht unter die vereinbarten Entgeltsbeträge herabgesetzt werden. In Punkt VII („Rechtsfolgen bei Vertragsverletzung“) des allgemeinen Teils der beiden Verträge wurde festgelegt:
„Für den Fall als Bestandnehmer
a) mit der Bezahlung des Bestandentgelts auch für einen Monat in Verzug gerät,
b) mit der im obliegenden Zahlung der Versicherungsprämie … im Rückstand ist,
c) irgendeine andere der in diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen oder
d) gesetzliche, die Haltung und den Betrieb des Objekts/Fahrzeugs betreffende Bestimmungen verletzt … (e, f, g) ...)
h) wenn gegen den Bestandnehmer ein Offenbarungseid, Ausgleich oder Konkursverfahren eröffnet wird oder der Bestandnehmer einen außergerichtlichen Ausgleich anstrebt bzw wenn sich seine Vermögensverhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wesentlich verschlechtern,
i) eine Pfändung des Bestandobjekts durch Dritte nicht innerhalb von 14 Tagen aufgehoben wird,
so hat die I***** das Recht, ohne Rücksicht auf den Standort des Bestandobjekts oder auf irgendwelche Schäden, die dem Bestandnehmer entstehen könnten, eine oder mehrere oder alle der nachstehend genannten Maßnahmen zugleich oder in beliebiger Reihenfolge zu ergreifen:
A) Auflösung des Bestandvertrags mit sofortiger Wirkung durch einseitige Erklärung,
B) Fälligstellung des Bestandentgelts für die restliche vereinbarte Vertragsdauer,
C) Einziehung des Bestandobjekts durch dessen Abtransport und Verwahrung oder Plombierung an Ort und Stelle oder andere geeignete Maßnahmen, die den weiteren Gebrauch des Bestandobjekts durch den Bestandnehmer verhindern, all dies auch ohne gerichtliche oder behördliche Entscheidung, Verfügung oder Intervention.“
Mit dem Brief vom 18. 5. 1982 hat die Klägerin der Beklagten den Gesamtbetrag der zu diesem Zeitpunkt bereits fällig gewordenen Bestandentgelte für die beiden Autokräne und das Sattelzugfahrzeug mit 1,860.718 S bekanntgegeben, unter Berufung auf Punkt B/VII/a der beiden Bestandverträge die bis zum Ablauf der vereinbarten Bestandzeit geschuldeten Bestandentgelte in Höhe von 7,327.800 S (gemäß lit B desselben Vertragspunkts) per sofort fällig gestellt und - unter der Eröffnung einer Alternativzahlung für die beiden Autokräne in Höhe von 5,103.765 S bei gleichzeitiger Zahlung von zumindest 1,860.718 S Zahlung bis 28. 5. 1982 gefordert.
Am 27. 10. 1982 wurde über das Vermögen der Bestandnehmerin S***** Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet und der nun beklagte Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Dieser führt das Unternehmen der Gemeinschuldnerin mit gerichtlicher Genehmigung fort. Die Verträge zwischen den Parteien wurden von keiner Seite zur Auflösung gebracht.
Die von der Klägerin im Konkurs als Konkursforderung 3. Klasse angemeldete Forderung von 2,664.874 S (bestehend aus 2,506.251 S Kapitalforderung und 158.623 S Zinsenforderung, ds 1,5 % pM von Juli bis Oktober 1982) wurde vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung bestritten.
In dem hierauf von der Klägerin angestrengten Prüfungsprozess beantragte der beklagte Masseverwalter die Abweisung der Klage und wendete im Wesentlichen ein:
Bei der Berechnung der Bestandentgelte für die restliche Bestanddauer bis zum 31. 5. 1984 seien im Sinne der Wertsicherungsklausel die nachträglichen Veränderungen des Diskontsatzes der österreichischen Nationalbank zu berücksichtigen. Diese Wertsicherungsvereinbarung sei ebenso wie die der Bestandgeberin vertraglich eingeräumte Möglichkeit einer vorzeitigen Fälligstellung des gesamten Bestandentgelts - diese stelle sich als Konventionalstrafevereinbarung dar - sittenwidrig. Der Autokran Liebherr LG 1060 sei von der Klägerin eingezogen und einem anderen Unternehmer in Bestand gegeben worden. Kurze Zeit nach der Konkurseröffnung habe die Klägerin versucht, sowohl diesen Autokran als auch den Autokran Krupp 3-Achsen 18 GMT, den sie ebenfalls eingezogen habe, einem anderen Unternehmer zu verkaufen.
Die Klägerin vertrat demgegenüber die Rechtsansicht, dass die Veränderungen des Index nur bis zum Zeitpunkt der Fälligstellung der restlichen Bestandentgelte, nicht aber für die Zeit danach bist zum Ende der vereinbarten Vertragsdauer zu veranschlagen seien, und es sich bei den fällig gestellten Entgelten für die restliche Bestanddauer nicht um eine Vertragsstrafe handle. Sie brachte ferner vor, dass der Gemeinschuldnerin bei sofortiger Bezahlung der Bestandentgelte die beiden Autokräne und das Sattelzugfahrzeug Steyr 1490 selbstverständlich zur Verfügung gestanden wären; dies sei auch dem Masseverwalter mitgeteilt worden.
Die Parteien haben außer Streit gestellt:
a) Die rechnerische Richtigkeit eines Forderungsbetrags von 2,687.746,85 S bei Zutreffen der Rechtsansicht der Klägerin zur Berücksichtigung der Indexveränderungen;
b) die rechnerische Richtigkeit eines Betrags von 700.000 S (unter Berücksichtigung der Teilzahlungen und Verzinsungen) bei Zutreffen der Rechtsansicht des Beklagten, dass sich bei der Berechnung der Bestandentgelte bis zum 31. 5. 1984 die Veränderungen des Diskontsatzes nach dem 18. 5. 1982 mindernd auswirken müssten.
Das Erstgericht stellte die Konkursforderung der Klägerin in der dritten Klasse der Gläubiger mit 700.000 S fest und wies das Mehrbegehren von weiteren 1,964.874 S ab.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen an:
Bei den fälliggestellten Bestandentgelten für die restliche Vertragsdauer handle es sich um eine Konventionalstrafe. Diese und die vereinbarte Wertsicherung seien nicht sittenwidrig. Unter Zugrundelegung der von der Klägerin vorgenommenen Berechnungsart sei die Vertragsstrafe nicht als unangemessen hoch zu beurteilen. Zu der vereinbarten Wertsicherung habe sich die Gemeinschuldnerin nach vorheriger Beratung durch ihren Steuerberater entschieden; es sei bei Vertragsschluss für beide Teile voraussehbar gewesen, dass der Diskontsatz der österreichischen Nationalbank laufenden Schwankungen unterliegen werde, und diese Schwankungen hätten sich während der Vertragsdauer gelegentlich auch zum Vorteil der Gemeinschuldnerin ausgewirkt.
Das von beiden Parteien angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichts und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen so:
Bei der strittigen Vertragsklausel über die Fälligstellung des gesamten Bestandentgelts für die restliche Vertragsdauer handle es sich nicht um die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Das Vertragsverhältnis der Parteien bestehe mangels Kündigung durch eine der Parteien (§ 23 Abs 1 KO) unbeeinflusst von der Konkurseröffnung über das Vermögen der Bestandnehmerin fort. Der Fälligstellung des Bestandentgelts für die restliche Dauer der beiden Verträge habe demnach nicht die Funktion des Schadenersatzes, wie sie für die Vertragsstrafe charakteristisch sei, sondern die einer Vorauszahlung des Bestandentgelts ab einem bestimmten Zeitpunkt unter den von vornherein festgelegten Bedingungen; hier sollte es eine Maßnahme der Bestandgeberin für den Fall der Verschlechterung der finanziellen Lage der Bestandnehmerin oder einer Vertragsverletzung sein. Auf derartige Bestandverträge nehme § 23 Abs 2 KO sogar ausdrücklich Bedacht. Es erübrige sich daher eine Erörterung aller im Zusammenhang mit einer Vertragsstrafevereinbarung aufgeworfenen Rechtsfragen. Indessen sei die Mietzinsvereinbarung keineswegs sittenwidrig. Gleiches gelte auch von der Wertsicherungsvereinbarung. In dieser Richtung habe der Beklagte auch kein konkretisiertes Vorbringen erstattet und es ergebe sich auch aus dem gesamten Akteninhalt kein brauchbarer Ansatzpunkt für die Annahme einer Sittenwidrigkeit, wie etwa in der Richtung, dass Umstände vorhanden wären, die bei Vertragsschluss von den Parteien auch nicht annähernd vorausgesehen werden konnten. Überzeugend habe das Erstgericht dargelegt, dass die Gemeinschuldnerin als Kaufmann immerhin zwischen zwei Wertsicherungsklauseln habe wählen können (Großhandelsindex und Nationalbank-Diskontsatz) und sich nach Beratung durch ihren Steuerberater für die Diskontsatzvariante entschieden habe.
Wie aber das im Voraus fälliggestellte Bestandentgelt zu berechnen sei, sei keine Frage der Sittenwidrigkeit, sondern eine solche der Vertragsauslegung. Der Standpunkt der Klägerin, nach Fälligstellung der Entgelte sei eine Berücksichtigung nachträglicher Indexveränderungen ausgeschlossen, gehe an den gesetzlichen Auswirkungen des Konkurses auf Bestandverträge vorbei, wie sich an § 23 KO ergäbe. Da beide Bestandverträge erst am 31. 5. 1984 geendigt hätten, müsse sich die für die gesamte Vertragsdauer vereinbarte Wertsicherung auch in ihren Schwankungen beim Wertmaßstab auswirken. Es sei zwar richtig, dass sich der vorauszuzahlende Entgeltbetrag bei Fälligstellung zunächst nur auf der Wertsicherungsbasis im Zeitpunkt der Fälligstellung habe errechnen lassen, doch ändere dies nichts an der Möglichkeit einer nachträglichen Ausgleichszahlung aufgrund geänderter Verhältnisse. Hier müsse ein derartiger nachträglicher Ausgleich gar nicht vorgenommen werden, denn es ergebe sich die retrospektive Möglichkeit der Berechnung für einen bereits verstrichenen Zeitraum (Mai 1982 bis Mai 1984) an Hand der Veränderungen des Wertmessers (Diskontsatz der österreichischen Nationalbank). Nichts anderes habe das Erstgericht mit Hilfe der Außerstreitstellung der Parteien über die Höhe der im Konkurs angemeldeten Forderungen getan.
Beide Parteien bekämpfen diese Entscheidung des Berufungsgerichts in den sie jeweils beschwerenden Aussprüchen mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, der beklagte Masseverwalter auch wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens; in ihren Revisionsbeantwortungen begehren sie, jeweils dem Rechtsmittel des Gegners keinen Erfolg zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt, wohl aber jene des beklagten Masseverwalters.
I) Zur Revision der Klägerin:
Die weitläufigen und von komplizierten Gedankengängen getragenen Ausführungen der Klägerin zur Indexfrage können nicht an der von ihr selbst in erster Instanz vorgetragenen (S 49 der Akten = S 11 des vorbereiteten Schriftsatzes ON 12) und auch aus dem übereinstimmenden allgemeinen Teil der beiden Formularverträge hervorgehenden Tatsache vorbeiführen, dass die in Punkt („Rechtsfolgen bei Vertragsverletzung“) unter lit B der Bestandgeberin eingeräumte Berechtigung zur vorzeitigen Fälligstellung des Bestandentgelts für die restliche, noch nicht abgelaufene Vertragszeit der Sicherstellung der als gefährdet geltenden Einbringlichkeit der Forderung auf dieses Entgelt für die restliche Dauer des Vertrags dient, also nur auf die Vorauszahlung des rechtlich Geschuldeten gerichtet ist. Die dadurch bewirkte vorzeitige Fälligkeit kann in Ermangelung einer anderslautenden Vereinbarung aber nicht die Höhe des geschuldeten Bestandentgelts berühren. Fraglich kann nur sein, wie hoch der Wertsicherungsbetrag im Zeitpunkt der vorzeitigen Fälligstellung in Hinblick auf die noch ungewissen zukünftigen Veränderungen des Wertmaßstabs veranschlagt werden darf, dh in welcher vorläufigen Höhe der vorzeitig fällig gestellte Entgeltbetrag gefordert werden darf und vom Bestandnehmer auch zu zahlen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage ist dem Berufungsgericht in der Ansicht beizustimmen, dass es naheliegend ist, die Berechnung der vorläufigen Wertsicherungsvorauszahlung von dem zur Zeit der Fälligstellung geltenden Diskontsatz der österreichischen Nationalbank vorzunehmen. Es kann dann auch keine Frage sein, dass nach Ablauf der Vertragsdauer eine endgültige Abrechnung auf der Grundlage der tatsächlich eingetretenen Veränderungen des Diskontsatzes der österreichischen Nationalbank vorzunehmen ist. Hier kann freilich retrospektiv bei der Berechnung des endgiltig geschuldeten Wertsicherungsbetrags die Indexveränderung berücksichtigt werden. Darauf hat schon das Berufungsgericht hingewiesen. Aus diesem Grunde muss die Revision der Klägerin erfolglos bleiben. Da der Ausspruch der Vorinstanzen über diese Teilforderung richtig ist, muss das Urteil des Erstgerichts in diesem Punkt als Teilurteil bestätigt werden. Die Klägerin hat dem beklagten Masseverwalter die Kosten des Verfahrens über ihr Rechtsmittel gemäß den §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.
II) Zur Revision des beklagten Masseverwalters:
Im Vordergrund steht die Rechtsrüge, die im Ergebnis auch berechtigt ist, sodass auf die gerügte Verfahrensmangelhaftigkeit erst gar nicht eingegangen werden muss.
Schon der klare und unzweideutige Wortlaut der Verfallsklausel (Punkt VII der Verträge lit B) lässt eine Deutung (oder Umdeutung) in eine schadenspauschalierende Vertragsstrafe nicht zu. Mit Recht hat das Berufungsgericht deshalb die Annahme einer Vertragsstrafevereinbarung ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen zum Zweck und Charakter dieser Klausel wird auf die Ausführungen zur Revision der Klägerin (I oben) verwiesen
Der Sittenwidrigkeitseinwand des beklagten Masseverwalters ist jedoch iSd § 879 Abs 3 ABGB gerechtfertigt, wenn - wie er schon in erster Instanz vorgebracht hat (S 32 und 56 der Akten = S 6 bzw S 4 der vorbereitenden Schriftsätze ON 9 bzw ON 14) - die Klägerin neben der vorzeitigen Fälligstellung der gesamten noch für die restliche Vertragsdauer auflaufenden Bestandentgelte auch noch die beiden vermieteten Autokräne unter Berufung auf Punkt VII lit C eingezogen haben sollte. Daran könnte auch die Richtigkeit des Gegeneinwands der Klägerin (S 49 der Akten = S 11 des vorbereitenden Schriftsatzes ON 12) nichts ändern, dass sie dem beklagten Masseverwalter mitgeteilt habe, es stünden ihm die beiden Autokräne (und das Sattelfahrzeug) bei sofortiger Bezahlung der ausständigen Bestandentgelte selbstverständlich zur Verfügung, denn einen Rechtsanspruch hatte die Bestandnehmerin darauf nach dem Inhalt der beiden Verträge nicht und ein entsprechendes nachträgliche Anbot der Klägerin konnte auf die ursprüngliche Nichtigkeit der Einziehungsklausel keinen sanierenden Einfluss haben.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits am 16. 9. 1985 zu 1 Ob 626/85 die in einem Formularvertrag bei einem Finanzierungs-Leasingvertrag enthaltene Kumulierung der sofortigen Fälligstellung der noch aushaftenden Leasingraten und die Entziehung der Nutzung des Leasinggegenstands unter Aufrechterhaltung des Leasingvertrags ohne Verpflichtung des Leasinggebers zur neuerlichen Überlassung des Leasinggegenstands nach Bezahlung der laufenden Raten in Übereinstimmung mit dem deutschen Bundesgerichtshof und dem überwiegenden deutschen Schrifttum (BGHZ 82, 121, 127; BGHZ 71, 196, 205; Westphalen, Der Leasingvertrag² Rz 511; Quittnat in DB 1979, 1530 ff; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts12 II § 63; Wolf in Wolf-Horn-Lindacher, AGB-Gesetz Anm L 45; Brandner in Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Komm4 Anh 9-11 Anm 466; Kötz in MünchKomm § 9 ABGB Anm 34) die nun auch vom 5. Senat gebilligte Ansicht ausgesprochen, dadurch werde das Äquivalenzprinzip nicht bloß deshalb empfindlich gestört, weil dem Leasingnehmer auch die Nutzung des Leasinggegenstands - um derentwillen er ja schließlich den Vertrag geschlossen hatte - in aller Regel auf Dauer entzogen und damit die vertraglich zugesicherte Nutzungsdauer verkürzt werde. Der Leasingnehmer, der sich bereits in Zahlungsverzug befindet, werde durch die sofortige Fälligstellung im Allgemeinen erst recht außerstande gesetzt, seiner nun noch erhöhten Zahlungspflicht nachzukommen, obwohl er doch häufig den Leasingvertrag gerade deshalb gewählt habe, weil er außerstande gewesen sei, den Kaufpreis bar zu entrichten. Seine Rechtsposition werde - besonders in den Fällen, in denen die Leasingraten erst durch die Nutzung des Leasinggegenstands zustande gebracht werden sollen (vgl auch SZ 43/101) - durch den praktischen Ausschluss der Wiedererlangbarkeit des Leasingguts in unvertretbarer Weise verschlechtert, während der Leasinggeber aus dem vorzeitigen Rückfluss des von ihm investierten Kapitals zusätzliche, ursprünglich nicht kalkulierte Zinsgewinne ziehen oder bei Unmöglichkeit der Entrichtung aller Raten mit einem erhöhtem Rücknahmewert des Leasinggenstands rechnen könne. Eine solche empfindliche Störung des gebotenen vertraglichen Äquivalenzverhältnisses könne überhaupt kein wirtschaftlich notwendiges Sicherungsinteresse rechtfertigen.
Diese Überlegungen treffen im Wesentlichen auch auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall zu, weshalb in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen die in den Formularverträgen vorgesehene Kumulierung der vorzeitigen Fälligstellung der restlichen Bestandentgelte und der Entziehung der Bestandgegenstände ohne Rechtsanspruch der Leasingnehmerin auf Zurückerlangung des Gebrauchs dieser Objekte und bei Aufrechterhaltung der Verträge wegen ihrer gröblichen Benachteiligung der Bestandnehmerin gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig ist. Daraus folgt, dass im Falle der Richtigkeit des erstinstanzlichen Einwands des beklagten Masseverwalters für den Fall und im Umfange des tatsächlich erfolgten und dann rechtswidrig gewesenen Gebrauchsentzugs die Forderung der Klägerin auf Entgelt und damit auch auf dessen Wertsicherung ab diesem Zeitpunkt nicht berechtigt wäre (Schadenersatz hat aber die Klägerin nicht geltend gemacht).
Zur Klärung dieser Frage, die durch Außerstreitstellungen der Parteien oder durch Ergänzung des Beweisverfahrens in der aufgezeigten Richtung ohne erheblichen Kostenaufwand auch in zweiter Instanz möglich ist und deshalb zweckmäßig erscheint, muss die angefochtene Entscheidung in ihrem nicht bestätigten Ausspruch aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des beklagten Masseverwalters zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht in diesem Umfange auf § 52 ZPO.
Textnummer
E96370European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00321.84.1125.000Im RIS seit
04.03.2011Zuletzt aktualisiert am
04.03.2011