Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A & Co Bankaktiengesellschaft, Renngasse 1-3, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Peter Kisler, DDr.Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Alois B, Kaufmann, Grossendorf 36, 4551 Ried im Traunkreis, vertreten durch Dr.Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 119.625,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4.Juli 1985, GZ.3 b R 82/85-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 19.April 1985, GZ.3 Cg 298/84-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Antrag der Klägerin auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird abgewiesen.
2.) zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat dem Beklagten die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte bezog bei der Firma AGRARhandel und Transportgesellschaft mbH Sojaschrot. Auf der Rechnung über einen Betrag von S 119.625,-- fand sich ein Vermerk, der Rechnungsbetrag sei an C D A Bankkommanditgesellschaft, Zweigniederlassung Wels, unwiderruflich abgetreten worden und zahlbar auf deren Postsparkassenkonto. Der Beklagte bezahlte den Rechnungsbetrag am Fälligkeitstag (30.7.1984) nicht und wurde deshalb von der C D A
Bankkommanditgesellschaft mit Schreiben vom 6.8.1984 an seine Zahlungspflicht erinnert. In einem Schreiben vom 13.8.1984 an den Beklagten erklärte die Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH durch ihren Rechtsanwalt, die Firma AGRARhandel und Transportgesellschaft mbH, an die sie den Sojaschrot geliefert habe, habe nichts bezahlt, weshalb gemäß Punkt 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Abtretung der Forderung Gebrauch gemacht werde. Der Beklagte habe daher die offene Rechnung mit schuldbefreiender Wirkung nur an die Firma E Warenhandels-Ges.m.b.H. zu bezahlen. Mit Schreiben vom 13.8.1984 forderte die Firma Gerhard F,
Güterbeförderungsgesellschaft mbH, vom Beklagten für die Lieferung des Sojaschrotes Frachtkosten von S 12.550,--, weil die Firma AGRARhandel und Transportgesellschaft mbH in Konkurs geraten sei und die Kosten daher beim Warenempfänger eingetrieben werden müßten. Schließlich forderte die Fa.G Speditions- und Gütertransportgesellschaft mbH für die Zollabfertigung derselben Sendung Sojaschrot einen Betrag von S 11.482,-- mit Schreiben vom 13.8.1984. Der Beklagte stellte mit Erlagsantrag vom 22.8.1984 an das Bezirksgericht Kremsmünster den Antrag, den Rechnungsbetrag von S 119.912,10 zum Erlag anzunehmen. Der Erlag wurde mit Verwahrauftrag des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 30.8.1984, Nc 98/84, angenommen.
Die Klägerin, die die Rechtsnachfolgerin der C D
A Bankkommanditgesellschaft ist, begehrt auf Grund der Abtretung den Betrag von S 119.625,--.
Der Beklagte wendete ein, er habe mit schuldbefreiender Wirkung hintererlegt, weil es ihm unmöglich gewesen sei, zu erkennen, wer forderungsberechtigt sei.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es führte aus, für den Beklagten sei es zum Fälligkeitsdatum klar gewesen, daß er schuldbefreiend nur an die Klägerin zahlen könne. Diese klare Rechtslage habe auch durch die drei anderen Forderungsschreiben vom 13.8.1984 nicht beseitigt werden können. Bei der behaupteten Abtretung an die Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH handle es sich um eine Sicherungszession. Eine solche sei jedoch nur gültig, wenn sie die Voraussetzungen eines gültigen Pfandrechtserwerbes erfülle. Sie werde daher erst mit der Setzung eines publizitätssichernden Modus durch Buchvermerk bei einer offenen Buchforderung oder durch Drittschuldnerverständigung wirksam. Die von der Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH geltend gemachte Forderungsabtretung sei daher nicht rechtswirksam. Den Forderungen der Firmen G Speditions- und Gütertransportgesellschaft mbH und F Güterbeförderungsgesellschaft mbH mangle es sowohl an der erforderlichen Publizität als auch am Rechtsgrund. Die Rechtslage bezüglich aller an den Beklagten gerichteten Forderungen sei in Gesetz und Rechtsprechung unzweifelhaft gelöst, so daß dem Beklagten habe zugemutet werden können, die Rechtsfrage selbst zu lösen bzw. von einer rechtskundigen Person lösen zu lassen.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, eine zur Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB berechtigende Unklarheit, welche insbesondere anzunehmen sei, wenn für den Schuldner begründete Zweifel darüber bestünden, welchem von mehreren Forderungsprätendenten die Leistung tatsächlich zustehe, komme nur hinsichtlich der Forderung der Klägerin und der Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH in Frage. Die beiden anderen an den Beklagten herangetragenen Forderungen seien mit der Klagsforderung nicht identisch, diese Forderungen seien gegen den Beklagten ohne erkennbaren Rechtsgrund geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Klägerin und der Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH, die beide eine Zession behauptet hätten, sei für den Beklagten als Einzelkaufmann eine klare, jeden Zweifel über die Rechtslage ausschließende Situation nicht vorgelegen, der Erlag habe daher schuldbefreiende Wirkung gehabt.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, eine mündliche Revisionsverhandlung anzuberaumen, das Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Anordnung einer mündlichen Revisionsverhandlung im Sinne des § 509 Abs 2 ZPO ist nicht erforderlich, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war.
Der Revision kann die Zulässigkeit im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zwar nicht abgesprochen werden, weil den hier zu entscheidenden Fragen nach der schuldbefreienden Wirkung eines Gerichtserlages erhebliche Bedeutung zukommt; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Gemäß § 1425 ABGB befreit die gerichtliche Hinterlegung der "abzutragenden Sache" den Schuldner dann von seiner Verbindlichkeit, wenn die Schuld deshalb, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, "oder aus anderen wichtigen Gründen" nicht gezahlt werden kann. Einen "wichtigen Grund" im Sinne dieser Bestimmung bildet vor allem eine Unklarheit der Rechtslage, welche insbesondere dann anzunehmen ist, wenn für den Schuldner begründete Zweifel darüber bestehen, welchem von mehreren Forderungsansprechern die Leistung tatsächlich zusteht (Arb.9767 mwN, weiters 3 Ob 622/80 sowie Reischauer in Rummel ABGB Rdz 4 zu § 1425). Wird also der Schuldner in eine Situation gedrängt, in welcher ihm eine richtige Beurteilung der Rechtslage nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, dann nimmt ihm das Gesetz das Risiko, mehrfach zahlen zu müssen, dadurch ab, daß es ihm die Möglichkeit gibt, sich durch gerichtliche Hinterlegung der Schuld von seiner Verpflichtung zu befreien (Arb.9767 mwN). Diese Voraussetzungen waren auch hier gegeben. Der Revisionswerberin ist wohl zuzugeben, daß am Tag der Fälligkeit, dem 30.7.1984, eine klare Rechtslage bestand, weil der Beklagte von der Abtretung verständigt war und noch keine anderen Forderungsansprecher an ihn herangetreten war. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht sind jedoch dafür, ob mit schuldbefreiender Wirkung erlegt wurde, die Umstände zum Zeitpunkt des Erlages maßgebend und nicht zur Zeit vorher oder nachher (3 Ob 622/80). Nach Eintritt der Fälligkeit kam dem Beklagten aber eine Verständigung von einer weiteren Zession zu. Diese Verständigung stammte von einem Rechtsanwalt und enthielt die Behauptung, mit schuldbefreiender Wirkung könne nur an seine Mandantin gezahlt werden. Der Beklagte hätte daher bis zum Erhalt des weiteren Zessionsschreibens mit schuldbefreiender Wirkung zahlen können, nach Verständigung von einer bereits früher erfolgten Zession bestand diese Möglichkeit aber nicht mehr (vgl. SZ 50/1). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kommt es bei mehrfacher Abtretung nicht darauf an, von welcher Zession der Schuldner zuerst verständigt wurde, entscheidend ist vielmehr, welche Abtretung zuerst erfolgte. So lange über die erste Zession keine Verständigung erfolgte, kann der Schuldner an den ihm bekanntgegebenen Zessionar mit schuldbefreiender Wirkung zahlen, von dieser Möglichkeit hat der Beklagte aber keinen Gebrauch gemacht, da er an die Klägerin keine Zahlung leistete.
Die Ansicht der Revisionswerberin, der Beklagte habe die unklare Rechtslage selbst verschuldet, weil er zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht an die Klägerin bezahlt habe, kann nicht geteilt werden. Eine unklare Rechtslage entstand durch die Übermittlung zweier verschiedener Zessionsschreiben über dieselbe Forderung an den Beklagten, der Beklagte hatte auf die Zessionen keinen Einfluß, an der unklaren Rechtslage traf ihn daher kein Verschulden. Die unklare Rechtslage darüber, wer forderungsberechtigt ist, wäre auch entstanden, wenn der Beklagte am Fälligkeitstag an die Klägerin bezahlt hätte, die Situation für den Beklagten wäre bei Zahlung am Fälligkeitstag nur insofern anders gewesen, als er von der Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH mangels rechtzeitiger Verständigung von der Zession auf keinen Fall hätte in Anspruch genommen werden können. Von einem Verschulden des Beklagten an einer unklaren Rechtslage kann daher keine Rede sein.
Entscheidend ist somit, ob der Beklagte auf Grund des von einem Rechtsanwalt namens der Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH verfaßten Schreibens begründete Zweifel haben konnte, wem die Forderung zusteht. Wann diese Zession erfolgt sein soll, wird im Schreiben nicht angeführt. Für den Beklagten war es daher nicht erkennbar, welche der beiden ihm bekanntgegebenen Zessionen zuerst erfolgte. Richtig ist zwar, daß es sich bei der Zession an die Firma E Warenhandelsgesellschaft mbH offensichtlich um eine Sicherungsabtretung handelte, für deren Rangordnung nach der Rechtsprechung der Zeitpunkt der Benachrichtigung des Schuldners maßgebend ist. Vom Beklagten, der sich zwei verschiedenen Forderungsansprechern gegenüber sah und gegen den von zwei weiteren Unternehmern wegen desselben Geschäftes Forderungen behauptet wurden, war eine selbständige Beurteilung der mit der mehrfachen Abtretung ein- und derselben Forderung zusammenhängenden Rechtsfragen aber nicht zu verlangen, zumal das Institut der Sicherungsübereignung bzw.Sicherungsabtretung im Gesetz überhaupt nicht geregelt ist; ein zeitaufwendiges Studium von Literatur und Judikatur kann aber dem Schuldner - auch dann, wenn er Kaufmann ist - auf keinen Fall zugemutet werden (vgl. Arb.9767). Eine klaren, jede Zweifel über die Rechtslage ausschließende Situation, welche allein dem Gerichtserlag des Beklagten die schuldbefreiende Wirkung genommen hätte, lag unter diesen Umständen nicht vor. Dem Beklagten müssen vielmehr durchaus begründete Zweifel darüber zugebilligt werden, welchem der Forderungsprätendenten er den Rechnungsbetrag zu bezahlen hatte. Diese unklare, mit dem Risiko einer mehrfachen Zahlung belastete Rechtslage bildete für den Beklagten einen "wichtigen Grund" zum schuldbefreienden Gerichtserlag nach § 1425 ABGB. Der Umstand, daß es sich bei der klagenden Partei um eine unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Finanzen stehende Bank handelt, ist für die Frage der schuldbefreienden Wirkung des Gerichtserlages ohne Bedeutung.
Die Revisionswerberin führt schließlich aus, als Erfüllungsort sei Wels vereinbart worden, dem Erlag beim Bezirksgericht Kremsmünster könne daher keine schuldbefreiende Wirkung zukommen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß ein Tatsachenvorbringen über die Vereinbarung eines Erfüllungsortes in erster Instanz nicht erstattet wurde. Bei den diesbezüglichen Revisionsausführungen handelt es sich somit um eine unzulässige Neuerung, auf die nicht weiter einzugehen ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E07023European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00651.85.1126.000Dokumentnummer
JJT_19851126_OGH0002_0020OB00651_8500000_000