TE OGH 1985/11/26 5Ob321/85

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Veröffentlicht am 26.11.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Konkurseröffnungssache der Antragstellerin OBERÖSTERREICHISCHE A reg.GenmbH, Linz, Raiffeisenplatz 1,

vertreten durch Dr. Josef Broinger, Rechtsanwalt in Eferding, wider die Antragsgegnerin B Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH in Liquidation, Marchtrenk, Linzerstraße 2, vertreten durch den Liquidator Ernst C, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, Marchtrenk, Linzerstraße 2, infolge der Revisionsrekurse der Antragstellerin und der Republik ÖSTERREICH (Finanzamt Wels), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 1. Oktober 1985, GZ 4 R 229/85-30, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 26. Juni 1985, GZ S 40/85-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Konkurseröffnungsbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt. Die Republik ÖSTERREICH wird mit ihrem Revisionsrekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Begründung:

Am 5.3.1985 stellte die Antragsgegnerin beim Erstgericht zu S 14/85 den Antrag, über ihr Vermögen das Konkursverfahren zu eröffnen. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht am 6.3.1985 mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen.

Am 31.5.1985 stellte die Antragstellerin beim Erstgericht zu 20 Nc 271/85 den Antrag, über das Vermögen der Antragsgegnerin das Konkursverfahren zu eröffnen. Sie brachte vor, daß ihr die Antragsgegnerin auf Grund des am 22.6.1979 zu 3 C 1363/79 des Bezirksgerichtes Wels abgeschlossenen Vergleiches S 2,240.435 samt Anhang schulde, mehrere Gläubiger habe und sowohl zahlungsunfähig als auch überschuldet sei. Das Konkurshindernis der vorläufigen Masselosigkeit beseitigte die Antragstellerin durch Erlag eines Kostenvorschusses von S 250.000,--.

Die Antragsgegnerin bestritt das Vorliegen sämtlicher Konkurseröffnungsvoraussetzungen und wendete insbesondere ein, daß die Antragstellerin gegen sie derzeit nicht einen einzigen "offenen" Exekutionstitel besitze, zumal der Vergleich vom 22.6.1979 infolge zwischenzeitiger Zahlung längst "erloschen" sei. Das habe die Antragstellerin durch Ausstellung einer Löschungsquittung auch anerkannt. Nach Rückabwicklung der zwischen den Parteien strittigen Darlehens- und Zessionsgeschäfte bestünde nicht mehr eine Forderung der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin, sondern ein Guthaben der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin, mit dessen Hilfe die Antragsgegnerin ihre Schuldenfreiheit erreichen könnte. Die Antragstellerin erwiderte, daß der Vergleich vom 22.6.1979 in keiner Weise auf jene Verbindlichkeiten beschränkt gewesen sei, in bezug auf welche sie der Antragsgegnerin eine Löschungsquittung ausgehändigt habe. Zu 2 Cg 89/84 des Erstgerichtes sei eine von der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin erhobene Hypothekarklage über S 1 Million samt Anhang anhängig, der ein der Antragsgegnerin zu Kontonummer 21,028.972 gewährtes Darlehen von S 9 Millionen zugrundeliege; der Passivsaldo dieses Kontos zum 31.12.1984 habe S 12,471.862,37 betragen.

Mit Beschluß vom 26.6.1985, S 40/85-2, gab das Erstgericht dem Konkurseröffnungsantrag der Antragstellerin statt. Es bejahte auf Grund des Aktes S 14/85 die Konkursvoraussetzungen der Gläubigermehrheit, der Überschuldung sowie des Bestandes einer Konkursforderung der Antragstellerin und wies zur letztgenannten Voraussetzung insbesondere darauf hin, daß die Antragsgegnerin selbst in ihrem zu S 14/85 gestellten Eigenantrag auf der Passivseite eine Forderung der Antragstellerin gegen sie in der Höhe von S 11,513.455 angeführt habe.

Am 21.8.1985 meldete die Antragstellerin unter Berufung auf den Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag vom 6.5.1976 eine zu Kontonummer 21,028.972 offene Forderung gegen die Antragsgegnerin von S 11,966.452,81 an. In der Prüfungstagsatzung vom 5.9.1985 wurde diese Forderung mit S 100.000,-- anerkannt und im übrigen wegen noch erforderlicher Prüfung der Höhe nach bestritten.

Mit Beschluß vom 1.10.1985, 4 R 229/85-30, wies das Rekursgericht infolge Rekurses der Antragsgegnerin den Konkurseröffnungsantrag der Antragstellerin ab. Es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteigt, und führte im wesentlichen aus:

Die Konkursvoraussetzungen der Gläubigermehrheit und der Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin seien zwar ausreichend bescheinigt. Es sei insoweit auf den Eigenantrag der Antragsgegnerin zu S 14/85 des Erstgerichtes, aber auch darauf zu verweisen, daß die Antragsgegnerin im Rekurs nunmehr selbst einräume, gegen den Konkursantrag eines "echten" Gläubigers (z.B. Finanzamt Wels, Gebührenfinanzamt Innsbruck, Gemeinde Hall in Tirol usw.) "nicht viel einwenden zu können" (AS 33). Das Argument, die Antragstellerin habe gar keine Gläubigerstellung, erweise sich jedoch nach ergänzenden Erhebungen als berechtigt. Materielle Tatbestandsvoraussetzung des Konkurseröffnungsanspruches von Gläubigern sei die Existenz einer Forderung, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Eröffnungsantrag im Konkurs die Eigenschaft einer Konkursforderung besitze (Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 25). Im § 70 Abs 1 KO komme dies deutlich zum Ausdruck. Die Antragslegitimation sei daher davon abhängig, daß der antragstellende Gläubiger glaubhaft mache, eine Konkursforderung zu haben. Auch wenn die anderen Konkursvoraussetzungen der Gläubigermehrheit und der Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) vorlägen, könnte der Schuldner die drohende Konkurseröffnung abwenden, indem er die Forderung des antragstellenden Gläubigers begleiche, weil er ihm damit den Konkurseröffnungsanspruch nehme (vgl. Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 88). Im gegenständlichen Fall habe die Antragstellerin ihren Konkurseröffnungsanspruch damit begründet, daß ihr die Antragsgegnerin auf Grund eines vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiches S 2,240.435 samt Anhang schulde. Diese Behauptung sei, wie sich aus den beigeschafften Urkunden ergebe, zumindest vorläufig widerlegt. Schon der Masseverwalter sei nach Prüfung des Sachverhaltes zu der Auffassung gelangt, daß die im Konkursantrag geltend gemachte Forderung getilgt sei. Er stütze sich dabei auf die notariell beglaubigte Löschungsquittung vom 13.12.1984, die bereits mit der Äußerung der Antragsgegnerin zum Konkurseröffnungsantrag vorgelegt worden sei. Darin heiße es, daß die zu TZ 1999/1977 und TZ 408/1978 auf der Liegenschaft EZ 436 KG Hall in Tirol hypothekarisch sichergestellten Forderungen der Antragstellerin über je S 1 Million samt Anhang "bereits zur Gänze zurückbezahlt wurden". Der Einwand der Antragstellerin, die gerichtlich verglichene Forderung habe damit nichts zu tun, sei unrichtig. Im Tagsatzungsprotokoll des Bezirksgerichtes Wels vom 22.6.1979 zu 3 C 1363/79 (in welchem der nunmehrige Vertreter der Antragstellerin als anwesend angeführt worden sei) heiße es einleitend, daß die Firma B Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH der Raiffeisenkredit für Oberösterreich "aus gewährten Darlehen zu Kontonummer 21,040.399 und 21,033.576 S 2,240.435,-- samt Anhang schulde" und daß "deshalb" ein Vergleich geschlossen werde. Demnach habe der Vergleich die Forderungen der Antragstellerin aus den zu Kontonummer 21,040.399 und 21,033.576 abgewickelten Darlehensverträgen zum Gegenstand. Es seien dies genau jene Darlehen, die zu TZ 1999/1977 und TZ 408/1978 auf der Liegenschaft EZ 436 KG Hall in Tirol hypothekarisch sichergestellt worden seien. Die vom Grundbuchsgericht beigeschafften Abschriften der entsprechenden Darlehens- und Pfandbestellungsurkunden ließen daran nicht den geringsten Zweifel. Es könne nicht weiter daran festgehalten werden, daß die Antragstellerin die zur Begründung ihres Konkurseröffnungsanspruches geltend gemachte Forderung bescheinigt habe. Die zur Widerlegung der Antragsbehauptungen vorgelegten Urkunden seien so überzeugend, daß dem Argument der Antragstellerin, im Verfahren 2 Cg 89/84 des Erstgerichtes habe die Antragsgegnerin selbst vorgebracht, daß die Löschungsquittung für eine andere als die verglichene Forderung ausgestellt worden sei, nicht weiter nachzugehen sei. Der durch unbedenkliche Urkunden geschaffene Anschein könnte durch gegenteiliges prozessuales Vorbringen der Antragsgegnerin nicht widerlegt werden, zumal es sich dabei um Schutzbehauptungen gehandelt haben könne. Zu prüfen bleibe lediglich, ob der Konkurs über das Vermögen der Antragsgegnerin auch ohne Bedachtnahme auf die behauptete Forderung der Antragstellerin zu eröffnen gewesen wäre. § 69 Abs 1 KO sehe nämlich vor, den Konkurs auf Antrag des Schuldners ohne weiteres zu eröffnen, wobei die vom Schuldner an das Gericht erstattete Anzeige von der Zahlungseinstellung als Antrag gelte. Ein derartiger Antrag liege aber nicht vor und könne auch nicht aus der Äußerung der Antragsgegnerin im Rekurs herausgelesen werden, sie könnte gegen Konkursanträge "echter Gläubiger" nicht viel einwenden. Das Rekursvorbringen der Antragsgegnerin laufe insgesamt darauf hinaus, daß sie nach Rückabwicklung nichtiger Darlehens- und Zessionsgeschäfte mit der Antragstellerin über beträchtliche Mietzinsforderungen verfügen könnte. Was die von der Antragstellerin im Konkurs angemeldete Forderung von S 11,966.452,81 betreffe, so werde sie von der Antragsgegnerin bestritten, weil sich aus der Rückabwicklung der strittigen Darlehens- und Zessionsgeschäfte ein Guthaben zugunsten der Antragsgegnerin ergeben müßte. Ob dies zutreffe, sei mit den Mitteln des Konkurseröffnungsverfahrens nicht zu klären. Es sei daher daran festzuhalten, daß die Antragstellerin die Glaubhaftmachung einer Konkursforderung schuldig geblieben sei, weshalb ihr ein Konkurseröffnungsanspruch nicht zustehe. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richten sich die Revisionsrekurse der Antragstellerin sowie der Republik ÖSTERREICH (Finanzamt Wels), vertreten durch die Finanzprokuratur, mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist berechtigt; der Revisionsrekurs der Republik ÖSTERREICH ist auf die Entscheidung über den erstgenannten Revisionsrekurs zu verweisen. Dem Rekursgericht ist zwar darin beizupflichten, daß die Konkursvoraussetzungen der Gläubigermehrheit und der Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin ausreichend bescheinigt sind und die Behauptung der Antragstellerin, daß ihr die Antragsgegnerin auf Grund des Vergleiches vom 22.6.1979 einen Betrag von S 2,240.435 samt Anhang schulde, zumindest vorläufig widerlegt ist. Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Rekursgerichtes, daß die Antragstellerin schon deswegen die Glaubhaftmachung einer Konkursforderung überhaupt schuldig geblieben sei.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerin eine Konkursforderung glaubhaft gemacht hat (§ 70 Abs 1 KO), ist im Rechtsmittelverfahren im Hinblick auf § 176 Abs 2 KO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (vgl. 3 BlgNR 15.GP 59 f; Bartsch-Heil, Insolvenzrecht 4 Rdz 50 und 53). Selbst das volle Deckung versprechende Absonderungsrecht zugunsten einer gegen den Schuldner bestehenden Forderung nimmt dem Gläubiger nicht den Eröffnungsanspruch (Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 25; Bartsch-Pollak 3 I 351; SZ 17/24). Auf Grund des im Verfahren 2 Cg 89/84 des Erstgerichtes ergangenen Urteils des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9.4.1985, 3 b R 9/85, ist bescheinigt, daß die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Betrages von S 1 Million samt 19 % Zinsen seit 11.12.1981 und Verfahrenskosten von S 88.436,75 und S 34.750,75 an die Antragstellerin verurteilt wurde. (Die von der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28.8.1985, 1 Ob 607,608/85, zurückgewiesen.) Dieser Verurteilung liegt die Feststellung zugrunde, daß am 28.8.1984 auf dem Kreditkonto Nr. 21,028.972 noch mindestens ein Betrag von S 1 Million an Kapital unberichtigt aushaftete und der genannte Betrag selbst dann nicht unterschritten würde, wenn die Antragstellerin alle ihr von der Antragsgegnerin zur Abdeckung von Krediten zedierten Mietzinsforderungen auf dem vorerwähnten Kreditkonto anrechnete. Die Gegenbescheinigung, daß die auf Grund des Urteils des Oberlandesgerichtes Linz als bescheinigt anzusehende Forderung der Antragstellerin durch die seither bis zur Konkurseröffnung fällig gewordenen Mietzinsforderungen der Antragsgegnerin abgedeckt worden wäre - die Antragsgegnerin stellte in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß lediglich die nicht weiter bescheinigte Behauptung auf, daß diese Mietzinsforderung derzeit monatlich rund S 172.000,-- ausmache (AS 29) -, ist der Antragsgegnerin nicht gelungen. In der Prüfungstagsatzung vom 5.9.1985 wurde die Forderung der Antragstellerin immerhin mit einem Betrag von S 100.000,-- anerkannt. Da demnach sämtliche Voraussetzungen für eine Stattgebung des Konkurseröffnungsantrages der Antragstellerin gegeben sind, war spruchgemäß zu beschließen.

Anmerkung

E07062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00321.85.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19851126_OGH0002_0050OB00321_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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