TE OGH 1985/11/26 4Ob143/85

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Veröffentlicht am 26.11.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dieter A, Kaufmann in Wien 5., Schloßgasse 3, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B C Gesellschaft mbH. in Wien 19., Stefan-Esders-Platz 4, vertreten durch Dr. Peter Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 153.848,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 2. Mai 1985, GZ 44 Cg 55/85-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 11. Dezember 1984, GZ 6 Cr 275/84-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.332,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920,-- an Barauslagen und S 492,-- an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, die Zahlung eines Betrages von insgesamt S 153.848,-- sA an Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung (für ein nach der Entlassung neu begonnenes Urlaubsjahr) mit der Begründung, er sei am 10.4.1984 ungerechtfertigt entlassen worden. Er habe mit Wissen der beklagten Partei seit September 1983 ein selbständiges Handelsunternehmen betrieben. Dieser Umstand sei von der beklagten Partei daher zu Unrecht und überdies verspätet als Entlassungsgrund herangezogen worden.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und behauptete, der Kläger habe ohne ihr Wissen sein Unternehmen betrieben. Sie habe dem Kläger nach Kenntniserlangung und nachdem dieser es abgelehnt habe, sein Unternehmen aufzugeben oder eine Bestätigung darüber auszustellen, daß die beklagte Partei durch den Betrieb des Unternehmens des Klägers keinen Schaden erleide, rechtzeitig und gerechtfertigt entlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Im Sommer 1983 ersuchte der Kläger den Vertriebsleiter der beklagten Partei Dr. D, ihm ein Zwischenzeugnis auszustellen. Er fügte bei, er wolle "irgend etwas in Software machen". Nachdem der Kläger das Zwischenzeugnis erhalten hatte, betrieb er ab September 1983 ein eigenes Handelsunternehmen, ohne die Erlaubnis des Geschäftsführers der beklagten Partei oder seines Vorgesetzten vorher oder nachher einzuholen. Erst Ende März 1984 teilte er dem Vertriebsleiter Dr. D mit, daß er nunmehr ein selbständiges Handelsunternehmen neben seiner Tätigkeit für die beklagte Partei betreibe. Dr. D führte unverzüglich eine Besprechung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer herbei, die am 29. oder 30. März 1984 stattfand. Der Kläger setzte nunmehr auch den Geschäftsführer von seinem selbständigen Unternehmen in Kenntnis und meinte, es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß der Betrieb eines selbständigen Unternehmens nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sei. Er fügte bei, sein Unternehmen sei noch nicht genügend fundiert, um davon leben zu können; er bat den Geschäftsführer, weiterhin für die beklagte Partei arbeiten zu können. Um den Kläger zu helfen, erklärte sich der Geschäftsführer bereit, den Kläger bis auf weiteres unter der Bedingung als Mitarbeiter zu behalten, daß der Kläger schriftlich die Tätigkeit seines Unternehmens beschreibe sowie schriftlich garantiere, daß er sich nur in seiner Freizeit um sein Unternehmen kümmern und daß seine Arbeitsleistung für die beklagte Partei dadurch nicht leiden werde. Der Kläger sagte die Übergabe eines solchen Schriftstückes zu. Infolge einer Geschäftsreise des Geschäftsführers kam es erst am 9.4.1984 zu einer weiteren Aussprache mit dem Kläger. Dieser weigerte sich nun, die gewünschte schriftliche Erklärung abzugeben, und erklärte, es sei Sache der beklagten Partei, ihn zu kündigen. Der Geschäftsführer wies den Kläger auf den Entlassungstatbestand des § 27 Z 3 AngG hin und schlug ihm vor, das Arbeitsverhältnis zum 30.4.1984 einvernehmlich aufzulösen. Der Kläger erbat eine Bedenkzeit von 24 Stunden, lehnte aber am nächsten Tag in einem weiteren Gespräch mit dem Geschäftsführer die ihm angebotene einvernehmliche Auflösung ab. Er wurde daraufhin sofort entlassen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung sei gerechtfertigt, weil der Kläger ohne Zustimmung der beklagten Partei ein selbständiges Unternehmen betrieben habe. Die Entlassung sei auch unverzüglich ausgesprochen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die - als Zulassungsrevision bezeichnete - Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei stellt den Antrag, die Revision nicht zuzulassen (gemeint: zurückzuweisen) oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß gemäß dem § 23 a Abs 2 ArbGG die §§ 500 Abs 2 bis 4, 502 Abs 2 bis 5 und 519 Abs 2 erster Satz ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden sind. Da der Streitwert hier S 30.000,-- übersteigt, ist die Revision ohne jede Einschränkung zulässig. Die unrichtige Bezeichnung als "außerordentliche Revision" kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen.

Die Revisionsausführungen über die Rechtswirkungen einer bedingten Entlassung sind völlig verfehlt, weil eine bedingte Entlassung nicht ausgesprochen wurde. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hat dem Ersuchen des Klägers, ihn trotz des von ihm betriebenen selbständigen Unternehmens als Arbeitnehmer der beklagten Partei weiterzubeschäftigen, dadurch Rechnung getragen, daß er sich bereit erklärte, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, falls der Kläger die näher festgestellte schriftliche Erklärung abgebe. Er machte damit die Weiterbeschäftigung und somit den Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes des § 27 Z 3 AngG, erster Tatbestand, von der Abgabe einer solchen, die Interessen der beklagten Partei wahrenden Erklärung abhängig. Unter dieser Voraussetzung schien ihm die Weiterbeschäftigung des Klägers zumutbar. Da der Kläger schließlich die Abgabe einer solchen Erklärung und in weiterer Folge auch den Vorschlag einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ablehnte, sprach der Geschäftsführer der beklagten Partei noch am selben Tag (10.4.1984) die Entlassung aus. Dieser Ausspruch erfolgte entgegen der Auffassung des Revisionswerbers rechtzeitig, weil sie unmittelbar nach der vorerwähnten Ablehnung ausgesprochen wurde. Entgegen der Meinung des Revisionswerbers gab der Geschäftsführer der beklagten Partei mit dem Verlangen nach Abgabe einer schriftlichen Erklärung und später mit seinem Vorschlag, das Arbeitsverhältnis zum 30.4.1984 aufzulösen, nicht zu erkennen, daß ihm die Weiterbeschäftigung des Klägers auch für den Fall der Ablehnung dieser Vorschläge zumutbar sei. Das Verlangen nach Abgabe der schriftlichen Erklärung zeigte vielmehr, daß die beklagte Partei nur unter dieser ihre Interessen wahrenden Voraussetzung mit einer Weiterbeschäftigung einverstanden gewesen wäre. Der Vorschlag einer einvernehmlichen Auflösung läßt lediglich die Bereitschaft zu einer gütlichen Einigung über die Vertragsbeendigung erkennen. Da somit die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ausspruch der Entlassung nicht weggefallen war und der erste Tatbestand des § 27 Z 3 AngG überdies ein Dauertatbestand ist, erfolgte der Ausspruch der Entlassung, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nicht verspätet (siehe dazu Kuderna, Das Entlassungrecht, 18 f, 25). Die Entlassung war aber auch gerechtfertigt, weil der Kläger ohne Zustimmung der beklagten Partei das selbständige Handelsunternehmen bis zum Ausspruch der Entlassung betrieben hat. Daraus folgt, daß den mit der Klage geltend gemachten, eine ungerechtfertigte Entlassung voraussetzenden Aussprüchen des Klägers die Berechtigung fehlt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E07052

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00143.85.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19851126_OGH0002_0040OB00143_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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