Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Walter Kossarz, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wider die beklagte Partei Marie H*****, vertreten durch Dr. Fiegl, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1985, GZ. 11 R 150/85-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 3. Mai 1984, GZ. 3 Cg 213/83-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.877,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 480,- und Umsatzsteuer von S 308,85) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 29. 7. 1975 vor dem Standesamt Weißenkirchen in der Wachau die Ehe geschlossen. Es handelt sich beiderseits um die erste Ehe. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben und hatten sie nicht. Zwei Kinder der Streitteile, nämlich der am 14. 5. 1968 geborene Sohn Karl und die am 5. 2. 1970 geborene Tochter Maria, wurden durch die Eheschließung legitimiert; ihr drittes Kind, die Tochter Eva, wurde am 31. 7. 1975 geboren.
Der Kläger begehrte im vorliegenden Rechtsstreit zunächst die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs. 3 EheG, weil die häusliche Gemeinschaft der Streitteile, die schon vorher getrennt gelebt hätten, seit 1976 zur Gänze aufgehoben sei. In der Folge stützte er sein Scheidungsbegehren auch auf § 49 EheG im wesentlichen mit der Begründung, daß die Beklagte entgegen ihren Versprechungen nicht bereit gewesen sei, in das Haus des Klägers zu ziehen, obwohl dort eine ausreichende Wohnmöglichkeit bestanden hätte. Im Juni 1976 sei es zu einer Auseinandersetzung der Streitteile gekommen, in deren Verlauf der Kläger von der Beklagten und ihren Eltern gröblich beschimpft worden sei. Seither sei der Kontakt der Streitteile völlig abgebrochen.
Die Beklagte erklärte, dem Scheidungsbegehren nicht entgegenzutreten, beantragte aber, ein Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe festzustellen. Die Streitteile hätten nicht vereinbart, daß die Beklagte zum Kläger ziehen solle, sondern, daß das Haus der Beklagten in G***** umgebaut werden sollte. Zu diesem Zweck hätten die Streitteile bald nach der Eheschließung Kontakt mit Baumeister und Kreditinstitut aufgenommen und Baupläne zeichnen lassen. Später habe dann der Kläger erklärt, er wünsche keinen solchen Umbau. Darüber hinaus habe der Kläger entgegen seiner ursprünglichen Zusage die kirchliche Eheschließung mit der Beklagten später abgelehnt. Im Juni 1977 habe der Kläger die Beklagte im Zuge einer Auseinandersetzung grob beschimpft und mißhandelt. Seither sei er nicht mehr zur Beklagten gekommen. Er habe auch keine freiwilligen Unterhaltszahlungen mehr für die drei ehelichen Kinder geleistet.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden. Es traf Feststellungen zur vereinbarten Wohnsitzfolge und zur geplanten kirchlichen Eheschließung, deren Wiedergabe unterbleiben kann, weil das Berufungsgericht zu diesen Komplexen nach Beweiswiederholung zu abweichenden Feststellungen gelangte. Im übrigen stellte das Erstgericht im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am Sonntag, dem 19. 6. 1977, erkrankte Eva, die jüngste Tochter der Streitteile. Sie erbrach und wurde blau im Gesicht. Der Kläger führte das Kind daher unter Mitnahme der Beklagten zunächst zum diensthabenden Arzt nach Spitz und dann nach St. Pölten ins Krankenhaus. Dort wurde den Eltern erklärt, daß das Kind schwer krank sei und ca. 14 Tage im Krankenhaus bleiben müsse. Am Montag erhielt die Beklagte die Auskunft, daß es dem Kind schon besser gehe. Am Mittwoch wollte sie zusammen mit dem Kläger das Kind im Krankenhaus St. Pölten besuchen; es war allerdings kein Besuchstag.
Der Kläger hatte an diesem Tag einem Freund versprochen, ihm beim Betonieren einer Decke zu helfen, und zwar sollte er von 4 Uhr bis 7 Uhr früh dort arbeiten; dann hätte er im Rahmen seines Dienstes als Forstfacharbeiter Äste verbrennen sollen. Tatsächlich mußte aber der Kläger, weil eine Kusine, die ihn um 7 Uhr beim Betonieren ablösen hätte sollen, nicht kam, den ganzen Tag beim Betonieren der Decke helfen, weil solche Arbeiten in einem Zug durchgeführt werden müssen. Der Kläger rief daher bei seiner Dienststelle an und ersuchte, sich diesen Tag freinehmen zu dürfen.
Die Beklagte hatte den Kläger schon am Vorabend ersucht, er solle am Mittwoch mit ihr nach St. Pölten ins Krankenhaus fahren. Der Kläger hatte aber mit der Begründung abgelehnt, daß er im Rahmen seiner Arbeiten als Forstfacharbeiter bei den Bundesforsten Äste verbrennen müsse; er habe daher keine Zeit. Dem Wunsch der Beklagten, den Förster zu ersuchen, daß er ihm diesen Tag freigebe, wollte der Kläger nicht nachkommen. Er sagte schließlich der Beklagten, sie solle sich jemand aufnehmen, der sie nach St. Pölten bringe. Tatsächlich fuhr die Beklagte dann mit einer Nachbarin nach St. Pölten ins Krankenhaus. Sie konnte dort allerdings nur mit den Krankenschwestern sprechen; besuchen durfte sie das Kind nicht.
Am Abend kam dann der Kläger zu ihr nach G***** und erkundigte sich, mit wem sie in St. Pölten gewesen sei und wie es der Tochter gehe. Die Beklagte erwiderte darauf: „Du interessierst Dich ohnehin so nicht!“ Durch diese Antwort fühlte sich der Kläger gekränkt und verließ mit den Worten „Wir sind schon fertig“ den Raum. Die Beklagte folgte ihm und wollte verhindern, daß er das Anwesen verließ. Deswegen stellte sie sich zum Tor. Sie fragte ihn, was er heute gemacht habe; sie hatte nämlich mittlerweile erfahren, was der Kläger an diesem Tag gemacht hatte und daß er sich doch dienstfrei genommen hatte. Der Kläger erwiderte aber auf die Frage der Beklagten nur: „Das geht Dich nichts an.“ Er forderte die Beklagte energisch auf, wegzugehen, damit er das Tor öffnen und das Anwesen verlassen könne. Die Beklagte kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Der Kläger stieß das Tor auf und der eiserne Rahmen des Tores verletzte die Beklagte am Fuß, sodaß sie dort eine größere Schwellung bekam. Dann verließ der Kläger das Anwesen seiner Frau. Die beiden älteren Kinder liefen ihm nach und sagten ihm, daß sich die Mutter verletzt habe. Der Kläger sagte daraufhin, sie solle nicht so wehleidig sein und sie solle ihn am Arsch lecken.
Am nächsten Morgen kamen dann die Eltern der Beklagten zum Kläger nach H***** und beschimpften ihn. Der Kläger wollte sich auf einen Streit mit seinen Schwiegereltern nicht einlassen und sagte nur in Bezug auf seine Beziehung zu seiner Frau: „Jetzt ist es aus.“
In der Folge suchte der Kläger das Anwesen seiner Frau in G***** nicht mehr auf, weil er dort mit seinen Schwiegereltern zusammengetroffen wäre. Sein einziger Versuch einer gewissen Kontaktaufnahme war, daß er zu Weihnachten 1977 Weihnachtsgeschenke für seine drei Kinder zuzüglich eines Bargeldbetrages von S 300,- beim Greißler in G***** für seine Frau hinterlegte. Die Beklagte hat diese Weihnachtsgeschenke und das Geld tatsächlich dort entgegengenommen. Sie unternahm in der Folge aber ebenso wie der Kläger nichts mehr in Richtung auf Wiederbelebung der Beziehungen oder Versöhnung.
Vor diesen Vorfällen im Juni 1977 verhielt es sich bezüglich des Unterhaltes der Kinder so, daß der Kläger, wenn die Kinder irgendetwas zum Anziehen brauchten, zusammen mit der Beklagten einkaufen ging und der Kläger die von den Kindern benötigten Kleidungsstücke bezahlte. Er gab der Beklagten allerdings nie Geld für den Unterhalt der Kinder. Nach den Vorfällen im Juni 1977 trat die Beklagte nicht mehr an den Kläger heran, wenn die Kinder irgendetwas brauchten und der Kläger unternahm aus eigenem nichts, um für den Unterhalt der Kinder vorzusorgen. Die Beklagte wandte sich sodann am 30. 9. 1977 an das BG Krems und brachte vor, daß der Kläger schon seit längerer Zeit für die Kinder keinen Unterhalt leiste und sich bei ihr und den Kindern nicht anschauen lasse. Sie beantragte, das Jugendamt Krems zum Unterhaltskurator zu bestellen. Am 13. 10. 1977 erschien die Beklagte dann beim Jugendamt und ersuchte dort, Alimente für die Kinder einzutreiben. Im Pflegschaftsverfahren erklärte sich der Kläger nur zu Unterhaltsleistungen von S 2.000,- monatlich für alle drei Kinder bereit. Er wurde schließlich mit Beschluß vom 20. 12. 1977 zur Zahlung von je S 1.350,- monatlich für Karl und Maria und von S 800,- monatlich für Eva verpflichtet.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß beiden Streitteilen ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei. Sowohl dem Kläger als auch der Beklagten habe die erforderliche Einsicht in das Wesen der Ehe und die Fähigkeit, nachzugeben oder eine Verständigung zu suchen, gemangelt. Da die Wohnverhältnisse bei der Beklagten für den Kläger objektiv unzumutbar gewesen seien und andererseits der Beklagten eine Betreuung ihrer Eltern auch bei Übersiedlung zum Kläger möglich gewesen wäre, treffe sie in diesem Zusammenhang etwas mehr Schuld. Hingegen sei dem Kläger an der Auseinandersetzung während des Krankenhausaufenthaltes der Tochter Eva größeres Verschulden anzulasten. Bei diesem Vorfall sei die Beklagte zwar verletzt worden, aber nur deshalb, weil sie den Kläger am Verlassen des Anwesens hindern habe wollen. Einen gewissen Vorwurf müsse man dem Kläger auch wegen der Unterhaltsverletzung gegenüber seinen Kindern nach dieser Auseinandersetzung machen, obwohl die Beklagte hier gar nicht versucht habe, mit dem Kläger ein Einvernehmen über ihre Unterhaltsforderungen herzustellen. Insgesamt rechtfertige die Abwägung all dieser Umstände eine Scheidung aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile.
Dieses Urteil wurde nur hinsichtlich des Verschuldensausspruchs von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers keine Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes, das in seinem Ausspruch über die Scheidung der Ehe der Streitteile unbekämpft geblieben ist, im übrigen dahin ab, daß es aussprach, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger trifft.
Das Berufungsgericht traf nach Beweiswiederholung zur Wohnsitzfolge und zur geplanten kirchlichen Eheschließung folgende Feststellungen:
Bald nachdem der Kläger die Beklagte im Jahr 1966 kennengelernt hatte, versprach er, zu ihr zu ziehen und auf ihrem Anwesen gemeinsam zu bauen. Tatsächlich übersiedelte er bis zur Eheschließung im Juli 1975 nicht zur Beklagten, weil in seinem Anwesen zunächst noch seine pflegebedürftigen Eltern und dann eine Tante wohnten und er erklärte, zu diesen heimgehen zu müssen. Im Anschluß an die Heirat schlug die Beklagte dem Kläger vor, nunmehr könnten sich ihre Eltern um die Kinder annehmen und die beiden Eheleute sollten sich mit dem Ausbau des Hauses der Beklagten beschäftigen. Der Kläger erklärte sich damit und auch mit dem Vorschlag der Beklagten, einen Bauplan zeichnen zu lassen, einverstanden. Als die Beklagte aber den von ihr eingeholten Plan und die Kostenvoranschläge dem Kläger zeigen wollte, lief er davon und erklärte, er werde G***** (das Haus der Beklagten) nicht mehr betreten, wenn die ersten Hohlblöcke kämen.
Anläßlich der standesamtlichen Eheschließung hatte die Beklagte vom Kläger auch verlangt, kirchlich zu heiraten, worauf ihr der Kläger antwortete: „Das machen wir im Winter, es ist jetzt keine Zeit dazu.“ Die Beklagte erinnerte in der Folge an die vereinbarte kirchliche Eheschließung. Der Kläger gebrauchte jedoch Ausflüchte, worauf sie nicht mehr weiter in ihn drang.
Die Beklagte hatte dem Kläger nie zugesagt, zu ihm in sein Haus zu ziehen.
Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, der Beklagten könne eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG nicht angelastet werden. Wenn sie nicht mit den Kindern zum Beklagten übersiedelt sei, so habe dies den Vereinbarungen der Streitteile entsprochen, die davon ausgegangen seien, daß das Anwesen der Beklagten zum gemeinsamen Wohnsitz ausgebaut werden sollte.
Im Zusammenhang mit dem Besuch der Beklagten im Krankenhaus St. Pölten und der am Abend anschließenden Auseinandersetzung könne der Beklagten ebensowenig der Vorwurf einer schweren Eheverfehlung gemacht werden wie aus der Tatsache, daß sie, ohne vorher mit dem Kläger Kontakt aufgenommen zu haben, gerichtliche Hilfe zur Einbringung des Unterhaltes für ihre Kinder in Anspruch genommen habe. Es sei daher der auf § 49 EheG gestützte Scheidungsanspruch des Klägers nicht gegeben.
Hingegen sei das auf § 55 Abs. 3 EheG gestützte Scheidungsbegehren berechtigt.
Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten sei seit über 6 Jahren aufgehoben und die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten. Das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe aber den Kläger. Seine Weigerung, die zunächst auch von ihm gebilligten Ausbaupläne des Hauses der Beklagten weiter zu verfolgen, ja sich überhaupt damit zu beschäftigen und die versprochene kirchliche Trauung nachzuholen, hätten zweifellos das Vertrauensverhältnis zwischen den Eheleuten bereits untergraben. Den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe habe aber das Verhalten des Klägers im Juni 1977 nach der Rückkehr der Beklagten aus dem Krankenhaus St. Pölten geleistet. Der Kläger hätte sich zuvor geweigert, mit der Beklagten die Tochter im Krankenhaus zu besuchen, angeblich weil ihm von seinem Dienstgeber nicht freigegeben worden sei, tatsächlich aber, um einem Freund beim Betonieren zu helfen. Als ihm die Beklagte am Abend auf seine Frage nach dem Ergehen des Kindes geantwortet habe, daß er sich ohnehin nicht interessiere, habe er das Haus der Beklagten verlassen und sie mit der Tür weggestoßen, als sie sich ihm in den Weg gestellt habe. Am nächsten Morgen, als die Eltern der Beklagten bei im erschienen seien und ihn beschimpft hätten, habe er ihnen mit Beziehung auf seine Frau erklärt: „Jetzt ist es aus.“ In der Folge habe er die Beklagte nicht mehr aufgesucht. Dieser Abbruch der Beziehungen zu seiner Gattin auf Grund eines den Umständen nach durchaus gerechtfertigten Verhaltens habe die eigentliche Zerrüttung der Ehe bewirkt, wozu schließlich auch noch die Passivität des Klägers gekommen sei, der nach diesem Vorfall keinerlei Unterhalt für die Kinder geleistet habe, bis er vom Gericht dazu verhalten worden sei. Wenn die Beklagte unter solchen Umständen gerichtliche Hilfe zur Einbringung des Unterhaltes in Anspruch genommen habe, ohne vorher mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen, könne ihr das nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Bei Beurteilung des Gesamtverhaltens beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe erscheine es gerechtfertigt, das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe allein dem Kläger anzulasten und dies gemäß § 61 Abs. 3 EheG im Urteil auszusprechen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, „das angefochtene Urteil im Verschuldensausspruch dahingehend abzuändern, daß festgestellt wird, daß das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die Beklagte trifft“; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Revisionsausführungen des Klägers in dem Sinn zu verstehen sind, daß er damit dartun will, daß die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG gegeben seien (in welchem Fall der von ihm verlangte Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Beklagten im Sinne des § 60 Abs. 2 und Abs. 3 EheG möglich wäre), ist ihm zu entgegnen, daß er weitgehend nicht von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt ausgeht und daß daher insoweit seine Rechtsrüge nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt ist. Der Kläger hat der Beklagten Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG nur in zweifacher Richtung zur Last gelegt, daß sie nämlich ihre Verpflichtung zur Wohnsitzfolge verletzt und ihn anläßlich einer Auseinandersetzung im Juni 1976 (richtig wohl Juni 1977) gröblich beschimpft habe. Beide Vorwürfe erwiesen sich nach den von den Vorinstanzen getroffenen Tatsachenfeststellungen als unbegründet. Es ist nicht hervorgekommen, daß die Beklagte den Kläger anläßlich der Auseinandersetzung im Juni 1977 in ehewidriger Weise beschimpft hätte. Der Kläger verweist durchaus zutreffend darauf, daß die Beklagte nach der Vorschrift des § 92 ABGB in der bis 31. 12. 1975 in Geltung gestandenen Fassung verpflichtet war, „dem Manne in seinen Wohnsitz zu folgen“. Er übersieht aber, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes der Kläger gegenüber der Beklagten keine Anordnung in diesem Sinne traf, sondern daß zwischen den Streitteilen Einverständnis darüber bestand, daß der Kläger zu der Beklagten ziehen werde. Die Rechtslage ab 1. 1. 1976 bezüglich der Wohnsitzfolge ist die, daß die Ehegatten gemäß § 90 ABGB zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet sind, wobei die erste gemeinsame Wohnung einvernehmlich zu bestimmen ist (Pichler in Rummel ABGB Rdz. 5 zu § 90 mit weiteren Hinweisen). Auch hier kann nur auf die Feststellung des Berufungsgerichtes verwiesen werden, daß zwischen den Streitteilen Einverständnis dahin bestand, daß der Kläger zur Beklagten ziehen werde. Es ergibt sich daher aus diesen Sachverhaltsfeststellungen, deren Richtigkeit im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann, weder eine Verletzung einer Verpflichtung der Beklagten zur Wohnsitzfolge noch eine ehewidrige Beschimpfung ihres Mannes anläßlich der Vorfälle im Juni 1977. Da somit die vom Kläger der Beklagten angelasteten Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG nicht vorliegen, kommt eine Scheidung der Ehe nach dieser Gesetzesstelle und damit der Ausspruch eines überwiegenden Mitverschuldens der Beklagten im Sinne des § 60 Abs. 2 und Abs. 3 EheG nicht in Betracht.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs. 3 EheG bestreitet der Kläger in seinem Rechtsmittel ebensowenig wie den Umstand, daß ihn ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft; er versucht nur darzutun, daß das der Beklagten anzulastende Verschulden überwiege. Daß der Kläger, soweit er ein grob ehewidriges Verhalten der Beklagten behauptet, nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgeht, wurde bereits ausgeführt. Im übrigen übersieht er, daß bei der Scheidung nach § 55 EheG nach der Vorschrift des § 61 Abs 3 EheG nur auf Verschuldensantrag des Beklagten das alleinige oder überwiegende Verschulden des Klägers ausgesprochen werden darf, nie aber ein überwiegendes oder alleiniges Verschulden des Beklagten, sondern daß in letzterem Fall ein Ausspruch über das Verschulden überhaupt zu entfallen hat (Schwind, Kommentar zum EheG2 256; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu § 61 EheG; 1 Ob 615/85). Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe, den der Kläger nach seinem Revisionsantrag anstrebt, kommt daher bei Scheidung der Ehe nach § 55 Abs. 3 EheG überhaupt nicht in Betracht. Die Beseitigung des Ausspruches des Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe oder seine Abänderung im Sinne des Ausspruches eines überwiegenden Verschuldens wird im vorliegenden Rechtsmittel nicht angestrebt und käme auch bei der gegebenen Sachlage nicht in Betracht.
Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E130980European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00621.850.1127.000Im RIS seit
24.03.2021Zuletzt aktualisiert am
24.03.2021