TE OGH 1985/12/3 5Ob608/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Georg F***, geboren am 17. Feber 1976, Packer Straße 109, 8501 Lieboch, vertreten durch seine Eltern Ernst und Gertrude F***, Lehrer, Packer Straße 109, 8501 Lieboch, diese vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei L*** S***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Josef K*** in 8010 Graz, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 1,500.000,- samt Zinsen und wegen Feststellung der Haftung (Streitwert S 61.000,-) infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1984, GZ. 7 R 62/84-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Dezember 1983, GZ. 23 Cg 305/82-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch über das Feststellungsbegehren bestätigt und im Ausspruch über das Zahlungsbegehren dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche wie immer gearteten Schäden aus dem Vorfall vom 9.12.1980 an der Universitätskinderklinik in Graz in Zukunft haftet. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ein Schmerzengeld im Betrage von S 1,000.000,- samt 4 % Zinsen aus S 80.000,- vom 27.10.1982 bis zum 16.5.1983, aus S 650.000,- vom 17.5.1983 bis zum 25.11.1983 und aus S 1,000.000,- seit dem 26.11.1983 binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, ein weiteres Schmerzengeld im Betrage von S 500.000,- samt 4 % Zinsen seit dem 26.11.1983 zu bezahlen, wird abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Prozeßkosten erster Instanz S 56.728,72 (darin S 4.194,72 Umsatzsteuer und S 100,- Barauslagen), an Kosten des Berufungsverfahrens S 32.344,68 (darin S 2.940,43 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) und an Kosten des Revisionsverfahrens S 15.111,94 (darin S 1.373,81 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Revisionsverfahrens S 16.855,20 (darin S 1.423,20 Umsatzsteuer und S 1.200,- Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 17.2.1976 geborene Kläger hatte am 9.12.1980 hohes Fieber. Der praktische Arzt äußerte bei der Untersuchung des Kindes den Verdacht auf Mumpsmeningitis und veranlaßte die Einweisung in die Infektionsabteilung der Universitätskinderklinik in Graz, wo das Kind um 15 Uhr zur stationären Behandlung übernommen wurde. Der untersuchende Turnusarzt stellte eine ausgeprägte Nackensteifigkeit und starke Kopfschmerzen bei geringer Bewegung des Kopfes fest. Die Halslymphknoten waren schmerzhaft geschwollen, es trat leichter Husten auf. An der Lunge ergab sich von vereinzelten trockenen Rasselgeräuschen abgesehen keine Besonderheit, das Herz schlug regelmäßig, die Herztöne waren rein. Die Untersuchung des Bauches wie des Rachens und der Mandeln ergab keinen pathologischen Befund. Oberarzt Dr. Herlinde H*** untersuchte das Kind ebenfalls klinisch und nahm wegen des durch die Nackensteifigkeit und die Kopfschmerzen erweckten Verdachtes auf Vorliegen einer Gehirnhautentzündung eine Punktion der Rückenmarksflüssigkeit vor. Sie veranlaßte auch eine Röntgenuntersuchung des Klägers, die aber keine massive Einatmung von Erbrochenem ergab. Sie wollte den Kläger nach der Röntgenuntersuchung in der Kinderklinik belassen. Da aber die Atmung frei war, kam das Kind wieder in die Infektionsabteilung. Dort ordnete Oberarzt Dr. Herlinde H*** bei der anschließenden Visite eine Sitzwache an und betraute damit die im vierten Jahr ihrer Ausbildung stehende Schwesternschülerin Margarethe G***. Sie sollte darauf achten, daß der Kläger ordentlich mittels Ultraschallvernebler inhaliere. Die Ärztin beauftragte eine Krankenschwester, einen Beatmungsbeutel bereitzuhalten und setzte dann ihre Krankenvisite fort.

Ab 17 Uhr verschlechterte sich der Zustand des Klägers. Seine im Krankenzimmer gebliebene Mutter forderte die Schwesternschülerin auf, einen Arzt zu holen. Die Schülerin wagte es nicht, das Kind zu verlassen. Sie setzte ihre Tätigkeit mit dem Inhalator fort. Erst als das Kind immer schlechter atmete und nicht mehr ordnungsgemäß inhalierte, verständigte die Schülerin die Zimmerschwester, die nach dem Kind sah und dann telefonisch Oberarzt Dr. Herlinde H*** verständigte. Als diese in das Zimmer kam, erkannte sie, daß das Kind, das noch bei Bewußtsein war, zu ersticken drohte. Sie nahm das Kind an sich und trug es in das Schwesternzimmer, wo der Beatmungsbeutel bereit lag. Nach einem Krampfanfall trat bei dem Kind ein Herzatemstillstand ein. Oberarzt Dr. Herlinde H*** versuchte etwa drei Minuten lang, das Kind mit dem Beatmungsbeutel und mittels Herzmassage zu reanimieren. Erst als sie erkannte, daß das Kind nicht reagierte, bat sie die Stationsgehilfin um Hilfe, weil sie in der Überstellung an die Intensivstation die einzige Möglichkeit erblickte, noch etwas zu unternehmen. Sie und die Stationsgehilfin transportierten das Kind im Rollstuhl in die Nachtambulanz der Universitätskinderklinik. Die diensthabende Schwester rief telefonisch den Intensivarzt herbei. Bis zu seinem Eintreffen nach etwa 5 Minuten setzten Oberarzt Dr. Herlinde H*** und die Nachtambulanzschwester bei dem Kind die Beatmung mittels Beutels und die Herzmassage fort. Von der Invektionsabteilung aus war die Intensivstation nicht telefonisch von dem Zwischenfall in Kenntnis gesetzt worden.

Als der Arzt der Intensivstation das Kind untersuchte, war es klinisch tot. Zwischen dem Erkennen der akuten Erstickungsgefahr und dem Einsatz der Intensivbehandlung waren 13 Minuten verstrichen. Es bestand keine Herzund Atmungstätigkeit beim Kind, die Pupillen waren weit und reagierten nicht mehr auf Lichtreize. Durch Setzen eines Katheders in die obere Hohlblutvene und Verabreichung von Bikarbonat konnten die Atmung und der Herzschlag wieder in Gang gebracht werden. Die Herzaktion war nach der Reanimation leise, der Pulsschlag schnell. Die Hirnschwellung wurde mittels Unterkühlung behandelt, Hyperventilation erfolgte und ein Pentothaldauertropf wurde angelegt. Der Kläger wurde 9 Tage beatmet, dann setzte die Spontanatmung ein. Nach einem Monat konnte der Beatmungsschlauch entfernt werden. Bei der Vornahme der Intubation durch den Intensivarzt stellte dieser die Symptome einer Epiglottitis acuta fest. Bei dieser entzündlichen Erkrankung des Kehlkopfes kann es zu einer bis zur zehnfachen Vergrößerung reichenden massiven Schwellung des Kehlkopfdeckels und dadurch zum Verschluß der Atemwege mit der Gefahr des Erstickungstodes kommen. Die tiefer liegenden Atemwege - Luftröhre und Bronchien - sind meist am entzündlichen Prozeß nicht beteiligt. Die Zunahme der Schwellung des Kehlkopfdeckels erfolgt bei der Epiglottitis acuta sehr rasch. Die Erstickungsgefahr kann innerhalb weniger Minuten eintreten. Ursache für den raschen Verlauf der Erkrankung ist die bakterielle Natur des Erregers. Epiglottitis acuta ist ungleich seltener als die akute Laryngitis - auch Pseudokrupp -, die in der Regel eine Viruserkrankung darstellt. An einer pädiatrisch-klinischen Station wird das Krankheitsbild der Epiglottitis acuta nur an 0,018 % der Aufnahmen beobachtet, im Durchschnitt sieht ein in der Praxis tätiger Kinderarzt dieses Krankheitsbild nur alle zehn Jahre. Gemeinsam ist der Epiglottitis und der Laryngitis vieles, so auch der in etwa zwei Drittel der Fälle auftretende inspiratorische Stridor, ein hörbares Geräusch beim Einatmen. Der angeschwollene oder anschwellende Kehlkopfdeckel liegt wie ein Ball auf dem Kehlkopf auf und wird beim Einatmen auf den Kehlkopfeingang gepresst, der sich noch reflektorisch spastisch verengen und so die Erstickungsgefahr vergrößern kann. Die Mortalitätsrate erreicht bei der Epiglottitis acuta fast 50 %. Die Tücke des dabei eintretenden Sauerstoffmangels liegt darin, daß ohne bedrohliche Krankheitszeichen der Sauerstoffdruck im Blut unter die Hälfte des Normalwertes von 100 mm/hg sinken kann, daß aber bei Erreichen der kritischen Untergrenze von 40 mm/hg schlagartig die Folgen des Sauerstoffmangels eintreten. Es kommt zur Bewußtlosigkeit, zur Pulsbeschleunigung, zum Erbrechen und zum Harnabgang. Die dabei auftretende Kreislaufbelastung kann zufolge der Alteration der die Herzschlagfolge steuernden Nerven zu einem reflektorischen Herzstillstand führen. Dieser kann auch durch eine mechanische Manipulation im Kehlkopfbereich ausgelöst werden. Vor einer Abklärung des Krankheitsbildes durch Untersuchung mittels Spatels oder Spiegelung wird daher in der medizinischen Literatur gewarnt. Eingreifende therapeutische Maßnahmen durch Intubation oder operative Luftröhrenöffnung dürfen nur von erfahrenen Spezialisten vorgenommen werden. Selbst unter optimalen Voraussetzungen in der Zusammenarbeit von HNO-Fachärzten, Anästesisten und Pädiatern ist ein tödlicher Ausgang der Erkrankung nicht immer zu vermeiden. Bei der Rückkehr des Klägers nach der Röntgenuntersuchung waren erkennbare Hinweise auf das Vorliegen einer Epiglottitis oder sonst ein akutes bedrohliches Krankheitsbild nicht gegeben. Oberarzt Dr. Herlinde H*** hat alle notwendigen Maßnahmen veranlaßt. Sie konnte sich darauf verlassen, daß sie bei Auftreten einer erkennbaren lebensbedrohenden Erscheinung sofort verständigt werde. Sie war während der Fortsetzung der Visite jederzeit erreichbar. Die Schwesternschülerin hat sich auf die Betreuung des Kindes mit dem Ultraschallvernebler so sehr konzentriert, daß sie auf den auftretenden und von der Mutter erkannten lebensbedrohenden Zustand nicht rasch genug und richtig reagierte. Sie versäumte es, sogleich Hilfe zu holen und tat dies erst, als eine Zeitspanne verstrichen war, der Zustand des Klägers schlechter wurde und die lebensbedrohende Komplikation nicht mehr zu übersehen war. Jedes Ersticken als Folge des Sauerstoffmangels durch Verschluß der Atemwege stellt einen lebensbedrohenden Zustand dar, der den raschesten Einsatz exakt ablaufender intensiv-medizinischer Maßnahmen erfordert. In der Invektionsabteilung der Universitätskinderklinik in Graz fehlte eine Intensivstation. Es muß dann dafür gesorgt werden, daß bis zur optimalen intensiv-medizinischen Versorgung des Kranken rasch die notwendigen überbrückenden Maßnahmen ergriffen und nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft ausgeführt werden. Die materiellen und personellen Voraussetzungen für eine überbrückende intensiv-medizinische Krisenmaßnahme wären gegeben gewesen. Auf der Station 3 der Infektionsabteilung stand ein Notfallzimmer mit Sauerstoffanschluß und das für eine Intubation oder einen notfallsmäßig durchzuführenden Luftröhrenschnitt erforderliche Instrumentarium zur Verfügung. Erst nach dem Vorfall wurde noch ein Notfallkoffer modernerer Art für die Infektionsabteilung beschafft. Dem diensthabenden Oberarzt stand ein Turnusarzt und das Schwesternpersonal zur Seite. Oberarzt Dr. Herlinde H*** hätte bewußt sein müssen, daß nach Erkennen der Erstickung als vordringlichste Maßnahme das Einbringen von Sauerstoff in die Atemwege zu sichern war. Bis zum Eintreffen eines geschulten Intensivmediziners wäre eine konstante Zufuhr von Sauerstoff vorzunehmen gewesen. Diese Maßnahme ist unterblieben, weil Oberarzt Dr. Herlinde H*** sich zur Überführung des erstickenden Kindes an die Intensivstation der Kinderklinik entschloß. Art und Weise dieses Krankentransportes widersprachen moderner intensiv-medizinischer Auffassung. Dazu kam, daß zusätzlich wertvolle Zeit für eine erfolgreiche Zufuhr von Sauerstoff versäumt wurde, weil der Intensivmediziner erst nach dem Eintreffen des Kindes in der Intensivstation von dem Zwischenfall verständigt wurde. Der Intensivmediziner hätte sofort durch eine Krankenschwester telefonisch alarmiert werden können. So aber sind bis zur Sauerstoffzufuhr mittels Intubation 13 Minuten verstrichen. Hätte Oberarzt Dr. Herlinde H*** ihr Vorgehen nach den notfallsmedizinischen Regeln organisiert, wäre nicht nur Zeit zu gewinnen sondern auch eine effizientere Sauerstoffzufuhr gesichert gewesen. Es hätte dann trotz der geographisch ungünstigen räumlichen Entfernung zwischen der Infektionsabteilung und der Intensivstation eine konkrete Chance bestanden, die bedrohliche Situation zu beherrschen und einen Gehirnschaden des Kindes zu vermeiden. Oberarzt Dr. Herlinde H*** war vom dramatischen Verlauf des Krankheitsbildes überrascht. Für solche Zwischenfälle lagen ärztlicherseits keine organisatorischen Direktiven für die Invektionsabteilung der Universitäts-Kinderklinik in Graz vor. In ihrer Verzweiflung setzte Oberarzt Dr. Herlinde H*** Handlungen, die zu einem Zeitverlust und zur Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr führen mußten. Sie hätte, als sie eine Erstickung diagnostizierte, sofort die Verständigung des Intensivmediziners veranlassen und das Kind in das in höchstens einer Minute erreichbare Notfallzimmer auf Station 3 bringen müssen. Dort hätte gemeinsam mit dem herbeigeholten Turnusarzt die überbrückende Sauerstoffzufuhr mittels Ambu-Beutels und die Herzmassage sichergestellt sein müssen, bis innerhalb von 4 - 5 Minuten ein der Intubation kundiger Intensivmediziner eingetroffen wäre und der lebensbedrohende Sauerstoffmangel behoben wurde. Der Gehirnschaden wäre in diesem Fall mit großer Wahrscheinlichkeit unterblieben. Ein Luftröhrenschnitt war für die internistisch ausgebildete Oberärztin nicht zumutbar. Der Herzstillstand war eine Folge der Atemstörung durch die Epiglottitis. Dieser tritt etwa 4 - 5 Minuten nach Einsetzen des lebensbedrohlichen Atemkrampfes ein. Für eine erfolgreiche Wiederbelebungsmaßnahme steht ein Zeitraum von 7 - 8 Minuten zur Verfügung. Sobald die Sauerstoffsättigung des Blutes infolge des Atemstillstandes abnimmt, kann nur mehr mit einer für die Wiederbelebung zur Verfügung stehenden Zeit von 3 Minuten gerechnet werden. Die Verabreichung von konzentriertem Sauerstoff ist deshalb eine vordringliche Maßnahme, weil es bei der Epiglottitis acuta meist nicht zu einem dichten Verschluß des Luftröhreneinganges kommt, sondern kleine Ritzen offen bleiben, durch die Luft oder Sauerstoff in reduziertem Maß einströmen kann. Dafür spricht hier, daß es dem Intensivmediziner relativ rasch gelungen ist, den Tubus durch die geschwollenen Schleimhautanteile des Kehlkopfes einzuführen. Bessere Erfolgsaussichten der Behandlung des Klägers hätten auch bestanden, wenn Oberarzt Dr. Herlinde H*** und der Intensivmediziner früher vom Einsetzen des respiratorischen Notfalles verständigt worden wären. Der noch in Ausbildung stehenden Schwesternschülerin war aber eine Erkennung der zu dem respiratorischen Notfall führenden Entwicklung mit lebensbedrohendem Zustand nicht zuzumuten.

Die Wegzeit zwischen der Infektionsstation der Kinderklinik zur Intensivabteilung beträgt 4 - 5 Minuten. Wegen dieser ungünstigen Lage der Infektionsabteilung war dafür Sorge zu tragen, daß bei Auftreten solcher Erstickungszwischenfälle ein optimal eingeübtes und eingeschultes intensivmedizinisches Verhalten von Ärzten und Pflegepersonal gesichert ist. Nur dann können notwendige überbrückende Maßnahmen erfolgreich ablaufen. Die Wahl der Behandlungsmethode eines lebensbedrohenden Erstickungsanfalles ist strengen medizinischen Regeln unterworfen. Sie können nur bei optimaler Organisation erfüllt werden.

Durch den nicht rechtzeitig beherrschten Herzund Atemstillstand wurde die Sauerstoffversorgung des Gehirns des Klägers so erheblich beeinträchtigt, daß eine massive Schädigung dieses Organs eintrat. Das Hirngewebe ist gegen eine Minderung der Sauerstoffversorgung außerordentlich empfindlich. Die Rückbildung der Mittelhirnlaesion, die auf den Verlust der Sauerstoffversorgung des Gehirns zurückzuführen ist, war nur anfangs kurzfristig zu beobachten. In der Folge ist eine Verschlechterung des Zustandes eingetreten. Eine Besserung ist nicht zu erwarten. Der Kläger ist ständig auf Pflege und Hilfe angewiesen. Er führt ein weitgehend vegetatives Leben weit unter dem eines "intelligenten Tieres". Auf primitivster Stufe ist die Bewußtseinslage erhalten, zeigt aber keinerlei Inhalte. Mit Ausnahme von Weinund Schreireaktionen auf Schmerz und Berührungsreize fehlt jede sinnvolle Reaktion. Gelegentlich affektiv emtotionale Reaktionen laufen subkortikal ab und führen zu Erregungszuständen mit Schreianfällen. Das Sprachvermögen ist zur Gänze verloren und nicht wieder herstellbar. Der Schluckakt ist gestört. Durch die Störung der Spontanaktivität wird nicht gekaut, die Speisen werden im Mund behalten. Sinnvolle Handlungsabläufe liegen nicht vor. Die Lebenserwartung des Klägers ist verringert, weil mit Harnweginfektionen zu rechnen ist, doch sind auch Fälle bekannt, in denen bei bester Pflege ein solcher Zustand Jahrzehnte besteht.

Die Schäden im Hinterhauptbereich haben die Erblindung mit sich gebracht. Die periodischen Schwankungen von Anregbarkeit und Fehlen derselben sind typisch. Es kommt zu einem mehr oder weniger rhytmischen Wechsel von Hemmung und Enthemmung. Es liegt eine schwere Störung der psychischen Zentralfunktion vor und zugleich eine Schädigung der Affektivität und des Bewußtseins. Das Gehirn selbst verursacht auch bei Verletzungen an sich keine Schmerzen. Durch Erhöhung des Gehirndruckes entstehen Schmerzen infolge der Reizung der harten Hirnhaut und durch die Gefäße der Hirnhaut und bestimmte Nerven an der Shädelbasis. Narbige Veränderungen an den Hirnhäuten mit Irritation der basalen Hirnarterien verursachen Schmerzen und Störungen der Liquorproduktion und Zirkulation. Das nach Ausfall der kortikalen Schmerzleitung enthemmte zweite subkortikale schmerzleitende System verursacht eine Reizung der Tallamuskerne. Es kommt dann zu häufiger Auslösung erheblicher subkortikaler Spontanschmerzen, auf welche die häufigen Schmerzschreie und Anfälle des Kindes zurückzuführen sind. Die Stammhirnschädigung führt zu einer generellen Veränderung der Affektund Stimmungsbereitschaft mit Reizbarkeit und Weinerlichkeit und zu Veränderungen, wodurch zahlreiche teils qualvolle Schmerzen entstehen. Die Bewußtlosigkeit bringt den Verlust jedweden Wohlbefindens mit sich. Das bewußte Erleben ist ausgelöscht. Der Ausfall einer bewußten Verarbeitung des Schmerzensgeschehens kann nicht zur Negierung der Lebensbeeinträchtigung durch die Schmerzen führen. Die normale Entwicklung des Kindes ist vollkommen unterbrochen. Es fehlen die lustvolle Erfassung der Umwelt, die Erweiterung des Lebensraumes, das Gefühl der Geborgenheit im Familienverband, die zunehmende Reife, das Erleben von Treue, Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Erfolg und Freundschaft, allerdings auch von Feindschaft, Mißtrauen, Gehässigkeit und Unterdrückung. Die Krampfanfälle verursachen während des Klonus wegen vorliegender völliger Bewußtlosigkeit vermutlich keine Beschwerden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es auch zu Muskelkrämpfen ohne Bewußtlosigkeit kommt, die starke Schmerzen verursachen. Nach Krampfanfällen mit Bewußtlosigkeit treten erfahrungsgemäß Kopfschmerzen und Muskelschmerzen auf. Es sind seit dem Ereignis fast durchgehend sehr starke und starke Schmerzen anzunehmen. Bei einem so schweren Defekt wird eine schmerzreizachaische Primitivreaktion ausgelöst. Sie führt zu ungehemmten Affektausbrüchen mit ungezügelter Abwehr. Die dauernde Minderung der Lebensfreude ist beim Kind, das sonst bei schweren Körperschäden eine geradezu ausgezeichnete Anpassung zeigt, höher zu werten. Eine intellektuelle Verarbeitung des Geschehens kann beim Kläger überhaupt nicht erfolgen. Jede Ablenkung ist ausgeschlossen. Bis zum 25.11.1983 sind 150 Tage sehr starke, 349 Tage starke, 299 Tage mittelstarke Schmerzen und 221 Tage leichte Schmerzen anzunehmen. Mit der am 13.10.1982 erhobenen Schadenersatzklage begehrt der Kläger von der beklagten Partei als Krankenanstaltsträger die Zahlung eines Schmerzengeldes und die Feststellung der Haftung für alle weiteren Schäden. Das Zahlungsbegehren dehnte der Kläger von S 80.000,- am 16.5.1983 auf S 650.000,- und am 25.11.1983 auf S 1.300.000,- und zuletzt auf S 1,500.000,- samt Zinsen aus. In der Klage hatte der Kläger das Verlangen nach Zahlung von S 80.000,-

Schmerzengeld auf den Zeitraum vom 9.12.1980 bis zum 13.10.1982 beschränkt. Bei der Ausdehnung seines Schmerzengeldbegehrens erklärte er sich nicht dazu, ob er das Schmerzengeld als Globalabfindung oder nur für eine eingeschränkte Zeitspanne beanspruche. Der Kläger stützte seinen Anspruch auf ein Fehlverhalten der mit seiner Behandlung betrauten Personen, für das die beklagte Partei einzustehen habe. Dadurch habe es geschehen können, daß der Kläger, weil seine Erkrankung zunächst nicht richtig erkannt und behandelt wurde, nach der Wiederbelebung auf Dauer blind, taub und großteils gelähmt sei und keine menschlichen Reaktionen zeige.

Die beklagte Partei trat dem Zahlungsund dem Feststellungebegehren entgegen. Die überaus seltene Erkrankung des Klägers habe nicht früher erkannt werden können. Das Krankenhauspersonal habe alle bei Auftreten der lebensbedrohenden Gesundheitsstörung gebotenen Maßnahmen gesetzt und alles getan, um gesundheitliche Nachteile vom Kläger abzuwenden. Es liege kein schuldhaftes Verhalten der Ärzte oder Pflegepersonen vor. Die Gesundheitsschädigung habe nicht verhindert werden können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren voll statt. Es beurteilte den eingangs dargestellten Sachverhalt rechtlich dahin, daß der behandelnden Ärztin ein Fehler unterlaufen sei, wenn sie nach Erkennen der Erstickungsgefahr des Kindes von den vorhandenen materiellen und personellen Voraussetzungen für die Bewältigung überbrückender intensivmedizinischer Maßnahmen im Notfallzimmer der Invektionsabteilung nicht Gebrauch machte und durch die Überstellung des Kindes in die Intensivstation der Kinderklinik wertvolle Zeit versäumte. Daß sie das seltene, an sich schwer erkennbare Krankheitsbild einer Epiglottitis acuta nicht früher feststellte, könne ihr nicht vorgeworfen werden. Das Verhalten nach Auftreten der Erstickungsgefahr habe aber den Anforderungen nicht entsprochen und führe zur Haftung der beklagten Partei für die Folgen der körperlichen Beschädigung des Klägers. Das Schmerzengeld sei als Globalsumme ohne Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse, der sozialen Stellung und der Kulturbedürfnisse des Verletzten zu bestimmen. Auch die seelischen Schmerzen seien abzugelten. Unter Bedachtnahme auf die noch immer andauernde schwere körperliche Beeinträchtigung, die damit verbundenen ständig wiederkehrenden Krampfanfälle, die Dauer und die Intensität der physischen Schmerzen und anhaltenden psychischen Beeinträchtigungen erscheine ein Gesamtschmerzengeld für den bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung verstrichenen Zeiteraum im Betrag von S 1,500.000,- im konkreten Fall angemessen. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil die gesundheitliche Beeinträchtigung anhalte und die Wiederherstellung der Gesundheit nicht erwartet werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens und übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich. Das Berufungsgericht führte eingehend und rechtsrichtig aus, daß die beklagte Partei vom Kläger in Anspruch genommen werde, weil er mit ihr in einer von ihr erhaltenen Krankenanstalt in eine vertragliche Beziehung getreten sei, die zur Pflicht der beklagten Partei führte, durch ihre als Erfüllungsgehilfen anzusehenden Ärzte und Pflegepersonen jede mögliche und zumutbare medizinische Versorgung und Behandlung des Klägers zu sichern. Um der Haftung zu entgehen, habe die beklagte Partei zu beweisen, daß sie und die als Erfüllungsgehilfen tätigen Personen der Krankenanstalt kein Verschulden an der Schädigung des Klägers treffe. Für den Nachweis des Kausalzusammenhanges genüge es, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß der Schaden durch das Verhalten der beklagten Partei oder ihrer Erfüllungsgehilfen eintrat. Das Schmerzengeld sei als einmalige Zahlung zu leisten und könne nicht für einen bestimmten Zeitraum zuerkannt werden, wenn die Verletzungsfolgen übersehbar sind und daher eine Globalbemessung erfolgen könne. Da der Kläger seinen ursprünglichen Vorbehalt, er begehre das Schmerzengeld von S 80.000,- nur für die Zeit vom 9.12.1980 bis zum 13.10.1982, bei der Ausdehnung seines Begehrens nicht erklärte, sei anzunehmen, daß der Kläger eine globale Abgeltung seiner bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz schon erlittenen aber auch der zu dieser Zeit voraussehbaren künftigen Schmerzen anstrebe. Das Erstgericht habe zu Unrecht gemeint, dem Kläger stehe das Schmerzengeld von S 1,500.000,- schon ohne Berücksichtigung der weiter zu erwartenden Schmerzen und Nachteile allein für die Zeit bis zum 25.11.1983 zu. Die beklagte Partei, deren Haftung für den Schadenersatz schon deshalb bestehe, weil ihr der Nachweis nicht gelungen sei, daß der Schaden ebenso wahrscheinlich eingetreten wäre, wenn nicht wertvolle Zeit versäumt worden und bis zum Einsetzen der als geboten erkannten intensivmedizinischen Behandlung eine Zeitspanne von 13 Minuten verstrichen wäre, bis der Kläger klinisch tot war, was zu den schweren Schädigungen seiner Gesundheit führte, habe selbst für den Fall ihrer Haftung zugegeben, daß ein Schmerzengeld von S 1,000.000,- gebühre. Der Fall sei von so außergewÄhnlicher Tragik, daß er mit keinem in der Rechtsprechung bei der Schmerzengeldbemessung bisher beurteilten Fall verglichen werden könne. Es sei daher gerechtfertigt, das Schmerzengeld als Globalabfindung mit S 1.500.000,- zu bemessen, weil ein völliger Verlust der Persönlichkeit mit erheblichen dauernden starken Schmerzen vorliege.

Gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes wenden sich die beklagte Partei und der Kläger mit Revision. Die beklagte Partei bekämpft die Annahme ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz und die Höhe des Schmerzengeldes, soweit es S 1,000.000,- übersteigt. Sie beantragt die Abänderung in die Abweisung des Schadenersatzbegehrens des Klägers, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Der Kläger bekämpft die Annahme des Berufungsgerichtes, der zuerkannte Betrag von S 1,500.000,- sei als Pauschalabgeltung auch der künftigen Schmerzen berechtigt, weil ihm dadurch in Abänderung der Entscheidung des Erstrichters die Möglichkeit genommen werde, die nach dem 25.11.1983 erlittenen Schmerzen im Rahmen des Feststellungsspruches zum Anlaß für eine weitere Schmerzengeldforderung zu nehmen. Er verlangt daher die Abänderung des Urteils des Berufungsgerichtes dahin, daß das Schmerzengeld von S 1,500.000,- nur für die Zeit vom 9.12.1980 bis zum 25.11.1983 zugesprochen werde.

Beide Teile beantragen, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zum Teil und infolgedessen die Revision des Klägers unberechtigt.

Zur Revision der beklagten Partei:

Das Schwergewicht der Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liegt in der Bekämpfung der Anlegung des Maßstabes nach dem § 1299 ABGB an das Verhalten von Oberarzt Dr. Herlinde H*** nach ihrer Verständigung von der entscheidenden Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers. Es ist zwar richtig, daß ihr nach den Tatsachenfeststellungen nicht vorgeworfen werden kann, das seltene und schwer zu diagnostizierende Krankheitsbild der Epiglottitis acuta nicht früher erkannt zu haben; auch einer nur als Internist ausgebildeten Ärztin mußte aber klar sein, daß nach Erkennen akuter Erstickungsgefahr besondere intensiv-medizinische Vorkehrungen von nöten sind. Es wurde auch nicht dieser Ärztin angelastet, daß sie nicht selbst zur Intubation oder zu einem Luftröhrenschnitt schritt, wohl aber liegt sowohl bei ihr als auch bei der Leitung des von der beklagten Partei erhaltenen Krankenhauses ein Organisationsverschulden vor, das jedenfalls zu einem verspäteten Einsetzen der intensiv-medizinischen Betreuung führte. Gerade von den an einer Universitätskinderklinik tätigen Ärzten muß erwartet werden, daß bei Auftreten lebensbedrohender Komplikationen ohne Zeitverlust die von einer solchen Krankenanstalt zu erwartende optimale Betreuung gesichert ist. Daß der praktische Arzt eine Mumps-Meningitis vermutete, enthob das Personal der Krankenanstalt der beklagten Partei keineswegs der Verpflichtung, selbst die Untersuchungen zur Ermöglichung einer zutreffenden Diagnose vorzunehmen, jedenfalls aber, wenn die wahre Erkrankung nicht erkannt wurde, jede nach dem modernsten Stande der medizinischen Wissenschaft mögliche Behandlung zu sichern, wenn eine lebensbedrohende Komplikation an dem zur stationären Behandlung in der Krankenanstalt aufgenommenen Patienten erkennbar wurde. Völlig richtig haben die Vorinstanzen erkannt, daß die von der beklagten Partei zur Erfüllung des mit ihr eingegangenen Behandlungsvertrages eingesetzten Personen diese Verpflichtung nicht erfüllt haben. Schon die als Sitzwache eingeteilte Schwesternschülerin ließ sich selbst durch Aufforderungen der anwesenden Mutter des Klägers nicht sogleich zur Verständigung des Arztes bewegen, obwohl sich der Gesundheitszustand des Klägers ab 17 Uhr zunehmend verschlechterte und die Anordnung einer Sitzwache darauf hinweist, daß mit einer solchen Verschlimmerung im Krankheitsbild zu rechnen war. Schließlich verging wertvolle Zeit nicht nur durch das Zuwarten mit der Verständigung der diensthabenden Oberärztin, sondern auch dann, als die Erstickungsgefahr offenbar war, weil nicht geordnet und zweckmäßig vorgegangen wurde, um unverzüglich den Arzt der Intensivabteilung herbei zu rufen. An einer Infektionsabteilung ist ein solcher Notfall nicht so ungewÄhnlich, daß es nicht Sache der Leitung der Krankenanstalt gewesen wäre, sich nicht mit der Einrichtung eines Notfallszimmers auf einer Station zu begnügen, sondern das Personal auch zu schulen und darauf vorzubereiten, daß im Ernstfall ohne Zeitverlust die gerade von einer Universitätsklinik erwartete bestmögliche ärztliche Versorgung sichergestellt ist.

Daß der Vorfall sich nur anläßlich der Erfüllung des Behandlungsvertrages ereignete, weil das Kind nur zur Behandlung der - gar nicht vorgelegenen - Mumps-Meningitis aufgenommen wurde, kann ernstlich nicht behauptet werden. Die Abklärung des wahren Krankheitsbildes oblag dem Personal der Universitätsklinik. Jedenfalls wäre ein Versäumnis auch dann als Unterlassung der geschuldeten vertraglichen Leistung anzusehen, wenn etwa während eines Aufenthalts in einer Krankenanstalt eine andere plötzliche und unverzügliche Notmaßnahmen erfordernde Erkrankung auftritt. Es haben daher die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum erkannt, daß die beklagte Partei den Beweis nicht erbracht hat, daß der durch das Versäumnis eingetretene Schaden ohne Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, wozu auch die Leitung der Krankenanstalt zählt, die für solche Notfälle durch Organisationspläne und geeignete Maßnahmen vorzusorgen hatte, entstanden ist, weil es sich hier um die vertragliche Beziehung zwischen den Prozeßparteien handelt.

Daß aber bei unverzüglicher und richtiger Handlungsweise aller zum Krankenhauspersonal zählenden Personen die Zeitspanne zwischen der Erkennbarkeit der Erstickungsgefahr und dem Einsetzen der intensiv-medizinischen Maßnahme durch Intubation erheblich verkürzt und dann, wenn für eine kontinuiertliche Sauerstoffzufuhr gesorgt gewesen wäre, mit großer Wahrscheinlichkeit der Herzstillstand vermieden oder rascher beherrscht worden wäre, und es daher nicht zur schwerwiegenden Schädigung des Gehirns mit der Folge der völligen Vernichtung der menschlichen Person des Klägers kommen mußte, liegt auf der Hand. Es steht fest, daß bei einem richtig organisierten Ablauf der Versorgung des Klägers nach Erkennbarkeit der Erstickungsgefahr der Gehirnschaden mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre. Dies muß genügen, wenn die beklagte Partei diesen Wahrscheinlichkeitsbeweis nicht zu erschüttern vermag, um für die Folgen des Organisationsversagens einstehen zu müssen, weil ein mit noch mehr Sicherheit ausgestatteter Nachweis vom Kläger nie erbracht werden kann. Ärzte haben nach § 1299 ABGB den Mangel der gewissenhaften Betreuung (§ 22 Abs 1 ÄrzteG) nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu vertreten und jene Sorgfalt anzuwenden, die von einem ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarzt in der konkreten Situation erwartet wird (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 25 zu § 1299; SZ 49/47; EvBl 1982/3; ZVR 1983/279 ua). Die Unterlassung unverzüglicher zweckentsprechender Maßnahmen bei Eintritt eines Notfalles ist schon dann für den Schadenseintritt kausal, wenn die pflichtgemäße Handlung den Eintritt des Schadens weniger wahrscheinlich gemacht hätte als deren Unterlassung (JBl 1971, 307; JBl 1972, 426; JBl 1984, 554 ua). Wenn das schädigende Verhalten in einer Unterlassung besteht, genügt ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges für die Haftung (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz. 3 zu § 1295; SZ 27/43; SZ 33/139; SZ 36/45; KRSlg. 674; zuletzt etwa OGH 2.10.1985, 3 Ob 560/84). In dem Falle der Schädigung des Klägers durch die Unterlassung sofortiger und zweckmäßiger Maßnahmen sind diese Voraussetzungen der Haftung der beklagten Partei, die sich zur Erfüllung der ärztlichen Behandlungspflicht der in ihrer Krankenanstalt tätigen Ärzte bediente, für deren Verschulden sie dem Kläger nach § 1313 a ABGB wie für ihr eigenes einzustehen hat (SZ 11/32; SZ 41/87; JBl 1953, 18; JBl 1959, 595; EvBl 1966/257), vorgelegen. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, welchem der Erfüllungsgehilfen ein zivilrechtlich schuldhaftes Fehlverhalten vorwerfbar ist. Mehr ist von Bedeutung, daß die beklagte Partei und die von ihr eingesetzten Personen nicht für einen an einer Universitätskinderklinik jedenfalls zu fordernden Organisationsplan für solche Zwischenfälle sorgten, wodurch es geschehen konnte, daß Arzt und sonstiges Krankenhauspersonal in der Aufregung über den Zwischenfall rückblickend unzweckmäßig handelten und vor allem viel zu viel Zeit verstreichen ließen. Es ist aber für jedermann einsehbar, daß eine Erstickung nur durch eine überaus rasche und zweckmäßige Maßnahme beherrscht werden kann. Wenn auch das Krankheitsbild einer Epiglottitis acuta als selten auftretender Kinderkrankheit mit besonderer Gefährlichkeit selbst von erfahrenen Kinderärzten oft nicht erkannt wird, so muß doch an einer Universitätskinderklinik damit gerechnet werden, daß ein aufgenommener Kranker auch daran leiden kann und daher vorzusorgen ist, daß unverzüglich ärztliche Hilfe bereit steht, wenn es zu einer lebensbedrohenden Situation kommt. Dafür spricht ja auch das Vorhandensein eines Notfallszimmers und seines Bestecks.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Ein Verfahrensmangel in erster Instanz, dessen Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, kann nicht mit Revision neuerlich geltend gemacht werden. Mit diesen ihren Ausführungen bekämpft die beklagte Partei auch in Wahrheit nur die vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Tatsachengrundlage. Es sei aber bemerkt, daß die aufgezeigten Widersprüche zum im Strafverfahren erstatteten Gutachten schon deshalb bedeutungslos sein müssen, weil der hohe Grad der Wahrscheinlichkeit, daß die Gesundheitsschädigung auf Zeitversäumnisse bei der Versorgung des Klägers nach Auftreten der Erstickung zurückzuführen ist, dadurch nicht erschüttert wird. Das Bemühen der beklagten Partei, darzulegen, daß auch bei einem von ihrem Personal geforderten Alternativverhalten der Hirnschaden unvermeidlich gewesen wäre, weicht nicht nur von den Tatsachenfeststellungen ab, sondern zeigt auch, daß die beklagte Partei sich der Verantwortung nicht bewußt ist, gerade eine Universitätskinderklinik so einzurichten und organisatorische Vorsorgen zu treffen, daß bei Auftreten erster Erstickungsanzeichen eines als Patient aufgenommenen Kindes die mögliche und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft gebotene ärztliche Hilfe so zeitgerecht zur Verfügung steht, daß Gehirnschädigungen tunlichst hintangehalten werden. Hier steht fest, daß bei rascherer und zweckmäßigerer Handlungsweise der Schaden mit einer großen Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen und nicht eingetreten wäre. Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, daß die beklagte Partei dem Kläger Ersatz für den am 19.12.1980 erlittenen Körperschaden zu leisten hat. Die Revision ist, soweit sie das Feststellungsbegehren und den Grund des Schmerzengeldbegehrens betrifft, nicht berechtigt. Teilweise begründet ist die Revision der beklagten Partei in der Bekämpfung der Höhe des Schmerzengeldanspruchs. Nach § 1325 ABGB hat die beklagte Partei dem Kläger ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld zu bezahlen. Die Höhe des zuerkannten Schmerzengeldes bekämpft die beklagte Partei nur insoweit, als die Globalabfindung höher als S 1,000.000,- ausfiel. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß eine Teileinklagung von Schmerzengeld nur ausnahmsweise und zwar dann zulässig ist, wenn die Folgen der Verletzung noch nicht voll überblickt werden können (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 49 zu § 1325; ZVR 1983/345; ZVR 1973/8; ZVR 1979/308 ua). Der Kläger hätte in diesem Fall darzulegen, daß eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes aus besonderen Gründen geboten ist, weil nur dann eine Teilbemessung zulässig ist. Sonst ist das Schmerzengeld immer global zu bemessen (ZVR 1985/39; ZVR 1976/77; ZVR 1979/308 ua). Das Schmerzengeld ist nach überwiegender Auffassung für die körperlichen Schmerzen wie die mit der Schwere der Verletzung und ihren Auswirkungen auf den Zustand des Geschädigten verbundenen psychischen Beeinträchtigungen in einer Globalsumme und nicht tageweise zu berechnen (Koziol, Haftpflichtrecht 2 , II, 139; ZVR 1981/122 uva).

Der erschreckende Zustand des Klägers nach den ersten Monaten und Jahren seiner Gehirnschädigung, der eine wesentliche Veränderung in Zukunft nicht erwarten läßt, erlaubt eine Globalbemessung durchaus. Der Ersatz des ideellen Schadens nach § 1325 ABGB ist in Form einer einmaligen Zahlung zu leisten. Die Verletzungsfolgen sind vorhersehbar. Der Verletzte kann daher nicht nach seinem Belieben das Schmerzengeld nur für einen bestimmten Zeitraum begehren (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II, 138; ZVR 1981/169 uva). Der Zustand der Bewußtlosigkeit oder einer so schwerwiegenden Gehirnschädigung, daß der Verletzte seine Schmerzen nicht bei klarem Bewußtsein erlebt und rational verarbeitet, schließt nach der ständigen Rechtsprechung den Schmerzengeldanspruch nicht aus (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz. 45 zu § 1325; SZ 44/150; ZVR 1979/101; ZVR 1978/180). Voraussetzung ist nur, daß der Verletzte Schmerzempfindungen hat. Unter dieser Voraussetzung wurde auch bei Vorliegen eines apallischen Syndroms ein Anspruch auf Schmerzengeld zuerkannt (SZ 44/150; ZVR 1985/49 ua). Die Funktion des Schmerzengeldes, den Verletzten in die Lage zu versetzen, sich als Ausgleich für die durch die erlittenen Schmerzen entstandenen Unlustgefühle und als Ersatz für seine Leiden anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Art und Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (ZVR 1982/392; ZVR 1982/261; ZVR 1983/200; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 43 zu § 1325) versagt allerdings, wenn der Verletzte infolge einer so schweren Schädigung seiner Gehirnfunktion nach menschlichem Ermessen auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, sich Annehmlichkeiten oder Erleichterungen zu verschaffen oder verschaffen zu lassen. Dennoch kann deshalb ein Schmerzengeld als Abgeltung des ideellen Schadens nicht verweigert werden. Der Vergleich mit ähnlich schweren Verletzungsfolgen muß, wie das Berufungsgericht an sich durchaus zutreffend erkannte, versagen. Es sind jeweils die Umstände des einzelnen Falles umfassend zu berücksichtigen und danach die Angemessenheit des Schmerzengeldes auszurichten. In der letzten Zeit wurden etwa bei einem offenen Schädel-Hirn-Trauma einer 21 Jahre alten Person, die ein apallisches Syndrom erlitt, S 800.000,-

Schmerzengeld zuerkannt (OGH 29.10.1985 2 Ob 48/85); bei einer kompletten Querschnittslähmung mit Lähmung der unteren Extremitäten, der Bauchmuskulatur und der Rückenstrecker, einem Sensibilitätsverlust und weiteren schwerwiegenden Behinderungen wurden nicht die begehrten S 1,200.000,- sondern nur S 900.000,- als angemessen angesehen (OGH 29.10.1985, 2 Ob 22/85); bei einem 6-jährigen Mädchen mit einem schweren Schädelhirntrauma mit apallischem Durchgangssyndrom, weiteren schweren körperlichen Verletzungen, einer schweren Hinrschädigung mit Intelligenzabbau und einer hochgradigen Lähmung aller Gliedmaßen, so daß die Verletzte nicht stehen oder gehen kann, wurde das Schmerzengeld bei einem Begehren von S 1,100.000,- mit S 700.000,- bemessen (OGH 24.10.1985, 8 Ob 31/85) und bei einem 11 Jahre alten Schüler mit Schädelbasisbruch mit ausgedehnter Hirnquetschung, kaum mehr besserungsfähigen Unallsfolgen schwerster Art mit epilepsieartigen Ausbrüchen erhöhte der Oberste Gerichtshof bei einem Begehren von S 1,000.000,- das Schmerzengeld von S 600.000,- auf S 700.000,-

(OGH 17.1.1985, 8 Ob 35/84). Einer 17-jährigen Serviererin wurden nach einem schweren Schädelhirntrauma mit weitgehender Herabsetzung der Sehleistung, Verlust des Geruchtsund Geschmackssinnes und einem Psychosyndrom mit Aggressivität und vegetativen emotionellen Erregungszuständen die verlangten S 800.000,- an Schmerzengeld zuerkannt (OGH 30.10.1984, 2 Ob 59/84). Bei einem damals 9 Jahre alten Schüler, der neben einem apallischen Syndrom nach Hirnprellung und Hirnquetschung mit nachfolgender Hirnschwellung mehrfache Brüche im Bereich des Schädels und des Schambeines erlitten hatte und dessen Persönlichkeit praktisch zerstört wurde, erfolgte eine Herabsetzung des vom Erstgericht mit S 1,200.000,- und der 2. Instanz mit S 1,000.000,- bemessenen Schmerzengeldes auf S 900.000,- (OGH 16.2.1984, 8 Ob 194/83). Auch ein Mädchen im Alter von 18 Jahren mit einem appallischen Syndrom infolge eines schweren Schädelhirntraumes mit offener Impressionsfraktur des Schädels und massivem Hirnödem, die Schmerzen nicht bewußt empfindet und deren Lebenserwartung stark eingeschränkt ist, die als Unfallsfolge ständig bettlägerig und pflegebedürftig ist, erhielt statt der begehrten S 1,200.000,- nur S 700.000,- (OGH 8.3.1983, 2 Ob 266/82). Bei der Bemessung des dem Kläger zustehenden Schmerzengeldes hat jedoch der Vergleich mit ähnlich schwerwiegenden Verletzungsfolgen anderer Geschädigter zurückzutreten und allein nach den besonderen Umständen des Falles, die eingehend ermittelt und geprüft wurden, die Festsetzung nach richterlichem Ermessen stattzufinden. Dabei ergibt sich, daß ein das von der beklagten Partei zugestandene Schmerzengeld von S 1,000.000,- übersteigender Betrag auch bei einer globalen Abfindung der zur Zeit überschaubaren künftigen Schmerzen und Unbilden nicht zusteht, weil nicht von den vom Sachverständigen in Tagen angegebenen Schmerzempfingungen ausgegangen werden kann, sondern der Funktion des Schmerzengeldes Bedeutung beizumessen ist und weniger die körperlichen Schmerzen als die Vernichtung der menschlichen Persönlichkeit des zur Zeit des Vorfalles noch nicht 5 Jahre alten Knaben von Bedeutung sind.

Zur Revision des Klägers:

Der Kläger war zwar durch das Urteil des Berufungsgerichtes insoweit beschwert, als dieses anders als der Erstrichter den zuerkannten Schmerzengeldbetrag als Globalabfindung ansah. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt, weil selbst bei einer Globalabfindung nur ein Schmerzengeld von nicht mehr als 1.000.000,-

gebührt. Der Kläger hatte auch nicht dargetan, daß er das Schmerzengeld nur für einen bestimmten Zeitraum verlangt und wodurch ein solches Verlangen zu rechtfertigen wäre. Er hatte zunächst für eine Zeitspanne von fast 2 Jahren ab dem Verletzungseintritt S 80.000,- Schmerzengeld eingeklagt und dann etwas weniger als drei Jahre nach der Verletzung sein Begehren auf S 1,500.000,-

ausgedehnt, ohne sich auf einen bestimmten Zeitraum zu beschränken. Es war daher zulässig und berechtigt, mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine zeitliche Eingrenzung einen Globalbetrag an Schmerzengeld zu bemessen, wie dies das Berufungsgericht in Ablehnung des Vorgehens des Erstgerichtes getan hat. Zur Höhe der Globalabfindung ist der Kläger auf die Ausführungen zur teilweise berechtigten Revision der beklagten Partei zu verweisen. Da ihm danach nur ein Schmerzengeld von S 1,000.000,- für alle körperlichen und psychischen Schmerzen und Beeinträchtigungen zusteht, bleibt für einen Vorbehalt der Geltendmachung eines weiteren Schmerzengeldanspruches - abgesehen von einer unvorhersehbaren Veränderung im Zustandsbild - ohnedies kein Raum.

Es ist daher der Revision der beklagten Partei nur insoweit Folge zu geben, als die Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung von Schmerzengeld auf S 1.000.000,- herabgesetzt und das Mehrbegehren des Klägers abgewiesen wird. Seiner Revision ist dagegen nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf

§ 43 Abs 2 Fall 2 ZPO und § 50 ZPO, soweit der Kläger mit seinem Begehren auf Schmerzengeldzahlung nur teilweise obsiegte, weil keine offenbare Überklagung vorlag und der Zuspruch in der Höhe vom richterlichen Ermessen abhängig war. Soweit der Kläger allerdings erfolglos selbst Revision erhob, hat er der beklagten Partei die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO).

Anmerkung

E07299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00608.84.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19851203_OGH0002_0050OB00608_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten