Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St. Pölten vom 27.August 1985, GZ 24 Vr 471/85-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Strasser, und des Verteidigers Dr.Claus Janovsky jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der 46-jährige Heinz A des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 'Abs 1' (gemeint: erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 6.April 1985 in Gästling in Gesellschaft seines (am 19.Juli 1970 geborenen, abgesondert verfolgten) Sohnes Andreas A als Beteiligten dem Franz B mit Gewalt, indem er ihn mit einem Holzschlegel niederschlug und Andreas A ihm zumindest 37.000 S Bargeld wegnahm, sohin unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen. Die Geschwornen hatten insoweit die (anklagekonform) auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster bis dritter Fall StGB gerichtete Hauptfrage stimmeneinhellig, jedoch mit der Einschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) bejaht, daß durch die Gewalttätigkeit keine schwere Verletzung (§§ 84 Abs 1; 143 dritter Fall StGB) des Franz B eingetreten ist.
Rechtliche Beurteilung
Der auf die Z 6, 9 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Als Mangel der Fragestellung (Z 6) rügt er in Ansehung der Qualifikation nach § 143 erster Fall StGB (der Sache nach) zum einen, daß den Geschwornen keine gesonderte Frage in Richtung des Gesellschaftsraubes vorgelegt wurde, und zum anderen, daß die Hauptfrage insoweit bloß den mit dem täglichen Sprachgebrauch nicht im Einklang stehenden Gesetzestext 'Beteiligte' wiedergebe und bei der Fragestellung 'keine Konkretisierung der Begehung in Gesellschaft' vorgenommen worden sei.
Die Rüge versagt.
Gemäß § 317 Abs 2 StPO ist es der Beurteilung des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage ('komplexe' Fragestellung) aufzunehmen oder zum Gegenstand einer besonderen (Zusatz-) Frage zu machen ist. Auch § 316 StPO schreibt nicht zwingend vor, daß nach einem die Änderung des Strafsatzes begründenden Erschwerungs- (oder Milderungs-) Umstand eine selbständige (Zusatz-) Frage an die Geschwornen zu richten ist. Demzufolge ist es nicht nur zulässig, sondern mitunter sogar zweckmäßig, strafsatzändernde Umstände in die Hauptfrage aufzunehmen (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO 2 ENr. 9 zu § 316). Dem Fehlen der Voraussetzungen für die Annahme eines Gesellschaftsraubes hätten die Geschwornen bei Beantwortung der (einzigen) Hauptfrage ebenso durch einen einschränkenden Beisatz im Sinn des § 330 Abs 2 StPO Rechnung tragen können, wie dies in Ansehung der Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB (schwere Verletzung) auch tatsächlich geschehen ist. Darauf waren sie nicht nur in der (ihnen übergebenen und zudem im Beratungszimmer angeschlagenen) allgemeinen Rechtsbelehrung (StPO-Form. RMB 1) sowie im Vordruck für die an sie gerichteten Fragen (StPO-Form. Prot. 15), sondern auch in der besonderen Rechtsbelehrung (S 510) ausdrücklich hingewiesen worden.
Unzutreffend ist auch der Vorwurf, die Hauptfrage nach (qualifiziertem) Raub entspreche nicht den Anforderungen des § 312 StPO, weil einerseits der darin enthaltene 'juristische Fachausdruck Beteiligung' (bzw. Beteiligter) für Laien nicht verständlich sei, da er im täglichen Leben etwas anderes bedeute als im Sinn des § 12 StGB, und die Frage andererseits eine Konkretisierung der Tatbeteiligung vermissen lasse. Er übersieht, daß der für Haupt- und Eventualfragen (in Ansehung sämtlicher Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale) aber auch für die (zur Erfassung strafsatzbestimmender Erschwerungs- und Milderungsumstände bestimmten) unechten Zusatzfragen erforderlichen Konkretisierung durch den Hinweis auf das Vorhandensein eines Raubgenossen und die Anführung auch dessen Tathandlung in der Hauptfrage ohnedies entsprochen wurde; einer weitergehenden Konkretisierung des von den Geschwornen in ihrem Wahrspruch zu beurteilenden Sachverhalts oder gar dessen Spezialisierung im Sinn einer Aufgliederung des Tatgeschehens und dessen detaillierter Zuweisung an die verschiedenen Tatbeteiligten bedurfte es hingegen nicht (vgl. EvBl 1985/97 u.a.).
Über den Begriffsinhalt der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung - vorliegend also über die Bedeutung der Worte 'in Gesellschaft ..... als Beteiligten (§ 12 StGB)' - hinwieder hat nicht die Frage, sondern die dazu erteilte Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO) Aufschluß zu geben. Auf die hier aktuellen Voraussetzungen für die Annahme einer Raubgenossenschaft, insbesondere auf das dazu vorauszusetzende Erfordernis eines einverständlichen Zusammenwirkens der mehreren Täter (sowohl in Ansehung der Tatausführung als auch zur Erreichung des gemeinsamen Zieles) wurden die Geschwornen in der Rechtsbelehrung ausdrücklich hingewiesen (vgl. S 509). Das Zurückführen der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt hinwieder ist nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 StPO), sondern der im Anschluß an die mündliche Belehrung (§ 323 Abs 1 StPO) vorgesehenen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen (§ 323 Abs 2 StPO). Demzufolge waren die Geschwornen insgesamt in die Lage versetzt, das in der Hauptfrage in tatsachenmäßiger Beziehung ausreichend umschriebene Tatverhalten - das solcherart das Gepräge eines individuellen Vorganges erhielt, welcher die rechtliche Überprüfung des Wahrspruchs sowohl durch den Schwurgerichtshof als auch durch den Obersten Gerichtshof ermöglicht (vgl. EvBl 1985/97 u. a.) - auch in Beziehung auf die Qualifikation des Gesellschaftsraubes zu beurteilen.
Schon darum geht auch der in diesem Zusammenhang auf § 345 Abs 1 Z 9 StPO gestützte Beschwerdeeinwand einer Undeutlichkeit des Wahrspruchs ins Leere, den die Geschwornen übrigens ihrer Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) zufolge insbesondere auf das (auch in Ansehung der Tatbeteiligung seines Sohnes umfassende - vgl. S 71, 237 ff., 485, 489) Geständnis des Angeklagten gestützt haben (vgl. S. 507). Letztlich kann auch sonst keine Rede davon sein, daß der Wahrspruch kein verläßliches Bild von der Meinung der Geschwornen gibt. Demzufolge liegt auch jene Widersprüchlichkeit nicht vor, die die Beschwerde darin erblickt, daß einerseits die 'Voraussetzungen des § 143 StGB bejaht werden, andererseits die schwere Verletzung des Zeugen B verneint wurde'. Insoweit übersieht sie, daß ein Wahrspruch nur dann in sich widersprechend ist, wenn er Tatsachen feststellt, die nach den Gesetzen logischen Denkens einander ausschließen und daher unvereinbar sind, was jedoch vorliegend nicht zutrifft, weil die Geschwornen - gemäß der (zuvor erörterten) ihnen zustehenden Möglichkeit einer teilweisen Fragebejahung - von den ihnen zur Beurteilung vorliegenden drei konkurrierenden Qualifikationen schweren Raubes (§ 143 erster bis dritter Fall StGB) nur die der schweren Verletzung des Raubopfers (§ 143 dritter Fall StGB) ausgeschaltet haben.
Schließlich versagt auch die Rechtsrüge (Z 12), mit der sich der Angeklagte gegen die Annahme der Qualifikation der Tat (zum schweren Raub) infolge Verwendung einer Waffe (§ 143 zweiter Fall StGB) wendet und geltend macht, der als Tatwerkzeug verwendete Holzschlegel entspreche nicht dem Waffenbegriff im Sinn der bezeichneten Gesetzesstelle.
Nach herrschender Rechtsprechung normiert § 143 StGB einen erweiterten Waffenbegriff, unter welchem nicht nur Waffen im technischen Sinn (vgl. die Begriffsbestimmung im § 1 WaffG) fallen, sondern jeder Gegenstand, der als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ad hoc geeignetes Instrument gebraucht wird. Demnach wird eine Waffe beim Raub immer dann verwendet, wenn ein zum Angriff spezifisch geeignetes Instrument (zumindest zur Willensbeugung) gebraucht wird (EvBl 1984/19; SSt. 53/22, 46/75; 9 Os 118/84;
Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN 10; Zipf im Wr. Kommentar Rz 15, 16 je zu § 143). Daß diese Kriterien für den Gebrauch des gegenständlichen Holzschlegels (eines Fleischschlegels) wie er im Haushalt Verwendung findet (11 cm langer Kopfteil mit einem Durchmesser von 6 cm und einer Stiellänge von 20 cm - vgl. S 325,
337) zutreffen, kann keinem Zweifel unterliegen. Der Umstand, daß am Kopfteil des Schlegels (an einer Seite) eine Gummiauflage angebracht war und der Stiel durch den gegen den Hinterkopf des Opfers geführten Schlag abbrach, ist hiefür ohne Belang. Denn abgesehen davon, daß es bei den bezeichneten Voraussetzungen der Qualifikation zum schweren Raub durch Verwendung einer Waffe entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht auf eine Eignung des Gegenstandes zur Herbeiführung schwerer, allenfalls verunstaltender oder sogar lebensbedrohender Verletzungen ankommt, war es dem Angeklagten gerade durch die wuchtige Schlagführung, wodurch der Stiel des Schlegels abbrach, tatsächlich gelungen, sein Vorhaben, das Opfer kurz zu betäuben (S 88), zu verwirklichen (S 493, 496, 498). Die dämpfende Wirkung der Gummiauflage ist daher bedeutungslos (vgl. RZ 1977/122 betreffend einen mit einem Tuch umwickelten Hammer; 12 Os 20/84 betreffend einen mit Leder umwickelten Holzknüppel u. a.).
Demzufolge stellt der vorliegend sogar zu nicht unerheblichen Verletzungen (vgl. S 495 ff.) führende Gebrauch des Holzschlegels (ungeachtet des Anbringens einer Gummiauflage) gegen den Kopf des Opfers die Verwendung einer Waffe gemäß der zweiten Deliktsqualifikation des § 143 StGB dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren.
Dabei wertete es eine einschlägige Vorstrafe, die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub, die Verletzung des Opfers, die brutale Vorgangsweise und 'vor allen Dingen die Beiziehung (gemeint: Verführung) des 15-jährigen Sohnes als Raubgenossen, der bei der Tatausführung die brutale Vorgangsweise seines Vaters mitansehen mußte', als erschwerend, während es das umfassende reumütige Geständnis, die Zustandebringung des geraubten Geldbetrages und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung gegenüber Franz B, als mildernd berücksichtigte.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB) an.
Der Berufung kommt (im Ergebnis) Berechtigung zu.
Zwar kann von einer drückenden Notlage, die die schwere Raubtat in einem milderen Licht erscheinen ließe, schon deshalb keine Rede sein, weil der Angeklagte bis zu seiner Verhaftung in einem aufrechten Arbeitsverhältnis stand, die Mittel für den Betrieb eines (eigenen) PKW zur Verfügung hatte und außerdem noch die Mietkosten für zwei (zusätzliche) Garagen, nämlich eine in Salzburg (vgl. S 145, 385) und eine weitere in Unterkilling, Gemeinde Kasten, Niederösterreich (S 163), aufbringen konnte, wo er Diebsgut gelagert hatte (vgl. S 153 ff., 229 ff., 401 ff., 487). Andererseits bedürfen jedoch die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe insofern einer (im Ergebnis zugunsten des Angeklagten ausschlagenden) Berichtigung, als 'die brutale Vorgangsweise' in der ohnedies als erschwerend gewerteten (leichten) Verletzung des Beraubten bereits mitberücksichtigt erscheint.
Bei richtiger Wertung der sohin für die Strafbemessung tatsächlich beachtlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht zeigt sich, daß die vom Geschwornengericht mit acht Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe doch etwas zu hoch bemessen wurde.
Es war daher in Stattgebung der Berufung des Angeklagten die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen. Da die festgestellten Milderungsgründe die Erschwerungsgründe keineswegs beträchtlich überwiegen und die Strafbemessungsgründe insgesamt keinerlei Aspekte für die Annahme eines atypisch leichten Falles boten, war schon aus diesen Gründen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB kein Raum (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 41 RN 4).
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E06997European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00172.85.1204.000Dokumentnummer
JJT_19851204_OGH0002_0090OS00172_8500000_000