TE OGH 1985/12/10 10Os129/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Veronika A wegen Übernahme der Strafvollstreckung gemäß dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, BGBl 1983/547, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 2. Mai 1985, GZ 21 a Ns 2/85-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten sowie deren Verteidigers Dr. Blanke zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 2.Mai 1985, GZ 21 a Ns 2/85-6, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des Artikel 23 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen, BGBl 1983/547.

Text

Gründe:

Die österreichische Staatsbürgerin Veronika A, geboren am 23. August 1959, wohnhaft in Kuchl (Salzburg), wurde wegen eines am 14. Juli 1984 in Jugoslawien von ihr verschuldeten Verkehrsunfalls, der den Tod von zwei sowie schwere Verletzungen von drei Personen und überdies leichte Verletzungen ihres Ehegatten Ahmet Ali A zur Folge hatte, mit Urteil des Gemeindegerichtes in Slavonski Brod vom 22.August 1984, K-649/84-7, des Vergehens gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nach Art 168 Abs. 5 in Verbindung mit Art 163 Abs. 3 des Strafgesetzes der Sozialistischen Republik Kroatien schuldig erkannt. Die deswegen über sie verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und sechs Monaten wurde in teilweiser Stattgebung ihrer Beschwerde mit Urteil des Kreisgerichtes in Slavonska Pozega vom 17.September 1984, Kz 429/84, auf ein Jahr herabgesetzt.

In der Folge ersuchten die jugoslawischen Behörden unter Berufung auf den am 1.Jänner 1984 in Kraft getretenen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (BGBl 1983/547) um Übernahme der Vollstreckung der rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe in Österreich, nachdem Veronika A die Ausreise aus Jugoslawien gestattet worden war.

Das im Hinblick auf ihren Wohnsitz gemäß §§ 67 Abs. 1, 26 Abs. 1 ARHG zuständige Landesgericht Salzburg entschied (in der in § 13 Abs. 3 StPO bezeichneten Zusammensetzung) mit Beschluß vom 2. Mai 1985, GZ 21 a Ns 2/85-6, daß die Vollstreckung der erwähnten einjährigen Freiheitsstrafe übernommen und im Anpassungsverfahren gemäß §§ 65 Abs. 1 und 67 Abs. 1 ARHG eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu 120 S (Ersatzfreiheitsstrafe 180 Tage) festgesetzt werde. Der gegen diesen Beschluß nur seitens der Verurteilten Veronika A erhobenen Beschwerde wurde nicht Folge gegeben (Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 5.Juni 1985, AZ 9 Bs 214/85 = ON 10 des Ns-Aktes).

Monika A wurde in der Folge in teilweiser Stattgebung ihres darauf gerichteten Antrages mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 21.August 1985, GZ 21 a Ns 2/85-13, die Abstattung der Geldstrafe in zwölf aufeinanderfolgenden Teilbeträgen zu 3.600 S, beginnend mit dem 1.September 1985, bewilligt (§ 409 a StPO); sie hat den ersten Teilbetrag bereits bezahlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des iandesgerichtes Salzburg vom 2.Mai 1985 (ON 6) steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 64 Abs. 1 ARHG ist die Vollstreckung oder weitere Vollstreckung der Entscheidung eines ausländischen Gerichtes, mit der eine Geld- oder Freiheitsstrafe oder eine vorbeugende Maßnahme rechtskräftig ausgesprochen worden ist, auf Ersuchen eines anderen Staates zulässig, sofern die unter Z 1 bis 7 normierten Voraussetzungen zutreffen; der Vollzug vorbeugender Maßnahmen ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nur zulässig, wenn das österreichische Recht eine gleichartige Maßnahme vorsieht. Gemäß § 65 Abs. 1 ARHG ist bei einer dementsprechenden Übernahme der Vollstreckung einer von einem ausländischen Gericht ausgesprochenen Strafe oder vorbeugenden Maßnahme nach österreichischem Recht die im Inland zu vollstreckende Strafe oder vorbeugende Maßnahme festzusetzen; durch die Übernahme der Vollstreckung datf jedoch der Verurteilte gemäß § 65 Abs. 2 ARHG nicht ungünstiger gestellt werden als durch die Vollstreckung oder weitere Vollstreckung im anderen Staat.

Sinn dieser Bestimmung ist es, auch bei unterschiedlichen Strafen und/oder Strafensystemen die Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen im Inland zu ermöglichen, wiewohl grundsätzlich nur im österreichischen Strafen- und Maßnahmensystem vorgesehene Sanktionen, die zudem den inländischen Strafbemessungsgrundsätzen entsprechen, vollzogen werden sollen; bei einer darnach allenfalls erforderlichen Anpassung oder Umwandlung der im Ausland verhängten Sanktion soll jedoch einerseits auf den Ausspruch des ausländischen Urteiles entsprechend Bedacht genommen und andererseits eine Schlechterstellung des Verurteilten jedenfalls vermieden werden (EBRV 4 der Beilagen NR XV GP, S 44; siehe auch Linke-Epp-Dokoupil-Felsenstein, Internationales Strafrecht, § 65 ARHG Erl 1).

Gegenstand einer solchen Vollstreckungsentscheidung iS des § 65 Abs. 1 ARHG können somit (§ 64 ARHG) im Ausland verhängte Geld- und Freiheitsstrafen sowie solche Maßnahmen sein, die im österreichischen Recht ein gleichwertiges Gegenstück haben. Insoweit ist im Exequaturverfahren in erster Linie das Ausmaß der ausländischen Strafe den konkret aktuellen österreichischen Strafsätzen und Strafbemessungsgrundsätzen (insbesondere nach den Bestimmungen im Vierten Abschnitt des Allgemeinen Teiles des StGB) sowie die Dauer einer vorbeugenden Maßnahme den für letztere maßgeblichen inländischen Vorschriften anzupassen; bei Strafen kommt nach diesen Kriterien auch eine Umwandlung ihrer Art nach in Betracht. Unter Beachtung des zuvor relevierten Schlechterstellungsverbots kann daher eine Vollstreckungsentscheidung nach dem ARHG sowohl zu einer Strafherabsetzung als auch zu einer Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe führen; dabei soll allerdings durch eine Bedtchtnahme auf die betreffende, im Ausland ausgesprochene und im Inland zu vollstreckende Strafe oder vorbeugende Maßnahme zwischen dem Strafanspruch des Urteilsstaates und der im Inland nach Maßgabe vergleichbarer Fälle üblichen Strafpraxis stets ein gerechter Ausgleich hergestellt werden.

Diese Regelung findet jedoch zufolge der Subsidiaritätsklausel in § 1 ARHG nur insoweit Anwendung, als in zwischenstaatlichen Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist.

Im Verhältnis zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ist nun im oberwähnten Staatsvertrag (neben einer Überwachung von durch den Urteilsstaat ausgesprochenen bedingten Sanktionen) nur die Übernahme der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen vorgesehen (Art 1); dazu wird im Art 23 normiert, daß die Gerichte des Vollstreckungsstaates unter Bedachtnahme auf die im Urteilsstaat ausgesprochene Freiheitsstrafe oder vorbeugende Maßnahme die nach ihrem Recht zu vollstreckende Freiheitsstrafe oder vorbeugende Maßnahme festsetzen, durch deren Vollstreckung die verurteilte Person jedoch in keinem Fall schlechter gestellt werden darf, als sie es im Urteilsstaat gewesen wäre.

Diese Bestimmung enthält somit - entsprechend der Regelung in § 65 ARHG - die Befugnis des Vollstreckungsstaates, im Zuge eines gerichtlichen Exequaturverfahrens die im Urteilsstaat ausgesprochene Freiheitsstrafe in Anwendung seines eigenen Sanktionssystems und seiner eigenen Strafbemessungsgrundsätze, jedoch unter Bedachtnahme auf die im Urteilsstaat ausgesprochene Freiheitsstrafe, dem im Inland üblichen Standard anzupassen; für die Umwandlung einer im Urteilsstaat verhängten Freiheitsstrafe in eine im Vollstreckungsstaat zu vollziehende Geldstrafe bietet jedoch dieser bilaterale Staatsvertrag keine Handhabe.

Indem das Landesgericht Salzburg seine Entscheidung, an Veronika A an Stelle der in Jugoslawien über sie verhängten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu vollziehen, auf § 65 Abs. 1 ARHG stützte, wobei es den im Sinn des § 1 ARHG anzuwendenden Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (BGBl 1983/547), der eine solche Strafumwandlung eben nicht gestattet, offenkundig übersah, hat es das Gesetz in der Bestimmung des Art 23 Abs. 1 dieses Vertrages verletzt.

Eine amtswegige Korrektur dieser dem Landesgericht Salzburg unterlaufenen Überschreitung der Anpassungsbefugnis war dem Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht mangels Anfechtung des in Rede stehenden Beschlusses seitens der Staatsanwaltschaft verwehrt, weil die (vertragskonforme) Festsetzung einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe der Verurteilten jedenfalls zum Nachteil gereicht hätte. Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht aber ist im Exequaturverfahren, welches lediglich die Festsetzung des Ausmaßes und allenfalls der Art einer zur Vollstreckung übernommenen Strafe zum Gegenstand hat, entgegen einer in den Gesetzesmaterialien zu dem hier aktuellen Staatsvertrag (EBRV 1109 der Beilagen NR XV GP, S 17) deponierten Ansicht sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck der in Betracht kommenden Bestimmungen (BGBl 1983/547; ARHG; EurVollstreckungsÜbk BGBl 1980/248) generell ausgeschlossen, sodaß sich eine Erörterung darüber, ob die - von der Verurteilten gar nicht begehrte (vgl EvBl 1981/108, RZ 1985/76) - Festsetzung einer "bedingten" Freiheitsstrafe im Vergleich zur tatsächlich festgesetzten "unbedingten" Geldstrafe unter Miteinbeziehung der damit verbundenen Rechtswirkungen im Urteilsstaat auf die Anordnung einer milderen Sanktion hinausliefe, erübrigt.

Aus den gleichen Erwägungen kommt auch eine konkrete Maßnahme gemäß § 292 letzter Satz StPO nicht in Betracht.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen, wobei sich die Entscheidung auf die Feststellung der - nach dem Vorgesagten zum Vorteil der Verurteilten unterlaufenen - Gesetzesverletzung zu beschränken hatte.

Anmerkung

E07183

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00129.85.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19851210_OGH0002_0100OS00129_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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