TE OGH 1985/12/10 4Ob400/85

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Veröffentlicht am 10.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** WETTBEWERB, Schwarzenbergplatz 14, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien

1. PHOTO-H*** Geschäftsführungsgesellschaft m.b.H., 2. Thomas THEURETZBACHER, Geschäftsführer, beide Mariahilferstraße 51, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Ludwig Hötzl und Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 200.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26.September 1985, GZ 2 R 162/85-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16.Juli 1985, 38 Cg 228/85-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die erstbeklagte Partei, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte ist, betreibt neben dem Einzelhandel mit Filmmaterial, Fotogeräten und Zubehör, Rechnern, Computern, Heimorgeln, Schmuck, EDV-Zubehör, Schreibmaschinen, Radios, TV-Geräten, Uhren und Geräten der Unterhaltungselektrik und Elektronik in 11 ihrer insgesamt 50 Filialen in ganz Österreich auch das Optikergewerbe. Ende Mai 1985 kündigte die erstbeklagte Partei in einem Prospekt, der den meistgelesenen österreichischen Tageszeitungen beigelegt und auch als Haushaltspostwurfsendung verteilt wurde, auf S.21 f. folgendes an:

"Entscheidende Vorteile

beim Kauf ihrer Brille:

Fachliche Beratung durch erstklassig geschulte

Augenoptikermeister und Gesellen.

......

.....ein Besuch beim H*** AUGENOPTIK-Meisterbetrieb lohnt

sich:"

Im Anschluß daran sind jene 11 Filialen in Wien, Steyr, Graz, Klagenfurt und St.Pölten angeführt, in denen die erstbeklagte Partei das Optikergewerbe betreibt.

Der klagende Schutzverband (§ 14 UWG) begehrte zur Sicherung des auf Unterlassung wettbewerbswidriger Ankündigungen gerichteten Klagebegehrens, den beklagten Parteien für die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, als entscheidenden Kaufvorteil bei Brillen die fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und die einzelnen Standorte mit dem Slogan "Ein Besuch beim H*** AUGENOPTIK-Meisterbetrieb lohnt sich" zu bewerben und anzukündigen, wenn nicht in jedem Standort ein Augenoptikermeister beschäftigt bzw. lediglich (gemeint: sondern) in Wien und Graz (nur) je ein Augenoptikermeister angestellt ist. Die klagende Partei behauptet, die beanstandete Werbung der erstbeklagten Partei erwecke den unrichtigen Eindruck, als wären in allen der im Prospekt genannten 11 Betriebsstätten geprüfte Optikermeister und überhaupt eine größere Anzahl von Meistern beschäftigt. In Wahrheit beschäftige die erstbeklagte Partei nur in Wien und Graz je einen Optikermeister, jenen in Wien sogar nur nebenberuflich. Der wahrheitswidrige Eindruck der beanstandeten Werbung werde noch dadurch verstärkt, daß die beklagte Partei die fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister als entscheidenden "Vorteil" beim Kauf einer Brille bezeichne. Dieser Vorteil sei nicht gegeben, weil das Optikergewerbe ein Handwerk gemäß § 94 Z 60 GewO 1973 sei und in Österreich weitaus überwiegend in Kleinbetrieben ausgeübt werde, denen jeweils ein geprüfter Handwerksmeister vorstehe.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Sicherungsantrages und wendeten ein, daß die gewerberechtlichen Vorschriften auch für einen Betrieb mit mehreren Filialen lediglich einen Optikermeister verlangten. Die erstbeklagte Partei sei seit Mai 1985 Inhaberin eines Gewerbescheines für das Optikergewerbe und beschäftige drei ganztägig angestellte Optikermeister. Das Optikermeistergewerbe werde überwiegend nicht mehr als Kleinbetrieb geführt. Es gebe vielmehr zahlreiche Unternehmen, die mehrere Filialen hätten und nur ein bis zwei Meister beschäftigten. Der Durchschnittskunde erwarte sich keinesfalls, beim Betreten einer Filiale nur vom Meister selbst bedient zu werden. In dem beanstandeten Prospekt sei auch eine fachliche Beratung durch Gesellen angekündigt worden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:

In Wien gibt es 137 Optiker, die Mitglieder der Landesinnung Wien sind und insgeamt 270 Betriebsstätten führen. Allein 12 Unternehmen haben zusammen 100 Betriebsstätten. Fast die Hälfte aller Optikerbetriebe in Wien werden nicht mehr als Kleinbetrieb, sondern mit Filialen geführt; diese Unternehmen beschäftigen nicht in jeder Filiale einen eigenen Meister.

Ca. 85 % der Wiener Optikermeister schlossen sich zu einer Vereinigung zusammen. Sie warben in den letzten drei bis vier Monaten wiederholt gemeinsam österreichweit in Tageszeitungen und im Fernsehen mit Werbespots für den "Meisteroptiker", womit sie die Tatsache unterstreichen wollten, daß der Struktur nach dieses Handwerk immer noch weitaus überwiegend im Kleinbetrieb geführt werde.

Die erstbeklagte Partei beschäftigt in ihren Wiener Filialen, in denen Optikerbetriebe bestehen, drei (richtig wohl: zwei) Optikermeister und sonst ausschließlich Gesellen. Auch in Graz steht ein Optikermeister zur Verfügung. Anlernkräfte sind nirgends beschäftigt. Die erstbeklagte Partei besitzt die Gewerbeberechtigung für den Betrieb des Optikergewerbes.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß den beklagten Parteien kein Verstoß gegen § 2 UWG zur Last falle. Sie beschäftigten bei der Ausübung des Optikergewerbes mehrere Optikermeister und sonst nur Gesellen. Ihre Werbeaussage sei nur insoweit unvollständig, als sie nicht darauf hingewiesen habe, daß nicht in jeder Filiale ein Meister, sondern in manchen nur Gesellen zur Verfügung stünden. Die beklagten Parteien seien aber zur Vollständigkeit ihrer Werbeaussage nicht verpflichtet, weil ein falscher Eindruck der Verkehrskreise nicht entstehen könne. Das Publikum erwarte nicht, in jedem Fall und beim Kauf jeder Brille von einem Meister bedient zu werden, zumal es in der Regel nur um die Fassung der Brille, ihre äußere Gestaltung und Qualität, nicht jedoch um Fachfragen aus der Optikerbranche (wie das Schleifen von Gläsern) gehe. Auch im Kleinbetrieb werde es häufig vorkommen, daß ein Kunde nicht vom Meister, sondern von Gesellen oder angelernten Kräften bedient werde. Das Verschweigen der Tatsache, daß nicht in jeder Filiale der Erstbeklagten, die Optikerwaren anbiete, ein eigener Meister beschäftigt sei, stelle somit keine Irreführung des Publikums dar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die beantragte einstweilige Verfügung (unter teilweiser Neufassung des Spruches) erließ. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000, nicht jedoch S 300.000 übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht war der Ansicht, daß sich die beanstandete Werbeankündigung nicht im Anbieten einer fachlichen Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister (und Gesellen) erschöpfe, sondern dieser Umstand (neben anderen) als entscheidender Vorteil beim Kauf einer Brille herausgestellt werde. Ein Optiker müsse zwar in seiner Werbung nicht darauf hinweisen, daß er in einzelnen Filialen nur Gesellen und keinen Meister beschäftige. Die beklagten Parteien hätten jedoch über die personelle Ausstattung ihrer Filialen nicht geschwiegen, sondern eine Aussage gemacht, die zumindest von einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise dahin verstanden werden könne, daß der Erstbeklagte - anders als seine Mitbewerber - den Käufern einer Brille stets eine fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen verschaffe. Die erstbeklagte Partei dürfe sich zwar als "Augenoptikmeisterbetrieb" bezeichnen. Wegen der Herausstellung des entscheidenden Kaufvorteils einer fachlichen Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen dürfe aber der Kaufinteressent erwarten, in jeder der aufgezählten 11 Filialen nicht nur durch einen Gesellen, sondern auch durch einen Meister beraten zu werden. Die Beklagten müßten im Sinne der Unklarheitenregel diese Auslegung gegen sich gelten lassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der beklagten Parteien ist nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerber treten der Ansicht der zweiten Instanz entgegen, die erstbeklagte Partei habe als entscheidenden Vorteil beim Kauf einer Brille die "fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen" besonders herausgestellt und in Verbindung mit der Einladung zum Besuch einer der elf Filialen des "H*** AUGENOPTIK-Meisterbetriebs" den Eindruck erweckt, daß die Kunden in jeder der elf Filialen durch einen Augenoptikermeister beraten würden. Die Revisionswerber meinen, die Kunden erwarteten auf Grund dieser Werbeankündigungen lediglich, von einem erstklassig ausgebildeten Mitarbeiter, nicht aber ausschließlich von einem Augenoptikermeister bedient zu werden. Die beanstandete Ankündigung enthalte damit nichts Irreführendes. Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Die erstbeklagte Partei hob in der beanstandeten Werbung deutlich hervor, daß sie einen Augenoptik-Meisterbetrieb führt und kündigte neben anderen entscheidenden Vorteilen beim Kauf einer Brille die "fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen" an. Ob diese Angaben schon für sich allein zur Irreführung der maßgebenden Verkehrskreise geeignet sind, weil nach dem Gesetze jedes Optikergewerbe nur durch eine Person betrieben werden darf, die die Befähigung hiezu durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung nachweist (§ 18 Abs 1 GewO 1973), die Beratung durch Augenoptikermeister daher grundsätzlich auch bei jedem Mitbewerber der erstbeklagten Partei gegeben sein muß und mithin keinen besonderen Kaufvorteil bildet, kann dahingestellt bleiben, weil die klagende Partei diese Angaben nur deshalb beanstandet, weil die erstbeklagte Partei nicht in jedem Standort ihres Optikerbetriebes einen Optikermeister beschäftigt. Die erstbeklagte Partei fügte den eingangs erwähnten Ankündigungen noch hinzu "ein Besuch beim H*** AUGENOPTIK-Meisterbetrieb lohnt sich" und nannte im engen Zusammenhang mit diesem Werbespruch jene elf Filialen, in denen sie das Optikermeistergewerbe ausübt. Der Beurteilung eines Werbetextes auf Irreführungseignung sind nicht einzelne Teile für sich, sondern der Text in seiner Gesamtheit zu unterziehen (JBl 1960,560; ÖBl 1983,78; ÖBl 1984,97 uva). Diese Gesamtbeurteilung führt zum Ergebnis, daß wenigstens ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit der Ankündigung "fachliche Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen" im Zusammenhang mit der nochmaligen Herausstellung des Wortes "Augenoptik-Meisterbetrieb" bei der Aufzählung der Filialen die Erwartung verbinden wird, in jeder Filiale nicht nur einen Gesellen, sondern auch einen Augenoptikermeister zur fachlichen Beratung zur Verfügung zu haben, zumal Beratung durch "Augenoptikermeister und Gesellen" und nicht durch "Augenoptikermeister oder Gesellen" angeboten wird. Mindestens ein noch ins Gewicht fallender Teil des angesprochenen Publikums wird annehmen, sich im Bedarfsfall an den Augenoptikermeister der Filiale wenden zu können, wenn die Beratung durch das sonstige Fachpersonal nicht ausreichend erscheinen sollte.

Es mag sein, daß andere Teile des angesprochenen Publikums die Ankündigung fachlicher Beratung durch erstklassig geschulte Augenoptikermeister und Gesellen auf das gesamte Unternehmen der erstbeklagten Partei beziehen werden und infolgedessen zur Meinung gelangen, in den einzelnen Filialen stünde ihnen zumindest ein Augenoptikermeister oder ein Geselle zur Verfügung. Da die erstbeklagte Partei aber bei der Anführung der Filialen noch einmal auf den lohnenden Besuch bei ihrem Augenoptik-Meisterbetrieb hinwies, ist die beanstandete Angabe mindestens mehrdeutig, so daß die beklagten Parteien nach ständiger Rechtsprechung (SZ 13/69; SZ 44/128; ÖBl 1984,155; ÖBl 1985,44 uva) die für sie ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müssen.

Die Behauptung der beklagten Parteien, die bei der erstbeklagten Partei beschäftigten (drei) Augenoptikermeister besuchten und überwachten ständig mehrere ihnen unterstellte Filialen, ist eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung. Auch wenn man ihre Richtigkeit voraussetzte, würde dies aber nichts daran ändern, daß Kunden jeweils nur in drei der elf Filialen durch einen Augenoptikermeister fachlich beraten werden könnten. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 393, 402 EO, 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E07275

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00400.85.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19851210_OGH0002_0040OB00400_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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