TE OGH 1985/12/10 4Ob384/84 (4Ob385/84)

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Veröffentlicht am 10.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Kuderna und Dr.Gamerith als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei A Gesellschaft m.b.H., Bonn, Euskirchner Straße 80, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Rudolf Jahn und Dr.Harald Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1./prot.Firma Franz B, Salzburg, Steinhauserstraße 12, 2./H*** A*** Vertriebsgesellschaft m.b.H., Salzburg, Rottfeld Nr.7, und die dem Rechtsstreit auf der Seite der erstbeklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin C Metallwerke Aktiengesellschaft, Stuttgart-Mähringen, Sigmaringer Straße 107, Bundesrepublik Deutschland, alle vertreten durch Dr.Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Patentverletzung (Revisionsstreitwert je S 900.000,--) infolge Revision der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Juni 1984, GZ.4 R 89/84-29, womit infolge Berufung der beklagten Parteien und der Nebenintervenientin das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.Februar 1984, GZ.19 Cg 93/82-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung I. den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Unterbrechungsantrag der Beklagten und der Nebenintervenientin wird abgewiesen.

Die Beklagten und die Nebenintervenientin haben die Kosten dieses Antrages selbst zu tragen.

II. zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind schuldig, der Klägerin die mit S 58.337,84 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 19.200,- Barauslagen und S 3.557,99 USt.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Inhaberin des österreichischen Patentes Nr.327.813, betreffend ein sanitäres Wasserventil. Die Ansprüche 1 und 2 dieses Patentes hatten ursprünglich folgenden Wortlaut (Beilage B):

'1. Sanitäres Wasserventil, bestehend aus einem Ventilkörper mit aus zwei Scheiben gebildeten Steuerelementen, von denen die erste Scheibe drehfest angeordnet und mit den Einlaßäffnungen versehen ist, die auf der einen Seite an die Wasserleitung angeschlossen und auf der anderen Seite gegen die zweite Scheibe gerichtet sind, welche auf der ersten Scheibe beweglich angeordnet ist und einen Oberflächenkanal für Umlenkfunktionen aufweist, der gleichzeitig mit den Einlaßäffnungen und einer ebenfalls in der ersten Scheibe befindlichen Auslaßäffnung in Überdeckung bringbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß in dem Oberflächenkanal ein oder mehrere Siebe angeordnet sind.

2. Wasserventil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Siebe mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet sind.'

Auf Grund eines Antrages der C Metallwerke AG in Stuttgart-Mähringen, welchem sich die Erstbeklagte als Nebenintervenientin angeschlossen hatte, erklärte die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes mit Endentscheidung vom 3.3.1981, N 15/79 (Beilage F) das österreichische Patent Nr.327.813 im Umfang des Anspruches 1 für nichtig. Der aufrecht bleibende Anspruch 2 des Patentes erhielt unter gleichzeitiger Abänderung seiner Bezeichnung - nunmehr Anspruch 1 - die nachstehende Fassung:

'Sanitäres Wasserventil, bestehend aus einem Ventilkörper mit aus zwei Scheiben gebildeten Steuerelementen, von denen die erste Scheibe drehfest angeordnet und mit den Einlaßäffnungen versehen ist, die auf der einen Seite an die Wasserleitung angeschlossen und auf der anderen Seite gegen die zweite Scheibe gerichtet sind, welche auf der ersten Scheibe beweglich angeordnet ist und einen Oberflächenkanal für Umlenkfunktionen aufweist, der gleichzeitig mit den Einlaßäffnungen und einer ebenfalls in der ersten Scheibe befindlichen Auslaßäffnung in Überdeckung bringbar ist, wobei in dem Oberflächenkanal zumindest ein Sieb angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Siebe mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet sind.' Der dagegen von der Antragstellerin und der Nebenintervenientin erhobenen Berufung hat der Oberste Patent- und Markensenat mit Erkenntnis vom 27.1.1982, Op 3/81, nicht Folge gegeben (Beilage G).

Beide Beklagten vertreiben in Österreich 'C***'-Einhandmischer wie Beilage 8, welche von der - dem Verfahren als Nebenintervenientin auf der Seite der Erstbeklagten beigetretenen - C Metallwerke AG in Stuttgart-Mähringen erzeugt werden.

Mit den vorliegenden, vom Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrt die Klägerin, die Beklagten (ua) schuldig zu erkennen, 1. für das örtliche Gebiet der Republik Österreich das Feilhalten und den Vertrieb von sanitären Wasserventilen, bestehend aus einem Ventilkörper mit aus zwei Scheiben gebildeten Steuerelementen, von denen die erste Scheibe drehfest angeordnet und mit den Einlaßäffnungen versehen ist, die auf der einen Seite an die Wasserleitung angeschlossen und auf der anderen Seite gegen die zweite Scheibe gerichtet sind, welche auf der ersten Scheibe beweglich angeordnet ist und einen Oberflächenkanal für Umlenkfunktionen aufweist, der gleichzeitig mit den Einlaßäffnungen und einer ebenfalls in der ersten Scheiben befindlichen Auslaßäffnung in Überdeckung bringbar ist, wobei in dem Oberflächenkanal zumindest ein Sieb angeordnet ist, zu unterlassen, sofern das bzw. die Siebe mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet ist bzw. sind, und zwar auch dann, wenn die zweite Scheibe zweiteilig dergestalt ausgebildet ist, daß auf einem Abdichtteil mit einer Durchbrechung formschlüssig ein Abdeckteil angeordnet ist, der den Boden des Oberflächenkanals für Umlenkfunktionen bildet;

2. der Klägerin über den Vertrieb der zu 1. umschriebenen sanitären Wasserventile in Österreich Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe der vertriebenen Menge sowie des erzielten Erlöses. Durch den Vertrieb der beanstandeten Ventile, welche alle Merkmale der geschützten Erfindung aufwiesen, werde in die Rechte der Klägerin aus dem österreichischen Patent Nr.327.813 eingegriffen. Beim Ventil der Beklagten liege zwar die drehfest angeordnete Scheiben nicht direkt auf der Scheibe mit dem Oberflächenkanal, sondern auf einer weiteren, mit einer §ffnung versehenen Scheibe auf; letztere sei aber mit der den Oberflächenkanal aufweisenden Scheibe fest verbunden und bilde mit ihr eine konstruktive Einheit, welche der zweiten Scheibe des Patentanspruches entspreche. Daß das beanstandete Ventil nur 1 Sieb aufweist, schade nicht, weil der kennzeichnende Teil des Patentanspruches ungeachtet der Verwendung des Ausdrucks 'die Siebe' auch Konstruktionen mit nur einem Sieb umfasse.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Ein Patenteingriff liege schon deshalb nicht vor, weil beim 'C***'- Einhandmischer auf der drehfesten Keramikscheibe eine Keramikscheibe gleite, welche mit einer Durchbrechung versehen sei und ihrerseits mit einer weiteren, mit einem Betätigungsglied verbundenen Scheibe im Eingriff stehe. In der mit der drehfesten Keramikscheibe in Berührung stehenden zweiten Keramikscheibe sei somit kein Oberflächenkanal ausgebildet. Das auch beim Einhandmischer der Beklagten zur Geräuschminderung vorhandene Sieb erstrecke sich durch die Durchbrechung der beweglichen Keramikscheibe und in eine Ausnehmung der mit dem Betätigungsglied verbundenen Scheibe. Im übrigen stelle der aus dem früheren Anspruch 2 entstandene nunmehrige Hauptanspruch 1 des österreichischen Patentes Nr.327.813 in seinem kennzeichnenden Teil nur noch eine Ausführungsform mit mindestens zwei Sieben unter Schutz, welche zur Gänze mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet sind; es sei damit hinsichtlich seines Schutzumfanges auf die in der Patentschrift geoffenbarte Ausführungsform des seinerzeitigen Anspruches 2 beschränkt. Das von den Beklagten vertriebene Ventil weise hingegen nur ein einziges, gekrümmtes Sieb auf, welches sich an keiner Stelle parallel zum Boden des Umlenkkanals, sondern im wesentlichen quer zu diesem Boden und auch nicht zur Gänze im Abstand von ihm erstrecke. Schließlich sei das Unterlassungsbegehren der Klägerin auch zu weit gefaßt, weil seine Formulierung '...., sofern das bzw. die Siebe....' durch den kennzeichnenden Teil des Patentanspruches nicht gedeckt sei und das Begehren als ganzes über das schutzwürdige Interesse der Klägerin hinausgehe.

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil im Sinne des 1. und 2. gestellten Urteilsantrages der Klägerin und stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:

Das beanstandete Ventil, Beilage 8, besteht aus folgenden Teilen:

1. einem zum Einbau in einen Ventilkörper bestimmten kartuschenartigen Gehäuse;

2. Steuerelementen, gebildet aus zwei von diesem Gehäuse aufgenommenen Scheiben, und zwar a) einer ersten Scheibe, die drehfest in dem Gehäuse angeordnet ist, und b) einer zweiteiligen zweiten Scheibe, die gegenüber der ersten Scheibe beweglich (verschiebbar und verschwenkbar) angeordnet ist, wobei die erste Scheibe mit Einlaßäffnungen versehen ist, die auf der einen Seite an die Wasserleitung (kalt und warm) angeschlossen und auf der anderen Seite gegen die zweite Scheibe gerichtet sind, sowie mit einer Auslaßäffnung, die in einen im Ventilkörper vorgesehenen Auslaß mündet und wobei ein Kunststoffteil der zweiten Scheibe einen Oberflächenkanal für Umlenkfunktionen aufweist, der mit den Einlaßäffnungen und der Auslaßäffnung der ersten Scheibe in Überdeckung bringbar ist; dabei ist der ersten Scheibe eine mit Anschlußäffnungen zu den Einlaßäffnungen und der Auslaßäffnung versehene Anschlußscheibe zugeordnet und ferner mit dem Kunststoffteil der zweiten Scheibe ein Keramikteil mittels Rastvorsprüngen und Rastausnehmungen auf Verschiebung und Verschwenkung verbunden, der gleitend an der ersten Scheibe anliegt und eine §ffnung aufweist, deren Seitenkanten mit den Seitenrändern des Oberflächenkanals des Kunststoffteiles fluchten, und der Kanten aufweist, die in der Offenstellung konzentrisch zur Ventilachse liegen und deren eine im wesentlichen mit den äußeren Rändern der Einlaßäffnungen der ersten Scheibe, deren andere mit dem äußeren Rand deren Auslaßäffnung fluchten, wobei der Keramikteil gegenüber dem Kunststoffteil durch einen außerhalb des Oberflächenkanals liegenden, langrunden O-Ring abgedichtet ist;

3. einem in den Oberflächenkanal angeordneten abgewinkelten Sieb, das einen im wesentlichen senkrecht zur Ventilachse liegenden Teil aufweist, der in der Offenstellung der zweiten Scheibe mit den Einlaßäffnungen der ersten Scheibe in Überdeckung bringbar ist und der im Abstand zum Boden des Oberflächenkanals liegt, sowie einen im wesentlichen parallel zur Ventilachse liegenden, leicht gekrümmten Teil, der in einer Rippe und in seitlichen Rillen des Oberflächenkanals festgehalten ist und mit Abstand von dessen Boden endet; die zweite Scheibe ist zur gemeinsamen Verschiebung und/oder Verschwenkung ihrer miteinander verbundenen beiden Teile (Kunststoffteil und Keramikteil) mit einem Steuerhebel verbunden. Daß die zweite Scheibe des Ventils Beilage 8 aus zwei Teilen - nämlich einem Keramikteil und einem Kunststoffteil - besteht, ändert nichts daran, daß diese beiden Scheiben zusammen technisch deshalb als eine einzige zweite Scheibe zu qualifizieren sind, weil sie durch Rastvorsprünge und Rastausnehmungen wirkungsmäßig zu einer gemeinsamen Verschiebung und Verschwenkung verbunden sind und die §ffnung im Keramikteil ihre Fortsetzung im Oberflächenkanal des Kunststoffteils findet und auch die Steuerung gegenüber den Einlaßäffnungen aufnimmt. Der parallel zur Ventilachse liegende Teil des Siebes wird zum Teil von dem bereits umgelenkten Wasserstrom durchflossen und bewirkt eine weitere Geräuschdämpfung. Ein Teil des Wasserstroms fließt durch den Spalt, der vom unteren Rand des Siebes und dem Boden des Umlenkkanals gebildet wird. Beide Teilsträme fließen gemeinsam durch die Auslaßäffnung ab und sind daher gut durchgemischt.

Aus der Beschreibung des Klagepatents, Zeilen 8 f und 52 f der Seite 2, ergibt sich, daß die durch die Erfindung zu lösende Aufgabe darin besteht, die Geräusche des zusträmenden Wassers zu verringern, und daß diese Aufgabe dadurch geläst wird, daß der harte Wasserstrahl durch ein entsprechend angeordnetes Sieb verwirbelt wird. Die Läsung dieser Aufgabe setzt somit nicht voraus, daß der ganze Oberflächenkanal durch ein Sieb abgedeckt ist; es genügt zur Läsung der Aufgabe, wenn dort, wo das Wasser einsträmt, ein solches Sieb vorhanden ist. Dies ist bei Beilage 8 der Fall. Es ist nicht von Bedeutung, ob dieser Siebteil wirklich senkrecht zur Ventilachse und damit parallel zum Boden des Umlenkkanals angeordnet ist, oder ob er schräg zum Boden dieses Kanals angebracht ist. Man kann aber mit einem Winkelmaß feststellen, daß dieser Teil des Siebes in Beilage 8 tatsächlich parallel zum Boden des Oberflächenkanals verläuft. Der Patentanspruch ist weder auf eine bestimmte Form des Siebes noch auf dessen genaue Lage eingeschränkt. Die Art der Halterung des Siebes ist im Patentanspruch nicht erwähnt; lediglich im Anspruch 2 wird ausgesagt, daß die Siebe mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet zu sein haben.

Es entspricht der Übung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes, daß nach der Nichtigerklärung des Anspruches 1 des Klagepatents - welcher die Wendung '.....ein oder mehrere Siebe angeordnet sind....' enthalten hatte - und Bildung eines neuen Anspruches, welcher aus dem bisherigen Anspruch 1 als Oberbegriff und dem bisherigen Anspruch 2 als kennzeichnendem Teil besteht, die im bisherigen Anspruch 2 verwendete Formulierung 'die Siebe' beibehalten wurde.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die in der Patentbeschreibung oder in den Zeichnungen dargestellten Ausführungsbeispiele für den Schutzumfang eines Patentes nur insofern von Bedeutung seien, als ein solches Beispiel, wenn es durch die Patentansprüche gedeckt ist, jedenfalls vom Patentschutz umfaßt wird; keinesfalls sei aber der Schutzumfang des Patentes auf ein bestimmtes Ausführungsbeispiel eingeschränkt.

Da der neue Hauptanspruch 1, dessen Schutzumfang hier zu beurteilen sei, nicht vom nmelder formuliert, sondern gegen dessen Willen von der Nichtigkeitsabteilung durch Einführung zusätzlicher Merkmale beschränkt worden sei, komme es bei seiner Auslegung nicht, wie sonst, auf den Willen des Anmelders, sondern auf denjenigen der Nichtigkeitsabteilung an, welcher der Begründung der im Löschungsverfahren ergangenen Entscheidungen erster und zweiter Instanz entnommen werden könne. Wenn die Nichtigkeitsabteilung, wie hier, zur Formulierung des neuen Anspruches Wortgruppen verwende, die der Anmelder seinerzeit in einem anderen Zusammenhang gebraucht hat - hier die Wortgruppe 'die Siebe', welche aus dem ursprünglichen Anspruch 2 in den kennzeichnenden Teil des nunmehrigen Hauptanspruches übernommen worden sei -, dann könne der Wille des Anmelders bei der Formulierung des seinerzeitigen Anspruches 2 nicht zur Auslegung der Absicht der Nichtigkeitsabteilung bei der Neuformulierung des Anspruches 1 herangezogen werden. Die Begründungen der im Nichtigkeitsverfahren ergangenen Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung und des Obersten Patent- und Markensenates ließen aber keinen Zweifel daran, daß mit dem neu formulierten Hauptanspruch 1 nicht nur eine Ausführungsform mit mindestens zwei Sieben unter Schutz gestellt werden sollte.

Das Unterlassungsbegehren der Klägerin sei auch nicht zu weit gefaßt. Da das Klagepatent so auszulegen sei, daß es sowohl durch die Anordnung eines Siebes als auch durch die Anordnung zweier Siebe verletzt werden könne, wenn nur diese Siebe im Abstand zum Boden des Umlenkkanals angeordnet sind, und weil die konkrete Verletzungshandlung durch Verwendung eines Siebes begangen worden sei, könne die Klägerin auch ein Begehren stellen, das dem Wortlaut des Patentanspruches zwar nicht grammatikalisch, wohl aber sinngemäß entspricht. Auf der Grundlage des als erwiesen angenommenen Sachverhalts könne auch nicht davon gesprochen werden, daß das Unterlassungsbegehren über die schutzwürdigen Interessen der Klägerin hinausgehe.

Die von den Beklagten und der Nebenintervenientin gegen dieses Urteil erhobene Berufung blieb erfolglos. Von den als unbedenklich übernommenen Sachverhaltsfeststellungen des Ersturteils ausgehend, billigte das Berufungsgericht auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz. Das Urteil des Berufungsgerichtes, nach dessen Ausspruch der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich beider Beklagter S 300.000 übersteigt, wird seinem ganzen Inhalt nach von den Beklagten und der Nebenintervenientin mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs.1 Z 2 bis 4 ZPO bekämpft. Die Revisionswerber beantragen, die angefochtene Entscheidung sowie gegebenenfalls auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen, hilfsweise das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. In einem am 3.12.1985 beim Obersten Gerichtshof überreichten Schriftsatz haben die Beklagten und die Nebenintervenientin beantragt, gemäß § 156 Abs.3 PatG das Revisionsverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die von der Zweitbeklagten und der Nebenintervenientin am 2.12.1985 gegen das österreichische Patent Nr.327.813 eingebrachte (neuerliche) Nichtigkeitsklage zu unterbrechen.

Dieser Antrag muß schon deshalb erfolglos bleiben, weil ein erst in dritter Instanz erhobener Nichtigkeitseinwand, wie ihn die Beklagten und die Nebenintervenientin damit erhoben haben, gemäß § 504 Abs.2 ZPO unbeachtlich ist und daher auch unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung des § 156 Abs.3 PatG nicht zu einer Verfahrensunterbrechung nach dieser Gesetzesstelle führen kann. Die - schon in der Berufung und in der Revision vorgebrachte - Behauptung, daß die Nichtigkeit (auch) des neuen Patentanspruches 1 schon in erster Instanz geltend gemacht worden sei, ist aktenwidrig; weder dem in diesem Zusammenhang mehrfach genannten Schriftsatz vom 12.12.1983 (ON 6 des Verfahrens 19 Cg 99/83) noch den Protokollen über die darauf folgenden Verhandlungstagsatzungen ist zu entnehmen, daß die Beklagten auch die für den neuen Anspruch 1 kennzeichnende Anordnung von Sieben 'mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals' schon damals wegen neuheitsschädlicher Vorveröffentlichungen (§ 3 Abs.1 Z 1 PatG) als nichtig bezeichnet hätten. Für die Antragsteller ist dabei auch mit dem Hinweis auf SZ 33/44 nichts zu gewinnen, weil damals die den Gegenstand des präjudiziellen Verfahrens vor dem Patentamt bildende Frage der gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Patente bereits in erster Instanz aufgeworfen worden war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50, 52 ZPO.

II. Die Revision ist nicht berechtigt.

1. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs.3 Satz 2 ZPO):

Der zu 1 a) gerügte innere Widerspruch in den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.Ing.D ist nicht gegeben, weil der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten (ON 20 S 87) ausdrücklich darauf verwiesen hat, daß der parallel zur Ventilachse liegende, leicht gekrümmte Teil 152+ des Siebes 15 im Kunststoffteil der zweiten Scheibe (71+) nicht nur durch Rillen (Nuten) in den Seitenwänden des Oberflächenkanals, sondern auch durch einen Schlitz (22) festgehalten wird, der sich in einer vom Boden des Oberflächenkanals nach Art einer Trennwand aufragenden Rippe (23) befindet; auch in der Verhandlungstagsatzung vom 22.2.1984 (ON 21 S 99) hat der Sachverständige nicht davon gesprochen, daß das Sieb nur in den beiden seitlichen Nuten befestigt sei.

Mit ihrer zu 1 b) aufgestellten Behauptung, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß beim angeblichen Eingriffsgegenstand Beilage 8 der Siebkörper nicht berührungsfrei zum Boden des Umlenkkanals ausgebildet sei und überdies die Einsträmäffnungen von dem vorhandenen Sieb nicht zur Gänze überdeckt würden, entfernen sich die Rechtsmittelwerber von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils. Beide Vorinstanzen haben nämlich im Einklang mit dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing.D als erwiesen angenommen, daß der im wesentlichen senkrecht zur Ventilachse liegende Teil des Siebes (151+) 'in der Offenstellung der zweiten Scheibe mit den Einlaßäffnungen der ersten Scheibe in Überdeckung bringbar ist, während der schon erwähnte Siebteil 152+ 'in einer Rippe und in seitlichen Rillen des Oberflächenkanals festgehalten ist und mit Abstand von dessen Boden endet'.

Die zu 1 c) erhobene Verfahrensrüge (Unschlüssigkeit und Unvollständigkeit des Sachverständigengutachtens) ist ein in dritter Instanz unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, das Vorbringen zu 1 d) (Ablehnung einer Verfahrensunterbrechung nach § 156 PatG) die unzulässige Wiederholung einer schon in zweiter Instanz erfolglos erhobenen Mängelrüge. Die zu 1 e) erörterte Frage, ob der neue Patentanspruch 1 auch die Ausführungsform eines Ventils mit nur einem Sieb umfaßt, gehört dem Bereich der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts an. Die unter 1 f) gerügte Ablehnung einer Beweiswiederholung oder -ergänzung durch das Berufungsgericht ist eine Beweisfrage und kann nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden. Die Ausführungen zur Aktenwidrigkeitsrüge (Punkt 2 a bis c der Revision) wenden sich in Wahrheit gegen die Auslegung des Klagepatents durch die Vorinstanzen und betreffen damit Fragen der rechtlichen Beurteilung.

2. Geht man aber von den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils aus, dann erweist sich auch die Rechtsrüge der Revision als nicht begründet.

a) Wie den - nicht sehr übersichtlichen - Ausführungen zum Revisionsgrund des § 503 Abs.1 Z 4 ZPO zu entnehmen ist, wenden sich die Rechtsmittelwerber auch weiterhin vor allem gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, daß der Schutzbereich des von der Nichtigkeitsabteilung neu formulierten Patentanspruches 1 auch eine Ausführungsform des Ventils umfaßt, die zur Geräuschdämpfung mit nur einem Sieb ausgestattet ist. Was in der Revision gegen diese Auslegung vorgebracht wird, ist jedoch nicht stichhältig. Gegenstand des (neuen) Patentanspruches 1 ist ein aus zwei Scheiben als Steuerungselementen gebildeter Ventilkörper, in dessen - in der zweiten, beweglichen Scheibe vorgesehenem - Oberflächenkanal 'zumindest ein Sieb angeordnet ist', dadurch gekennzeichnet, daß 'die Siebe mit Abstand zum Boden des Oberflächenkanals angeordnet sind'. Schon dieser Anspruchswortlaut allein läßt, im Zusammenhang betrachtet, nach Ansicht des erkennenden Senates keinen Zweifel daran, daß der Schutzumfang des Patentes bei sinngemäßer Auslegung auch eine Ausführungsform des Ventils mit nur einem, auf die hier bezeichnete Weise im Oberflächenkanal angeordneten Sieb umfaßt, der kennzeichnende Teil des Anspruches also so gelesen werden muß, als ob es hier 'daß das Sieb (die Siebe)... angeordnet ist (sind)' hieße. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird vor allem dadurch bestätigt, daß schon der kennzeichnende Teil des ursprünglich erteilten Anspruches 1 die Wendung 'ein oder mehrere Siebe angeordnet sind' gebraucht hatte und diese Mehrzahl dort auch im anschließenden Anspruch 2 verwendet worden war ('.....daß die Siebe.....angeordnet sind'). Als dann durch das Löschungserkennntnis der Nichtigkeitsabteilung der Patentschutz auf den ursprünglichen Anspruch 2 beschränkt und deshalb der kennzeichnende Teil des ursprünglichen Anspruches 1 in der Oberbegriff des neuen Hauptanspruches übernommen wurde, war es im Sinne der von den Vorinstanzen festgestellten Übung der Nichtigkeitsabteilung nur folgerichtig, daß auch die im bisherigen Anspruch 2 aufscheinende Mehrzahlform ('die Siebe') ohne Änderung in den kennzeichnenden Teil des neuen Anspruches 1 übernommen wurde.

Daß auch die Behörden des Nichtigkeitsverfahrens von der hier vertretenen Auslegung des neuen Anspruches 1 ausgegangen sind, ergibt sich aus dem - schon vom Sachverständigen Dipl.Ing.D zutreffend hervorgehobenen - Umstand, daß nicht nur in der Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung vom 3.3.1981 (Beilage F), sondern auch im Erkenntnis des Obersten Patent- und Markensenates vom 27.1.1982 (Beilage G) mehrfach von 'dem Sieb' (Einzahl!) oder von 'mindestens einem Sieb' die Rede ist (so zB Beilage F S 13, zweiter Absatz: .....das Sieb....im Abstand vom Boden des Oberflächenkanals vorzusehen, wie dies im angegriffenen Patentanspruch 2 gekennzeichnet ist'; Beilage G S 15, vorletzter Absatz: '....die Anordnung mindestens eines Siebes....im Sinne des Anspruches 2'; Beilage G, S 16, zweiter Absatz: '.....ein Sieb.....im Sinne des Anspruches 2'). Von einer 'Erweiterung des Umfanges des ursprünglichen Patentanspruches 2 durch die Nichtigkeitsabteilung oder den Obersten Patent- und Markensenat, wie sie in der Revision mehrfach behauptet wird, kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Auch mit dem abermaligen Hinweis darauf, daß die Klägerin zunächst (ON 1 S 4) die Auffassung vertreten hatte, das beanstandete Wasserventil falle nicht unter die Ansprüche 2, 3 und 4 des Klagepatents, ist für den Standpunkt der Revision nichts zu gewinnen, weil die Klägerin nach dem rechtskräftigen Abschluß des Nichtigkeitsverfahrens ausdrücklich erklärt hat, der Einhebelmischer der Beklagten 'greife in den neuen Anspruch 1 des Klagepatentes ebenso ein wie in den vormaligen' (ON 10 S 43). Inwiefern es dem Gericht bei dieser Sachlage trotzdem verwehrt wäre, jetzt auch einen Eingriff in den - zum kennzeichnenden Teil des neuen Hauptanspruches gewordenen - erteilten Anspruch 2 anzunehmen, kann auch den Revisionsausführungen nicht entnommen werden.

b) Verfehlt ist ferner die Rechtsansicht der Revisionswerber, daß sie einen Patentangriff auch deshalb nicht zu verantworten hätten, weil der Ventilkörper des Eingriffsgegenstandes Beilage 8 entgegen dem Wortlaut des beschreibenden Teils des Klagepatents nicht zwei, sondern drei Steuerscheiben enthalte, was angesichts der damit verbundenen 'offenkundigen Vorteile aus fertigungstechnischer und materialtechnischer Sicht' nicht als technisches Äquivalent angesehen werden könne. Wie schon der Sachverständige Dipl.Ing.D überzeugend nachgewiesen hat, fällt der Umstand, daß die zweite Scheibe des beanstandeten Ventils aus zwei Teilen - nämlich einem Kunststoffteil und einem Keramikteil - besteht, technisch unter den Begriff einer 'zweiten Scheibe', sind doch beide Teile durch Rastvorsprünge und Rastausnehmungen wirkungsmäßig zu einer gemeinsamen Verschiebung und Verschwenkung miteinander verbunden. Da weder dem ursprünglichen noch dem neuen Anspruch 1 des Klagepatentes irgendwelche Angaben über das für die Scheiben zu verwendende Material zu entnehmen sind, schließt auch ein allfälliger Vorteil, den die Verwendung von Kunststoff anstelle von Keramik bei der Befestigung des Siebes bringt, die Annahme eines Patenteingriffes der Beklagten nicht aus.

c) Den Ausführungen der Revision kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als hier abermals die Auffassung vertreten wird, nur die vollständig berührungsfreie Anordnung eines Siebes, welches 'überall' also in allen seinen Bereichen, den gleichen Abstand vom Boden des Umlenkkanals hat, könne eine Patentverletzung begründen, während eine bloß 'bereichsweise' Berührungsfreiheit, wie sie bei dem in Beilage 8 angeordneten, nicht nur an den Seitenwänden, sondern auch in einer Bodenrippe des Umlenkkanals festgehaltenen Sieb vorliege, nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatentes falle. Die Nichtigkeitsabteilung hat zwar in der Begründung ihrer Endentscheidung Beilage F die Auffassung vertreten, daß die im ursprünglichen Patentanspruch 2 gekennzeichnete Anordnung des Siebes 'im Abstand zum Boden des Oberflächenkanals' eine 'gegenüber dem Boden des Oberflächenkanals berührungsfreie Ausbildung des Siebkörpers' voraussetze, welche bei einem 'gewellten Sieb, dessen Wellenberge sich am Boden abstützen', nicht mehr gegeben sei. Von einem solchen 'wellenfärmigen Siebkörper' kann jedoch im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden: Nach den aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing.D übernommenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen enthält der Kunststoffteil (71+) der zweiten Scheibe (7) des beanstandeten Ventils ein abgewinkeltes Sieb (15), dessen im wesentlichen senkrecht zur Ventilachse stehender Teil (151+), im Abstand zum Boden des Oberflächenkanals liegt, während der andere, prallel zur Ventilachse liegende und leicht gekrümmte Siebteil (152+) zwar in einer Rippe und in seitlichen Rillen des Oberflächenkanals festgehalten ist, aber mit Abstand von dessen Boden endet. Auch der letztgenannte Teil des Siebes wird zum Teil von dem bereits umgelenkten Wasserstrom durchflossen und bewirkt damit - ganz im Sinne des erfindungsgemäßen Läsungsgedankens - eine weitere Dämpfung des Geräuschpegels. Daß das Sieb mit dem Boden des Umlenkkanals an keiner Stelle in Berührung kommen dürfte, vielmehr in seiner gesamten Ausdehnung überall den gleichen Abstand von diesem Boden aufweisen müßte, kann weder dem Wortlaut des Patentanspruches noch der Patentbeschreibung entnommen werden; seine Befestigung (auch) an der vom Boden des Umlenkkanals aufragenden Rippe steht somit der Annahme einer Patentverletzung umso weniger entgegen, als mit dieser Anordnung nach den Darlegungen des Sachverständigen ein ähnlicher geräuschdämpfender Effekt erzielt wird wie mit einem parallel zum Boden des Kanals liegenden Sieb.

d) die Ausführungen der Revision sind schließlich auch insoweit nicht stichhältig, als damit neuerlich die Beschränkung des Unterlassungsgebotes auf die Verwendung nur eines Siebes angestrebt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann hier auf die ausführliche und schlüssige Begründung des angefochtenen Urteils (ON 29 S 164 f) verwiesen werden.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Zuspruch einer TP 3 C übersteigenden Entlohnung an die Klägerin ist nicht gerechtfertigt, weil nicht gesagt werden kann, daß die Leistung des Klagevertreters und des von ihm beigezogenen Patentanwaltes bei der Verfassung der Revisionsbeantwortung das in vergleichbaren Fällen übliche Durchschnittsausmaß nach Umfang oder Schwierigkeit erheblich überstiegen hätte (§ 21 Abs.1 Satz 1 RAT).

Anmerkung

E06943

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00384.84.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19851210_OGH0002_0040OB00384_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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