TE OGH 1985/12/11 1Ob706/85

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Veröffentlicht am 11.12.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragsteller 1) Alfred A, Kaufmann, Laa an der Thaya, Staatsbahnstraße 5, vertreten durch Dr.Georg Stenitzer, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, 2) Ingrid A, Angestellte, Laa an der Thaya, Staatsbahnstraße 5, vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung im Einvernehmen infolge Revisionsrekurses der Ingrid A gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 1. Oktober 1985, GZ.5 R 284/85-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mistelbach vom 19.August 1985, GZ. Sch 6/85-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Alfred und Ingrid A beantragten beim Erstgericht zu Sch 6/85 die Scheidung ihrer Ehe im Einvernehmen gemäß § 55 a EheG. In der vor dem Erstgericht durchgeführten Tagsatzung vom 1.2.1985 wurde eine Vereinbarung über die Scheidungsfolgen gemäß § 55 a Abs.2 EheG abgeschlossen. Mit Beschluß vom 4.2.1985 wurde die Scheidung der Ehe gemäß § 55 a EheG ausgesprochen. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Antrag vom 10.7.1985 begehrt Ingrid A die Wiederaufnahme des Verfahrens; sie erklärte, den Antrag auf Scheidung im Einvernehmen zurückzuziehen. Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Scheidung gemäß § 55 a EheG seien nicht gegeben gewesen, weil die Lebensgemeinschaft nicht ein halbes Jahr aufgehoben gewesen sei. Alfred A habe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Scheidung mit ihr im gemeinsamen Haushalt gelebt; noch im Jänner 1985 sei es zu einem Geschlechtsverkehr gekommen, der letzte Geschlechtsverkehr habe erst nach dem 8.2.1985 stattgefunden. Alfred A sei erst Ende Februar 1985 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, erst mit diesem Zeitpunkt sei die Lebensgemeinschaft beendet gewesen. Im Zeitpunkt der einverständlichen Scheidung sei ihr nicht bekannt gewesen, daß ihr Ehemann ehebrecherische Beziehungen mit anderen Frauen unterhalten habe. Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts hätte sie einer einverständlichen Scheidung nicht zugestimmt. Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zurück.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs nicht Folge. Weder die allgemeinen Anordnungen des AußStrG noch die Bestimmungen der §§ 229 bis 231 AußStrG über die Scheidung im Einvernehmen sehen den Rechtsbehelf einer Wiederaufnahmsklage oder eines Wiederaufnahmsantrags gegen den Scheidungsbeschluß vor. Die Rechtsprechung verneine deshalb die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmsantrags oder einer Wiederaufnahmsklage gegen eine nach § 55 a EheG erfolgte Entscheidung. Die von der Zweitantragstellerin geltend gemachten Gründe wären aber auch nicht geeignet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen. Es gereiche der Zweitantragstellerin jedenfalls zum Verschulden, wenn sie in der Verhandlung über die Scheidung im Einvernehmen erklärte, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit mindestens einem halben Jahr aufgelöst, obwohl ihr bewußt gewesen sei, daß die Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft noch vorgelegen sei. Das weitere Vorbringen, wonach der Erstantragsteller mit anderen Frauen ehebrecherische Beziehungen gepflogen habe, könne nicht Grundlage eines Wiederaufnahmsantrages sein, weil im Verfahren betreffend die Scheidung einer Ehe nach § 55 a EheG nur die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr, die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses und das bestehende Einvernehmen über die Scheidung zu prüfen sei; das Verschulden der Ehegatten an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe sei unerheblich.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin ist unzulässig. Die in § 16 AußStrG verfügte Einschränkung der Anfechtbarkeit bestätigender Entscheidungen im Verfahren außer Streitsachen wurde durch § 227 Abs.3 AußStrG nur für die Entscheidung über den Antrag auf Scheidung der Ehe beseitigt, nicht aber für andere im Verfahren über die Scheidung der Ehe nach § 55 a EheG ergehende Entscheidungen (NZ 1983,105; EFSlg.42.470). Der Beschluß des Rekursgerichtes ist demnach nur aus den im § 16 AußStrG aufgezählten Rechtsmittelgründen anfechtbar. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung NZ 1983,105 ausgesprochen hat, läßt sich auch der Standpunkt vertreten, die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme im Verfahren über die einverständliche Scheidung der Ehe die rechtliche Beurteilung der Sache betrifft. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG liegt aber nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und klar geregelt ist, so daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde (EFSlg.44.642, 42.327, 37,388, 35.067; SZ 46/98; SZ 44/160; SZ 39/103; SZ 25/185; SZ 21/10). Eine solche offenbare Gesetzwidrigkeit kann jedoch nicht vorliegen. Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen enthält keine Bestimmungen über die Wiederaufnahme eines außerstreitigen Verfahrens und auch keine gesetzliche Bestimmung dahin, daß die Vorschriften der ZPO über die Wiederaufnahmsklage analog anzuwenden wären. Selbst wenn man annehmen wollte, daß dies eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes sei und insoweit eine Lücke vorliege, könnte doch in der Ablehnung der analogen Anwendung zivilprozessualer Vorschriften im Außerstreitverfahren eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht erblickt werden (NZ 1983,105). Es ist daher zu den Ausführungen von Konecny, JBl.1983,20 ff nicht Stellung zu nehmen. Das Bundesgesetz vom 1.11.1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts, BGBl.1983/566, hat in Ansehung der Scheidung im Einvernehmen keine Änderung der Rechtslage bewirkt. Der Gesetzgeber hat es ungeachtet der ablehnenden Haltung der Rechtsprechung nicht als erforderlich erachtet, die Frage der Wiederaufnahme von Verfahren außer Streitsache, im besonderen des Verfahrens über die Scheidung der Ehe im Einvernehmen, einer Regelung zuzuführen. In der Rechtsansicht des Rekursgerichtes kann bei der gegebenen Gesetzeslage eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht erkannt werden, so daß der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

Anmerkung

E07149

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00706.85.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19851211_OGH0002_0010OB00706_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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