Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans Walter A und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (n.F.) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Andrea B sowie die Berufung des Angeklagten Hans Walter A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.September 1985, GZ 8 Vr 1202/85-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Andrea B (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Andrea B auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Hans Walter A werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hans Walter A (zu I.) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (n.F.) und Andrea B (zu 2.) des Verbrechens nach §§ 12 (dritter Fall) StGB, 12 Abs. 1 SGG (n.F.) schuldig erkannt und hiefür zu Freiheitsstrafen verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben
1. Hans Walter A am 22.März 1985 in Spielfeld vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider "das Suchtgift Heroin in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen könnte", nach Österreich eingeführt, indem er insgesamt 63,8 Gramm Heroin im After versteckt über das Grenzzollamt Spielfeld einführte;
2. Andrea B Anfang 1985 dadurch zu der zu Punkt 1
angeführten Straftat des Hans Walter A beigetragen, daß sie dem Genannten das Geld zum Ankauf der 63,8 Gramm Heroin nach Jugoslawien brachte, sich mit ihm in die Türkei begab, wo das Heroin eingekauft wurde, und gemeinsam mit ihm nach Österreich zurückkehrte. Die Angeklagte Andrea B bekämpft den gegen sie ergangenen Schuldspruch (Punkt 2 des Urteilssatzes) mit einer auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch haben sowohl diese Angeklagte als auch der Mitangeklagte Hans Walter A, dessen Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, Berufung ergriffen.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten B kommt
Berechtigung zu.
Das Schöffengericht erblickte schuldspruchmäßig den strafbaren Tatbeitrag der Angeklagten Andrea B darin, daß sie dem Mitangeklagten A das Geld zum Ankauf des Heroins nach Jugoslawien brachte, sodann mit A in die Türkei reiste, wo A das Suchtgift erwarb, und schließlich gemeinsam mit dem Genannten, der das Heroin im After versteckt hatte, nach Österreich zurückkehrte. In den Urteilsgründen stellte das Gericht hingegen (zunächst) fest, daß A die Beschwerdeführerin unter dem Vorwand, Geld für den weiteren Urlaub zu benötigen, nach Graz zu einer Bank schickte, und daß die Beschwerdeführerin (erst) in einem Hotel in Istanbul vom Ankauf des Heroins durch A erfahren hat (S 147 d.A.). Dieser Konstatierung zufolge hatte die Beschwerdeführerin demnach im Zeitpunkt der Abhebung des Geldes und dessen Überbringens an A (noch) keine Kenntnis davon, daß mit dem Geld Suchtgift angekauft werden soll. Demzufolge könnte aber der Beschwerdeführerin in dieser Phase des Geschehens eine vorsätzliche Förderung der Straftat des Hans Walter A nicht angelastet werden; denn ein strafbarer Tatbeitrag setzt voraus, daß der Gehilfe die Tat des unmittelbaren Täters nicht bloß objektiv unterstützt, sondern darüber hinaus zumindest es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, durch sein Verhalten eine bestimmte strafbare Handlung eines anderen zu fördern (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 47 zu § 12). In dem Umstand hinwieder, daß die Beschwerdeführerin in der Folge vom Ankauf des Suchtgifts durch A erfuhr und diesen in Kenntnis dessen Tatplans bei der Einreise nach Österreich begleitete, kann für sich allein weder eine physische noch eine psychische Förderung der Straftat des A erblickt werden, zumal das Urteil keine Anhaltspunkte dafür enthält, daß die Beschwerdeführerin den Mitangeklagten A in seinem Tatentschluß zumindest bestärkt haben könnte, und ein sonstiger Tatbeitrag durch Unterlassen mangels einer Garantenstellung der Beschwerdeführerin (§ 2 StGB) nicht in Betracht kommt. Die Unterlassung der Verhinderung der Straftat des A könnte daher diesfalls, wie die Beschwerde zutreffend ausführt, lediglich unter dem Gesichtspunkt des Vergehens nach § 286 StGB strafbar sein. An anderer Stelle der Urteilsgründe wird allerdings die (erste) Darstellung der Beschwerdeführerin, mit der Tat des A nichts zu tun gehabt zu haben, als unglaubwürdig abgelehnt (S 149 d.A.) und - ersichtlich jenen Angaben der Angeklagten B vor der Polizei folgend, wonach sie seinerzeit deshalb von Jugoslawien nach Österreich gefahren sei, um in Graz einen Betrag von 26.000 S in US-Dollar umzuwechseln, weil ihr bekannt war, daß der Ankauf von Heroin in der Türkei mit US-Dollar leichter durchzuführen ist (vgl. S 148 d.A.) - als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführerin von Anfang an bekannt war, daß das von ihr dem Mitangeklagten A überbrachte Geld zum Suchtgifterwerb in Istanbul bestimmt ist (S 149 d. A.), worin das Gericht offensichtlich auch das Geständnis der Angeklagten erblickte (S 148 d.A.).
Solcherart lassen aber die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur entscheidungswesentlichen Frage, ob die Angeklagte Andrea B durch die ihr angelastete Überbringung des (in der Folge zum Suchtgiftankauf verwendeten) Geldes an A - worin allein ein strafbarer Tatbeitrag dieser Angeklagten zur Tat des Genannten erblickt werden kann - dessen strafbare Handlung vorsätzlich (aktiv) gefördert hat, verschiedene Deutungen zu; es fehlt infolgedessen an einer eindeutigen Feststellung einer für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Tatsache, weshalb das Urteil in Ansehung der Angeklagten B mit einem Feststellungsmangel behaftet ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 50 zu § 281 Z 5), der zur Kassierung des Schuld- und damit auch des Strafausspruchs hinsichtlich dieser Angeklagten und zur Anordnung der Verfahrenserneuerung in erster Instanz zwingt.
Übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Andrea B gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen. Mit ihrer Berufung war die genannte Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Mitangeklagten Hans Walter A, der keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat, waren hingegen die Akten in sinngemäßer Anwendung des durch § 219 StPO bloß in erster Instanz in seiner Anwendbarkeit begrenzten § 58 StPO dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten (Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 3 a zu § 296).
Anmerkung
E07134European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00167.85.1212.000Dokumentnummer
JJT_19851212_OGH0002_0120OS00167_8500000_000