TE Vfgh Erkenntnis 2001/9/24 B1286/97

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Veröffentlicht am 24.09.2001
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Schwellenwertregelung des §1 Abs4 Krnt AuftragsvergabeG idF LGBl 55/1994 mit E v 24.09.01, G146/01.

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht "Stadttheater Klagenfurt" mit den Gesellschaftern Land Kärnten und Landeshauptstadt Klagenfurt hat Bauarbeiten betreffend die Generalsanierung des Klagenfurter Stadtheaters in fünf Losen ausgeschrieben. Die Beschwerdeführer haben sich als Bietergemeinschaft an der Vergabe des Loses 3 (Revitalisierungs- und Restaurierungsarbeiten im Bereich des Bühnen- und Zuschauerhauses - Bautischlerarbeiten) durch Legung eines Anbots beteiligt. Die Angebotseröffnung erfolgte am 31. Oktober 1996, wobei die Beschwerdeführer an dritter Stelle gereiht wurden. Die Angebote der Erst- und Zweitgereihten konnten in der Folge aufgrund von Rechenfehlern bzw. wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berücksichtigt werden und mußten ausgeschieden werden. Am 27. Februar 1997 wurde den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht, daß auch ihnen der Zuschlag nicht erteilt werde, sondern die Vergabe der gegenständlichen Leistungen in Teilen an die fünft- bzw. sechstgereihten Bieter erfolgen würde.

Die Beschwerdeführer hielten diese Vorgangsweise für rechtswidrig. Im Hinblick auf das nach §60 Abs3 Kärntner Auftragsvergabegesetz (in der Folge: KVergG) einem Nachprüfungsverfahren obligatorisch vorzuschaltende Unterrichtungsverfahren forderten die Beschwerdeführer die Auftraggeber auf, die behauptete Rechtswidrigkeit zu beseitigen. Mit Schreiben vom 6. März 1997 wurde den Beschwerdeführern erläutert, daß die für das Bauvorhaben "Generalsanierung Stadttheater Klagenfurt Los 3" erforderlichen Bautischlerarbeiten als Gesamtleistung nicht zur Vergabe gelangen würden, und dies mit dem Umstand begründet, daß die Vergabe in Teilen gegenüber einer Gesamtvergabe eine Einsparung ermöglichen würde, weshalb sich der vom Stadttheater eingesetzte Bauausschuß zu der in Rede stehenden Auftragserteilung ent-schlossen habe.

Mit Eingabe vom 13. März 1997 beantragten die Beschwerdeführer beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten (in der Folge: Ktn. UVS) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß der §§59 ff. KVergG sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §62 KVergG und begehrten festzustellen, daß die Zuschlagserteilung an die namentlich genannten Unternehmen rechtswidrig bzw. nichtig zu erklären sei. Für den Fall der noch nicht erfolgten Zuschlagserteilung wurde beantragt, die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die erfolgreichen Bieter für rechtswidrig und nichtig zu erklären.

Mit dem bekämpften Bescheid vom 9. April 1997 wurde der Antrag festzustellen, daß die (zwischenzeitig erfolgte) Zuschlagserteilung rechtswidrig war, als unbegründet abgewiesen:

Gemäß §1 Abs4 KVergG stehe es - so die Begründung der Behörde - dem Auftraggeber frei, die Vergabe von Aufträgen hinsichtlich von Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20 v.H. des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, nicht diesem Gesetz zu unterwerfen.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Der Ktn. UVS hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die dem Verfahren als mitbeteiligte Parteien hinzugezogenen Auftraggeber Land Kärnten und Landeshauptstadt Klagenfurt haben eine Äußerung erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentraten und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrten.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. Februar 2001 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs4 KVergG in der Fassung LGBl. 55/1994 ein. Er hegte das Bedenken, daß es sachlich nicht zu rechtfertigen sein dürfte, daß - wie es §1 Abs4 KVergG in der zitierten Fassung vorsieht - ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe von Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20% des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, keinerlei vergabegesetzlichen Bindungen unterliegt und den Bewerbern und Bietern um ein solches Auftragslos daher nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien eingeräumt ist.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G146/01, sprach der Gerichtshof aus, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung verfassungswidrig war.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet:

Wie oben unter I.1. dargelegt, hat der UVS seine abweisliche Entscheidung ausdrücklich auf §1 Abs4 KVergG in der in Prüfung gezogenen und mit dem zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig qualifizierten Fassung gestützt und die Ansicht vertreten, daß einer "freien Vergabe aufgrund der vorliegenden zitierten gesetzlichen Bestimmung (§1 Abs4 KVergG idF LGBl. 55/1994) nichts entgegen(steht)".

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1286.1997

Dokumentnummer

JFT_09989076_97B01286_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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