TE OGH 1985/12/12 7Ob40/85

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Veröffentlicht am 12.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*** Y*** CLUB Stammverein, Wien 22., Fischerstrand 31, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*** A*** VERSICHERUNGS-AG, Wien 1., Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 520.736,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juni 1985, GZ. 2 R 109/85-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. März 1985, GZ. 12 Cg 26/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Der Kläger hat bei der Beklagten bezüglich eines Objektes in Wien 22 eine Brandschadenversicherung abgeschlossen. Der Versicherungsvertrag wurde unter Zugrundelegung der Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS), Fassung 1971, sowie der Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB), Fassung 1980, abgeschlossen. Der Art. 5 der AFB hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

"Ersatzleistung

(1) Der Ermittlung der Ersatzleistung wird unbeschadet der Bestimmungen des Art. 10 ABS der Versicherungswert zur Zeit des Eintrittes des Schadenfalles (Ersatzwert) zugrundegelegt .....

(2) Als Ersatzwert gelten:

a) Bei Gebäuden der ortsübliche Bauwert unter Abzug eines dem Zustande des Gebäudes, insbesondere dem Alter und der Abnützung entsprechenden Betrages; wenn das Gebäude nicht innerhalb dreier Jahre, gerechnet vom Schadentag, wiederaufgebaut wird, ist höchstens dessen Verkehrswert (bei Teilschäden dessen anteiliger Verkehrswert) zu ersetzen. Bei Ermittlung des Verkehrswertes bleibt der Wert des Grundstückes außer Ansatz ....

Für die Wiederherstellung gemäß lit.a genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude hergestellt werden, die dem gleichen Betriebszweck dienen .... Weist der Versicherungsnehmer nach, daß die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle behördlich verboten ist, so genügt die Wiederherstellung an anderer Stelle desselben Gemeindegebietes ....". Das versicherte Objekt ist im Jänner 1980 abgebrannt und wurde bisher nicht wiederhergestellt. Dem Kläger wurde nach einer Versagung der Bewilligung für die Errichtung eines Clubgebäudes durch Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 11. November 1982 mit Bescheid derselben Behörde vom 29.März 1984 die Wiedererrichtung des Objektes bewilligt. Innerhalb der Dreijahresfrist des Art. 5 Abs.2 lit.a AFB hatte der Kläger die Beklagte aufgefordert, ihm die Frist zur Wiedererrichtung des Gebäudes über die Dreijahresfrist hinaus zu erstrecken, was von der Beklagten innerhalb dieser Frist abgelehnt wurde. Die Beklagte hat aus Anlaß dieses Versicherungsfalles an den Kläger einen Betrag von S 243.000, das ist der Verkehrswert des Gebäudes, bezahlt, die Leistung eines weiteren Betrages in Höhe der Differenz zwischen dem Zeitwert (S 763.736,--) und dem Verkehrswert jedoch abgelehnt. Der klagende Verein begehrt von der Beklagten primär die Zahlung dieses Differenzbetrages von S 520.736,-- s.A. und stellte schließlich (AS 21 f) noch ein Eventualbegehren, gerichtet auf die Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger aus dem Versicherungsvertrag mit der Polizze Nr. 153.102747 für den Fall des Wiederaufbaues innerhalb von drei Jahre, ab 29.März 1984 gerechnet, Deckung bis zur Höhe des Betrages von S 520.736,-- zu gewähren habe. Der Kläger habe die überaus lange Dauer des Baubewilligungsverfahrens nicht zu vertreten. Während jenes Verfahrens habe der Kläger die Beklagte aufgefordert, die dreijährige Frist zur Wiederherstellung des Gebäudes zu verlängern, was jedoch ungerechtfertigt abgelehnt worden sei. Jetzt sei der Kläger in der Lage und auch bereit, das abgebrannte Gebäude nach Maßgabe der Baubewilligung neu zu errichten.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren nur dem Grunde nach, beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, nach den Feuerversicherungsbedingungen sei der auf den Gesamtschaden von S 763.736,-- aushaftende Restbetrag von S 520.736 erst nach Wiederaufbau des versicherten Objektes innerhalb von drei Jahren fällig. Dieser Wiederaufbau sei jedoch nicht innerhalb der Dreijahresfrist durchgeführt worden, sodaß die Beklagte dem Kläger höchstens den Verkehrswert des Gebäudes, nicht jedoch den darüber hinausgehenden Ersatzwert zu leisten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, daß der Kläger von der beklagten Versicherung die Zahlung des über den festgestellten Verkehrswert hinausgehenden Klagebetrages im Sinne der §§ 88, 97 VersVG nur dann mit Erfolg begehren könnte, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes gesichert sei. Dies sei aber im Sinne des Art.5 Abs.2 lit.a der AFB nur dann der Fall, wenn innerhalb dreier Jahre ab Schadenstag das Objekt wiederaufgebaut werden könne, bzw. dessen Wiedererrichtung sichergestellt sei. Schon die bloße objektive Unterlassung des Wiederaufbaues innerhalb der genannten Frist habe die Verminderung des Anspruches des Versicherungsnehmers auf den Verkehrswert zur Folge. Dies gelte auch dann, wenn der Wiederaufbau infolge von Umständen unterblieben sei, auf die der Versicherungsnehmer keinen Einfluß habe nehmen können, wie etwa bei einem Bauverbot. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, dem Begehren des Klägers auf Abänderung des Vertrages durch Erstreckung der vereinbarten Ausschlußfrist zu entsprechen. Da die Beklagte dem Kläger den Zeitwert bereits ersetzt habe, seien sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren unbegründet. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es teilte dessen rechtliche Beurteilung. Die Wiederaufbauklausel sei nicht als (verhüllte) Obliegenheit zu qualifizieren. Sie stelle vielmehr eine Bedingung erhöhter Leistungspflicht des Versicherers dar. Die Frage, ob die Unterlassung des Wiederaufbaues auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhe, brauche daher nicht untersucht zu werden.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger macht geltend, es sei zu prüfen, ob die Dauer eines Bewilligungsverfahrens, das in der Folge ein positives Ergebnis gebracht habe, auf die Leistungspflicht des Versicherers von Einfluß sei, ob also ein lange dauerndes Verwaltungsverfahren den Versicherer von seiner vertragsmäßigen Leistung befreie. Eine Bauführung ohne die rechtliche Möglichkeit (Baubewilligung) wäre unerlaubt gewesen. Die im Versicherungsvertrag vereinbarte Dreijahresfrist könne daher erst bei Eintritt der rechtlichen Möglichkeit zu laufen beginnen. Auch das Bauverfahren sei ein Bestandteil der Neuerrichtung. Sei mit der Einreichung innerhalb der vereinbarten Dreijahresfrist begonnen worden, habe der Versicherungsnehmer alles getan, was ihm rechtlich zugemutet werden könne.

Die Rechtsnatur einer Wiederherstellungsklausel wie im Art.5 Abs.2 lit.a der AFB (vgl. auch die Klausel 5.04 zu den deutschen AFB) wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Zu unterscheiden ist insbesondere auch, ob eine Neuwertversicherung vorliegt, oder ob dem Versicherten im Sinn der genannten Klausel im Fall des Wiederaufbaues eine normale Zeitwertentschädigung gebührt, nicht aber auch ein über den Zeitwert hinausgehender Entschädigungsanspruch zusteht.

Bruck-Möller-Sieg, VersVG 8 II, Anm.27 zu § 49, vertreten die Ansicht, hinter jeder Wiederherstellungsregelung, wie auch immer sie juristisch formuliert sein möge, verberge sich das Gebot, also die Obliegenheit, nach dem Versicherungsfall wiederanzuschaffen, wiederherzustellen, insbesondere wiederaufzubauen. Es gelte deshalb das Verschuldensprinzip; nicht einmal leichte Fahrlässigkeit lasse die Verwirkungsfolge eintreten (§ 6 Abs.3, erster Satz, VersVG). Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit gelte das Kausalitätserfordernis (§ 6 Abs.2, zweiter Satz, VersVG). Es komme darauf an, ob die nicht vorgenommene Wiederherstellung einen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt habe, was nicht etwa schon deshalb anzunehmen sei, weil an die Stelle der tatsächlichen Wiederherstellungskosten jetzt ein errechneter Betrag treten müsse.

Nach Prölss-Martin, VersVG 23 , 497 f, enthält die Wiederherstellungsklausel keine Obliegenheit, sondern eine Fälligkeitsregelung als Teil der objektiven Risikoabgrenzung. Es liege eine Ausschlußfrist vor, die der Versicherer allerdings aus triftigen Gründen angemessen verlängern müsse.

Martin, Sachversicherungsrecht, 867 f, läßt zwar die Frage, ob bei der gegenständlichen Klausel in der Zeitwertversicherung eine verhüllte Obliegenheit anzunehmen sei, offen. Er räumt jedoch ein, daß die "Wiederherstellungspflicht" in der Zeitwertversicherung nicht dem Schadensnachweis und allenfalls teilweise dem Ausschluß einer Bereicherung diene, denn der Zeitwertschaden sei größtenteils bereits unabhängig davon eingetreten, ob das Gebäude wiederaufgebaut werde. Bei der Neuwertversicherung dagegen entstehe der Schaden erst dadurch, daß der Versicherungsnehmer ungeplante Ausgaben habe. Darin liege auch die Rechtfertigung für die Neuwertversicherung im allgemeinen und für die Wiederherstellungsklausel im besonderen. Fenyves, Versicherungsrundschau 1972, 117 ff, sieht unter ausführlicher Stellungnahme zu Lehre und Rechtsprechung die Wiederherstellungsklauseln auch in der Neuwertversicherung als Obliegenheiten an (aaO 134). Die Wiederherstellungsklausel sei als verhüllte Obliegenheit aufzufassen und unterliege somit den Verschuldens-, Klarstellungs- und Kausalitätserfordernissen des § 6 VersVG. Den Versicherungsnehmer treffe das Gebot wiederaufzubauen, widrigenfalls ihm ein Rechtsnachteil, nämlich der Verlust eines Teils des Ersatzanspruches, drohe (aaO 126). Ehrenzweig, Deutsches (Österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, 306, lehnt die Annahme einer Obliegenheit ab. Die in der Wiederherstellungsklausel vorgesehene Befreiung von der Leistungspflicht habe mit jener, die nach § 6 Abs.3 VersVG als Strafe einer Pflichtverletzung, als Anspruchsverwirkung, eintrete, gar nichts zu schaffen. Die Sicherung der Verwendung stelle eine Fälligkeitsvoraussetzung dar. Wussow, Feuerversicherung 2 , unterscheidet (S 621 f) ähnlich Martin aaO. Seine Stellung zur Zeitwertversicherung ist jedoch eindeutig. Wenn der Versicherungsnehmer durch die Unterlassung des Wiederaufbaues etwas verwirke, das ihm normalerweise zustehe, müsse das Vorliegen einer Obliegenheit im Sinne des § 6 VersVG angenommen werden, und zwar gleichgültig, wie die Klausel formuliert sei. Auch die Klausel 5.04 (der deutschen AFB) enthalte die Verwirkung eines normalerweise gegebenen Entschädigungsanspruches. Hier werde nicht eine Bereicherung des Versicherungsnehmers vermieden. Ihm stehe (nach § 3 der deutschen AFB; nach Art.5 Abs.2 lit.a der AFB im österreichischen Rechtsbereich) der volle Bauwert minus Abzug neu für alt zu. Es handle sich mithin um die normale Zeitwertentschädigung, die von sich aus bereits gewährleiste, daß jede Bereicherung des Versicherungsnehmers im Rahmen des möglichen ausgeschlossen werde. Ziehe man hievon nicht einzelne bestimmte Teilbeträge des Ersatzwertes unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung ab, sondern streiche man - in der deutschen Versicherung - kurzerhand ein Drittel (bzw. ziehe man - im österreichischen Rechtsbereich - anstelle des Zeitwerts [nur] den Verkehrswert heran), so habe eine solche Bestimmung weitgehend pönalen Charakter. Denn es verbleibe ein Verlust durch den Brandschaden, der durch die gezahlte Entschädigung nicht ausgeglichen werde, wobei die Schlechterstellung des Versicherungsnehmers ausschließlich deshalb erfolgen solle, weil er nicht wiederaufbaue. Eine solche Bestrafung in Fällen, in denen den Versicherungsnehmer überhaupt kein Verschulden an der Unterlassung des Wiederaufbaues treffe, würde gerade zu dem Ergebnis führen, was der Gesetzgeber durch die zwingende Bestimmung des § 6 Abs.3 VersVG habe verhindern wollen. Die Wiederherstellungsklausel könne daher nur nach Maßgabe dieser gesetzlichen Vorschrift angewendet werden. Anders liege es in der Neuwertversicherung. Hier handle es sich bei den Wiederherstellungsklauseln um eine reine Ersatzwertbestimmung. Der Schaden des Versicherungsnehmers bestehe auch hier zunächst nur im Zeitwert. Nur soweit er wiederaufbaue, müsse er die Differenz zwischen Zeitwert und Wiederaufbaupreis seinerseits bezahlen. Zwar liege im Sinne des allgemeinen Schadenersatzrechtes auch eine Bereicherung vor, wenn anstelle der bereits abgenützten Sache durch Wiederherstellung im Schadensfalle eine neue Sache trete. Eine derartige, durch das Schadensereignis oktroyierte Bereicherung werde aber von der Neuwertversicherung nicht als verbotene Bereicherung angesehen. Würde man dagegen dem Versicherungsnehmer, wenn er an dem Unterlassen des Wiederaufbaues unschuldig ist, dennoch den Neuwert vergüten, würde eine ungerechtfertigte Bereicherung eintreten. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war die Wiederherstellungsklausel bisher, soweit überblickbar, nur zweimal Gegenstand einer Entscheidung.

In der Entscheidung SZ 33/39 wurde die Ansicht vertreten, auch bei Unmöglichkeit des Wiederaufbaues des versicherten Gebäudes könne nicht mehr als der 0erkehrswert verlangt werden, nicht also der (höhere) Zeitwert. Die Unterlassung des Wiederaufbaues stelle keine Obliegenheitsverletzung dar; denn es liege darin nicht die Verletzung einer gegenüber dem Versicherer eingegangenen Verpflichtung.

Nach der Entscheidung VersR 1973, 855, begründet die Wiederherstellungsklausel bei der Neuwertversicherung industrieller Anlagen keine Obliegenheit, sondern stellt einen Risikoausschluß dar. Eine Neuwertversicherung - bei der nach nahezu einhelliger Meinung die Wiederherstellungsklausel keine Obliegenheit begründet (aA sind allein Fenyves und, wie in dessen Abhandlung erwähnt, Matzen) - liegt allerdings im gegenständlichen Fall nicht vor. Das Revisionsgericht vermag die in der Entscheidung SZ 33/39 vertretene Meinung im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen von Wussow und Martin nicht aufrecht zu erhalten. Die Begründung dieser Entscheidung - die Versicherung dürfe zu keiner Bereicherung des Versicherungsnehmers führen, komme es daher zu keiner Wiedererrichtung des Gebäudes, dürfe er nicht bessergestellt werden, als wenn er es verkaufte - übersieht, daß der Wert eines Gebäudes für dessen Eigentümer in der Regel keineswegs nur in dessen Verkehrswert besteht. Der Argumentation Martins aaO, der Zeitwertschaden sei größtenteils bereits unabhängig davon eingetreten, ob das Gebäude wiederaufgebaut wird, ist voll beizupflichten.

Der Oberste Gerichtshof pflichtet aber auch Fenyves und Bruck-Möller-Sieg, die das Schwergewicht ihrer Begründung anders als Wussow und Martin nicht auf den mangelnden Eintritt einer Bereicherung des Versicherungsnehmers, sondern darauf stützen, daß die Wiederherstellungsklausel in sich das Gebot, also die Obliegenheit berge, nach dem Versicherungsfall wiederaufzubauen, darin bei, daß die Wiederherstellungsklausel eine "Voraussetzung für die Erhaltung des Anspruches aus dem Versicherungsvertrag" und aus diesem Grund ihrer Rechtsnatur nach eine Obliegenheit statuiert (vgl. zur Rechtsnatur der Obliegenheit die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, Versicherungsrundschau 1968, 134, und Fenyves aaO, FN 3 auf Seite 118; aA Prölss-Martin aaO 73). Die Wiederherstellungsklausel stellt in Wahrheit auf ein Verhalten des Versicherungsnehmers ab (EvBl 1969/159).

Enthält aber die Wiederherstellungsklausel keine Risikoabgrenzung, sondern eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers nach dem Eintritt des Versicherungsfalles, tritt gemäß § 6 Abs.3 VersVG die vereinbarte Rechtsfolge - Ersatz nur des Verkehrswertes anstelle des Zeitwertes des Gebäudes - nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz, noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Es bleibt der Versicherer selbst bei grober Fahrlässigkeit zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles, noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluß gehabt hat.

Der Kläger macht hiezu geltend, sein rechtzeitiger Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für ein entsprechendes Gebäude sei mit Bescheid vom 11.November 1982 abgewiesen und die beantragte Baubewilligung erst im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 29. März 1984 (das sind mehr als vier Jahre nach dem Schadenfall) erteilt worden. Der Kläger habe alles getan, was ihm rechtlicherweise habe zugemutet werden können.

Ein Beweisverfahren darüber, ob den Kläger an der späten Erteilung der Baubewilligung ein Verschulden in irgend einer Form trifft, haben die Vorinstanzen, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, nicht durchgeführt. Es fehlen daher Feststellungen, nach denen beurteilt werden kann, ob dem Kläger Vorsatz zur Last fällt - der Beweis, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, trifft den Kläger -, ob er also, sei es aus welchem Beweggrund immer (etwa, weil er den Wiederaufbau aus irgend einem Grund nicht innerhalb von drei Jahren durchführen wollte), den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung bewußt zu einem solchen Zeitpunkt oder auf eine solche Art gestellt hat, daß der Antrag in der gestellten Form erfolglos bleiben mußte. Nicht nur mangelndes Verschulden, sondern auch leichte und sogar grobe Fahrlässigkeit dagegen vermöchten den Anspruch des Klägers nicht zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich für mangelndes Verschulden und leichte Fahrlässigkeit aus § 6 Abs.3, erster Satz, VersVG, für grobe Fahrlässigkeit aus § 6 Abs.3, zweiter Satz, VersVG, da die Verletzung der Obliegenheit auf den Umfang der der Beklagten obliegenden Leistung - deren Höhe außer Streit steht (AS 21) - keinen Einfluß gehabt hätte.

Die Revision erweist sich damit als begründet.

Das angefochtene Urteil und die Entscheidung des Erstgerichtes waren deshalb aufzuheben und es war dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO

Anmerkung

E07353

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00040.85.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19851212_OGH0002_0070OB00040_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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