Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A LEASING-Zentrale Gesellschaft m.b.H., Fanny-von-Lehnert-Straße 1, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Christine B, Hausfrau, Hartmuthgasse 67/27, 1100 Wien, vertreten durch Dr.Gerhard Zinsler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 98.245,53 S s. A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.September 1985, GZ 11 R 174/85-25, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5.Februar 1985, GZ 6 Cg 152/84-17, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung:
Mit Leasing-Verträgen vom 14.August 1979 und 13.Mai 1980 leaste die Peter de C & Co Gesellschaft m.b.H. von der Klägerin zwei PKW. Die Leasingraten wurden bis Jänner 1982, wenngleich insbesondere während des Jahres 1980 gelegentlich mit zeitlicher Verzögerung voll bezahlt (zuletzt offenbar durch Peter de C, der die PKW benützte). Da ab Februar 1982 keine Zahlungen mehr erfolgten, strebte die Klägerin nach erfolgloser Mahnung die Rückstellung der PKW an und erreichte im September 1982 die Sicherstellung der Fahrzeuge. Bereits am 7.April 1981 war ein Antrag auf Konkurseröffnung über die genannte Gesellschaft m.b.H. mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Die Beklagte wurde am 2. Oktober 1980 als Geschäftsführerin der Peter de C & Co Gesellschaft m.b.H. ins Handelsregister eingetragen. Sie hat jedoch in der Gesellschaft niemals mitgearbeitet und sich um die Geschäftsführung überhaupt nicht gekümmert. Sie hatte sich auf Ersuchen von Peter de C bereit erklärt, als Geschäftsführerin zu fungieren, wobei ihr gesagt wurde, daß sie in der Firma keine Agenden zu führen habe, diese würden von Peter de C weiter wahrgenommen, der aus irgendwelchen Gründen nicht Geschäftsführer sein könne.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 98.244,53 S (Benützungsentgelt von Februar 1982 bis August bzw. September 1982, Abmeldekosten, Interventionskosten, Abschleppkosten und Reparaturkosten) mit der Begründung, die Geschäftsführerin wäre verpflichtet gewesen, die Leasingverträge spätestens am 7.April 1981 zur Auflösung zu bringen. Sie sei verpflichtet, der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen. Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es vertrat die Ansicht, die Beklagte sei gemäß § 1298 ABGB schadenersatzpflichtig, weil sie nicht nachgewiesen habe, daß sie alle zur Erfüllung der gegenüber der klagenden Partei bestehenden Verbindlichkeiten zumutbaren Handlungen gesetzt habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, ein Anspruch der Klägerin könne nicht aus § 1298 ABGB abgeleitet werden, da die dort normierte Umkehr der Beweiswürdigung den Schuldner, im vorliegenden Fall somit die Gesellschaft m.b.H., treffe. Für die schadenersatzrechtliche Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft m.b.H. gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft hätten Rechtsprechung und Lehre eine Haftung aus der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 1311 ABGB) und hier insbesondere aus einer Verwirklichung des Tatbildes des § 159 Abs 1 Z 2 StGB abgeleitet. Die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle lägen hier vor, weil Zahlungsunfähigkeit spätestens mit der Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung anzunehmen sei und es dem Eingehen neuer Schulden gleichzustellen sei, wenn nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Fahrzeuge aus den Leasingverträgen weiterbenützt wurden, obwohl die rechtliche Möglichkeit der Auflösung des Leasingvertrages und damit das Vermeiden des Auflaufens weiterer Benützungskosten bestehe. Diese Möglichkeit hätte bestanden, weil die Leasingnehmerin nach den Leasingverträgen berechtigt sei, den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu jedem Monatsletzten aufzukündigen. Zu Recht verweise die Beklagte aber auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin, der es bei gebotener Aufmerksamkeit wohl möglich gewesen wäre, nach Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft m.b.H. mangels kostendeckenden Vermögens (Veröffentlichung in der Wiener Zeitung), spätestens aber ab Einstellung der Zahlung der Leasingraten im Jänner 1982 die Leasingverträge mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Ein solches Vorgehen wäre um so mehr angezeigt gewesen, als es bereits früher Schwierigkeiten bei der Zahlung von Leasingraten gegeben habe. Die klagende Partei müsse sich daher unter Umständen ein (im Zweifel gleichteiliges) Mitverschulden an dem eingetretenen Schaden gemäß § 1304 ABGB anrechnen lassen. Zu Recht verweise die Berufung auch darauf, daß zur Bestimmung der Schadenshöhe die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen. Der Schaden, der von der Beklagten verschuldet worden sei, sei nämlich keineswegs identisch mit dem aus den Leasingverträgen gegen die Gesellschaft m. b.H. bestehenden Ansprüchen, sondern sei nach der Differenzmethode zu ermitteln. Der zu ersetzende Schaden bestehe daher in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis tatsächlich vorhandenen Vermögensstand. Dies erfordere im vorliegenden Fall die Berücksichtigung des Umstandes, daß selbst bei sofortiger Aufkündigung der Leasing-Verträge durch die Beklagte nach Einstellung der Zahlung der Leasingraten die Aufkündigung erst zum Monatsletzten des auf die Aufkündigung folgenden Monats rechtswirksam geworden wäre und daß selbst dann die Gesellschaft m. b.H. nach Punkt 4.2 der Leasingverträge zur Zahlung der Hälfte bzw. eines Viertels des gesamten noch aushaftenden Entgelts als Entschädigung verpflichtet gewesen wäre. Durch die Unterlassung der rechtzeitigen Kündigung der Verträge sei der klagenden Partei daher nur insoweit ein Schaden entstanden, als ihre Entgeltansprüche über ihre Entschädigungsansprüche nach Punkt 4. der Leasingverträge hinausgingen. Da das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, die für die Beurteilung der Höhe des Entschädigungsbetrages und der Höhe der von der Gesellschaft m.b.H. jedenfalls noch zu zahlenden Leasingraten notwendig erscheinen, sei das Ersturteil aufzuheben. Die Berechnung des Schadens der Klägerin nach der Differenzmethode zeige aber auf, daß die von der Klägerin weiters geforderten Beträge für Abmeldung, Intervention und Abschleppen auch ohne das fahrlässige Verhalten der Beklagten aufgelaufen wären und daher keinen Schaden der Klägerin darstellen. Bezüglich der geltend gemachten Reparaturkosten fehle es an einer Behauptung bzw. an einem Nachweis, daß diese durch ein Verschulden der Beklagten entstanden seien, zumal keineswegs feststehe, daß dieser Schaden erst nach dem Zeitpunkt eingetreten sei, an dem die Beklagte als Geschäftsführerin der Gesellschaft m.b.H. verpflichtet gewesen wäre, die Leasingverträge aufzukündigen.
Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Aus Anlaß des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß hat der Oberste Gerichtshof die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung zu überprüfen (SZ 48/136 u.v.a.). Obwohl die Beklagte den Beschluß des Berufungsgerichtes nicht bekämpfte (in der Rekursbeantwortung bestreitet sie allerdings ihre Haftung dem Grunde nach), ist daher zunächst zu prüfen, ob die Beklagte von der Klägerin überhaupt zur Haftung herangezogen werden kann.
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß eine Anwendung der Vorschrift des § 1298 ABGB nicht in Betracht kommt, weil nicht die Beklagte, sondern die Gesellschaft m.b.H. Vertragspartner der Klägerin war. Im Sinne der neuen Rechtsprechung und Lehre kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. bei Verletzung eines dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger dienenden Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB von den Gläubigern der Gesellschaft zur Haftung herangezogen werden (Doralt, Unbeschränkte Haftungen bei Insolvenz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, GesRZ 1982, 88 f. mwN, SZ 42/104, GesRZ 1981, 111 u.a., zuletzt 8 Ob 82/83). Als Schutzgesetz kommt insbesondere die vom Berufungsgericht herangezogene Vorschrift des § 159 Abs 1 Z 2 StGB in Betracht. Das Vergehen nach dieser Gesetzesstelle begeht derjenige, der in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert, insbesondere dadurch, daß er eine neue Schuld eingeht, eine Schuld zahlt, ein Pfand bestellt oder die Geschäftsaufsicht, das Ausgleichsverfahren oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragt. Gemäß den §§ 161 Abs 1, 309 StGB steht dem Schuldner ein Geschäftsführer gleich. Dadurch, daß die Beklagte die Leasingverträge nicht zur Auflösung brachte, ging sie zwar keine neuen Schuldverhältnisse ein (denn diese waren bereits durch den Abschluß der Leasingverträge entstanden; lediglich die Fälligkeit der einzelnen Leasingraten trat erst später ein), die Aufzählung der Tathandlungen in § 159 Abs 1 Z 2 StGB ist jedoch nur eine demonstrative. Das Verhalten der Beklagten im konkreten Fall ist den im Gesetz beispielsweise aufgezählten Handlungen aus folgenden Gründen gleichzusetzen:
Kommt der Schuldner (bzw. Geschäftsführer) seiner in den Bestimmungen des § 159 Abs 1 Z 2 StGB sowie § 85 GmbHG normierten Verpflichtung, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen, nach, dann wird ihm kaum vorgeworfen werden können, ein Dauerschuldverhältnis nicht noch vorher zur Auflösung gebracht zu haben. Die Wirkungen der Konkurseröffnung auf das Rechtsverhältnis sind in den §§ 21 ff KO geregelt; es liegt beim Masseverwalter, entsprechende Erklärungen abzugeben. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keinen Konkursantrag gestellt, es kann ihr aber nicht vorgeworfen werden, dies unterlassen zu haben, weil ein (offenbar von einem Gläubiger gestellter) Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden war. Dadurch konnten die Wirkungen einer Konkurseröffnung auf das Rechtsverhältnis nicht eintreten, das Dauerschuldverhältnis blieb uneingeschränkt aufrecht, obwohl die Gesellschaft m.b.H. zahlungsunfähig war und ihre Verpflichtungen aus den Leasingverträgen gegenüber der Klägerin nicht erfüllen konnte. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen aus den Leasingverträgen - nämlich die Zurverfügungstellung der PKW - weiter, ohne ab Februar 1982 eine Gegenleistung zu erhalten. Die Beklagte hätte daher die Leasingverträge auflösen müssen. Dadurch, daß sie dies nicht getan hat und die Fahrzeuge nicht zurückstellte, wurde die Befriedigung der Klägerin vereitelt, weshalb grundsätzlich eine Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin besteht.
Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin keinen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hatte. Die Haftung ergibt sich aus der Organfunktion, die die Verpflichtung der vom Gesetz auferlegten Obliegenheiten zur Folge hat (13 Os 195/83).
Den Ausführungen im Rekurs zur Frage eines Mitverschuldens der Klägerin ist entgegenzuhalten, daß es ihr als Kaufmann, der Leasingverträge abschließt, zumutbar ist, die Veröffentlichungen in der Wiener Zeitung über Konkurse zu verfolgen. Daß sie dies nicht getan hat, kann als Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern angesehen werden, die die Annahme eines Mitverschuldens rechtfertigen kann. Der Klägerin ist zwar zuzubilligen, daß sie nach Einstellung der Zahlungen zunächst mahnte und erst dann die Rückstellung der Fahrzeuge anstrebte. Der Umstand, daß die Klägerin nach Erfolglosigkeit von Mahnungen zu lange mit der Rückholung der Fahrzeuge zuwartete, könnte aber ebenfalls ein Mitverschulden begründen, doch reichen die Feststellungen nicht aus, um schon jetzt den Grad des Mitverschuldens beurteilen zu können. Es bedarf insbesondere einer Klärung, wann die Klägerin mahnte, ob und welche Reaktion auf die Mahnung erfolgte und aus welchen Gründen die Rückstellung der Fahrzeuge erst im September 1982 erreicht wurde. Verfehlt sind die Rekursausführungen zur Höhe des Anspruches. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, ist der Schaden nach der Differenzmethode zu berechnen. Es kommt also nicht darauf an, welche Leistungen die Leasingnehmerin auf Grund der Leasingverträge zu erbringen gehabt hätte, sondern, wie die Vermögenslage der Klägerin wäre, hätte die Beklagte pflichtgemäß gehandelt. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit und Vermögenslosigkeit der Gesellschaft m.b.H. kann nicht angenommen werden, daß die Klägerin bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten über den 31.Dezember 1982 hinaus Zahlungen erhalten hätte. Allerdings wären, hätte die Beklagte die Verträge aufgekündigt, die Fahrzeuge früher an die Beklagte zurückgestellt worden. Da die Zahlungsunfähigkeit bereits am 7.April 1981 bestand, hätte die Klägerin bereits damals die Verträge zur Auflösung bringen müssen, sie durfte sich nicht darauf verlassen, daß Peter de C, der die Fahrzeuge benützte, die Leasingraten weiter zahlen werde. Die Fahrzeuge hätten daher bereits im Februar 1982 zurückgestellt sein müssen. Die Beklagte haftet daher (abgesehen von einem sich aus dem ergänzenden Verfahren allenfalls ergebenden Mitverschulden der Klägerin) für den Schaden, der der Klägerin dadurch entstand, daß die Fahrzeuge statt am 31. Jänner 1982 erst im September 1982 zurückgestellt wurden. Diesen Schaden hat die Klägerin zu behaupten und zu beweisen. Eine Haftung für Schäden, die unabhängig von der verspäteten Rückstellung der Fahrzeuge eintraten, besteht nicht.
Aus diesen Gründen bedarf es einer Verfahrensergänzung in erster Instanz, weshalb dem gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes gerichteten Rekurs ein Erfolg zu versagen war. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E07231European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00664.85.1217.000Dokumentnummer
JJT_19851217_OGH0002_0020OB00664_8500000_000