TE OGH 1985/12/18 8Ob641/85

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Veröffentlicht am 18.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Vormundschaftssache der mj.Andrea G***, geboren am 26.6.1974, infolge Revisionsrekurses der Vormünderin Ingrid G***, Kindergärtnerin, Schelleingasse 9-11/10/17, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Heinrich Gusenbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 12. September 1985, GZ. 43 R 627/85-60, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1.August 1985, GZ. 3 P 194/74-55, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Jörg R***, der außereheliche Vater der mj.Andrea G***, war zuletzt ab 1.1.1982 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.050,-- für seine Tochter verpflichtet (ON 33).

Mit einem am 3.7.1984 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz stellte die Vormünderin den Antrag, die dem Vater obliegende Unterhaltsleistung ab 1.7.1984 auf monatlich S 3.000,-- zu erhöhen (ON 35).

In einem mit 21.11.1984 datierten und am 30.11.1984 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erklärte die Vormünderin, sie dehne das Unterhaltsbegehren für ihre Tochter "mit Wirkung vom heutigen Tage auf einen Unterhaltssatz von 15 % des jeweiligen Nettoeinkommens des Vaters (also auch von den Sonderzahlungen) zuzüglich Kinderzulage von derzeit S 660,-- monatlich" aus. Sie verlange nunmehr die Festsetzung des vom Vater zu bezahlenden Unterhaltsbetrages in Form eines Bruchteilstitels, damit sie nicht jedes Jahr neuerlich um Unterhaltserhöhung ansuchen müsse (ON 43). In einem weiteren mit 31.5.1985 datierten und am 4.6.1985 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erklärte die Vormünderin schließlich, sie ändere mit Wirkung ab 1.6.1985 das Unterhaltsbegehren für ihre Tochter dahin ab, daß anstelle des bisher verlangten monatlichen Betrages von S 3.000,--, der für die Vergangenheit weiter aufrecht bleibe, der Vater ab Juni 1985 "die von ihm bezogene Kinderbeihilfe in voller Höhe und vom restlichen Nettoarbeitseinkommen einen Prozentsatz von 16,6 %" an Unterhalt für die mj.Andrea zu zahlen habe (ON 52).

Der Vater erklärte sich mit einer Erhöhung der ihm obliegenden monatlichen Unterhaltsleistung auf S 2.735,-- einverstanden, beantragte aber im übrigen die Abweisung des Erhöhungsantrages der Vormünderin (ON 45).

Das Erstgericht erhöhte die dem Vater obliegende monatliche Unterhaltsleistung ab 3.7.1984 auf S 3.000,-- und wies das Mehrbegehren der Vormünderin "auf Zuerkennung eines monatlichen Unterhaltssatzes von 15 % des jeweiligen Nettoeinkommens des Vaters zuzüglich der Kinderzulage von derzeit S 660,-- monatlich" ab. Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß sich die mj.Andrea in Pflege und Erziehung ihrer Mutter und Vormünderin Ingrid G*** befindet, die ein monatliches Nettoeinkommen von S 9.600,-- zuzüglich der Familienbeihilfe bezieht. Der Vater hat außer für dieses Kind noch für seine einkommenslose Ehegattin zu sorgen. Er bezieht ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 18.301,--.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die dem Vater auferlegte Unterhaltsleistung den Lebensverhältnissen der Eltern und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters entspreche. Die Familienzulage stelle im Gegensatz zur Familienbeihilfe einen Gehaltsbestandteil dar. Ein Anspruch auf Schaffung eines Bruchteilstitels sei nicht gesetzlich verankert.

Den gegen diese Entscheidung gerichteten Rekursen der Vormünderin und des Vaters gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge.

Zum Rekurs der Vormünderin führte es im wesentlichen aus, es sei zwar zuzugestehen, daß die Festsetzung des Unterhaltes in Form eines Prozentsatzes auch Vorteile mit sich bringen könne, doch lasse dem gegenüber ein Fixbetragstitel den zur Verfügung stehenden Unterhaltsfonds sofort deutlich erkennen; er ermögliche es daher beiden Teilen, bestimmte Kosten für die Zukunft besser einzuplanen. Dem Umstand, daß bei fortschreitender Geldentwertung oder bei etwaigen Gehaltserhöhungen auf Seiten des Unterhaltspflichtigen Abänderungsanträge die Folge seien - wobei allerdings zu bezweifeln sei, daß bereits jährlich allein dadurch so wesentliche Veränderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen angenommen werden könnten, daß sie eine Unterhaltsneubemessung rechtfertigten -, komme wenig praktische Bedeutung zu, da auch der Prozenttitel keinesfalls alle Abänderungsmöglichkeiten umfasse. Im Gegenteil erscheine die Festsetzung des Unterhaltes in Form eines Prozentsatzes schon aus dem Grund nicht zweckmäßig, weil der sich daraus möglicherweise ergebende Vorteil einer Verringerung von Unterhaltsanträgen bei weitem durch Schwierigkeiten bei der zwangsweisen Hereinbringung des Unterhaltes und dem damit verbundenen Verfahrensaufwand übertroffen werde. Grundsätzlich sei daher die Schaffung von Fixbetragstiteln vorzuziehen. Gerade im vorliegenden Fall ergäben sich bei der Realisierung eines Prozentsatztitels erhebliche Schwierigkeiten, da - wie sich aus dem Akteninhalt ergebe - beide Rekurswerber nicht im Klaren seien, welche Einkommensbestandteile in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen oder aus dieser ganz oder teilweise auszuscheiden wären. In diesem Zusammenhang erweise sich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß die vom Dienstgeber ausbezahlte Familienzulage im Gegensatz zur staatlichen Familienbeihilfe Gehaltsbestandteil sei, als zutreffend. Da überdies vom Unterhaltspflichtigen krankheitsbedingte Mehraufwendungen seiner Ehegattin als Abzug von der Unterhaltsbemessungsgrundlage geltend gemacht würden, könne nicht gesagt werden, daß die Realisierung eines Prozenttitels angesichts der sich allenfalls ergebenden Schwierigkeiten bei der Errechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage von vornherein vorteilhafter für das Kind wäre.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Vormünderin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der mj.Andrea ab 1.6.1985 ein Unterhalt von 17 % des jeweiligen Arbeitsnettoeinkommens ihres außerehelichen Vaters zuerkannt werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.

Vorwegzunehmen ist, daß der Rechtsmittelantrag der Vormünderin, soweit er über das in erster Instanz gestellte Erhöhungsbegehren hinausgeht, verfehlt ist, weil im Rechtsmittelverfahren nur die Richtigkeit getroffener Entscheidungen zu überprüfen, nicht aber über gegenüber dem Verfahren in erster Intanz erweiterte Sachanträge abzusprechen ist.

Die Vormünderin macht in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen geltend, daß bei ihrer Meinung nach richtiger rechtlicher Beurteilung im Interesse ihres Kindes kein Fixbetragstitel, sondern ein Bruchteilstitel im Sinne des § 10 a EO zu schaffen gewesen wäre. Die Frage, ob das Ausmaß des zu leistenden Unterhaltes in Bruchteilen des Arbeitseinkommens des Unterhaltsschuldners (§ 10 a EO) oder mit einem bestimmten Betrag (entsprechend dem § 7 Abs1 EO) festgesetzt werden kann, ist eine verfahrensrechtliche Frage, die nicht zum Komplex der Unterhaltsbemessung im Sinne des § 14 Abs2 AußStrG gehört. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Rechtsmittelbeschränkung steht daher der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels nicht entgegen.

Gemäß § 16 Abs1 AußStrG findet aber gegen bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt. Die Vormünderin macht den Rechtsmittelgrund der "offenbaren Rechtswidrigkeit" geltend; sie meint damit sichtlich die offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs1 AußStrG. Darunter fallen nach ständiger Rechtsprechung nur materiellrechtliche Verstöße, nicht aber Verstöße gegen Verfahrensvorschriften

(EFSlg 37.883 uva.). Offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (EFSlg 44.642 uva.).

Daß im vorliegenden Fall die Schaffung eines Bruchteilstitels im Sinne des § 10 a EO möglich wäre, unterliegt keinem Zweifel. Eine ausdrückliche materiellrechtliche Gesetzesbestimmung, die anordnet, daß bei der Unterhaltsfestsetzung unter bestimmten Voraussetzungen ein Bruchteilstitel geschaffen werden müßte, existiert aber nicht. Es mag durchaus zutreffen, daß unter Umständen die Schaffung eines Bruchteilstitels als zweckmäßig anzusehen ist, um wiederholte Abänderungsanträge im Titelverfahren zu vermeiden (vgl.EFSlg 28.419; EFSlg 42.721 ua.). Unter dem Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs1 AußStrG kann aber nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, daß zweckmäßigerweise eine andere Entscheidung zu treffen gewesen wäre, sondern nur, daß die getroffene Entscheidung einer ausdrücklichen materiellrechtlichen Gesetzesbestimmung zuwiderläuft. Derartiges vermag die Vormünderin mit ihrem Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.

In der Rechtsprechung wurde gelegentlich die gänzliche Mißachtung des Wohles des Pflegebefohlenen einem Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität gleichgesetzt (EFSlg 35.061 ua.). Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Das Rekursgericht hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Wohl des Kindes besser durch die Schaffung eines Fixbetragstitels oder eines Bruchteilstitels entsprochen wird und hat der ersten Lösungsmöglichkeit den Vorzug gegeben. Im Rahmen der Entscheidung über einen außerordentlichen Revisionsrekurs im Sinne des § 16 Abs1 AußStrG ist die sachliche Richtigkeit dieser Lösung nicht überprüfbar. Das Vorliegen eines in dieser Gesetzesstelle normierten Rechtsmittelgrundes wird im Rechtsmittel der Vormünderin nicht aufgezeigt.

Dieser Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E07369

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00641.85.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19851218_OGH0002_0080OB00641_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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