TE OGH 1985/12/18 3Ob106/85 (3Ob107/85)

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Veröffentlicht am 18.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache und Exekutionssache der klagenden Partei und betreibenden Partei A. A Kaufhaus-Aktiengesellschaft, 1070 Wien, Mariahilferstraße 38-48, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und verpflichtete Partei Dieter B, Kaufmann, 1030 Wien, Seidlgasse 28/3, in der Rechtssache, nicht aber in der Exekutionssache, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer, Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung bzw. zwangsweiser Räumung eines Standplatzes, 1) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 9.Jänner 1985, GZ 41 R 1035/84-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.August 1984, GZ 48 C 212/84-9, bestätigt wurde, und 2) infolge Revisionsrekurses der klagenden und betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30.April 1985, GZ 41 R 364-366/85-33, womit infolge Rekurses der beklagten und verpflichteten Partei und des Kurators Dr. Werner Sporn gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.März 1985, GZ 48 C 212/84-17, und vom 20.März 1985, GZ 48 C 212/84-21, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

I. 1.) Der Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz ON 33 Punkt 1 (Behebung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 17 auf Zurückweisung einer Revision) wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

2.) Die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ON 14 (Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes ON 9) wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.309,75 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 257,50 S Umsatzsteuer und 480,- S Barauslagen) zu ersetzen.

II. Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz ON 33 Punkt 2 erster Teil (Änderung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 21 auf Bestellung eines Kurators) wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei hatte der beklagten Partei einen Standplatz an der Straßenfront ihres in Wien, Kärntnerstraße 19 betriebenes Warenhauses zur Verfügung gestellt. Streit herrscht darüber, ob der beklagten Partei noch das Recht zur Benützung des Standplatzes zusteht oder nicht.

Von Bedeutung für die vorliegende Rechtssache ist vor allem der Rechtsstreit 47 C 234/80 des Erstgerichtes: Die klagende Partei begehrte in dieser Rechtssache die Feststellung, daß dem Beklagten am strittigen Standplatz keine Mietrechte oder sonstige Benützungsrechte zustünden. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 28.11.1983 wurde dieser Klage stattgegeben. Mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 25.4.1984 wurde das Urteil des Berufungsgerichtes bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S nicht übersteige. Die beklagte Partei erhob trotzdem eine Revision, in der sie bezüglich zur Zulässigkeit derselben geltend macht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung sei gesetzwidrig und daher für das Revisionsgericht nicht bindend. Diese Revision wurde vom Berufungsgericht als unzulässig zurückgewiesen. Infolge eines Rekurses der beklagten Partei hob jedoch der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 17.1.1985, 7 Ob 695/84, diesen Zurückweisungsbeschluß auf und trug die Vorlage der Revision auf. In diesem Beschluß vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß der Streitwert in Anwendung des § 58 Abs2 JN ausgehend von einem täglichen Bestandzins von 1.000 S und einer zumindest von der beklagten Partei geltend gemachten unbestimmten Dauer mehr als 300.000 S betrage.

Am 6.4.1984 machte die klagende Partei die vorliegende Rechtssache anhängig, in der sie die Räumung des Standplatzes mit der Begründung begehrt, die beklagte Partei benütze infolge eines von ihr erfolgreich geführten Besitzstörungsstreites seit 19.1.1984 wiederum den strittigen Standplatz ohne Rechtstitel. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und machte, wie schon im Rechtsstreit 47 C 234/80, ein Mietverhältnis geltend. Die beklagte Partei wendete weiters ein, der Rechtsstreit 47 C 234/80 sei noch nicht rechtskräftig beendet.

Mit Urteil vom 28.8.1984 (ON 9) gab das Erstgericht der Räumungsklage mit der Begründung statt, das zu 47 C 234/80 ergangene Urteil vom 28.11.1983 sei inzwischen in Rechtskraft erwachsen, woraus sich zwingend auch die Sachfälligkeit der beklagten Partei in der vorliegenden Rechtssache ergebe.

Mit Urteil vom 9.1.1985 (ON 14) bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S nicht übersteige.

Mit Beschluß vom 5.3.1985 wies das Erstgericht eine von der beklagten Partei gegen das Urteil ON 14 eingebrachte Revision als unzulässig zurück (Beschluß ON 17).

Noch vor Ablauf der Frist zur Einbringung einer allenfalls ungeachtet des Ausspruches des Berufungsgerichtes doch offenstehenden Revision hatte die klagende Partei die Bewilligung der Exekution durch zwangsweise Räumung des Standplatzes beantragt. Das Erstgericht bewilligte die Exekution mit Beschluß vom 15.2.1985 (ON 16). Weil dieser Beschluß dem Verpflichteten laut Postfehlbericht (ON 18) nicht zugestellt werden konnte, weil er "derzeit auswärts" sei, bestellte das Erstgericht mit Beschluß vom 20.3.1985 über Antrag der klagenden und betreibenden Partei Rechtsanwalt Dr. Werner Sporn zum Kurator des Beklagten und Verpflichteten (Beschluß ON 21). Dem Kurator wurde in der Folge die Exekutionsbewilligung ON 16 zugestellt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Rechtsanwalt Dr. Werner Sporn einer der Vertreter der beklagten Partei im angeführten Räumungsprozeß war. Gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß ON 16 erhob Rechtsanwalt Dr. Werner Sporn als bestellter Kurator für den Verpflichteten den Rekurs ON 24.

Gegen den Zurückweisungsbeschluß ON 17 erhob die beklagte Partei den Rekurs ON 23.

Gegen den Kuratorbestellungsbeschluß ON 21 erhob Rechtsanwalt Dr. Werner Sporn als bestellter Kurator einerseits einen Rekurs für den Verpflichteten (Rekurs ON 25) und andererseits einen Rekurs im eigenen Namen (Rekurs ON 26).

Das Gericht zweiter Instanz wies die Rekurse des Verpflichteten (nämlich einerseits den Rekurs ON 24 gegen die Exekutionsbewilligung) und anderseits den Rekurs ON 25 gegen die Kuratorbestellung mit der Begründung als unzulässig zurück, dem zu Unrecht bestellten Kurator käme keine Vertretungsbefugnis für den Verpflichteten zu (Punkt 2 zweiter Teil und Punkt 3 des Beschlusses ON 33). In diesem Umfange erwuchs der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz in Rechtskraft.

Dem Rekurs des Kurators ON 26 gegen den Kuratorbestellungsbeschluß gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag der betreibenden Partei auf Bestellung eines Kurators abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige (Punkt 2 erster Teil des Beschlusses ON 33).

Dem Rekurs der beklagten Partei ON 23 gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Revision gab das Gericht zweiter Instanz ebenfalls Folge; es hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Vorlage der Revision auf. Auch hinsichtlich dieses Beschlusses sprach das Gericht zweiter Instanz aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige (Punkt 1 des Beschlusses ON 33).

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, soweit den Rekursen ON 23 und 26 stattgegeben wurde, erhob die klagende und betreibende Partei einen Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß die Beschlüsse des Erstgerichtes ON 17 und ON 21 wiederhergestellt werden.

Neben diesem Revisionsrekurs der klagenden und betreibenden Partei wurde dem Obersten Gerichtshof auch die oben erwähnte Revision der beklagten Partei, zu der die klagende Partei eine Revisionsbeantwortung erstattete, vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision (und ihrer Zulässigkeit):

Wenn das Prozeßgericht erster Instanz die Revision als zulässig behandelt, können gemäß § 507 Abs1 ZPO Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Revision nicht durch Rekurs sondern nur in der Revisionsbeantwortung geltend gemacht werden. Dies gilt auch,wenn erst das Gericht zweiter Instanz infolge eines Rekurses gegen einen Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes die Vorlage der Revision anordnet. Der Rekurs der klagenden Partei gegen Punkt 1 der Entscheidung zweiter Instanz ON 33 war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu der richtig auch in der Revisionsbeantwortung geltend gemachten Unzulässigkeit der Revision ist folgendes auszuführen:

§ 58 Abs1 JN gibt nur Richtlinien, was als Wert eines Rechtes anzunehmen ist. § 58 Abs2 JN regelt in Ergänzung dazu, welcher Betrag als Wert eines Bestandrechtes zu Grunde zu legen ist. Daraus folgt jedoch nicht, daß schlechthin jeder im Zusammenhang mit einem Bestandverhältnis entstehende Rechtsstreit der zwingenden Bewertungsregel des § 58 Abs2 JN unterliegt. Die Bewertung nach § 58 JN findet nur statt, wenn es sich um Streitigkeiten über das Recht bzw. über Streitigkeiten über den Bestand eines Pacht- oder Mietverhältnisses handelt (Fasching Kommentar I 357, 358). Ist, wie im vorliegenden Fall, entgegen der Darstellung in der Revision gerade nicht zugleich mit der Entscheidung über die Räumungsklage auch über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandverhältnisses zu entscheiden, sondern besteht der Gegenstand des Rechtsstreites ausdrücklich nur im Räumungsbegehren (weil über das Nichtbestehen des Mietverhältnisses ein gesonderter Rechtsstreit anhängig ist, in dem das dort ursprünglich verbundene Räumungsbegehren rechtskräftig abgewiesen wurde, weil sich die beklagte Partei vorübergehend nicht mehr im Besitz des allfälligen Mietgegenstandes befand, während sie sich nunmehr infolge erfolgreicher Durchführung eines Besitzstörungsstreits wieder in den Besitz der strittigen Grundfläche setzen konnte), kann daher im vorliegenden Fall § 58 JN nicht angewendet werden. Ein ausschließlich und ausdrücklich getrennt geltend gemachter Räumungsanspruch ist kein Anspruch auf wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 58 Abs1 JN, sondern ein Anspruch auf eine einmalige Leistung. Und diese Leistung ist auch in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung mit den Gesamtrechten aus einem allenfalls bestehenden Mietverhältnis nicht gleichzusetzen. Denn wenn einmal in einem anderen Prozeß festgestellt wurde, daß kein Mietverhältnis besteht, dann liegt die grundsätzliche Räumungsverpflichtung auf der Hand und es kann sich zB nur mehr um die Räumungsfrist oder ähnliches handeln. Wenn im Parallelprozeß festgestellt würde, daß ein Mietverhältnis besteht, ist das Räumungsbegehren ohnedies unberechtigt. Auf ein derart ausdrücklich isoliert geltend gemachtes Räumungsbegehren sind daher die Bestimmungen des § 58 auch nicht sinngemäß anzuwenden (vgl. dazu JBl1980, 103; MietSlg.18.677).

Daraus ergibt sich, daß die vom Obersten Gerichtshof im Parallelprozeß angestellten Überlegungen über die Überprüfbarkeit des Ausspruches des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes in diesem Rechtsstreit nicht anzustellen sind. Sondern in diesem Rechtsstreit konnte der Kläger frei bewerten (§§ 59, 56 Abs2 JN), wobei aber das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs3 ZPO an diese Bewertung nicht gebunden war. In einem solchen Fall ist aber jedenfalls der Ausspruch, der Streitgegenstand übersteige nicht 60.000 S, auch für das Revisionsgericht bindend, weil keine Verletzung von Bewertungsrichtlinien erkennbar ist (JBl1982, 157; JBl1985, 113 ua).

Damit erweist sich aber die Revision als gemäß § 502 Abs3 ZPO unzulässig, weshalb sie zurückzuweisen war.

Dieses aus prozeßökonomischer Sicht vielleicht nicht allzu sinnvolle Ergebnis, daß ein Urteil in Rechtskraft erwachsen könnte, das sofort der Anfechtung im Wege einer Wiederaufnahmsklage unterliegen würde, sollte der Parallelprozeß zum Nachteil der klagenden Partei enden, muß hingenommen werden, kann aber nichts an der Verschiedenheit des Wertes des Streitgegenstandes beider Prozesse ändern. Inzwischen hat aber ohnedies der Senat 7 im Rechtsstreit 47 C 234/80 zu 7 Ob 562/85 (Urteil vom 7.11.1985) dahin entschieden, daß kein Mietverhältnis besteht, so daß diesen Überlegungen im vorliegenden Fall ohnedies keine Bedeutung mehr zukommt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

II. Zur Kuratorbestellung:

Die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO, welche Bestimmung gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwenden ist, setzt voraus, daß der Antragsteller (Prozeßgegner) glaubhaft macht, daß die Person, an welche die Zustellung zu erfolgen hat, unbekannten Aufenthaltes sei. Von einem unbekannten Aufenthalt kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn dem Antragsteller der Aufenthalt seines Prozeßgegners unbekannt ist, sondern der Aufenthalt muß auch dem Personenkreis unbekannt sein, der üblicherweise davon Kenntnis hat. Vom Antragsteller sind in diesem Zusammenhang zwar nicht gerade sehr umfangreiche Erhebungen, wohl aber zumutbare Nachforschungen bei diesem erwähnten Personenkreis zu fordern. Im vorliegenden Fall wäre es zB naheliegend, den Aufenthaltsort der verpflichteten Partei bei denjenigen Personen zu erfragen, welche den zu räumenden Standplatz für die verpflichtete Partei tatsächlich betreuen. Die betreibende Partei hat aber in ihrem Antrag auf Bestellung eines Kurators in dieser Richtung überhaupt keine Bescheinigung erbracht. Eine ohne Bescheinigung des unbekannten Aufenthaltes vorgenommene Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO ist aber gesetzwidrig (SZ 25/10, JBl1955, 477, SZ 38/45, JBl1980, 267, MietSlg.35.758). Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist daher zutreffend, weshalb dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei nicht Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78 EO, 50, 40 ZPO.

Anmerkung

E07255

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00106.85.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19851218_OGH0002_0030OB00106_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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