Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Eheangelegenheit der geschiedenen Eheleute Erhard A, Gärtnergeselle, Dr. Theodor Körner Straße 14, 3100 St.Pölten, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, und Martha A, im Haushalt, Trautsonstraße 12/3, 3100 St.Pölten, vertreten durch Dr. Alfred Lukesch, Dr. Eduard Pranz und Dr. Oswin Lukesch, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Rekurses der Frau gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 4.September 1985, GZ R 261/85-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 9.April 1985, GZ 2 F 4/83-23, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof und der Rekursbeantwortung sind weitere Kosten dieses Verfahrens.
Text
Begründung:
Die Parteien haben am 9.Juni 1966 die Ehe geschlossen. Die vier gemeinsamen Kinder Astrid, geboren am 29.November 1966, Roland, geboren am 5.April 1968, Claudia, geboren am 4.Dezember 1969, und Martina, geboren am 29.April 1971, wurden von der Frau gepflegt und erzogen, die auch den gemeinsamen Haushalt der Eheleute in der Wohnung in St.Pölten, Trautsongasse 12/3, führte, bis der Mann im November 1976 die Ehewohnung verließ und auf Dauer gesondert Wohnung nahm.
Am 15.4.1983 erhob der Mann die auf Scheidung der Ehe aus dem Grund des § 55 EheG gerichtete Klage. Mit Urteil vom 27.Juni 1983, GZ 6 Cg 183/83-4, hat das Kreisgericht St.Pölten die Ehe geschieden und ausgesprochen, daß der Mann die Zerrüttung der Ehe verschuldet hat (§ 61 Abs3 EheG). Die Rechtskraft dieses Urteils trat am 6. Juli 1983 ein.
Am 14.7.1983 beantragte der Mann, daß das Gericht über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse entscheide (§ 85 EheG), weil er zwar damit einverstanden sei, daß die der Aufteilung unterworfene Ehewohnung der Frau verbleibe, von ihr aber die angemessene Ausgleichszahlung von S 300.000,-- verlange. Die Frau trat dem Antrag entgegen. Nach den Ergebnissen des Scheidungsprozesses behalte sie ihre Rechtsstellung wie bei aufrechter Ehe. Sie habe keine Einkünfte und müsse vom Unterhalt leben, den der Mann zu leisten habe. Für die Wohnung habe der Mann schon seit 1976 nichts mehr aufgewendet. Sie habe das Wohnungseigentum erst nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft am 17.8.1977 erworben. Dem Mann stehe eine Ausgleichszahlung nicht zu.
Das Erstgericht verpflichtete die Frau, an den Mann eine Ausgleichszahlung von S 120.000,-- in monatlichen Teilbeträgen von S 400,-- ab dem der Rechtskraft des Beschlusses nachfolgenden Monatsersten jeweils am Ersten eines jeden Monats unverzinst zu bezahlen.
Dabei ging das Erstgericht im wesentlichen davon aus, daß als Anzahlung für den Erwerb der Wohnung S 83.100,-- geleistet wurden, davon S 30.000,-- die Mutter der Frau beisteuerte, die weiteren Einzahlungen bis November 1976 vom Mann getätigt wurden, der Alleinverdiener war, während die Frau den Haushalt führte und die Kinder betreute, und daß alle Leistungen seit 1976 allein von der Frau erbracht wurden, der nur der vom Mann zu leistende Unterhalt zur Verfügung stand. Eine Berücksichtigung des Hausrats wurde von den Parteien nicht verlangt. Der Mann will nur die Zuerkennung der Ausgleichszahlung infolge der Belassung der Ehewohnung im Wohnungseigentum der Frau. Derzeit sind für die Tilgung der aushaftenden Darlehen und an Betriebskosten monatlich S 2.600,-- zu leisten. Der Frau ist ein eigener Erwerb nicht zumutbar, weil sie die vier Kinder zu pflegen und zu erziehen hat. Das älteste Kind leidet an Leukämie. Der Mann leistet der Frau S 2.400,-- und den Kindern zusammen S 5.000,-- monatlich an Unterhalt. Der Wert der Eigentumswohnung beträgt mit Berücksichtigung der noch auf den Anteilen haftenden Hypothekardarlehen S 551.000,--. Das Erstgericht setzte die von der Frau an den Mann zu leistende Ausgleichszahlung mit S 120.000,-- fest und ordnete deren Entrichtung in 300 Teilbeträgen (25 Jahre) an, weil vom Schätzwert des mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteiles der von der Mutter der Frau überlassene Betrag von S 30.000,-- und die Zahlung von S 105.000,--, die die Frau allein seit November 1976 bis zur Ehescheidung im Juni 1983 zur Darlehenstilgung aufgewendet habe, in Abzug zu bringen seien und die wirtschaftliche Lage der Frau viel ungünstiger als die des Mannes sei. Sie habe auch seit November 1976 allein die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder besorgt und könne nicht mehr als monatlich S 400,-- aufbringen, ohne die von ihr und den Kindern benötigte Wohnung zu verlieren.
Beide Teile erhoben gegen den erstrichterlichen Beschluß Rekurs; der Mann, weil er die Auferlegung einer Ausgleichszahlung von S 275.000,-- und eine Zahlungsfrist von 14 Tagen und bei einer Stundung eine Wertsicherung und eine Verzinsung mit 12 % (= monatlich S 2.750,-- Zinsen) anstrebte; die Frau, weil es billig sei, von einer Ausgleichszahlung überhaupt abzusehen, zu deren Leistung sie außer Stande sei.
Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde im Aufhebungsbeschluß für zulässig erklärt (§ 232 Abs 1 AußStrG).
Das Rekursgericht meinte, die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes reichten zur abschließenden Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht aus. Die Wohnung, an der nun Wohnungseigentum der Frau bestehe, habe während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft dem Gebrauch der Ehegatten gedient. Sie unterliege daher jedenfalls der Aufteilung (§ 81 Abs2 EheG). Daß das Wohnungseigentum erst nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft der Ehegatten begründet wurde, ändere daran nichts. Die geschiedenen Eheleute seien sich einig, daß dieses einzige während ihrer Ehe auf Dauer angelegte Vermögen der Frau bleiben solle. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, der Frau nach § 94 Abs 1 EheG eine billige Ausgleichszahlung an den Mann aufzuerlegen. Auch die Scheidung der Ehe aus dem Grund des § 55 EheG löse das Eheband. Der in das Scheidungsurteil aufgenommene Ausspruch nach § 61 Abs3 EheG habe nach § 69 Abs2 EheG nur die Wirkung, daß für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung der § 94 ABGB gelte. Die Höhe der von der Frau an den Mann schon deshalb zu leistenden Ausgleichszahlung, weil seine Benachteiligung durch die Belassung der Wohnung durch Zuweisung anderer Vermögenswerte nicht ausgeglichen werden könne, lasse sich vor Feststellung weiterer Tatsachen nicht bestimmen: Es seien bei der Ermittlung des Vermögenswertes der Eigentumswohnung nicht die Anschaffungskosten maßgebend. Bedeutsam sei der Wert zur Zeit der Vermögensauseinandersetzung (EFSlg.41.354/6). Wertschöpfungen, die durch die Tätigkeit eines Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft eintraten, seien in die Aufteilung nicht einzubeziehen, wohl aber müsse berücksichtigt werden, daß ein Eheteil nach der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zu diesem Zeitpunkt vorhandene Schulden abstattete.
Es bedürfe der Feststellung, wann die Ehewohnung beschafft wurde, wer als Wohnungseigentumsbewerber aufgetreten war, worauf die Benützung der Wohnung bis zur Begründung von Wohnungseigentum beruhte, welche Darlehensanteile auf die Wohnung entfielen und welche Veränderungen sich in der Folge bis November 1976 und bis heute ergaben, welche Zahlungen im einzelnen aus wessen Vermögen geleistet wurden, worauf die Mutter der Frau ihren Beitrag von S 30.000,-- widmete und wie die Vermögens- und Einkommenslage des Mannes sich zur Zeit darstellt.
Erst dann werde im Rahmen des nun nur mehr mit S 275.000,-- streitverfangenen Begehrens die zu leistende Ausgleichszahlung bemessen werden können. Eine Stundung der Ausgleichszahlung oder deren Entrichtung in Teilbeträgen werde tunlichst gegen Sicherstellung erfolgen müssen.
Den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz bekämpft die Frau mit ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof.
Der Mann beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Frau ist nicht berechtigt.
Daß bei den festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen oder deshalb, weil ihr Wohnungseigentum erst nach der durch den Mann veranlaßten Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft begründet wurde, die Auferlegung einer Ausgleichszahlung zu unterbleiben habe und daher schon jetzt eine Abänderung der erstrichterlichen Entscheidung in die Abweisung des Aufteilungsantrages des Mannes zu rechtfertigen sei, kann nicht gesagt werden.
Gerade weil es sich bei der als Ehewohnung der Aufteilung unterworfenen Anschaffung eines Vermögensstückes, wie die Anwartschaft auf Wohnungseigentum und das nach Verbücherung begründete Anteilseigentum an einer Liegenschaft um eheliches Gebrauchsvermögen handelt, findet die Aufteilung nach den Grundsätzen des § 83 EheG statt. Kann, weil soweit eine Einigung der Ehegatten vorliegt, daß das während der Ehe begründete Wohnungseigentum der Frau aufrecht bleibt und keine Eigentumsübertragung erfolgen soll, mangels anderer zum Ausgleich zur Zuteilung an den Mann verwendbarer Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse eine den Aufteilungsgrundsätzen des § 83 EheG entsprechende Aufteilung nicht erzielt werden, wird eine billige Ausgleichszahlung grundsätzlich nicht zu verweigern sein. Bei der Beurteilung, wie sehr die Belassung des Wohnungseigentums der Frau eine Verschiebung zu ihren Gunsten bedeutet, ist es, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, erforderlich, im Tatsachenbereich Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu erheben, wobei die Führung des gemeinsamen Haushalts und die Pflege wie Erziehung der gemeinsamen Kinder als der Beschaffung der finanziellen Mittel durch den erwerbstätigen Mann durchaus gleichwertiger Beitrag gewertet werden muß (Schwind, EheR 2 , 322; Pichler in Rummel, EheG, Rdz 4 zu §§ 83,84;
EFSlg.41.383 ua). Nach den Umständen des Einzelfalles kann allerdings die eine Leistung durchaus gewichtiger sein (Schwind aaO;
EFSlg.41.384). Schon deshalb kann nicht darauf verzichtet werden, die Beiträge der Eheleute zur Beschaffung und Erhaltung der Wohnung, an der Wohnungseigentum begründet werden sollte, zu erheben, also auch die Einkünfte des Mannes in dem in Betracht kommenden Zeitraum seit Abschluß der zum Erwerb der Wohnung erforderlichen Vereinbarungen und seit dem Beziehen der Wohnung, die jeweils zu leistenden Zahlungen an den Wohnungseigentumsorganisator und schließlich auch, wie es zu dem Beitrag mit S 30.000,-- durch die Mutter der Frau kam. Solche Leistungen sind nämlich zwar als wertsteigernde Aufwendungen zu berücksichtigen, vom Rechtsgrund und dem Motiv für die Leistung des Dritten hängt es aber ab, ob die Leistung als gemeinsamer Beitrag oder als solcher der Frau zu werten ist (EFSlg.43.778).
Bei der Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung wird das Wohl der Kinder eine bedeutende Rolle spielen (EFSlg.43.771). Es würde aber auch dem Grundsatz der Billigkeit widersprechen, wenn der an der Zerrüttung der Ehe schuldlose Ehegatte infolge der durch das Verhalten des anderen ausgelösten Aufteilung in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt (Schwind, EheR 2 , 321; EFSlg.43.770; EFSlg.41.373). Diese bei der Gestaltung der sich nach der Aufteilung ergebenden Rechtsverhältnisse maßgebenden Erwägungen beeinflussen auch die Ausmessung der hier der Frau aufzuerlegenden Ausgleichszahlung.
Es kann nicht übersehen werden, daß die Frau infolge ihres Wohnungseigentums ein geldwertes Vermögen erlangt hat, zu dessen Beschaffung nach dem bisherigen Sachverhalt der Beitrag beider Eheleute während der aufrechten Ehe und Lebensgemeinschaft geführt hat. Der Richter hat im Rahmen der Billigkeitserwägungen darauf zu achten, daß die Scheidungsfolgen in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (vgl.SZ 55/45; JBl 1981, 429; EFSlg.43.766). Die Modalitäten der Ausgleichszahlung sind so festzulegen, daß der ausgleichspflichtige schuldlose Teil nicht in unzumutbare wirtschaftliche Bedrängnis gerät (EFSlg.41.373).
Dies kann im Einzelfall dazu führen, daß der Eheteil, der durch sein Verhalten die Auflösung der Ehe und damit die Aufteilung des Gebrauchsvermögens veranlaßt hat, sich mit seinem Anspruch auf Leistung der Ausgleichszahlung über das Maß des beiderseitigen Beitrags zur Anschaffung des Gebrauchsvermögens hinaus bescheiden oder einen Aufschub der Fälligkeit seines Anspruchs hinnehmen muß, vor allem, wenn die Durchsetzung seines Verlangens den Verlust der Wohnmöglichkeit des schuldlosen Teils und der gemeinsamen Kinder bedeutet. Es kann nicht billig sein, der Frau den Verkauf des mit Wohnungseigentum verbundenen Anteils an der Liegenschaft zuzumuten, ohne aufzuzeigen, wie sie sonst für sich und die vier Kinder eine entsprechende Wohnung beschaffen könnte.
Es ist nicht zu vermeiden, daß - obwohl die bisher von den Rechtsvertretern der Eheleute verzeichneten Kosten bereits S 100.000,-- übersteigen - vor endgültiger Bestimmung der Höhe der Ausgleichszahlung und der Zahlungsmodalitäten der zu beurteilende Sachverhalt im Sinne der Ausführungen des Rekursgerichtes festgestellt wird. Bei der Überlegung, ob eine Sicherstellung des Berechtigten nach § 94 Abs2 EheG angeordnet wird, ist auch zu prüfen, ob das in COZ 1391/1968 einverleibte Belastungsverbot auf dem Liegenschaftsanteil der Frau aufrecht ist und eine Pfandrechtsbegründung hindert.
Dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß ist nicht stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG. Erst bei endgültiger Entscheidung über den Anspruch kann nach billigem Ermessen die Aufteilung der Kosten auf die Beteiligten vorgenommen werden.
Anmerkung
E07248European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00624.85.1218.000Dokumentnummer
JJT_19851218_OGH0002_0030OB00624_8500000_000