TE OGH 1985/12/18 9Os116/85

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Veröffentlicht am 18.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hansmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A und einen anderen wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Peter A und die Berufung des Angeklagten Reinhard B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.Mai 1985, GZ 1 c Vr 4863/84-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Peter A und demzufolge auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte A auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Reinhard B werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 2.Juni 1961 geborene Peter A und der am 7.Juli 1958 geborene Reinhard B des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 11.Feber 1984 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Engelbert C (s S 149 - im Urteil unrichtig auch "Engelbrecht BRENNER" genannt) durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht vorsätzlich verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich den Verlust mindestens eines Zahnes, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und b sowie 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A gegen diesen Schuldspruch - der in Ansehung des Mitangeklagten Reinhard B nach Zurückziehung der (außer der Berufung) angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde in Rechtskraft erwachsen ist - kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht stützte die Feststellung, der Angeklagte A habe mit Reinhard B "vorsätzlich im gemeinschaftlichen Zusammenwirken Engelbert C mit Faustschlägen attackiert" auf die glaubwürdigen Angaben des Zeugen C in der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der teilweise geständigen Verantwortung der nunmehr Verurteilten", wobei es darauf hinwies, daß das gesamte Beweisverfahren eine einheitliche Handlungsweise der beiden Angeklagten ergeben habe und "diese Ergebnisse des Beweisverfahrens" mit den glaubwürdigen Angaben vor der Sicherheitsbehörde im Einklang stehen. Außerdem führte es noch an, daß der Angeklagte A, der schon vor der Polizei "Aggressionshandlungen sinngemäß zugegeben" habe, auch in der Hauptverhandlung "zugestand, C attackiert zu haben" (vgl S 133, 134).

Mit Recht wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht Begründungsmängel des Urteils (vor allem im Sinn einer Unvollständigkeit, Aktenwidrigkeit und offenbaren Unzulänglichkeit der Entscheidungsgründe) nach dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund mit dem Argument vor, es habe Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, Widersprüche in den Aussagen der vernommenen Personen nicht gewürdigt und ungeklärt gebliebene Umstände teils ohne jede Begründung, teils unter bloßer Verwendung inhaltsleerer Floskeln, wie etwa "auf Grund des Beweisverfahrens hat sich eindeutig ergeben, daß ..." zum Nachteil des Angeklagten ergänzt.

Tatsächlich stützte das Schöffengericht (vgl S 133) seine auch den Schuldspruch des Beschwerdeführers tragenden Feststellungen zunächst auf die Angaben des Engelbert C "in der Hauptverhandlung" (S 116 ff). Dieser Zeugenaussage kann aber lediglich entnommen werden, daß C schon in der Wohnung des Angeklagten B von diesem - wie B auch selbst zugibt (vgl S 107) - eine "Watsche" bekommen habe und daß außerhalb der Wohnung als C mit dem eisernen Fußabstreifer gegen die Wohnungstür geschlagen habe, "zwei auf einmal gekommen" seien und dann die Zähne heraußen gelegen seien, wobei er unter Hinweis auf seine starke Alkoholisierung ("ich war so zu, daß ich nichts weiß") über den Tathergang keine Angaben machen konnte. Aber auch aus den laut Urteil "mit dem Ergebnis des Beweisverfahrens sich deckenden" Angaben des Verletzten vor der Polizei (S 33) geht lediglich hervor, daß C schon damals keine Angaben darüber machen konnte, "wer von den beiden" ihm "die Zähne" ausgeschlagen habe. Demzufolge durfte sich das Schöffengericht bei der Würdigung der Aussage des Zeugen C, wie ferner der übrigen Beweisergebnisse, nicht auf letztlich nichtssagende Leerformeln der eingangs wiedergegebenen Art beschränken; es hätte vielmehr mit mängelfreier Begründung zum Ausdruck bringen müssen, auf Grund welcher (konkreten) Angaben dieses Zeugen es zur Überzeugung von der (Mit-) Täterschaft des Angeklagten A gelangte. Dabei hätte es den Grad der Alkoholisierung des Zeugen C ebenso einer Erörterung unterziehen müssen, wie die Frage, ob C schon in der Wohnung von B - wie dieser behauptet - ein Schlag ins Gesicht versetzt wurde, und ob allenfalls schon durch diese Schlagführung Verletzungsfolgen eingetreten sind.

Gleiches gilt für die (im übrigen stets geständige) Verantwortung des Mitangeklagten B, der jedoch im Gegensatz zu seinen - in der Hauptverhandlung als inhaltlich unrichtig wiedergegeben bezeichneten (vgl S 110) - Angaben vor der Polizei (S 29), wonach C, der sich nicht habe beruhigen lassen, auf ihn losging, woraus ein Raufhandel entstanden und C von A gehalten worden sei, in der Hauptverhandlung hievon abweichend erklärte (S 106 ff), daß A "nichts gemacht" habe und auch "nicht eingeschritten" sei, vielmehr er auf den total betrunken gewesenen C schon in der Wohnung eingeschlagen habe, wo C bereits geblutet habe. Nicht ohne weiteres verständlich ist in diesem Zusammenhang die Urteilspassage, die beiden Angeklagten hätten "sich gegenseitig zu decken versucht". Denn abgesehen davon, daß der Angeklagte B die seinem Schuldspruch zugrundeliegenden Tathandlungen trotz seiner - im Gegensatz zu dem überwiegend wegen Eigentumsdelikten vorbestraften Beschwerdeführer - zahlreichen, die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllenden Vorverurteilungen, nie in Abrede gestellt hat, (vgl S 15, 29 und 106 ff) ist das Erstgericht - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - in aktenwidriger Weise davon ausgegangen (S 134), der Angeklagte A habe in der Hauptverhandlung "zugestanden", C "attackiert zu haben" und habe auch schon vor der Polizei "die Aggressionshandlungen sinngemäß zugegeben". Tatsächlich hat der zur Tatzeit gleichfalls erheblich alkoholisierte (vgl S 17, 19) Beschwerdeführer weder vor der Polizei (S 39) noch in der Hauptverhandlung (S 102 ff) Angaben in diese Richtung gemacht, vielmehr vor der Polizei lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er auf C "irgendwie hinschlagen" wollte, dabei jedoch "die Mauer getroffen" und sich hiedurch "die (eigenen, eine ärztliche Versorgung erfordernden) Verletzungen" (vgl S 17, 19, 39, 114) zugezogen habe, deren Art und tatsächliche Entstehungsursache zudem im Urteil abermals unerörtert blieb.

Gleichfalls nur schablonenhaft (vgl S 134) wird im Ersturteil schließlich die Zeugenaussage des (abgesondert verfolgten) Helmut D erwähnt. Während E vor der Polizei angab (vgl S 35), gesehen zu haben, "wie Peter (A) und Reinhard (B) gemeinsam mit den Fäusten und Füßen auf C hinschlugen und traten", worauf dieser "vier" Zähne ausgespuckt habe, deponierte er demgegenüber in der Hauptverhandlung (vgl S 111 ff), es sei damals alles "im Rausch" gewesen, auch er habe im Rausch mitgestritten, habe sich umgedreht und gesehen, wie C am Boden lag, der so "angesoffen" gewesen sei, daß er auf dem Weg zu seiner (DS) Wohnung mehrmals hingefallen sei. Da der Zeuge D nach Vorhalt des Widerspruchs seiner Angaben vor der Polizei mit jenen in der Hauptverhandlung erklärte (S 113), es könne sein, daß er bei der Vernehmung durch die Polizei, wo alle Beteiligten noch immer betrunken gewesen seien, den Vorfall aus Zorn ein bißchen anders als er sich in Wirklichkeit ereignete dargestellt habe, hätte sich das Erstgericht nicht mit der letztlich auf eine inhaltsleere Scheinbegründung hinauslaufenden Floskel begnügen dürfen, die zur Stützung des Schuldspruchs herangezogenen Angaben der Beteiligten konnten durch die Aussage des Helmut D in der Hauptverhandlung "nicht widerlegt" werden, zumal der unter Bezugnahme auf den "Nachbarschaftskontakt" zwischen dem Angeklagten B und D erfolgte Hinweis, dessen Aussage sei deshalb "natürlich diesbezüglich gefärbt", die Frage des Aussageverhaltens des Zeugen D hinsichtlich des Angeklagten A letztlich offen läßt und auch über die Verläßlichkeit der Polizeiangaben DS im Hinblick auf dessen eigene erhebliche Alkoholisierung (vgl insbesondere S 13) und die auch noch im Wachzimmer trotz mehrmaliger Abmahnungen fortgesetzten verbalen Aggressionen (vgl S 17) keinen Aufschluß gibt. Die damit aufgezeigten, vom Beschwerdeführer zutreffend gerügten und entscheidungswesentlichen Begründungsmängel des Urteils machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz hinsichtlich des Angeklagten Peter A unerläßlich, sodaß in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte A auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Berufung des Angeklagten Reinhard B hingegen war in sinngemäßer Anwendung des (durch § 219 StPO bloß in erster Instanz in seiner Anwendbarkeit begrenzten) § 58 StPO an das (abgesehen vom Zusammentreffen) an sich zuständige Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung abzugeben, weil letztere nur (gesondert) nach einem ausschließlich darüber anzuordnenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung gefällt werden könnte, sodaß die für die Zuständigkeitsregelung in § 296 Abs. 1 StPO maßgebende ratio legis (wegen der vollständigen Erledigung der Rechtsmittel des Angeklagten A schon bei der nichtöffentlichen Beratung) nicht wirksam wird (vgl EvBl 1980/151; 10 Os 2/82, 10 Os 104/81 ua).

Anmerkung

E07181

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00116.85.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19851218_OGH0002_0090OS00116_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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