Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich M*** wegen des Finanzvergehens nach dem § 33 Abs 1 und 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengerichts vom 3.Mai 1985, GZ 10 Vr 2.356/83-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Vertreters des Finanzamtes Baden Dr. Sommer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Steiner zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, soweit der Angeklagte im Rahmen des Anklagefaktums II vom Vorwurf der wissentlichen Verkürzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer im Jahr 1979 von 134.695 S und im Jahr 1980 von 73.983 S gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde, aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin erkannt, daß der Angeklagte auch von diesen beiden Anklagepunkten wegen Unzuständigkeit der Gerichte nach dem § 214 FinStrG freigesprochen wird.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Dezember 1931 geborene Schlossermeister Erich M***, der bis zum Jahr 1975 in seinem Schlossereibetrieb Kinderreitautomaten hergestellt und in der Folge an etwa 50 Orten (Glücksspiel-) Automaten betrieben hatte, von der (im Verlauf des Verfahrens modifizierten [S 48, 56 d A]) Anklage I./ des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs 1 (Abs 3 lit. a) FinStrG, begangen dadurch, daß er unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Nichtverbuchung von Umsätzen und durch unrichtige Steuererklärungen, eine Verkürzung von Abgaben bewirkte, und zwar an Umsatzsteuer in den Jahren 1974, 1975, 1976, 1978, 1979 und 1980 in der Höhe von (der Aufzählung dieser Jahre folgend) 24.688 S, 57.381 S, 111.471 S, 525.510 S, 1,268.671 S und 1,642.556 S, an Gewerbesteuer für die Jahre 1975 und 1976 in der Höhe von 19.412 S bzw. 11.558 S, an Vermögensteuer für 1977 in der Höhe von 800 S sowie an Einkommensteuer für 1976 in der Höhe von 38.568 S und II./ des Finanzvergehens nach dem § 33 Abs 2 lit. a (Abs 3 lit. b) FinStrG, begangen dadurch, daß er unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen gemäß den Anforderungen des § 21 UStG 1972, nämlich durch unrichtige Voranmeldungen, wissentlich Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkte, und zwar für die Jahre 1977, 1978, 1979 und 1980 in der Höhe von (der Aufzählung der Jahre folgend) 107.433 S, 127.113 S, 134.695 S und 73.983 S freigesprochen.
Der Freispruch erging in bezug auf die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in den Jahren 1979 und 1980 in der Höhe von 134.695 S und 73.983 S nach dem § 259 Z 3 StPO, im übrigen aber wegen Unzuständigkeit der Gerichte gemäß dem § 214 FinStrG. Zum Freispruch wegen Unzuständigkeit gelangte das Erstgericht zufolge seiner in freier Beweiswürdigung gewonnenen Überzeugung, daß dem Angeklagten eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung nicht nachgewiesen werden könne. Im übrigen Umfang des Freispruches (§ 259 Z 3 StPO) nahm das Erstgericht den Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige nach dem § 29 FinStrG an.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil lediglich vom Finanzamt Baden als Finanzstrafbehörde erster Instanz erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit. b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als teilweise begründet:
Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) macht die Beschwerdeführerin als Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend, das Erstgericht habe bei der Feststellung, es könne hier - abgesehen von den Gegenstand der Selbstanzeige bildenden Fällen - eine vorsätzliche Abgabenverkürzung nicht nachgewiesen werden, übersehen, daß der Angeklagte in den Umsatzsteuererklärungen, nicht nur die (sogenannten) Freispiele (bei denen es dem Spieler, der ein solches Spiel gewonnen hat, ermöglicht wird, entgeltlos weiterzuspielen), sondern auch die (ausbezahlten oder in Konsumation abgelösten Spiel-) Gewinne nicht erfaßt hätte.
Der Einwand versagt.
Es trifft zwar zu, daß sich das Erstgericht mit der in der Beschwerde relevierten Frage nicht ausdrücklich befaßte. Damit unterlief ihm aber keine Nichtigkeit verwirklichende Unvollständigkeit der Begründung, denn es hielt die finanzbehördlichen Zuschätzungen, die nach Ansicht der Finanzbehörde auf ungedeckten Aufwendungen des Angeklagten für Lebenshaltungskosten beruhen und auch eine Erhöhung der (in den Jahren 1974 bis 1979, nicht aber 1980 erklärten) Einspielergebnisse enthalten (vgl. Bilanzakt: Prüfungsbericht vom 1.März 1982, TZ 6, 10, 12, 13, Blattzahlen 2 bis 5), nicht für eine zur Feststellung der subjektiven Tatseite ausreichende objektive Grundlage (S 131, 134, 135 d A). Damit kam das Schöffengericht seiner Verpflichtung zur Abfassung der Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung ausreichend nach (§§ 258 Abs 2, 270 Abs 2 Z 5 StPO). Einer Einbeziehung des Inhaltes der vom Steuerberater des Angeklagten am 30. April 1981 abgegebenen Umsatzsteuererklärung für 1980 (Blattzahl 16, 17 des Veranlagungsaktes 1980 [= Einkommensteuerakt], enthalten im Veranlagungsakt 1981 unmittelbar vor dessen Blattzahl 1) in die beweiswürdigenden Erwägungen bedurfte es, der Beschwerde zuwider, nicht, weil der Inhalt dieser Steuerklärung nicht zwischen Freispielen und (effektiven) Gewinnspielen differenziert.
Soweit die Beschwerde die Angaben des Angeklagten ins Treffen führt, wonach "früher" Gewinne bar oder in Form von Konsumation ausbezahlt worden seien (S 43 i.V.m. 122 d A), und den Umstand, daß der Angeklagte nicht zugegeben habe, Gewinne in Entgeltaufzeichnungen, Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahressteuererklärungen nicht erfaßt zu haben, als Indiz für die Vorsätzlichkeit der Abgabenverkürzung zu werten sucht, läuft dieses, die Verfahrensergebnisse in einer bestimmten Richtung interpretierende Vorbringen auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes hinaus.
Die Mängelrüge der Finanzstrafbehörde (und Privatbeteiligten) erweist sich sohin teils als nicht begründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Berechtigt ist die Rechtsrüge indes, soweit sie den (im Urteilsspruch und in den Urteilsgründen) auf § 259 Z 3 StPO gestützten Freispruch betrifft:
An sich hätte - was vorweg erwähnt sei - dieser Freispruch selbst bei Zutreffen des vom Erstgericht für gegeben erachteten Strafaufhebungsgrundes, da die Summe der vorsätzlich hinterzogenen Abgabenbeträge von 134.695 S und 73.983 S nicht die Grenze von 500.000 S übersteigt und es sonach gleichermaßen an der (hier allein in Betracht kommenden [vgl. Vorstrafenauskunft Blattzahl 1 der Finanzstrafakten Teil 6/81]) gerichtlichen Kompetenz nach dem § 53 Abs 1 lit. b FinStrG mangelt, ebenfalls wegen Unzuständigkeit der Gerichte ergehen müssen (§ 214 Abs 2 FinStrG). Diesen Nichtigkeitsgrund macht das Finanzamt zwar nicht geltend, doch ist die Beschwerde im Recht, wenn sie im Umfang des gemäß dem § 259 Z 3 StPO gefällten Freispruches den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit.b StPO darin erblickt, daß Feststellungen über die Rechtzeitigkeit der Entrichtung der verkürzten Abgabenbeträge von 134.695 S und 73.983 S fehlen. Gemäß dem § 29 Abs 2 FinStrG tritt durch eine Selbstanzeige Straffreiheit nur dann ein, wenn nicht nur der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung einer Abgabenverkürzung oder eines sonstigen Einnahmeausfalles bedeutsamen Umstände offengelegt, sondern darüber hinaus auch die sich daraus ergebenden Beträge, die der (Selbst-) Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend - in der Regel also bei Fälligkeit - entrichtet wurden. Handelt es sich, wie vorliegend bei den verkürzten Umsatzsteuervorauszahlungen (mit Ausnahme jener für Dezember 1980, für welche die Frist des § 21 Abs 1 UStG 1972 von einem Kalendermonat und zehn Tagen zur Zeit der Erstattung der Selbstanzeige am 14.Jänner 1981 noch im Laufen war) um selbst zu berechnende Abgaben (§ 33 Abs 3 lit. b FinStrG), die bereits vor der Selbstanzeige fällig waren, dann sind sie sofort (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch Anm. 9 zu § 29 FinStrG), d.h. gleichzeitig mit der Selbstanzeige oder umgehend danach (Fellner, Kommentar zum FinStrG Anm. 16 zu § 29) zu bezahlen; es sei denn, es wird von der Behörde Zahlungserleichterung gewährt, bei der ein Zahlungsaufschub ein Jahr (bei selbst zu berechnenden Abgaben gerechnet ab der Selbstanzeige) nicht überschreiten darf (§ 29 Abs 2, letzter Satz, FinStrG). In diesem Fall gelten aber (zufolge strikter Interpretation der Ausnahmebestimmung [JBl 1985, 564] und argumento a maiori ad minus) für die Rechtzeitigkeit des entsprechenden Ansuchens die zeitlichen Anforderungen an die Zahlung selbst. Es müßte also auch das Ersuchen um Zahlungserleichterung gleichzeitig mit der Selbstanzeige oder doch umgehend danach gestellt werden.
Dem Urteil, das die Rechtzeitigkeit der Zahlung bejaht (S 132 d A), sind Tatsachenfeststellungen über den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben nicht zu entnehmen. Der Aktenlage nach hatte jedoch der Angeklagte, der in seiner Selbstanzeige ausführte, es würden die nicht erklärten Einspielerlöse von rund 485.000 S brutto in der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Dezember 1980 in der Höhe von 410.910 S netto der Versteuerung unterzogen (S 129 d A = Blattzahl 3 verso der Finanzstrafakten Teil 6/81), weder gleichzeitig mit der Selbstanzeige noch umgehend danach bzw. innerhalb der Frist des § 21 Abs 1 UStG 1972 für den Monat Dezember 1980 (volle) Zahlung geleistet oder Zahlungsaufschub begehrt. Dem im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstand, daß Zahlungen erst am 22.April, 15.Mai und 17.Juli 1981 stattfanden (S 107 d A und Kontoausdrucke in der Beilagenmappe), kommt daher Relevanz und der Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang Berechtigung zu (9 Os 47/75, EvBl. 1981/89, SSt. 48/26). Demnach war - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen den auf § 259 Z 3 StPO gestützten Freispruch von der Anklage in bezug auf die unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von (dem § 21 UStG 1972 entsprechenden) Voranmeldungen in den Jahren 1979 und 1980 bewirkten Verkürzungen von 134.695 S und 73.983 S richtet, Folge zu geben, das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, daß Erich M*** auch vom erwähnten Anklagevorwurf wegen Unzuständigkeit der Gerichte nach dem § 214 FinStrG freigesprochen wird.
Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Anmerkung
E07422European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00143.85.1219.000Dokumentnummer
JJT_19851219_OGH0002_0110OS00143_8500000_000