Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Vergehens nach dem § 57 Abs. 1 (§ 56 Abs. 1 Z. 1) LebensmittelG 1975 über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung und die Urteile des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 12. Dezember 1983 bzw. 17. Februar 1984 und 26. November 1984, GZ. U 718/83-5, bzw. 10 und 19 und wider die Urteile des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 16. April 1984, AZ. Bl 38/84, und vom 18. Februar 1985, AZ. Bl 4/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Beirer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 26. November 1984, GZ. U 718/83-19, wurde der am 10. August 1942 geborene deutsche Staatsbürger Alfred A des Vergehens nach dem § 57 (Abs. 1; § 56 Abs. 1 Z. 1) LebensmittelG 1975 im zweiten Rechtsgang (erneut) schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er "im Feber 1983" in Steinbrunn (Burgenland) als verantwortlicher Geschäftsführer der BÜC.M.B.H. fahrlässig
gesundheitsschädliche Lebensmittel, und zwar mit pathogenen Keimen (Salmonellen) kontaminierte "Frankenland-Entenleber", durch Import aus der Bundesrepublik Deutschland und Weiterverkauf im Inland in Verkehr gebracht hatte.
Nach den diesem Schuldspruch zugrundeliegenden
Urteilsfeststellungen hatte die BÜC.M.B.H. unter der Verantwortlichkeit ihres (damals) alleinigen Geschäftsführers Alfred A am 11.November 1982 (wohl richtig: 10.November 1982; vgl. die Beilage 1 zu ON. 8 des U-Aktes) erstmals originalverpackte Entenleber in tiefgekühltem Zustand von der Geflügelschlächterei D Ges.m.b.H. aus Wachenroth, Bundesrepublik Deutschland, nach Österreich importiert. Da die BÜC.M.B.H. an ihrem Betriebsort in Steinbrunn über kein zur Einlagerung von tiefgekühlter Ware geeignetes Lager verfügte (vgl. S. 17 und 76), wurde die importierte Entenleber direkt (von der Bundesrepublik Deutschland) nach Wien gebracht und dort der veterinärpolizeilichen Untersuchung zugeführt, die keinen Grund für eine Beanstandung der Importware ergab. Nach den weiteren Urteilsfeststellungen wurde diese Entenleber "bald nach dem Import" (S. 77) an die (Wiener) Firma E veräußert, die sie der Fa. L*** in Melk verkaufte (s. Beilage 2 zu ON. 8 des U-Aktes). Dort entnahmen Organe des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, Lebensmittelinspektion, am 24. Feber 1983 zwei Packungen dieser Entenleber als Proben, deren Untersuchung durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung Wien laut Untersuchungszeugnis und Gutachten vom 17. Juni 1983 zu einer Beanstandung wegen Gesundheitsschädlichkeit (§ 8 lit. a LebensmittelG 1975) infolge Salmonellenbefalls führte (S. 13). Das Bezirksgericht Eisenstadt erließ am 12. Dezember 1983 gegen Alfred A eine Strafverfügung, mit welcher ihm wegen Vergehens nach dem § 57 (§ 56 Abs. 1 Z. 1) LebensmittelG 1975 infolge Inverkehrbringens dieser gesundheitsschädlichen Entenleber eine Geldstrafe auferlegt wurde. Gegen diese Strafverfügung erhob Alfred A rechtzeitig Einspruch. Nachdem der im ersten Rechtsgang mit Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 17. Feber 1984, GZ U 718/83-10, gefällte Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 57 (§ 56 Abs. 1 Z. 1) LebensmittelG 1975 in Stattgebung der dagegen vom Beschuldigten eingebrachten Berufung mit Entscheidung des Landesgerichts Eisenstadt vom 16. April 1984, AZ. Bl 38/84 (= ON. 14 des U-Aktes), aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Eisenstadt zurückverwiesen worden war, erkannte dieses Gericht auch im zweiten Rechtsgang Alfred A mit Urteil vom 26. November 1984, ON. 19, des Vergehens nach dem § 57 (§ 56 Abs. 1 Z. 1) LebensmittelG 1975 schuldig. Es nahm auf Grund des Gutachtens des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Dr. Helmut F (vgl. S. 70 und 71) als erwiesen an, daß die Entenleber bereits im Zeitpunkt der Einfuhr aus der Bundesrepublik Deutschland mit Salmonellen kontaminiert war (S. 78 und 79). Die Alfred A treffende Fahrlässigkeit erblickte das Bezirksgericht darin, daß der Beschuldigte sich mit der veterinärpolizeilichen Untersuchung der unter seiner Verantwortlichkeit von der G HÜI M.B.H. eingeführten
Entenleber begnügt und im Inland keine Untersuchung dieser Importware durch eine Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung veranlaßt hatte (S. 79).
Der gegen dieses verurteilende Erkenntnis des Bezirksgerichtes Eisenstadt im zweiten Rechtsgang gerichteten (vollen) Berufung des Alfred A (ON. 22) blieb ein Erfolg versagt. Das Landesgericht Eisenstadt als Berufungsgericht wies mit Urteil vom 18. Feber 1985, AZ. Bl 4/85, auf der Grundlage der von ihm aus dem angefochtenen Urteil übernommenen Sachverhaltsfeststellungen die Berufung des Angeklagten A wegen Nichtigkeit zurück und gab der Berufung wegen Schuld und Strafe nicht Folge (ON. 25 des U-Aktes). In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen - Verjährung geltend machenden - Nichtigkeitsbeschwerde weist die Generalprokuratur zunächst - zutreffend, weil die Alfred A angelastete Tathandlung des Inverkehrbringens in der Bedeutung des § 1 Abs. 2 LebensmittelG 1975 den Konstatierungen der Untergerichte zufolge bald nach dem 11. (richtig: 10.) November 1982 beendet war - darauf hin, daß der Zeitpunkt der Tatbegehung nicht mit jenem der Beanstandung der Ware (am 24. Februar 1983) ident ist, sondern (nach den bereits wiedergegebenen Urteilsfeststellungen) kurz nach dem
11. (10.) November 1982 lag. Zu dieser Zeit (und nicht erst am 24. Februar 1983) begann die hier geltende Verjährungsfrist von einem Jahr (vgl. dazu die Strafdrohung des § 57 LebensmittelG 1975 i. V.m. der Vorschrift des § 57 Abs. 3 StGB) zu laufen. Der Generalprokuratur kann jedoch nicht gefolgt werden, wenn sie behauptet, (erst) in der Verfügung des Bezirksgerichtes Eisenstadt auf Beischaffung einer Strafregisterauskunft über Alfred A am 21. November 1983 (S. 2), mithin in einer nach Ablauf der (einjährigen) Verjährungsfrist getroffenen Maßnahme sei die erste gerichtliche Verfolgungshandlung zu erblicken (vgl. § 58 Abs. 3 Z. 2 StGB).
Rechtliche Beurteilung
Wohl können gerichtliche Vorerhebungen gegen unbekannte Täter keine Verfahrensanhängigkeit begründen (vgl. Mayerhofer-Rieder, Anm. 5 zu § 58 StGB), jedoch begründen gerichtliche Vorerhebungen gegen eine bestimmte Person wegen eines konkreten strafgesetzwidrigen Vorwurfes Gerichtsanhängigkeit, gleichgültig, ob die Vorerhebungen durch das Gericht selbst oder im Rechtshilfeweg durch eine Verwaltungs- oder Sicherheitsbehörde geführt werden (Leukauf-Steininger 2 , RN. 20 zu § 58 StGB, RZ. 1976/25, SSt. 48/50, EvBl. 1979/18, 9 Os 188/76):
Die erste gerichtliche Verfolgungshandlung gegen Alfred A datiert hier schon vom 28. Juli 1983; sie liegt also innerhalb der Verjährungszeit. Denn am 28. Juli 1983 ersuchte das Bezirksgericht Eisenstadt (auf Antrag der Staatsanwaltschaft) das Amt der Burgenländischen Landesregierung "um Erhebung des Sachverhaltes gegen den Verantwortlichen der Fa. G
HÜJ K.M.B.H. wegen § 57 Abs. 1 (56 Abs. 1 Z. 1) LMG" (S. 1), d. i. aber nach der Aktenlage Alfred A selbst: Der Meinung der Generalprokuratur zuwider ist bereits diese gerichtliche Verfügung - und nicht erst die am 21. November 1983 beschlossene Einholung einer Strafregisterauskunft (S. 2) - die erste gegen ihn gerichtete (richterliche) Verfolgungshandlung, weil damit das Verfahren nicht gegen unbekannte Täter, sondern gegen den damals wohl nicht namentlich, der Sache nach aber unverwechselbar bezeichneten und feststehenden (bestimmten) Beschuldigten in Gang gebracht und gerichtsanhängig wurde, sodaß gemäß dem § 58 Abs. 3 Z. 2 StGB Fortlaufshemmung eintrat (siehe auch Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16.November 1978, 13 Os 143/78). Als Ergebnis der mit gerichtlicher Verfügung vom 28. Juli 1983 veranlaßten Erhebungen gab übrigens das Amt der Burgenländischen Landesregierung dem Bezirksgericht Eisenstadt schon mit dem dort am 27. Oktober 1983 eingelangten Schreiben (vom 1. Oktober 1983) Alfred A auch namentlich als Verantwortlichen der Ges.m.b.H. bekannt (S. 17); diesem Schriftstück war zudem eine Eingabe des Alfred A vom 5. August 1983 (S. 19) angeschlossen, worin er (als Verdächtiger) im Rahmen der gerichtlichen Vorerhebungen seine wesentliche Verantwortung darlegt.
Da somit die behauptete Verjährung nicht eintrat, mußte die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes als unbegründet verworfen werden.
Anmerkung
E07125European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00187.85.1219.000Dokumentnummer
JJT_19851219_OGH0002_0110OS00187_8500000_000