TE OGH 1985/12/19 12Os154/84

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Veröffentlicht am 19.12.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Gisela A und andere wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Dezember 1983, GZ 24 c Vr 11.682/83-6, sowie den vom Untersuchungsrichter anläßlich der Vernehmung des Zeugen Polizei-Bezirksinspektor Robert B eingehaltenen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

I. Aus dem Akt 24 c Vr 11.682/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 10.Oktober 1983 erstattete Stefan C, Zentralbetriebsratsobmann der Beschäftigten der Österreichischen Ärztekammer, bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Gisela A, Johann A und Ingrid A wegen Verdachts

des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (zweiter Strafsatz) StGB. Er brachte vor, daß er am 7.September 1983 von dem Beamten der Bundespolizeidirektion Wien-Sicherheitsbüro Bezirksinspektor Robert B in dessen Dienststelle zu einer Einvernahme vorgeladen worden sei, bei der ihm der Kriminalbeamte vorgehalten habe, daß er an einem am 15.April 1983 in Wien zum Nachteil der Bausparkasse (der österreichischen Sparkassen) verübten Bankraub beteiligt gewesen sei. Der gegen C bestehende Verdacht sei erst dadurch zur Gänze zerstreut worden, daß der betreffende Raub schließlich aufgeklärt und der Täter ausgeforscht wurde, womit sich der gegen ihn gerichtete Vorwurf einer Tatbeteiligung als haltlos erwiesen habe. Bezirksinspektor B habe zwar eine konkrete Auskunft über die näheren Umstände, die den gegen C gerichteten Raubverdacht begründeten, verweigert, aber zu verstehen gegeben, daß sich dieser Verdacht auf Grund dezidierter Hinweise auf die Person des Genannten ergeben habe. Als der Beamte den Einschreiter gesprächsweise gefragt habe, vom wem er denn annehme, daß er ihn wahrheitswidrig angezeigt haben könnte, habe C die eingangs Genannten (seine Schwiegermutter, seinen Schwager und seine Schwägerin) genannt, weil ihm diese zufolge familiärer Auseinandersetzungen nicht gut gesonnen seien, sodaß sie ein Motiv für eine Verleumdung hätten. Daraufhin habe der Beamte zu verstehen gegeben bzw habe dies der Einschreiter aus dem Verhalten des Beamten entnommen, daß seine Vermutung richtig sei, er mithin von einer der drei genannten Personen wider besseres Wissen der Begehung des Bankraubes verdächtigt wurde.

Die Staatsanwaltschaft Wien übermittelte diese Verleumdungsanzeige der Bundespolizeidirektion Wien-Sicherheitsbüro mit dem Ersuchen um zeugenschaftliche Vernehmung des Polizeibeamten B sowie um Anschluß "einer Aktenkopie" (ersichtlich gemeint: von Kopien jener schriftlichen Unterlagen, die den Anlaß zur Einvernahme des Stefan C wegen Raubverdachts bildeten). Die Bundespolizeidirektion Wien lehnte jedoch mit Note vom 18. Oktober 1983 eine Entsprechung dieses Ersuchens unter Berufung auf das Amtsgeheimnis und mit dem Hinweis ab, daß dem Informanten absolute Vertraulichkeit zugesichert worden sei. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Vorerhebungen gegen Gisela A, Johann A und Ingrid A wegen Verdachts

der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB durch zeugenschaftliche Vernehmung des (Polizeibeamten) N.B und Beischaffung "einer Aktenkopie" (abermals ersichtlich gemeint: der schriftlichen Unterlagen, aus denen sich der Raubverdacht gegen Stefan C ergeben hat). Der Untersuchungsrichter verfügte hierauf am 8. November 1983 unter gleichzeitiger Bekanntgabe des Beweisthemas (nämlich Namhaftmachung jener Person, die den Hinweis auf die mögliche Täterschaft des Stefan C in Ansehung des Bankraubes vom 15.April 1983 gegeben hat) die Vorladung des Bezirksinspektors Robert B zur Zeugeneinvernahme, worauf die Bundespolizeidirektion Wien mit Schreiben vom 24.November 1983 dem Landesgericht für Strafsachen Wien bekanntgab, daß der genannte Zeuge von seiner Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit nicht entbunden werde; dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Polizeibehörde ein besonderes Interesse an der Geheimhaltung von Vertrauenspersonen, die den Sicherheitsbehörden vertraulich Mitteilungen zur Aufklärung von (schwerwiegenden) Straftaten (Bankraub) zukommen lassen, habe (S 27/28 d.A).

Bei seiner Vernehmung am 7.Dezember 1983 berief sich Bezirksinspektor Robert B auf die ihn treffende Amtsverschwiegenheit, von der ihn seine vorgesetzte Dienstbehörde nicht entbunden habe; auch nach ausdrücklicher Belehrung durch den Untersuchungsrichter, der die Auffassung vertrat, daß das Thema der Zeugenvernehmung nicht unter die Amtsverschwiegenheit des Beamten falle, hielt Bezirksinspektor B an seiner Weigerung, über die Person desjenigen, der den Raubverdacht gegen C geäußert hat, Angaben zu machen, fest (ON 6). Daraufhin verhängte der Untersuchungsrichter über den Zeugen B - unter dem Gesichtspunkt einer von diesem Zeugen ohne gesetzlichen Grund verweigerten Aussage - gemäß § 160 StPO eine Beugestrafe von 500 S (S 30 d.A). Der dagegen von Robert B sofort erhobenen Beschwerde (§ 113 Abs. 1 StPO) gab die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 7.Dezember 1983 (ON 7 d.A) Folge, indem sie den angefochtenen Beschluß des Untersuchungsrichters aufhob; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Entscheidung über die Entbindung vom Amtsgeheimnis der (vorgesetzten) Dienstbehörde des Beamten zukomme und dem Untersuchungsrichter in diesem Belange ein weiteres Prüfungsrecht nicht zustehe.

II. Nach Ansicht der Generalprokuratur stehen der vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien anläßlich der Einvernahme des Bezirksinspektors Robert B als Zeuge am 7.Dezember 1983 eingehaltene Vorgang, insbesondere die diesem Zeugen erteilte ausdrückliche Belehrung, daß der Gegenstand seiner Vernehmung nicht unter das Amtsgeheimnis falle und der Zeuge daher trotz seiner Nichtentbindung von der Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses durch seine vorgesetzte Dienstbehörde zur Aussage verpflichtet sei, sowie der Beschluß des Untersuchungsrichters vom 7.Dezember 1983, mit dem über den Zeugen eine Beugestrafe gemäß § 160 StPO verhängt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

In der deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hat die Generalprokuratur hiezu ausgeführt:

"Nach der Vorschrift des § 151 Z 2 StPO ist die Einvernahme von Staatsbeamten als Zeugen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage unzulässig, wenn sie durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, soferne sie von dieser Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind. Diese für das gerichtliche Strafverfahren geltende Regelung, die auf ein (bedingtes) Beweismittelverbot hinausläuft, fußt auf dem im Art 20 Abs. 2 BVG statuierten Grundsatz der Amtsverschwiegenheit. Danach sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist.

Entgegen der vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ersichtlich vertretenen Auffassung steht die Entscheidung über die Entbindung des Beamten vom Amtsgeheimnis und damit aber auch die Entscheidung der Vorfrage, ob der Gegenstand der zeugenschaftlichen Vernehmung eines Beamten ein Amtsgeheimnis berührt, ausschließlich der vorgesetzten Dienstbehörde zu. Dies läßt sich schon aus dem Wortlaut des § 151 Z 2 StPO entnehmen ('... insofern sie [die Staatsbeamten] dieser Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden sind') und geht im übrigen unmißverständlich aus der Bestimmung des § 46 Abs. 3 Beamten-DienstrechtsG 1979 (BGBl Nr 333) hervor, derzufolge die Dienstbehörde (nach Kenntnis von der Vorladung des Beamten zur Aussage und von dem Gegenstand seiner Vernehmung, falls dieser der Amtsverschwiegenheit unterliegen könnte) darüber zu entscheiden hat, ob der Beamte von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit zu entbinden ist, wobei sie bei dieser Entscheidung das Interesse an der Geheimhaltung gegen das Interesse an der Aussage abzuwägen hat.

Rechtliche Beurteilung

Eine Überprüfung oder Beurteilung der Beweggründe, welche die Dienstbehörde eines Beamten veranlaßten, diesen von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht zu entbinden, ist dem Gericht verwehrt (12 Os 104/74; EvBl 1953/158; SSt 17/19; Foregger-Serini, StPO 3 , Erl IV zu § 151 StPO). Die Entscheidung der Dienstbehörde über die Nichtentbindung des Beamten von der Amtsverschwiegenheit fällt somit in die alleinige, allenfalls aber auch strafrechtliche Verantwortlichkeit (etwa nach den §§ 302 Abs. 1, 303 oder 299 Abs. 1 StGB) des darüber entscheidungsbefugten Organs, wobei allerdings unter Umständen auch noch eine solche Verantwortlichkeit des von dieser Entscheidung der vorgesetzten Dienstbehörde betroffenen Beamten in Betracht kommen könnte, falls dieser etwa seiner vorgesetzten Dienststelle durch eine falsche Information eine unrichtige Entscheidungsgrundlage geschaffen hat, die zu einer nicht gerechtfertigten Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht führte. Dem Gericht verbleibt allerdings bei der Anwendung der Bestimmung des § 151 Z 2 StPO ein Prüfungsrecht dahin, ob nach dem Gegenstand der zeugenschaftlichen Aussage des Beamten eine Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit überhaupt (der Sache nach) in Betracht kommen kann. Denn nicht alles, worüber ein Beamter als Zeuge gehört werden soll, fällt unter das Amtsgeheimnis im Sinne des § 151 Z 2 StPO, das nur Umstände und Angelegenheiten erfaßt, die dem Beamten im Dienstweg bekannt wurden und die wegen der möglichen Gefährdung von Dienstinteressen nicht veröffentlicht werden dürfen, an deren Geheimhaltung sohin der Staat ein solches Interesse hat, daß das Interesse an einer geordneten Strafrechtspflege dagegen zurückzutreten hat (EvBl 1953/158; 12 Os 104/74). So fallen dienstliche Wahrnehmungen eines Beamten, über die etwa auf Grund der Anzeigepflicht nach dem § 84 StPO dem Strafgericht bereits Mitteilung gemacht wurde, nicht mehr unter das Amtsgeheimnis, weil ein dem Gericht bereits zur Kenntnis gebrachter Umstand folgerichtig nicht mehr nachträglich der Geheimhaltung unterliegen kann, sodaß es in diesem Fall einer Entbindung des Beamten von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht mehr bedarf (EvBl 1980/82; SSt 41/75; Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr 16 und 17 zu § 151). Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu.

Hingegen fällt nach dem Vorgesagten eine der Sicherheitsbehörde unter der Zusicherung der Vertraulichkeit zugekommene Information unter das Amtsgeheimnis; die Preisgabe des Informanten würde daher eine Verletzung des gerade durch die Bestimmung des § 151 Z 2 StPO (auch) im Strafverfahren geschützten Amtsgeheimnisses darstellen. Wie aus verschiedenen Bestimmungen der Strafprozeßordnung, so ua auch jener des § 151 Z 2 StPO, hervorgeht, können dem Strafgericht bei der Sachverhaltsermittlung gewisse Erkenntnisquellen verschlossen bleiben, denn das im Strafverfahren geltende Prinzip der materiellen Wahrheit bedeutet nicht, daß die Wahrheit vom Gericht um jeden Preis erforscht werden muß und erforscht werden darf (SSt 41/7); der Gesetzgeber hat hiebei vielmehr gewisse Einschränkungen und Behinderungen des Gerichtes an der Wahrheitsfindung und damit letztlich auch in Belangen des staatlichen Strafverfolgungsrechtes (hier: an der Klärung eines Verleumdungsverdachtes) bewußt in Kauf genommen und im Falle des § 151 Z 2 StPO die für die Entbindung von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit vorzunehmende Interessenabwägung (vgl § 46 Abs. 3 Beamten-DienstrechtsG 1979) nicht dem Strafgericht, sondern der Dienstbehörde des für eine Zeugenschaft in Betracht kommenden Beamten übertragen. Führt aber diese von der Dienstbehörde vorzunehmende Interessenabwägung, bei der das Interesse an der Geheimhaltung dem Interesse an der Aussage und damit zugleich an der Wahrheitsfindung bzw an der Strafverfolgung gegenüberzustellen ist, zu einer Verweigerung der Entbindung von der Amtsverschwiegenheit, so besteht auch keine Verpflichtung der Behörde, die Namen von Vertrauenspersonen preiszugeben, auf deren Angaben sie sich bei ihren Erhebungen gestützt und denen sie die Geheimhaltung ihres Namens zugesichert hat. Sie kann in einem solchen Fall auch eine Akteneinsicht verweigern, soweit hiedurch die Namen der Informanten bekannt würden (Mayerhofer-Rieder aaO Nr 14 zu § 151). Da dem Gericht, wie bereits ausgeführt, eine Überprüfung der Entscheidung der vorgesetzten Dienstbehörde, die eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht des Beamten verweigert hat, nicht zusteht, stellt im vorliegenden Fall bereits die vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am 7. Dezember 1983 dem Zeugen Bezirksinspektor Robert B anläßlich seiner Einvernahme erteilte Belehrung, daß der Gegenstand seiner Vernehmung nicht unter die Amtsverschwiegenheit falle (und dieser Zeuge daher trotz der auch dem Gericht bereits bekannten Tatsache, daß er von seiner Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses von seiner Dienstbehörde nicht entbunden wurde, zur Aussage verhalten wurde) einen gesetzwidrigen Vorgang dar. Dieser Zeuge hat im Hinblick auf die fehlende Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch die vorgesetzte Dienstbehörde somit die Aussage zu Recht und nicht, wie dies § 160 StPO voraussetzt, ohne gesetzlichen Grund verweigert, sodaß sich auch der Beschluß des Untersuchungsrichters vom 7.Dezember 1983 auf Verhängung einer Beugestrafe über diesen Zeugen (zwecks Erzwingung der Aussage) als gesetzwidrig erweist.

Dieser - im Ergebnis auch den in der Verleumdungsanzeige angeführten Beschuldigten zum Nachteil gereichende - Beschluß auf Verhängung einer Beugestrafe wurde bereits über Beschwerde des Zeugen B von der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien behoben, sodaß sich die - wegen der grundsätzlichen Bedeutung der in Rede stehenden prozessualen (Rechts)Fragen gebotene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auf die Feststellung der Gesetzesverletzung zu beschränken hat."

III. Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:

Richtig ist, daß grundsätzlich allein die Dienstbehörde eines vor Gericht als Zeuge zu vernehmenden Beamten darüber zu entscheiden hat, ob der Gegenstand der Vernehmung ein solcher ist, daß ein hierüber abgelegtes Zeugnis die Pflicht des Beamten zur Amtsverschwiegenheit verletzen würde, und daß dem Gericht eine Überprüfung oder Beurteilung der Beweggründe, welche die Dienstbehörde des Beamten veranlaßt haben, ihn nicht von der Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses zu entbinden, nicht zusteht. Wohl aber kommt dem Gericht, wie auch die Generalprokuratur an sich zutreffend ausführt, das Recht zu, zu prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen des § 151 Z 2 StPO im gegebenen Fall in Frage kommen können. Denn nicht alle Angelegenheiten, die dem Beamten in Ausübung seines Dienstes oder mit Beziehung auf seine amtliche Stellung bekannt geworden sind, bilden einen Gegenstand eines gegenüber dem Strafgericht zu wahrenden Amtsgeheimnisses. Betrifft nämlich der Gegenstand der Vernehmung nur solche dienstliche Angelegenheiten, von denen der Beamte pflichtgemäß dem Gericht bereits Mitteilung gemacht hat, so bedarf es für seine spätere Zeugenaussage keiner Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht. Demzufolge gilt das Erfordernis des § 151 Z 2 StPO nach ständiger Rechtsprechung im allgemeinen nicht für die zeugenschaftliche Einvernahme von Angehörigen der Sicherheitsexekutive (Gendarmerie- und Polizeibeamte) über deren Wahrnehmungen im Dienst der Strafrechtspflege (SSt 41/75 ua). Dieselben Grundsätze müssen aber auch für solche Wahrnehmungen eines (Gendarmerie- oder Polizei-)Beamten im Dienst der Strafrechtspflege gelten, die er zwar noch nicht dem Gericht mitgeteilt (angezeigt) hat, aus denen sich jedoch der gegen eine bestimmte Person bestehende konkrete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung ergibt, sodaß sie die Anzeigepflicht des § 84 StPO begründen. Denn es kann nicht der amtlichen Verschwiegenheit gegenüber dem Strafgericht unterliegen, was vermöge der alle öffentlichen Behörden und Ämter bindenden Vorschrift des § 84 StPO von deren Beamten als gerichtlich strafbare Handlung anzuzeigen ist oder anzuzeigen gewesen wäre. Stellt doch in diesem Umfang die Zeugenaussage des Beamten nichts anderes dar als die Erfüllung der ihm kraft der zitierten Gesetzesstelle auferlegten Pflicht, seine Wahrnehmungen betreffend den gegen eine bestimmte Person bestehenden Verdacht, sie habe eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Tat begangen, den Strafgerichten zu eröffnen, eine Pflicht, ohne die eine geordnete Strafrechtspflege gar nicht möglich wäre (so ausdrücklich bereits SSt 41/75 aE). Daher kann auch die von der Generalprokuratur ins Treffen geführte, bei Mayerhofer-Rieder StPO 2 unter Nr 14 zu § 151 zitierte höchstgerichtliche Entscheidung aus dem Jahr 1937 nur in dem Sinn verstanden werden, daß die Behörde nur dann nicht verpflichtet ist, den Namen einer Vertrauensperson preiszugeben, auf deren Angaben sie bei ihren Erhebungen gegriffen und der sie die Geheimhaltung des Namens zugesichert hat, wenn sie nicht zugleich in Ansehung einer von dieser Vertrauensperson begangenen strafbaren Handlung der Anzeigepflicht gemäß § 84 StPO zu entsprechen hat.

Im vorliegenden Fall ist der Bundespolizeidirektion Wien-Sicherheitsbüro jedenfalls durch die (ihr zur Sachverhaltserhebung zugemittelte) Strafanzeige des Stefan C in Verbindung mit dem Ergebnis der seinerzeit gegen den Genannten gepflogenen Erhebungen, bei welchen sich die Unrichtigkeit der Anschuldigung, den Bankraub am 15.April 1983 begangen zu haben oder daran beteiligt gewesen zu sein, ergeben hat, der konkrete Verdacht bekanntgeworden, daß jene (der Behörde namentlich bekannte) Person, die seinerzeit die Anschuldigung gegen C erhoben hatte, dadurch diesen wider besseres Wissen einer gerichtlich strafbaren, von Amts wegen zu verfolgenden Tat beschuldigt und solcherart der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt, mithin das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB begangen habe. Ab Kenntnis dieses Verdachts war aber die Polizeibehörde nach Lage des Falles verpflichtet, alle diesbezüglichen Wahrnehmungen, mithin insbesondere jene, welche die Ausforschung des betreffenden Täters ermöglichen, gemäß § 84 StPO dem Strafgericht anzuzeigen. Diese Wahrnehmungen unterlagen demnach nicht der amtlichen Verschwiegenheit gegenüber dem Gericht, sodaß in Ansehung der zeugenschaftlichen Vernehmung des Bezirksinspektors B, die nach dem ihm bekanntgegebenen Beweisthema zu eben diesen Wahrnehmungen erfolgen sollte, die Voraussetzungen des § 151 Z 2 StPO nicht vorlagen.

Die von der Generalprokuratur geltendgemachte Gesetzesverletzung liegt demnach nicht vor, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Anmerkung

E07192

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00154.84.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19851219_OGH0002_0120OS00154_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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