TE OGH 1985/12/19 6Ob708/85

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Veröffentlicht am 19.12.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Christian S***, geboren am 18.November 1975 und Angelika S***, geboren am 10.Juli 1981, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Manfred S***, Angestellter, St.Andrä, Burgstall 59, vertreten durch Dr. Margot Tonitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 11.Oktober 1985, GZ 1 R 422/85-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 17.Juli 1985, GZ P 76/84-25, teilweise bestätigt und teilweise ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden minderjährigen Kinder wurde im April 1984 gemäß § 55 a EheG geschieden. Sie hatten unter anderem schriftlich vereinbart, daß künftig alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten der Mutter allein zustehen sollten. Auch ein Besuchsrecht des Vaters zu den beiden Kindern wurde vereinbart. Diese Vereinbarungen wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22.5.1984, ON 4, pflegschaftsbehördlich genehmigt. Im August 1984 stellte der Vater den Antrag, alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten ihm zuzuweisen. Am 14.2.1985 schlossen die Eltern einen Vergleich, wonach in Abänderung der bisherigen Regelung das Besuchsrecht des Vaters bezüglich der minderjährigen Angelika neu geregelt wurde. Ein Besuchsrecht hinsichtlich des minderjährigen Christian sollte bis auf weiteres entfallen. Eine Regelung für die Sommerferien sollte erst nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens erfolgen. Dieser Vergleich wurde mit Beschluß vom selben Tag pflegschaftsbehördlich genehmigt. Am 29.5.1985 verzichtete der Vater bis auf weiteres auf die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit dem minderjährigen Christian.

Das Erstgericht hat letzteres auch als Verzicht auf die Zuweisung der persönlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des minderjährigen Christian (AS 134) gewertet und mit Beschluß vom 17.7.1985, ON 25, den Antrag des ehelichen Vaters, ihm die sich aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen ehelichen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der minderjährigen Angelika zuzuweisen, abgewiesen (Punkt 1) und hinsichtlich dieses Kindes das Besuchsrecht des Vaters geregelt (Punkt 2). Es traf bezüglich der hier allein zu entscheidenden Frage der Zuteilung der persönlichen Rechte und Pflichten im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Mutter ist Hausfrau und bewohnt mit ihrem zweiten Gatten, den sie am 7.4.1985 geheiratet hat, und den beiden Kindern eine ca. 60 m 2 große Wohnung, die aus drei Räumen besteht. Das Wohnhaus steht zur Hälfte im Eigentum der beiden Kinder, zur Hälfte im Eigentum des mütterlichen Großvaters der beiden Kinder. Von diesem wurde der Mutter für Hilfeleistungen in seinem Haushalt ein weiteres Zimmer im Haus angeboten. Die Mutter, die ihr drittes Kind erwartet, beabsichtigt, dieses Zimmer nach der Geburt ihres Kindes zu beziehen. Den Kindern steht auch der Hausgarten zur Verfügung. Die Mutter wird von ihren Eltern finanziell unterstützt, sodaß sie sich ausschließlich ihrer Familie widmen kann. Der Ehegatte der Mutter ist 21 Jahre alt und von Beruf Schlosser. Sein Verhältnis zu den Kindern ist gut, es entspricht eher dem eines älteren Bruders. Im Zuge eines Versöhnungsversuches lebten die Eltern der Kinder Anfang Jänner 1985 wieder eine Woche lang zusammen. Die Mutter hatte sich damals von ihrem jetzigen Gatten, mit dem sie bereits befreundet war, getrennt. Es kam damals zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Vater der Kinder einerseits und dem Bruder der Mutter und ihrem jetzigen Gatten andererseits. Sowohl der Bruder der Mutter als auch die Eltern derselben wandten sich gegen eine Versöhnung. Die Mutter betreut die Kinder in ihrem Haushalt, den sie ordentlich führt. Sie verpflegt die Kinder selbst, die Mahlzeiten sind abwechslungsreich und altersgerecht. Die beiden Kinder werden von der Mutter gut gepflegt und sauber und nett gekleidet. Die Mutter kümmert sich auch um den schulischen Erfolg Christians und betreut ihn bei seinen Hausaufgaben. Christian hat die dritte Klasse Volksschule mit gutem Zeugnis abgeschlossen. Angelika besucht halbtags den Kindergarten. Der Vater hat die Mutter sowohl während aufrechter Ehe wie auch nach der Scheidung mehrfach mißhandelt. Teilweise geschah dies auch in Anwesenheit der beiden Minderjährigen. Er wurde wegen der von ihm seiner geschiedenen Gattin zugefügten Verletzungen bereits zweimal rechtskräftig verurteilt. Christian "lehnt seinen Vater völlig ab". Das Verhältnis zwischen Christian und seinem Vater war auch während aufrechter Ehe der Eltern nicht ausgeglichen, weil der Vater Angelika deutlich bevorzugte und seine Tätlichkeiten gegenüber der Mutter der Kinder einen nachhaltigen Eindruck auf Christian machten. Seit der Scheidung hat der Vater sein Besuchsrecht fast ausschließlich hinsichtlich seiner Tochter Angelika ausgeübt. Er nahm sie abwechselnd zu seinen Schwestern oder zu seiner Mutter mit. Das Verhältnis zwichen Angelika und dem Vater ist gut, das Kind hängt am Vater, wird aber von der Mutter ihm gegenüber negativ beeinflußt. Auch für die Untersuchung beim Sachverständigen wurde sie "deutlich manipuliert". Es wurde ihr eingeschärft, zum Ausdruck zu bringen, daß sie nicht zum Vater wolle. Durch die negative Beeinflussung ist Angelika in einen schweren inneren Zwiespalt geraten. Sie hat Angst, die Liebe ihrer Mutter zu verlieren, wenn sie sich gleichzeitig auch für den Vater entscheidet, wehrt sich daher verbal gegen eine Zusammenkunft mit ihm und zeigt ihm ihre Zuneigung nur mehr heimlich. Bei Fortsetzung der negativen Beeinflussung besteht die Gefahr einer manipulativen Neurotisierung des Kindes. Gleichermaßen hängt Angelika auch an ihrer Mutter und an ihrem Bruder. Das Verhältnis zwischen den beiden Kindern ist gut. Auch Christian hängt an seiner Schwester. Im Zeitpunkt der Antragstellung beabsichtigte der Vater, die Kinder gemeinsam mit seiner Mutter, die dazu auch bereit gewesen wäre, zu betreuen. Seit Februar 1985 hat der Vater eine Lebensgefährtin, mit der er eine ca. 70 m 2 große Mietwohnung bewohnt. Er beabsichtigt grundsätzlich eine Eheschließung und erklärte sich bereit, sofort zu heiraten, wenn dies der positiven Erledigung seines Antrages förderlich wäre, doch hat sich seine Lebensgefährtin noch nicht endgültig zu diesem Schritt entschlossen. Im Falle einer Eheschließung wäre sie bereit, Angelika "mitzuheiraten" und sie möchte auch selbst Kinder haben. Das Verhältnis zwischen ihr und Angelika ist gut.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus:

Das sicher grob unpädagogische Verhalten der Mutter, die Tochter Angelika gegen den Vater zu beeinflussen, sei auf ihre Angst vor dem Verlust des Kindes zurückzuführen; eine weitere Beeinflussung in dieser Form sei nach dem Wegfall dieser Angst nicht mehr zu erwarten. Mit Rücksicht auf die bereits bestehende rechtsgültige Vereinbarung käme eine Übertragung der elterlichen Rechte nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB in Frage. Die vom Sachverständigen angenommene Gefahr der "Vermaterialisierung" reiche zur Entziehung der Rechte und Pflichten nicht aus, zumal den Kindern auch eine ausreichende persönliche Zuwendung entgegengebracht werde. Eine andere Gefährdung des Kindeswohles habe nicht festgestellt werden können. Die Behauptungen des Vaters hinsichtlich der Pflege und Erziehung der Kinder sowie des persönlichen Lebenswandels der Mutter seien vollständig entkräftet worden. Eine Interessenabwägung habe nicht zu erfolgen, weil es nicht darauf ankomme, ob die Betreuung des Kindes beim anderen Elternteil möglicherweise etwas besser sein könne, sondern darauf, ob das Wohl des Kindes durch den Elternteil, dem die elterlichen Rechte und Pflichten zustünden, beeinträchtigt würde. Überdies seien die Wohnverhältnisse beim Vater nicht erheblich günstiger und dieser im Hinblick auf seine Mißhandlungen gegenüber der Mutter in Anwesenheit der Kinder charakterlich nicht besser zur Erziehung geeignet. Die Kinder bedürften auch der vollen Betreuung und Zuwendung durch eine Bezugsperson. Es sei im Hinblick auf die noch nicht gefestigte Beziehung zwischen dem Vater der Kinder und seiner Lebensgefährtin nicht zu verantworten, der minderjährigen Angelika eine Bezugsperson anzubieten, die sie möglicherweise bald wieder verlieren könnte. Auch wäre eine Trennung der beiden Geschwister nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe gerechtfertigt.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses des Vaters den Punkt 1.) des erstgerichtlichen Beschlusses und hob den Punkt 2.) desselben ersatzlos auf.

Das Rekursgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes über die Änderung hinsichtlich der elterlichen Rechte unter der Voraussetzung des § 176 ABGB und meinte, dabei sei ein strenger Maßstab anzuwenden. Die vom Vater zur Begründung seines Antrages auf Übertragung der elterlichen Rechte aufgestellten Behauptungen hätten sich als unrichtig herausgestellt. Die Mutter sei zwar ihrer Verpflichtung, eine negative Beeinflussung des Kindes gegenüber dem Vater zu unterlassen, ab März 1985 nicht nachgekommen. Aus den gesamten Verfahrensergebnissen ergebe sich aber, daß die Mutter zu ihrem unrichtigen Verhalten aus Angst, das Kind zu verlieren, gekommen sei. Es bestehe die begründete Annahme, daß die Mutter mit dem Wegfall der Befürchtung des Verlustes des Kindes die Beziehungen zwischen Vater und Tochter nicht weiter beeinträchtigen werde. Die erfolgte Beeinträchtigung sei nicht so schwerwiegend, daß eine Änderung in der Ausübung der elterlichen Rechte im Interesse des Kindes zwingend geboten wäre. Daran vermöge auch die Ausführung des Sachverständigen, es sei noch nicht zu spät, die minderjährige Angelika dem Vater zu übergeben, nichts zu ändern. Schließlich seien auch die Mutter- und Kindbeziehung und der Umstand zu berücksichtigen, daß eine Trennung der Geschwister für deren Entwicklung nicht förderlich wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Bestätigung des Punktes 1.) des erstgerichtlichen Beschlusses erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig. Der Rechtsmittelwerber geht selbst davon aus, daß die Anfechtung nur aus einem der im § 16 Abs1 AußStrG genannten Gründe zulässig ist. Dies ist richtig, weil die Punkte 1.) und 2.) des erstgerichtlichen Beschlusses verschiedene Gegenstände betreffen und daher auch die Rekursentscheidung hierüber keine einheitliche Entscheidung darstellt, sodaß jeder Teil der Rekursentscheidung hinsichtlich seiner Anfechtbarkeit gesondert beurteilt werden muß (vgl. SZ 26/254; JBl1964, 328; 6 Ob 9/83 ua.).

Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers liegt aber die von ihm geltend gemachte offenbare Gesetzwidrigkeit nicht vor. Es ist zwar richtig, daß nach der Rechtsprechung auch die Außerachtlassung des Wohles des pflegebefohlenen Kindes eine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellt. Im vorliegenden Fall kann aber schon nach den wiedergegebenen Ausführungen der Vorinstanzen keine Rede davon sein, daß das Wohl der minderjährigen Angelika geradezu willkürlich außer acht gelassen worden wäre. Soweit im Revisionsrekurs aber aus der Ausführung des Sachverständigengutachten, es sei noch nicht zu spät, das Kind dem Vater zu übergeben, abgeleitet wird, daß eine ernstliche Gefahr für die Entwicklung des Kindes bestehe, wird damit kein Rechtsfehler, geschweige denn eine offenbare Gesetzwidrigkeit aufgezeigt. Die Revisionsrekursausführung, die "begründete Annahme des Berufungsgerichtes" habe sich, wie das Verhalten der Mutter hinsichtlich des Besuchsrechtes zeige, nicht erfüllt, stellt eine unbeachtliche Neuerung dar.

Mangels eines zulässigen Anfechtungsgrundes war daher der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E07316

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00708.85.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19851219_OGH0002_0060OB00708_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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