Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef R*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 14. Oktober 1985, GZ. 36 Vr 1456/85-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld und Strafe werden zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Josef R*** wurde des Vergehens einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§§ 136 Abs. 1 und 3, zweiter Fall, gemeint: höherer Strafsatz; 88 Abs. 1 und 4, erster Fall) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er sich am 5. November 1984 in Imst fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und im Rausch einen Personenkraftwagen unbefugt in Gebrauch genommen, wobei der durch die Tat am Fahrzeug verursachte Schaden 115.920 S betrug, (1), und zwischen Imst und Tarrenz als Lenker dieses Automobils durch unachtsame Fahrweise und überhöhte Geschwindigkeit, wodurch das Fahrzeug ins Schleudern geriet und mit einem entgegenkommenden Personenkraftwagen zusammenstieß, fahrlässig eine schwere Körperverletzung des Franz S*** (Schädelhirntrauma, verschiedene Knochenbrüche, Prellungen) herbeigeführt (2), mithin Handlungen begangen, die ihm außer dem Rauschzustand als die Vergehen nach §§ 136 Abs. 1 und 3, 88 Abs. 1 und 4 StGB zugerechnet würden.
Mit seiner (als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte ohne sachliche Trennung des Vorbringens nach den angerufenen Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO gegen den Schuldspruch nach § 287 StGB, soweit ihm der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen zugrunde liegt.
Die Verfahrensrüge (Z. 4) knüpft an die Abweisung der vom Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Reinhard KÖCK, Maria AMPACHER, Franz R*** und Walter S*** an (S. 101), die zum Beweis dafür gehört werden sollten, "daß der Zeuge Dr.Walter L*** dem Angeklagten regelmäßig sein Fahrzeug zur Benutzung überließ und dieser das Fahrzeug auch regelmäßig benützte, sowie, daß er über Wunsch das Fahrzeug immer haben konnte und daher nicht eine unbefugte Ingebrauchnahme begehen mußte" (S. 100).
In der in den Urteilsgründen nachgetragenen Begründung zur Ablehnung dieser Beweisanträge (S. 120) geht der Schöffensenat davon aus, daß Dr.L*** dem Angeklagten, wie dieser es behauptet, "des öfteren das Fahrzeug geliehen" habe, es hier aber nur darauf ankomme, ob der Angeklagte auch die gegenständliche Fahrt mit Wissen und Willen des Dr.L*** getätigt habe (S. 119 unten), die beantragten "Zeugen zur Wahrheitsfindung (in diesem Punkt aber) nichts wesentliches beitragen können" (S. 120 oben).
Dieser Argumentation ist durchaus beizupflichten: Hat doch der Angeklagte im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen im Beweisverfahren selbst niemals behauptet, daß er im Sinn einer generellen Ermächtigung "jederzeit über das Fahrzeug des Zeugen Dr.L*** verfügen konnte" (S. 132) und zum konkreten Geschehen stets seine totale Erinnerungslosigkeit betont (S. 17, 37, 39, 46, 93, 94, 95). Eine Rechtfertigung im Einzelfall durch eine mutmaßliche Einwilligung scheidet aber schon deshalb aus, weil sie nur unter der Voraussetzung angenommen werden dürfte, daß der Berechtigte bei Kenntnis aller Umstände in die Gebrauchnahme eingewilligt hätte, was jedoch nach Lage des Falls schlechthin ausgeschlossen ist (RZ. 1981/69). Damit erübrigt sich eine Erörterung der negativen Angaben Dris.L*** punkto Einwilligung (S. 15, 33, 50, 96, 97). In seiner Mängelrüge (Z. 5) vergleicht der Beschwerdeführer die Bekundungen des Dr.L*** in verschiedenen Verfahrensstadien miteinander, wobei er sich auf die Frage konzentriert, ob dieser dem Angeklagten jemals früher sein Fahrzeug zur Verfügung gestellt habe; das aber ist, wie dargelegt, nicht entscheidend.
So läuft denn die Beschwerde letztendlich auf die Behauptung hinaus, daß mangels tauglicher Feststellungsgrundlagen, nämlich mangels einer sicheren Erinnerung des dem Beschwerdeführer zufolge gleichfalls schwerstens alkoholisiert gewesenen Zeugen Dr.L*** (S. 95) davon auszugehen wäre, daß dieser dem Angeklagten die Einwilligung zum Gebrauch des Fahrzeugs gegeben habe (S. 132). Damit aber erweist sich die Beschwerde insoweit als im Nichtigkeitsverfahren verpönter Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter, die dem Zeugen Dr.L*** im entscheidenden Punkt voll Glauben geschenkt haben (S. 120). Da Dr.L*** keineswegs in Abrede gestellt hat, dem Angeklagten früher wiederholt die Lenkung seines Fahrzeugs gestattet zu haben, steht seine Aussage mit den Depositionen des Zeugen HASEL, der den Angeklagten wiederholt als Fahrzeuglenker gesehen hatte (S. 97, 98), nicht in unvereinbarem Widerspruch. Auch zur Aussage des Zeugen Dipl.Ing.VOGT, der leere Flaschen vor dem Haus des Dr.L*** gesehen hatte (S. 98, 99), ist ein solcher Widerspruch nicht erkennbar, zumal Dr.L*** zufolge die Flasche nicht zur Gänze geleert worden war, aus der er und der Angeklagte ja nur drei oder vier Whisky getrunken hatten (S. 33, 96). Da sich Dr.L*** am 4.November 1985 um ca 21 Uhr zur Ruhe begeben hatte (S. 115, 117, 118), blieb ungeklärt, unter welchen Umständen sich der Angeklagte voll berauscht hat (S. 118).
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsrüge (Z. 10) geht, sofern eine solche überhaupt erkennbar ausgeführt wurde, von der Erteilung einer Einwilligung zum Gebrauch des Kraftwagens aus und wird solcherart, wie schon die Mängelrüge, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung gebracht. Die Beschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Der Angeklagte hat innerhalb der Frist von drei Tagen (§§ 294 Abs. 1, 284 Abs. 1 StPO) nach der Urteilsverkündung und nach Vorbehalt einer Bedenkzeit (neben der Berufung wegen Nichtigkeit auch) die Berufung wegen Schuld angemeldet (S. 101, 104). Sie war gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen Urteile der Kollegialgerichte in der Strafprozeßordnung nicht vorgesehen ist. In gleicher Weise war gemäß § 296 Abs. 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 294 Abs. 4 StPO mit der Berufung wegen Strafe zu verfahren, weil dieses Rechtsmittel zwar ausgeführt wurde, aber niemals angemeldet worden war (vgl. 9 Os 40/79, 13 Os 139,145/82, 11 Os 16/83, 10 Os 17/84, 13 Os 78,211/84, 13 Os 62/85).
Anmerkung
E07451European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00191.85.1220.000Dokumentnummer
JJT_19851220_OGH0002_0130OS00191_8500000_000