TE OGH 1986/1/9 8Ob628/85

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Veröffentlicht am 09.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter T*****, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 450.000,- s.A. (Rekursstreitwert S 264.542,-), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Februar 1985, GZ. 41 R 1115/84-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27. Juli 1984, GZ. 43 C 77/84-11, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.802,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Barauslagen von S 160,- und Umsatzsteuer von S 970,20) und die mit S 11.551,05 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin Barauslagen von S 1.920,- und Umsatzsteuer von S 875,55) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 450.000,- s.A. im wesentlichen mit der Begründung, er habe von der Beklagten das in deren Haus F*****gasse ***** gelegene Bestandobjekt top. Nr. 2, bestehend aus einer Wohnung im Erdgeschoß und einem Geschäftslokal im Tiefgeschoß samt getrenntem Hof, gemietet. Das Bestandverhältnis sei mit Zugang des Schreibens des Klägers vom 21. 9. 1983 an die Beklagte einvernehmlich aufgelöst worden; in diesem Schreiben habe der Kläger der Beklagten auch seinen Anspruch auf Ersatz der von ihm getätigten Investitionen bekanntgegeben. Der Kläger habe im Bestandobjekt in der ersten Hälfte des Jahres 1981 Investitionen in der Höhe von S 324.683,- durchgeführt und seiner Vormieterin für in den Jahren 1979 und 1980 von ihr geleistete Investitionen S 504.000,- bezahlt; davon sei der Beklagten ein Teilbetrag von S 200.000,- zugeflossen. An die Beklagte habe er anläßlich des Beginnes des Bestandverhältnisses eine Kaution von S 20.000,- bezahlt. Die Beklagte habe das Bestandobjekt unverzüglich nach der Übergabe durch den Kläger im September 1983 wieder vermietet. Der Kläger stütze sein Begehren auf unzulässige Ablösezahlung und auf die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von Investitionen nach § 10 MRG, §§ 1097, 1035, 1037 ABGB sowie zur Zurückzahlung der Kaution wegen Beendigung des Bestandverhältnisses. Die Arbeiten, die vom Kläger und seiner Vormieterin getätigt worden seien, hätten erst die Benützbarkeit des Bestandobjektes ermöglicht; sie seien dem Hauseigentümer oblegen. Es handle sich auch um Arbeiten, die eine im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes mangelnd ausgestattete Wohnung verbessert hätten. Sie seien jedenfalls notwendig und für die Beklagte nützlich gewesen und hätten dieser zum überwiegenden Vorteil gereicht. Eine allfällige Ausschlußklausel im Mietvertrag könne nur gewöhnliche Instandhaltungsarbeiten umfassen; ein allfälliger Ausschluß der Rückforderung verstoße gegen das Gesetz und die guten Sitten. Der heutige Wert der vom Kläger und seiner Vormieterin getätigten Investitionen entspreche etwa den aufgewendeten Kosten. Lediglich „aus prozessualer Vorsicht“ begehre der Kläger vorläufig einen Teilbetrag des tatsächlichen Wertes der Investitionen in der Höhe des Klagsbetrages.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, es sei richtig, daß der Kläger ab 1. 1. 1981 den Mietgegenstand top. Nr. 2 in ihrem Haus in *****, F*****gasse *****, gemietet habe. Der Kläger habe das Bestandobjekt für Geschäftszwecke gemietet und einen von seiner Vormieterin übernommenen Gastronomiebetrieb in ein Animierlokal mit diversen Separees umgewandelt. Darauf bezughabende Aufwendungen seien nicht Gegenstand des Ersatzes nach § 10 MRG. Soweit § 10 MRG nicht anwendbar sei, komme Punkt 9 des Mietvertrages zur Anwendung, wonach vereinbart worden sei, daß Investitionen bei Beendigung des Mietverhältnisses unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergingen. Der Sinn dieser Vereinbarung sei es gewesen, den Vermieter von allen Ansprüchen des Mieters bei Beendigung des Mietvertrages freizuhalten. Um dem Mieter die Möglichkeit zu geben, seine Aufwendungen ersetzt zu erhalten, sei dem Kläger im Punkt 27 des Mietvertrages ein Weitergaberecht eingeräumt worden. Von diesem Weitergaberecht habe der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern Mietzinsrückstände anwachsen lassen, die letztlich zur Auflösung des Bestandvertrages geführt hätten. Das Mietverhältnis sei mit der tatsächlichen Übergabe des Bestandgegenstandes am 10. 9. 1983 beendet worden. Die Adaptierungsarbeiten des Klägers seien unzweckmäßig gewesen und hätten für die Beklagte keinen Vorteil gebracht und keine Werterhöhung dargestellt, sondern im Gegenteil eine Verschlechterung des Bestandobjektes mit sich gebracht. Überdies seien sie unfachmännisch und ohne behördliche Genehmigung durchgeführt worden, sodaß sie beseitigt werden müßten. Schließlich wendete die Beklagte Mietzinsforderungen gegen den Kläger für das Jahr 1983 in der Höhe von S 83.878,32 aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Sie bestritt nicht, vom Kläger bei Abschluß des Mietvertrages eine Kaution in der Höhe von S 20.000,- erhalten zu haben.

Der Kläger gestand zu, daß die Beklagte gegen ihn eine offene Mietzinsforderung in der Höhe von S 29.000,- hat.

Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung mit S 20.000,- und die eingewendete Gegenforderung in dieser Höhe zu Recht besteht; es wies daher das Klagebegehren ab.

Außer Streit steht, daß das Mietverhältnis mit dem Kläger unmittelbar nach Rückgabe des Bestandobjektes an ihn durch die frühere Mieterin Bettina M***** begonnen hat und daß WC und Wasserentnahmestelle im Bestandobjekt vorhanden waren. Im übrigen stellte das Erstgericht im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger schloß am 24. 11. 1981 mit dem Geschäftsführer der Beklagten Ing. C***** einen Mietvertrag hinsichtlich des Bestandobjektes top. Nr. 2 im Haus F*****gasse *****, bestehend aus einem Wohnraum, einer Küche, WC und Nebenraum im Erdgeschoß sowie einer Stube im Tiefgeschoß und einem KFZ-Abstellraum im Hof für Wohn- oder wahlweise Geschäftszwecke ab.

Der Kläger übernahm das Bestandobjekt von der früheren Mieterin Bettina M*****, die in den Geschäftsräumlichkeiten eine Pizzeria betrieben hatte. Sie hatte im Objekt Bau- und Adaptierungsarbeiten durchführen lassen, die sie dem Kläger mit Rechnungen über S 300.000,- nachwies und sich von ihm im Jänner 1981 mit insgesamt rund S 500.000,- ablösen ließ.

Bereits zwischen Bettina M***** und der Beklagten war die Vereinbarung getroffen und schriftlich festgehalten worden, daß nach Beendigung des Mietverhältnisses sämtliche von der Mieterin getätigten Investitionen ohne Rechtsanspruch in das Eigentum des Vermieters übergehen, der Mieterin aber infolge der getätigten Investitionen ein Weitergaberecht zustand. Da auch der Kläger seine Absicht äußerte, das Bestandobjekt umzugestalten bzw. neu zu adaptieren, wurden die diesbezüglichen Bestimmungen des Mietvertrages mit Bettina M***** als Anhang und integrierender Bestandteil des Mietvertrages des Klägers mit der Beklagten aufgenommen. Irrtümlich wurden in der schriftlichen Abfassung der Vereinbarung mehrmals die Worte „Vermieter“ und „Mieter“ verwechselt, sodaß die maßgeblichen schriftlichen Passagen wie folgt lauten: „Alle durch den Vermieter getätigten Investitionen gehen nach Beendigung des Mietverhältnisses in das Eigentum ohne Rechtsanspruch in das Eigentum des Vermieters über“; und weiters: „Infolge der getätigten Investitionen durch den Vermieter ist diesem ein Weiterrecht eingeräumt.“ Ausdrücklich wurde jedoch zwischen Ing. C***** und dem Kläger besprochen, daß diese mit der früheren Mieterin getroffenen Abmachungen auch für das neu abzuschließende Mietverhältnis Geltung haben und daher die vom Kläger geplanten Investitionen nach Beendigung des Mietverhältnisses unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen, ihm aber zur Realisierung seiner Investitionen ein Weitergaberecht zusteht. Punkt 9 des Mietvertrages besagt auch ausdrücklich, daß Änderungen innerhalb des Mietgegenstandes oder an dessen Außenseite sowie Änderungen des Verwendungszweckes der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen und Investitionen bei Beendigung des Mietverhältnisses aus welchem Grund immer unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen.

Am 7. 4. 1983 brachte die Beklagte gegen den Kläger zu 43 K 77/83 (= 43 C 231/83) des BG Innere Stadt Wien eine auf Nichtbezahlung des Bestandzinses und Vernachlässigung des Bestandobjekts gestützte Aufkündigung ein. Nachdem der Beschluß nach § 33 Abs. 2 MRG rechtskräftig geworden war, trat Ruhen des Verfahrens ein, da der nunmehrige Kläger der Beklagten gegenüber auf die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses verzichtete und Mitte September 1983 das Bestandobjekt zurückstellte.

Mit Schreiben vom 21. 9. 1983 teilte der Kläger erstmals der Beklagten mit, daß es ihr freistehe, das Lokal neu zu vermieten und daß er seine Investitionen zurückfordere. Wörtlich heißt es darin: „Laut Bilanz und vorgelegten Belegen beträgt meine Investition rund S 800.000,-. Da ja Sie der Nutznießer dieser Investitionen sind, werde ich diese Forderung durch meinen Anwalt eintreiben lassen.“ Eine weitere Detaillierung der Investitionsforderung oder eine Vorlage von Belegen erfolgte nicht. Erst mit der am 10. 2. 1984 eingebrachten Klage wurde eine Aufstellung vorgelegt, in welcher entweder für bestimmte Firmen oder bestimmte Investitionen Beträge ausgeworfen sind, ohne den Zeitpunkt der Investitionen anzugeben bzw. bei den angeführten Firmen auszuführen, um welche Art von Investitionen es sich handelte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß ein Ersatzanspruch des Klägers für die getätigten Aufwendungen nach den §§ 1097, 1036 ff ABGB nicht in Betracht komme, weil der Kläger im Mietvertrag darauf wirksam verzichtet habe. Ein derartiger Verzicht des Mieters sei zulässig und auch nicht sittenwidrig, wenn, wie hier, dem Mieter die Tragung der Kosten der von ihm gewünschten Investitionen in seinem Bestandobjekt auferlegt würden und ihm zugleich ein Weitergaberecht zur Realisierung der Investitionen eingeräumt werde.

Auch ein Aufwandersatz gemäß § 10 MRG, auf den grundsätzlich nicht im vorhinein verzichtet werden könne, komme nicht in Betracht, weil in einer schriftlichen Anzeige nach § 10 Abs. 4 MRG der Mieter die Grundlage seines Ersatzanspruches durch Art und Zeitpunkt der Aufwendung und Anführung der damaligen Kosten bekanntgeben und den Betrag nennen müsse, der seiner Ansicht nach als Wert verblieben sei. Diesem Erfordernis werde eine Anzeige mit der lapidaren Mitteilung, daß „die Investitionen rund S 800.000,- betrugen“, ohne Art und Zeitpunkt der Investitionen auch nur im geringsten anzugeben, nicht gerecht.

Was die erlegte Kaution betreffe, stehe dem Rückforderungsanspruch der vom Kläger anerkannte Anspruch der Beklagten aus Mietzinsschulden in zumindest derselben Höhe entgegen.

Wenn Bettina M***** im Namen der Beklagten einen Betrag von S 200.000,- ohne Gegenleistung verlangt hätte und dieser Betrag der Beklagten zugekommen wäre, hätte es sich um keine unzulässige Ablösezahlung gehandelt, weil die Voraussetzungen für eine freie Mietzinsvereinbarung vorgelegen seien. Treffe dies zu, könne auch eine sogenannte „Ablöse“ als eine mögliche Form der Mietzinsleistung, als welche alle Leistungen des Mieters an den Vermieter anzusehen seien, vereinbart werden.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es bestätigte mit Urteil die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 185.458,- als Teilurteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Im übrigen hob es mit dem angefochtenen Beschluß das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 264.542,- unter Rechtskraftvorbehalt auf; in diesem Umfang verwies es die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zwischen den Streitteilen im November 1981 der Abschluß einer freien Zinsvereinbarung sowohl hinsichtlich eines Geschäftslokales als auch hinsichtlich einer Wohnung - sofern es sich nicht um eine Substandardwohnung gehandelt habe - zulässig gewesen sei. Daß diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorgelegen seien, sei unbestritten geblieben. Die Bezahlung einer „Investitionsablöse“ sei daher selbst dann zulässig, wenn beiden Teilen bei Vertragsabschluß bekannt gewesen sei, daß abzugeltende Aufwendungen des Vermieters oder des Vormieters gar nicht vorhanden waren. Es habe daher auch eine Ablöse als mögliche Form der Mietzinsleistung gültig vereinbart werden können; ein Rückforderungsanspruch nach dem § 17 MG beziehungsweise § 27 MRG sei daher nicht gegeben. Selbst wenn daher ein Teilbetrag von S 200.000,- von dem vom Kläger an die Vormieterin bezahlten Betrag dem Hauseigentümer zugeflossen sein sollte, sei ein Rückforderungsanspruch nicht gegeben.

Soweit der Kläger sein Begehren auf die §§ 1097, 1036 ff ABGB stütze, sei davon auszugehen, daß er im Mietvertrag auf jeglichen Ersatz der Investitionen gegenüber dem Vermieter verzichtet habe. Die getroffene Vereinbarung schließe die Anwendung der Bestimmungen der §§ 1097, 1036 ABGB aus, weil der Aufwandersatz nach diesen Gesetzesstellen nur dann geltend gemacht werden könne, wenn die Parteien hierüber keine Vereinbarung getroffen hätten. Hinsichtlich der der Vormieterin abgelösten Investitionen bestehe auch nach § 1097 kein Anspruch, weil diese Bestimmung nur den Ersatz solcher Aufwendungen vorsehe, die der Mieter während der Dauer des Mietverhältnisses gemacht habe und zu deren Vornahme der Vermieter verpflichtet gewesen wäre oder die einen nützlichen Aufwand darstellten.

Es bleibe zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach § 10 MRG, auf welchen Ersatzanspruch der Mieter nach § 10 Abs. 6 MRG im voraus nicht wirksam verzichten könne, gegeben seien. Gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 MRG sei der Anspruch auf Ersatz bei sonstigem Verlust des Anspruches dem Vermieter vom Hauptmieter unter Angabe der Höhe schriftlich anzuzeigen, und zwar bei einvernehmlicher Auflösung des Mietverhältnisses spätestens zum Zeitpunkt dieser Auflösung. Der Ansicht des Erstgerichtes, daß das Schreiben des Klägers vom 21. 9. 1983 keine ausreichende Anzeige im Sinne dieser Gesetzesstelle sei, weil der Mieter die Grundlage seines Ersatzanspruches (Art und Zeitpunkt der Aufwendung, seinerzeitige Kosten) bekanntgeben und den Betrag nennen müsse, der als Wert verblieben sei, könne sich das Berufungsgericht deshalb nicht anschließen, weil eine derart weitgehende Aufschlüsselung über den Gesetzestext hinausgehe und der Zweck dieser Bestimmung, daß nämlich der Vermieter diesen Betrag kennen müsse, um ihn bei der Verwertung des Mietobjektes begehren zu können, auch dann erreicht werde, wenn ihm eine nicht detaillierte Summe bekanntgegeben werde. Es sei daher davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Z 1 MRG gegeben seien, soferne die in dieser Gesetzesstelle genannte Präklusivfrist gewahrt sei. Diesbezüglich habe das Erstgericht festgestellt, daß der Kläger den Bestandgegenstand Mitte September 1983 zurückgestellt habe, während es späterhin die Feststellung getroffen habe, der Kläger habe mit dem hier maßgeblichen Schreiben vom 21. 9. 1983 nicht nur den Investitionsersatz gefordert, sondern der Beklagten auch mitgeteilt, daß es ihr freistehe, das Lokal neu zu vermieten. Der Kläger habe im erstinstanzlichen Verfahren die Behauptung aufgestellt, daß das Bestandverhältnis mit Zugang dieses Schreibens an die Beklagte aufgelöst worden sei, während die Klägerin behauptet habe, der Kläger habe das Objekt schon am 10. 9. 1983 zurückgestellt. Der vom Erstgericht getroffenen Feststellung „Mitte September 1983“ sei nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, ob die einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses schon vor oder erst mit dem Zugang des Schreibens vom 21. 9. 1983 erfolgt sei. Über diesen wesentlichen Umstand werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren eine klare Feststellung zu treffen haben. Sofern der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht worden sei, werde das Erstgericht die weiteren Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des § 10 Abs. 3 und Abs. 5 MRG eine Überprüfung zu unterziehen und hierüber ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

Daß das Bestandobjekt zu Wohn- und Geschäftszwecken vermietet worden sei, stehe der Bestimmung des § 10 MRG nicht entgegen. Ein Mietgegenstand sei dann als Wohnung anzusehen, wenn er nach der Parteienabsicht bei Abschluß des Mietvertrages zu Wohnzwecken in Bestand gegeben bzw. genommen oder wenn der Wohnzweck später einverständlich zum Vertragszweck gemacht worden sei.

Endgültig könne jetzt schon entschieden werden, daß die geltend gemachten Investitionen des Klägers für Beleuchtungskörper samt Lampen im Betrag von S 10.141,- und für Deckenverschalung, Hausbar, Wandregal, Holzverkleidung und Abwasch im Betrag von S 70.000,- keine den Ersatz nach § 10 MRG rechtfertigenden Investitionen darstellten. Für die der Vormieterin abgelösten Investitionen einschließlich der Ablösezahlung von S 200.000,- stehe dem Kläger auf Grund der getroffenen Vereinbarungen kein Ersatzanspruch zu. Von dem begehrten Ersatz für eigene Investitionen in Höhe von S 324.683,- sei ein Betrag von S 80.141,- in Abzug zu bringen, weil diese Investitionen schon nach dem Vorbringen keinen Ersatz nach § 10 MRG begründen könnten. Den Differenzbetrag von S 244.542,- (S 324.683,- abzüglich S 80.141,-) und den für Kautionsrückforderung angesprochenen Betrag von S 20.000,-, sohin S 264.542,-, werde das Erstgericht unter Berücksichtigung der geltend gemachten Gegenforderungen von S 62.908,74 und S 20.969,58 einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen haben, während der Betrag von S 185.458,- (S 450.000,- abzüglich S 264.542,-) spruchreif im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens sei.

Den angeordneten Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, daß die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO gegeben seien, weil zur Frage, in welcher Weise der Anspruch auf Investitionsersatz nach § 10 MRG geltend zu machen sei, eine Rechtsprechung des OGH fehle und dieser Frage für die Rechtseinheit erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise beantragt sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht.

Der Kläger beantragt, den Rekurs der Beklagten „kostenpflichtig zu verwerfen“.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis auch sachlich berechtigt.

Wenn die Parteien in dem vor Inkrafttreten des MRG geschlossenen Mietvertrag vereinbarten, daß Investitionen des Mieters bei Beendigung des Mietverhältnisses aus welchem Grund immer unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen, wofür dem Mieter ein Weitergaberecht eingeräumt wurde, liegt darin ein Vorausverzicht des Mieters auf Ersatzansprüche gegen den Vermieter aus dem Grund aller gemachten und künftigen Aufwendungen für den Bestandgegenstand. Ein solcher Vorausverzicht war nach der zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Rechtslage gemäß § 17 Abs. 3 MG in Ansehung von Aufwendungen des Mieters für die Beseitigung einer Mangelhaftigkeit der Wohnung im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes - Wasserentnahme und (oder) Abort außerhalb der Wohnung - nicht rechtswirksam; allein um derartige Aufwendungen des Klägers handelt es sich im vorliegenden Fall, wie sich aus der getroffenen Außerstreitstellung ergibt, nicht. Im übrigen war aber nach der damaligen Rechtslage ein derartiger Vorausverzicht durchaus zulässig und rechtswirksam, und zwar auch hinsichtlich eines nach den Bestimmungen des MG dem Vermieter obliegenden Erhaltungsaufwandes, weil diese Instandhaltungspflicht des Vermieters im Geltungsbereich des MG soweit abbedungen werden konnte, als freie Mietzinsvereinbarungen zulässig waren (siehe dazu Würth in Rummel, ABGB, Rdz. 6 zu § 1097 und Rdz. 1 zu § 1096 und die dort angeführte Judikatur). Es ist im vorliegenden Fall unbestritten, daß nach der Rechtslage zur Zeit des Abschlusses des Bestandvertrages die freie Mietzinsvereinbarung zulässig war. Nach den Bestimmungen des Mietvertrages Beilage 1 verpflichtete sich der Kläger, den Bestandgegenstand auf eigene Kosten in gutem Zustand zu erhalten und allfällige Beschädigungen unverzüglich zu beheben. Er verzichtete auf das Recht, nach § 1096 ABGB die Instandhaltung im Inneren des Mietgegenstandes vom Vermieter zu fordern (Punkt 8 des Mietvertrages) und vereinbarte mit der Beklagten, daß von ihm getätigte Investitionen bei Beendigung des Mietverhältnisses aus welchem Grund immer unentgeltlich in ihr Eigentum überzugehen hätten (Punkt 9 des Mietvertrages). Darin liegt ein Vorausverzicht des Klägers auf alle Ansprüche auf Ersatz von ihm für den Bestandgegenstand gemachter Aufwendung gegenüber der Beklagten, der, wie dargestellt, nur in Ansehung von Aufwendungen für die Beseitigung einer Mangelhaftigkeit im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, unwirksam, sonst aber nach der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Rechtslage durchaus zulässig und rechtswirksam war. Von einer Sittenwidrigkeit eines derartigen Vorausverzichtes kann schon im Hinblick darauf, daß das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und dem Kläger ein Weitergaberecht eingeräumt wurde, keine Rede sein.

Mit diesem Vorausverzicht wurde, soweit er rechtswirksam war, zwischen den Parteien endgültig und abschließend vereinbart, daß der Kläger für alle von ihm gemachten und künftig zu machenden Aufwendungen für den Bestandgegenstand keinen Ersatz von der Beklagten verlangen durfte.

Zu prüfen bleibt, ob an dieser Rechtslage durch die spätere Einführung der Bestimmung des § 10 MRG etwas geändert wurde. Diese Gesetzesbestimmung erkennt dem Hauptmieter einer Wohnung für bestimmte Aufwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen einen Ersatzanspruch gegenüber dem Vermieter zu und normiert in ihrem Abs. 6, daß der Hauptmieter auf einen derartigen Ersatzanspruch im voraus nicht rechtswirksam verzichten kann.

Die Frage, ob ein Mieter mit Erfolg einen Ersatzanspruch im Sinne des § 10 MRG gegen den Vermieter geltend machen kann, obwohl er vor Inkrafttreten des MRG nach der damaligen Rechtslage zulässigerweise und rechtswirksam im voraus auf einen derartigen Ersatzanspruch verzichtet hat, wurde, soweit überschaubar, bisher in der Rechtsprechung des OGH nicht ausdrücklich behandelt; lediglich in der in JBl. 1985, 236 veröffentlichten oberstgerichtlichen Entscheidung, die sich ausführlich mit anderen Rechtsfragen beschäftigt, wurde am Ende ohne nähere Begründung ausgeführt, die schon im Mietvertrag (das Datum des Abschlusses des Mietvertrages ist der Entscheidung nicht zu entnehmen; nach der Sachlage lag es aber offenbar vor Inkrafttreten des MRG) geschlossene Vereinbarung, daß alle künftigen Investitionen des Mieters unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen sollten, sei als Vorausverzicht gemäß § 10 Abs. 6 MRG nicht rechtswirksam und demnach unbeachtlich. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß ein vor Inkrafttreten des MRG erklärter nach der damaligen Rechtslage wirksamer Vorausverzicht des Mieters auf Ersatz von für den Bestandgegenstand gemachten Aufwendungen den Mieter nicht hindere, nach Inkrafttreten des MRG derartige Aufwandersatzansprüche, soweit sie der Vorschrift des § 10 MRG zu unterstellen sind, mit Erfolg gegen den Vermieter geltend zu machen, vermag dem der erkennende Senat aus folgenden Erwägungen nicht zu folgen:

Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Im Sinne dieser Vorschrift sind grundsätzlich nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen; vorher verwirklichte Sachverhalte unterliegen grundsätzlich weiterhin dem vorher geltenden Gesetz. Dieses Abgrenzungskriterium ist auf einmalige Handlungen und Zustände ohne Schwierigkeiten anzuwenden. Für Dauersachverhalte gelten grundsätzlich die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes erst ab seinem Inkrafttreten. Die Rückwirkung von Gesetzen, das heißt deren Anwendung auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht wurden, wird durch § 5 ABGB grundsätzlich verwehrt. Dabei handelt es sich aber nur um eine im Zweifel geltende Regel, die durch jede im Gesetz getroffene Rückwirkungsanordnung durchbrochen werden kann, deren Durchbrechung aber eine dem Gesetz eindeutig zu entnehmende Rückwirkungsanordnung voraussetzt (siehe dazu Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz. 1 und 2 zu § 5 und die dort angeführte Judikatur).

Wenn nun § 43 Abs. 1 MRG vorschreibt, daß, insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, das I. Hauptstück (in welches die Vorschrift des § 10 MRG eingeordnet ist) auch für Mietverträge gilt, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sind, so ist dem zunächst nur die sich bereits aus den obigen Ausführungen zu § 5 ABGB ergebende Anordnung zu entnehmen, daß auf Mietverträge als Dauersachverhalte ab Inkrafttreten dieses Gesetzes dessen Bestimmungen auch dann anzuwenden sind, wenn derartige Verträge vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen wurden. Eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung in dem Sinn, daß vor Inkrafttreten des MRG endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu beurteilen seien und daß im besonderen ein vor Inkrafttreten des MRG rechtswirksam erklärter Vorausverzicht des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen für den Bestandgegenstand rückwirkend für rechtsunwirksam erklärt wird, ist dieser Gesetzesstelle nicht zu entnehmen (siehe im übrigen zur Bedeutung der im § 43 Abs. 1 MRG getroffenen Regelung über „Altverträge“ Würth-Zingher MRG Anm. 1 zu § 43 und Würth in Rummel, ABGB, Rdz. 2 und 3 zu § 43 MRG).

Liegt aber keine Übergangsbestimmung vor, aus der zu entnehmen ist, daß ein vor Inkrafttreten des MRG rechtswirksam erklärter Vorausverzicht des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen rückwirkend für unwirksam erklärt wird, so bleibt im Sinne der dargestellten Grundsätze über den zeitlichen Geltungsbereich von Gesetzen ein derartiger Vorausverzicht auch nach Inkrafttreten des MRG wirksam, und zwar auch hinsichtlich der im § 10 MRG umschriebenen Aufwendungen; die Vorschrift des § 10 Abs. 6 MRG kann sich daher nur auf nach dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Verträge beziehen.

Es besteht im Sinne der dargestellten Grundsätze auch keine Möglichkeit, hinsichtlich der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 10 Abs. 6 MRG zwischen Aufwendungen des Mieters vor und nach Inkrafttreten des MRG zu differenzieren. Denn beim Vorausverzicht auf den Ersatz von Aufwendungen - und nur die Wirksamkeit dieser Rechtshandlung ist hier zu beurteilen - handelt es sich um keinen Dauersachverhalt, der etwa erst durch die einzelnen Aufwendungen des Mieters verwirklicht würde, sondern um eine einmalige und abgeschlossene Rechtshandlung, deren Rechtsfolgen sofort eintreten und mit der einmalig und endgültig klargestellt wird, daß der Mieter, soweit der von ihm erklärte Verzicht nach der in diesem Zeitpunkt gegebenen Rechtslage wirksam ist, aus dem Rechtsgrund des Ersatzes von Aufwendungen für den Bestandgegenstand zu welchem Zeitpunkt immer keine Forderungen gegen den Vermieter mit Erfolg geltend machen kann.

Im übrigen wird eine schon unter der Herrschaft des alten Gesetzes durch Verzicht erloschene Verbindlichkeit selbst von einer angeordneten Rückwirkung des neuen Gesetzes grundsätzlich nicht mehr erfaßt (SZ 45/100 mit weiteren Nachweisen).

Dies führt zu dem Ergebnis, daß der Kläger, der vor Inkrafttreten des MRG rechtswirksam im voraus auf den Ersatz der nunmehr geltend gemachten Aufwendungen für den Bestandgegenstand verzichtete, auch nach Inkrafttreten des MRG nicht mit Erfolg den Ersatz dieser Aufwendungen von der Beklagten verlangen kann, und zwar auch nicht in dem Umfang, in dem seine geltend gemachten Aufwendungen der Vorschrift des § 10 MRG zu unterstellen wären.

Aus diesem Grund erweist sich die Rechtssache als spruchreif im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes. Es war daher in Stattgebung des Rekurses der Beklagten gemäß § 519 Abs. 2 zweiter Satz ZPO wie im Spruch zu entscheiden, ohne daß zu den Rekursausführungen weiter Stellung zu nehmen wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E131168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00628.850.0109.000

Im RIS seit

14.04.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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