Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Dr.Martin Meches und Hermann Peter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz L***, Pensionist, Neuhofen an der Krems, Jägertal Nr.29, vertreten durch Dr.Walter Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei MARKTGEMEINDE N*** an der Krems, vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 32.736,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 14.Mai 1984, GZ.5 Cg 11/83-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Kirchdorf/Krems vom 25.Oktober 1983, GZ. Cr 29/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 5.104,44 (darin S 360,-- Barauslagen und S 397,41 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.940,15 (darin S 480,-- Barauslagen und S 223,65 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1.3.1977 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 30.9.1982 bei der beklagten Marktgemeinde als Badewärter beschäftigt. Mit der Behauptung, daß die beklagte Partei im Juli 1982 den im Dienstvertrag vereinbarten Vorrückungssstichtag 23.5.1947 einseitig geändert und ohne seine Zustimmung den 16.2.1977 als neuen Vorrückungsstichtag festgelegt habe, was mit einer erheblichen Minderung seines Grundgehaltes verbunden gewesen sei, begehrt der Kläger an restlichem Gehalt für August und September 1982 sowie an restlicher Abfertigung den - der Höhe nach unbestrittenen - Betrag von S 32.736,-- brutto sA. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Beim Abschluß des Dienstvertrages seien die Parteien übereingekommen, die Vordienstzeiten des Klägers bei den Österreichischen Bundesbahnen im gesetzlichen Ausmaß anzurechnen; sie seien davon ausgegangen, daß die Einreihung des Klägers in die Entlohnungsstufe 20 der Entlohnungsgruppe p 4 mit dem Vorrückungsstichtag 23.5.1947 den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes entspreche. Die Unrichtigkeit dieser Einreihung habe sich erst im Sommer 1982 bei einer Überprüfung des Arbeitsverhältnisses durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung herausgestellt; sie sei dem Kläger am 3.7.1982, also noch vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, bekanntgegeben worden. Gegen die Klageforderung werde im übrigen der Anspruch der beklagten Partei auf Rückzahlung der vom Kläger seit dem 1.3.1977 - keinesfalls gutgläubig - bezogenen Überzahlungen im Gesamtbetrag von S 184.639,-- zur Aufrechnung eingewendet. Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung mit S 32.736,-- brutto zu Recht und die Gegenforderung der beklagten Partei - zu ergänzen: bis zur Höhe der Klageforderung - nicht zu Recht bestehe; die beklagte Partei sei daher schuldig, dem Kläger S 32.736,-- brutto sA zu zahlen. Diesem Urteil liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Mit dem am 10.2.1977 abgeschlossenen, wenngleich nicht datierten, "Dienstvertrag auf Grund des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr.86, idgF in Verbindung mit § 77 des Gemeindebedienstetengesetzes, LGBl. Nr.44/1952" wurde der Kläger von der beklagten Partei ab 1.3.1977 als Badewärter im Entlohnungsschema II, Entlohnungsgruppe p 4, Entlohnungsstufe 20, angestellt, und zwar zunächst teilbeschäftigt mit 50 % der Vollbeschäftigung. Nach Punkt 22 des Vertrages ("Berechnung der Vordienstzeiten gemäß § 26 VBG 1948 in der jeweils geltenden Fassung") wurden dem Kläger Vordienstzeiten im Gesamtausmaß von 29 Jahren, 9 Monaten und 8 Tagen angerechnet und demgemäß als Vorrückungsstichtag der 23.5.1947 festgesetzt. Mit
einem - gleichfalls nicht datierten - "Nachtrag zum Dienstvertrag vom 10.2.1977" wurde das Beschäftigungsausmaß des Klägers ab 1.10.1980 auf 40 Wochenstunden, also auf Vollbeschäftigung, ausgedehnt. Über die Einstufung des Klägers wurde beim Abschluß des Dienstvertrages nicht gesprochen; sie wurde vielmehr von der beklagten Partei vorgenommen, und in der Folge wurde gemäß dieser Einstufung auch der Lohn des Klägers ausgezahlt.
Im Frühjahr 1982 ergab sich für die beklagte Partei die Notwendigkeit, beim Betrieb des Bades Einsparungen vorzunehmen, Helga P*** - eine Bedienstete der beklagten Partei - erkundigte sich deshalb bei AORev S*** von der Oberösterreichischen Landesregierung nach der Möglichkeit, die Dienstzeit des Klägers auf 40 % zu verkürzen. Als sie auf die Frage S***s, wovon dieser Mann dann leben werde, darauf verwies, daß es sich beim Kläger um einen ÖBB-Pensionisten handle, fragte S*** sogleich, ob der Kläger auch richtig eingestuft sei. Nachdem er die Einstufung erfahren hatte, war ihm sofort klar, daß diese Einstufung nicht stimmen könne. Mit Schreiben vom 29.6.1982 teilte die beklagte Partei dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung mit, daß der Kläger vom 2.8.1943 bis 31.1.1977 ÖBB-Bediensteter und vom 1.2. bis 28.2.1977 ÖBB-Pensionist gewesen sei und von den ÖBB die volle Pension beziehe. Der Kläger sei bei seiner Aufnahme in p 4/20 eingestuft worden und befinde sich derzeit in p 2/23; falls diese Einstufung nicht richtig sein sollte, werde um Mitteilung gebeten, ob die Rückverrechnung bereits gewährter Bezüge möglich ist. Als der Kläger am 3.7.1982 von seinem Urlaub zurückkehrte, suchten ihn die Bediensteten der beklagten Partei Helga P*** und Stefan G*** in seiner Wohnung auf. Obwohl AORev S*** der Zeugin P*** erklärt hatte, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit nur mit Zustimmung des Bediensteten vorgenommen werden könne, erklärten Helga P*** und Stefan G*** dem Kläger, daß Einsparungen beschlossen worden seien und daß er auf 40 % der Wochenarbeitszeit herabgesetzt werde. Sollte er diese Herabsetzung seines Beschäftigungsausmaßes nicht akzeptieren, dann komme eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Frage, wobei ihm alle Rechte gewahrt blieben. Dem Kläger wurde auch mitgeteilt, daß eine Prüfung seiner Einstufung durch die Landesregierung im Gange sei.
Am 6.7.1982 richtete der Kläger nachstehendes Schreiben an die beklagte Partei:
"Betreff: Einvernehmliche Auflösung meines Dienstverhältnisses. Durch Beschluß des Badeausschusses wurde mein bestehender Dienstvertrag mit 1.Oktober 1982 von 100 % auf 40 % geändert. Ich empfinde das als unzumutbar und bin damit nicht einverstanden. Deshalb ersuche ich um einvernehmliche Lösung meines Vertragsdienstverhältnisses mit 30.September 1982, unter der Voraussetzung, daß mir die Abfertigung im gesetzlichen Ausmaß gewährt wird."
Mit Schreiben vom 2.8.1982 gab die beklagte Partei dem Kläger bekannt, daß die von ihm vorgeschlagene einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses vorbehaltlich der Genehmigung durch den Gemeinderat akzeptiert werde. Da der Personalakt des Klägers zwecks Überprüfung seiner Einstufung beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung liege, könnten bis zu einer endgültigen Klärung dieser Angelegenheit keine Angaben über die dem Kläger noch zustehenden Bezüge gemacht werden. In der Folge hat der Gemeinderat der Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ausdrücklich zugestimmt.
Am 10.8.1982 teilte das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung der beklagten Partei mit, daß für den Kläger nur eine Einstufung in die Entlohnungsgruppe p 3 gemäß Dienstzweig 13 (Facharbeiter als Badeaufsicht) der Handwerkerdienstzweigeordnung des Gemeindedienstes (Anlage zum Handwerkerdienstzweigegesetz LGBl.1978/51) in Betracht komme. Da die Vordienstzeit als ÖBB-Bediensteter gemäß § 26 Abs.4 VBG von der Anrechnung ausgeschlossen sei und die Zeit des Klägers als ÖBB-Pensionist nur zur Hälfte - also mit 15 Tagen - berücksichtigt werden könne, sei als Vorrückungsstichtag der 16.2.1977 (nächste Vorrückung: 1.1.1979) festzusetzen. Daraufhin gab die beklagte Partei mit Schreiben vom 27.8.1982 dem Kläger diese neue Einstufung bekannt; für den Monat August 1982 werde ihm deshalb vorerst nur eine Akontozahlung von S 3.000,-- überwiesen.
Nach der Einbringung der Klage wurden dem Kläger die Gehälter für August und September 1982 sowie die Abfertigung auf der Grundlage des Vorrückungsstichtages 16.2.1977 angewiesen. Unbestritten ist, daß der eingeklagte Bruttobetrag von S 32.736,-- dem Kläger zusteht, wenn bei der Berechnung seiner Ansprüche vom Vorrückungsstichtag 23.5.1947 auszugehen ist.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die Parteien ungeachtet der Bestimmung des § 26 Abs.4 VBG, welche eine Anrechnung der Vordienstzeit des Klägers bei den ÖBB ausgeschlossen habe, im Dienstvertrag ausdrücklich den 23.5.1947 als Vorrückungsstichtag festgelegt hätten. Ein der beklagten Partei dabei allenfalls unterlaufener Rechtsirrtum sei weder vom Kläger veranlaßt noch von der beklagten Partei rechtzeitig aufgeklärt worden; auch habe er dem Kläger nicht offenbar auffallen müssen. Ein Irrtum über gesetzliche Vorschriften könne nur dann als Erklärungsirrtum behandelt werden, wenn die Parteien die betreffenden Bestimmungen durch Verweisung zum mittelbaren Inhalt ihrer Erklärung gemacht hätten. Das sei im vorliegenden Fall zwar in der Überschrift des Dienstvertrages allgemein geschehen; die konkrete Bestimmung des Vorrückungsstichtages gehe jedoch dem mittelbaren allgemeinen Inhalt des Vertrages vor. § 26 Abs.4 VBG sei keine Verbotsnorm im Sinne des § 879 Abs.1 ABGB, deren Verletzung den Vertrag nichtig machen würde; da das Vertragsbedienstetengesetz Sonderverträge vorsehe, seien abweichende Vereinbarungen - ähnlich wie bei Kollektivverträgen - zugunsten des Arbeitnehmers grundsätzlich möglich. Da der Kläger im Vertrauen auf die Richtigkeit des von der beklagten Partei ermittelten Vorrückungsstichtages mehr als 5 Jahre lang sein Gehalt bezogen habe, widerspräche ein einseitiges Abgehen von diesem Stichtag den Grundsätzen von Treu und Glauben. Für die beklagte Partei wäre aber auch dann nichts gewonnen, wenn man davon ausginge, daß beide Parteien beim Abschluß des Dienstvertrages vereinbart hätten, dieser Vertrag habe dem Vertragsbedienstetengesetz zu entsprechen, der Vorrückungsstichtag selbst aber von der beklagten Partei einseitig entgegen § 26 Abs.4 BVG festgesetzt worden wäre. In diesem Fall ließe nämlich die Anwendung dieses Stichtages durch mehr als 5 Jahre keinen Zweifel an einer stillschweigenden Änderung der entsprechenden Bestimmung; nicht nur das Zustandekommen von Dienstverträgen nach dem Vertragsbedienstetengesetz, sondern auch nicht verbotene Abweichungen von solchen Verträgen könnten schlüssig erfolgen. Da die beklagte Partei die Höhe der Bezüge des Klägers nicht einseitig ändern könne und nur zu Unrecht empfangene Überbezüge als "Übergenuß" anzusehen wären, bestehe wohl die eingeklagte Forderung, nicht aber die Gegenforderung der beklagten Partei zu Recht. Das Urteil der ersten Instanz wurde von der beklagten Partei fristgerecht mit Berufung angefochten. In seiner Berufungsbeantwortung brachte der Kläger ergänzend vor, daß ein allfälliger Irrtumsanfechtungsanspruch der beklagten Partei gemäß § 1487 ABGB verjährt wäre.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Auf dieser Grundlage hielt es die Rechtsrüge der beklagten Partei für begründet: Der Dienstvertrag des Klägers sei auf Grund des Vertragsbedienstetengesetzes abgeschlossen worden. Eine Erklärung, daß bei der Anrechnung von Vordienstzeiten von den Bestimmungen dieses Gesetzes abgegangen werde, sei nicht abgegeben worden; es habe daher nicht zweifelhaft sein können, daß die ziffernmäßige Anführung der Vordienstzeiten in der Vertragsurkunde nur deklarative Bedeutung gehabt habe, daß aber keine eigene Anrechnung von Vordienstzeiten vereinbart werden sollte. Bei dieser Sachlage stelle sich das Problem eines allfälligen Irrtums gar nicht. Gehe man aber davon aus, daß nach der Vertragsurkunde die Einstufung des Klägers nach den Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes vorgenommen werden sollte, dann könne der Umstand, daß die beklagte Partei dem Kläger durch mehrere Jahre höhere Zahlungen geleistet habe, als dies bei richtiger Einstufung geboten gewesen wäre, nicht als schlüssige Änderung des ursprünglichen Vertragsinhalts angesehen werden; für den Kläger sei kein Umstand erkennbar gewesen, der für eine Absicht der beklagten Partei gesprochen hätte, die getroffenen Vereinbarungen durch eine Erhöhung der dem Kläger zukommenden Zahlungen zu ändern. Der im Vertrag festgelegte, dem Vertragsbedienstetengesetz (§ 26 Abs.4 Z 1) widersprechende Vorrückungsstichtag 23.5.1947 äußere daher keine Wirkung, so daß dem Kläger die von ihm begehrte Nachzahlung nicht zustehe.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs.1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben (richtig: abzuändern) und das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die ziffernmäßige Anführung der Vordienstzeiten in der Vertragsurkunde nur deklarative Bedeutung habe und daß "keine eigene Anrechnung von Vordienstzeiten vereinbart werden sollte". Eine solche Auslegung findet im Wortlaut des Dienstvertrages keine Deckung; Punkt 22 dieser Vertragsurkunde, wo unter Hinweis darauf, daß das Gesamtausmaß der dem Tag der Aufnahme voranzusetzenden Zeiten 29 Jahre, 9 Monate und 8 Tage betrage, als Vorrückungsstichtag der 23.5.1947 angeführt wurde, konnte vielmehr nach seinem objektiven Erklärungswert vom Kläger nur als Ausdruck des Willens der beklagten Partei verstanden werden, dem Kläger seine Vordienstzeit bei den Österreichischen Bundesbahnen im vollen Ausmaß anzurechnen und ihn auf diese Weise bezugsrechtlich so zu stellen, als ob er den Dienst bei der beklagten Partei schon am 23.5.1947 angetreten hätte. Daß damit - wie auch die mehrfache Bezugnahme des Vertragsformulars auf das Vertragsbedienstetengesetz 1948 zeigt - keine über die Bestimmungen des Gesetzes hinausgehende Vereinbarung getroffen werden sollte, die beklagte Partei vielmehr - ebenso wie der Kläger - der Ansicht war, eine solche Anrechnung der ÖBB-Vordienstzeiten sei durch § 26 Abs.2 VBG geboten, hat auch der Kläger selbst - jedenfalls im Verfahren erster und zweiter Instanz - nicht in Abrede gestellt; diese irrige Annahme der Parteien ändert jedoch nichts daran, daß Punkt 22 des Dienstvertrages seinem klaren Wortlaut nach keine bloßen Wissenserklärungen, sondern eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über das Gesamtausmaß der anzurechnenden Vordienstzeiten des Klägers und den sich daraus ergebenden Vorrückungsstichtag enthält. Die gegenteilige, auch in der Revisionsbeantwortung wiederholte Behauptung der beklagten Partei, der tatsächliche, sich aus Zeugen- und Parteiaussagen ergebende Vertragswille der Parteien sei dahin gegangen, daß sich die Einstufung und damit auch der Vorrückungsstichtag des Klägers ausschließlich nach den gesetzlichen Bestimmungen zu richten hätten, ist durch die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils nicht gedeckt. Beide Vorinstanzen haben vielmehr ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß beim Abschluß des Dienstvertrages Beilage 2 über die Einstufung des Klägers nicht gesprochen, diese Einstufung vielmehr von der beklagten Partei allein vorgenommen und in den Vertrag eingesetzt wurde.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes braucht die Frage, ob der den Parteien unterlaufene (Rechts-)Irrtum ein Geschäftsirrtum im Sinne des § 871 Abs.1 ABGB oder aber ein - bei entgeltlichen Geschäften unter Lebenden regelmäßig unbeachtlicher (§ 901 ABGB) - Motivirrtum war, ebensowenig erörtert zu werden wie die weitere, in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete (siehe etwa Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 18 zu § 871) Frage nach den Rechtsfolgen eines gemeinsamen Irrtums beider Vertragspartner. Einer erfolgreichen Berufung der beklagten Partei auf die Bestimmungen der §§ 871 ff ABGB steht nämlich der vom Kläger in zweiter Instanz ausdrücklich erhobene Verjährungseinwand entgegen:
Gemäß § 1487 ABGB verjährt das Recht, einen Vertrag wegen Irrtums - "wobei sich der andere Teil keiner List schuldig gemacht hat" - anzufechten, in drei Jahren; diese Frist beginnt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern schon mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (SZ 20/88; SZ 39/56 = EvBl1966/299; GesRZ 1982,251; NZ 1974,155 ua;
Koziol-Welser 7 I 121; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 1497;
Klang in Klang 2 VI 630). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die beklagte Partei erstmals am 3.7.1982, also erst rund 2 1/2 Jahre nach dem Ablauf der dreijährigen, mit dem Vertragsabschluß am 10.2.1977 in Lauf gesetzten Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, den Kläger auf die mögliche Unrichtigkeit seiner Einstufung sowie deren Überprüfung durch die Landesregierung hingewiesen, ihm sodann mit Schreiben vom 27.8.1982 seine "richtige" Einstufung bekanntgegeben und in der Folge die Bezüge für August und September 1982 sowie auch die ihm zustehende Abfertigung auf der Grundlage des neuen Vorrückungsstichtages (16.2.1977) errechnet. Da somit das von der beklagten Partei in Anspruch genommene Recht zur Vertragskorrektur (Vertragsanpassung) wegen Irrtums (§ 877 ABGB) schon damals verjährt war, kann auch die in Lehre und Rechtsprechung verschieden beantwortete Frage, ob § 1487 ABGB eine gerichtliche Geltendmachung (durch Klage oder Einrede) erfordert oder ob auch eine außergerichtliche Anzeige des Irrtums die Einrede perpetuiert (siehe dazu Koziol-Welser aaO 120 f bei und in FN 56 ff), diesmal auf sich beruhen.
Auch eine Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes nach § 901 ABGB führt zu keinem anderen Ergebnis: Daß die Parteien "den Beweggrund oder den Endzweck ihrer Einwilligung" - hier also die Übereinstimmung der vereinbarten Vordienstzeitenanrechnung mit der Regelung des § 26 VBG - ausdrücklich zur Bedingung des Vertragsabschlusses gemacht hätten, hat die beklagte Partei nicht behauptet; nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde vielmehr beim Abschluß des Dienstvertrages Blg./2 über die Einstufung des Klägers nichts gesprochen, diese vielmehr von der beklagten Partei allein vorgenommen und in den Vertrag eingesetzt. Für den Prozeßstandpunkt der beklagten Partei wäre aber selbst dann nichts gewonnen, wenn man eine dem § 26 VBG entsprechende Vordienstzeitenanrechnung als typische, dem Vertrag von beiden Seiten als geradezu "selbstverständlich" zugrunde gelegte Voraussetzung und damit als Geschäftsgrundlage ansehen wollte, deren Fehlen oder nachträgliches Wegfallen nach Lehre und Rechtsprechung zur Aufhebung oder wenigstens zu einer entsprechenden Anpassung des Geschäftes führen könnte (siehe dazu Rummel aaO Rdz 4 ff zu § 901). Auch dieses (ursprüngliche) Fehlen einer von beiden Seiten übereinstimmend vorausgesetzten Geschäftsgrundlage wäre ja im vorliegenden Fall auf einen gemeinsamen Irrtum der Parteien zurückzuführen, so daß einer darauf gestützten Vertragsanfechtung abermals der vom Kläger erhobene Einwand der Verjährung nach § 1487 ABGB entgegenstünde.
Aus dem Gesagten folgt, daß die beklagte Partei, ohne sich auf den ihr 1977 unterlaufenen Irrtum berufen zu können, dem Kläger die ihm bisher vorenthaltene Gehalts- und Abfertigungsdifferenz in der Höhe des eingeklagten Betrages nachzuzahlen hat; ihre zur Aufrechnung eingewendete Gegenforderung besteht hingegen mangels irgendwelcher "Überzahlungen" nicht zu Recht.
Die Verpflichtung der beklagten Partei zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO Die von der beklagten Partei in der Berufung erhobenen Bedenken gegen die Kostenentscheidung des Ersturteils sind nicht stichhältig: Da der Kläger tatsächlich nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches unterlegen ist, dessen Geltendmachung überdies keine besonderen Kosten verursacht hat, hat das Erstgericht der beklagten Partei mit Recht den Ersatz der gesamten Kosten des Klägers auferlegt (§ 43 Abs.2 ZPO).
Anmerkung
E07489European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00143.84.0114.000Dokumentnummer
JJT_19860114_OGH0002_0040OB00143_8400000_000