TE OGH 1986/1/15 1Ob713/85

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Veröffentlicht am 15.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Wolfgang CLEVER, geb. 28. September 1969, Schüler, Lustenau, Erlengasse 17, vertreten durch die Eltern Hans-Walter und Rosemarie CLEVER, diese vertreten durch Dr. Clemens Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1) Andreas ALGE, geb. 26. Juni 1970, Schüler, vertreten durch seine Eltern Elmar und Ilse ALGE, diese vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn,

2) Herbert VOGEL, geb. 20. April 1970, Schüler, Lustenau, Forststraße 47, vertreten durch seine Eltern Eduard und Franziska VOGEL, diese vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung (Streitwert S 620.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1985, GZ. 1 R 207/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Mai 1985, GZ. 4 Cg 879/85-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen je S 16.171,65 (davon S 1.470,15 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. März 1982 drangen der am 28. September 1969 geborene Kläger und die am 26. Juni 1970 bzw. am 20. April 1970 geborenen Beklagten in eine am Betriebsgelände des Hubert S*** in Lustenau errichtete Halle ein, in der Altmaterialien, insbesondere Stoffballen gelagert waren. Der Zweitbeklagte hatte zwei Kerzen und eine Fackel bei sich, der Kläger Zigaretten und ein Feuerzeug. Die Kerzen hatte der Zweitbeklagte mitgenommen, weil man es im Inneren der Halle etwas heller haben wollte. In der Halle richteten sich die Streitteile zwischen den durchschnittlich 500 kg schweren gepreßten Stoffballen eine Art Hütte ein. Der Zweitbeklagte befestigte eine Kerze auf einem Pappkarton und stellte sie auf einen Stoffballen. Mit einer entflammten Fackel strich er einen Holzbalken entlang, so daß dieser schwarz wurde. Einem der Beteiligten kam dann die Idee, Stoffetzen, die leicht aus den Stoffballen herauszuziehen waren, anzuzünden. Man wollte die Stoffetzen jeweils nur ein Stück anbrennen lassen und dann wieder auslöschen. Die beiden Beklagten zündeten Stoffreste an und hielten sie in der Hand; es gelang ihnen jedoch, das Feuer zum Erlöschen zu bringen. Auch der Kläger zündete einen Stoffetzen an, hielt ihn in der Hand, es gelang ihm jedoch nicht, das Feuer zum Erlöschen zu bringen. Schließlich warf er den brennenden Stoffetzen durch eine ca. 1 1/2 m entfernte Fensteröffnung. Dabei fiel ein Teil des brennenden Lappens auf einen Stoffballen, der Feuer fing. Der Kläger forderte die beiden Beklagten auf, schnell herzukommen und ihm zu helfen, das Feuer zu löschen, doch rannte der Erstbeklagte nach dem Ausbruch des Feuers sofort davon; als es dem Kläger und dem Zweitbeklagten nicht gelang, das Feuer zum Erlöschen zu bringen, ergriffen sie gleichfalls die Flucht. Das Feuer vernichtete die Lagerhalle samt den darin gelagerten Textilien und Altpapier; weitere Schäden entstanden an Nachbargebäuden sowie an öffentlichen Fernmeldeanlagen der Post- und Telegraphenverwaltung. Den Streitteilen war bewußt, daß das Hantieren mit Feuer in einer Lagerhalle, in der sich Stoffreste befanden, besonders gefährlich ist, weil diese Materialien leicht Feuer fangen können.

Zugunsten des Klägers besteht bei der GRAZER W***N

V***SANSTALT für fahrlässig herbeigeführte Schäden Versicherungsdeckung bis zum Höchstbetrag von S 2,000.000,--. Zugunsten des Erstbeklagten besteht bei der I*** V*** für fahrlässig herbeigeführte Schäden eine Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von S 200.000,--; für den Zweitbeklagten besteht eine solche Versicherung bei der VORARLBERGER L*** in derselben Höhe.

Hubert S*** begehrte vom Kläger den Ersatz des durch Versicherungsleistungen nicht gedeckten Schadens in der Höhe von S 1,099.742,--. Das Landesgericht Feldkirch gab mit Urteil vom 13. Februar 1985, 7 a Cg 4647/83-29 dem Klagebegehren statt; Berufung und Revision blieben erfolglos.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm die beiden Beklagten zu je einem Drittel für Ersatzleistungen zu haften und diese zu vergüten haben, die er im Zusammenhang mit dem Brand in der Lagerhalle des Hubert S*** in Lustenau am 2. März 1982 zu erbringen hat, soweit die Zahlungen und Leistungen des Klägers nicht im Haftpflichtversicherungsvertrag mit der GRAZER W***N V***SANSTALT gedeckt sind, das heißt insoweit er selbst über die Versicherungssumme hinaus direkt zur Zahlung verpflichtet ist. Der Kläger führt zur Begründung aus, der eingetretene Schaden betrage mindestens S 3,000.000,--. Im Verfahren 7 a Cg 4647/83 des Landesgerichtes Feldkirch sei er zur Zahlung des Betrages von S 1,099.742,-- verurteilt worden, darüber hinaus würden weitere Ansprüche geltend gemacht. Er habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten, die den Schaden mitverursacht und mitverschuldet hätten. Da die Beklagten die gleichen Verursachungs- und Verschuldensanteile wie ihn träfen, werde deren Haftung zu je einem Drittel in Anspruch genommen. Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Das Schadensereignis vom 2. März 1982 sei allein vom Kläger verursacht und verschuldet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Brand sei ausschließlich auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen. Die Beklagten hätten zwar gleichfalls Stoffetzen angezündet und in der Hand gehalten, doch sei es ihnen, im Gegensatz zum Kläger, gelungen, die dadurch herbeigeführte Gefahr zu beherrschen und die Stoffetzen jeweils so rechtzeitig zum Erlöschen zu bringen, daß die in der Umgebung befindlichen Stoffballen nicht Feuer fangen konnten. Damit habe aber der Kläger den herbeigeführten Schadenserfolg allein zu vertreten und könne die Beklagten nicht zur Mithaftung heranziehen. Diese hätten kein Verhalten gesetzt, das für den Schadenseintritt ursächlich gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Den geltend gemachten Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 zweiter Satz ZPO).

Der Revisionswerber führt aus, die Vorinstanzen gingen von einem zu engen Begriff der Verursachung aus, wenn sie jeden einzelnen Beitrag der Streitteile isoliert betrachteten. Die Aufzählung des gemeinschaftlichen Handelns in § 1301 ABGB, das zum Schadenersatz verpflichte, sei demonstrativ. Ein Beitrag könne im Verleiten, Befehlen, ja auch in der Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, bestehen. Das Berufungsgericht habe bloß auf die physische Kausalität abgestellt, ohne die Frage der psychischen Kausalität näher zu prüfen. Nur durch das gemeinsame Handeln seien alle Bedingungen für den Schadenserfolg zustandegekommen. Es könne nicht entscheidend sein, wer einen ganz bestimmten Stoffetzen angezündet und das Feuer dann zum Erlöschen beziehungsweise nicht mehr zum Erlöschen bringen konnte. Schon der gemeinsame Entschluß zu züdeln begründe die Haftung aller; keiner habe sich vom gemeinsamen Spiel distanziert; die Idee zu zündeln sei vom gemeinsamen Entschluß getragen gewesen. Der weitere Geschehensablauf, daß es also gerade der Stoffetzen des Klägers gewesen sei, der zum Brand geführt habe, sei dann mehr oder weniger vom Zufall abhängig gewesen und könne nicht dem Verursachungsbereich eines einzelnen zugerechnet werden. Darüber hinaus hätte die Beklagten auch die Verpflichtung getroffen, das Übel zu verhindern; sie hätten dem Hantieren mit Feuer entgegentreten müssen. Wenn sie dies nicht getan haben, begründe dies ihren Tatbeitrag, für den sie einzustehen haben.

Diese Ausführungen vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Gemäß § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbar oder mittelbar durch Verleiten, Drohen, Helfen, Befehlen u.dgl. oder durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben. In einem solchen Fall verantwortet gemäß § 1302 ABGB, wenn die Beschädigung in einem Versehen begründet ist und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde oder wenn die Anteile der einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften alle für einen und einer für alle, doch bleibt dem, der den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die übrigen vorbehalten. Der Kläger hat nicht behauptet, dem Geschädigten Ersatz geleistet zu haben. Dies steht jedoch, da er mit Inanspruchnahme durch den Geschädigten (beziehungsweise den Versicherer als Legalzessionar) rechnen muß, dem erhobenen Feststellungsbegehren nicht entgegen (SZ 46/128; SZ 42/172; Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 896).

Der Erfolg des Klagebegehrens hängt davon ab, ob die Beklagten als Mitschuldner für den eingetretenen Schaden solidarisch haften (JBl. 1957, 241; SZ 15/232; Gamerith a.a.O. Rdz 1 zu § 896; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 299). § 1301 ABGB knüpft die Schadenersatzpflicht mehrerer Personen an ihr gemeinschaftliches Handeln. Dieses kann darin bestehen, daß mehrere an der schädigenden Handlung als Mittäter oder aber als Teilnehmer (vgl. Marginale vor § 1301 ABGB), das heißt als Anstifter oder Gehilfen, mitwirken. Solidarhaftung der Mitwirkenden tritt nach herrschender Ansicht bei vorsätzlichem gemeinschaftlichem Handeln unabhängig von der Bestimmbarkeit der wirklich verursachten Schadensteile ein (EvBl. 1971/19; EvBl. 1958/41; SZ 27/103; Koziol a.a.O. I 65, 298). Die solidarische Haftung mehrerer Mitwirkender wird auf Grund der Gemeinschaftlichkeit des Willens ohne Prüfung, ob und welcher Anteil dem einzelnen zuzumessen ist, bejaht.

Ein Fall vorsätzlicher gemeinschaftlicher Schadenszufügung liegt nicht vor. Ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der Streitteile, um Hubert S*** in seinem Vermögen zu schädigen, erfolgte nicht. Solidarische Haftung tritt dann nur ein, wenn von mehreren Personen jede einzelne zum Schaden in irgendeiner Form beigetragen hat, ohne daß bestimmte Schadenskomponenten einzelnen Schädigern anzulasten wären (SZ 55/68; SZ 53/82; EvBl. 1980/112; SZ 48/107; SZ 45/5; JBl. 1972,210; SZ 20/253; Wolff in Klang, Komm 2 VI 55). So wurde etwa die solidarische Haftung eines Täters, der Heu herbeiholte und aufeinanderschlichtete, zusammen mit jenem, der das Feuer entfachte, für den dann eingetretenen, nicht gewollten Brandschaden bejaht (JBl. 1982, 149). Auch in Fällen fahrlässiger Schädigung greift aber die gesamtschuldnersiche Haftung nur dann Platz, wenn der Schaden nicht eindeutig nur einem der Täter zurechenbar ist (Koziol a.a.O. 298; Wolff a.a.O. 55). Die gesamtschuldnerische Haftung für den eingetretenen Schaden ist nur dann zu rechtfertigen, wenn jeder Beteiligte einen Beitrag zum Eintritt des Schadens geleistet hat, wenn seine Beteiligung für den Schaden daher ursächlich war (vgl. Bydlinski, AcP 158, 430). Im vorliegenden Fall haben die Streitteile, nachdem einem von ihnen dieser Gedanke gekommen war, Stoffreste angezündet, die schadenszufügende Handlung setzte aber der Kläger allein. Ein physischer Tatbeitrag der Beklagten fand nicht statt, insbesondere steht nicht fest, daß der Kläger, der ein Feuerzeug bei sich hatte, seinen Stoffetzen etwa an der Kerze des Zweitbeklagten angezündet hätte. Aber auch ein Tatbeitrag der Beklagten, in der Weise, daß er etwa den Kläger in seinem Entschluß zu zündeln bestärkt hätte, oder eine Beihilfehandlung anderer Art ist nicht erwiesen. Es steht insbesondere nicht fest, daß die Beklagten den Kläger zum gefährlichen Tun verleitet hätten, weil möglicherweise nur ein Beteiligter mit dem Zündeln begann und die anderen es bloß ohne Aufforderung nachahmten. In einem solchen Fall psychischer Kausalität (vgl. Koziol a.a.O. 60) entscheidet jeder selbst, welche Gefahr er auf sich nimmt; es verantwortet in der Regel derjenige, dessen Verhalten nur Ursache für das Handeln des anderen war, nicht den daraus entstandenen Schaden. Anderes gilt nur dann, wenn ein gezieltes Einwirken vorliegt oder wenn zwar dem Einwirkenden, nicht aber auch dem Handelnden die besondere Gefährlichkeit des Verhaltens einsichtig war. Im vorliegenden Fall war allen Beteiligten in gleicher Weise bewußt, daß das Anzünden der Stoffetzen eine Gefahr heraufbeschwor; den Beklagten oblag daher keine besondere Schutzpflicht in Ansehung des (etwas älteren) Klägers (vgl. Koziol a. a.O. 97 f).

Das Verhalten der Beklagten stellt daher insgesamt kein gemeinschaftliches Handeln dar, wie es die §§ 1301, 1302 ABGB für eine Solidarhaftung sämtlicher Beteiligter voraussetzen. Das gleichgerichtete Handeln sämtlicher Beteiligter wird dadurch, daß es durch das Handeln eines Beteiligten ausgelöst wurde, nicht zum gemeinschaftlichen Handeln. Aus diesem Grund ist auch aus der in der Revision als exemplarisch bezeichneten Entscheidung SZ 13/193 für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Dort hatten sich die drei Beklagten mit einem vierten Beteiligten verabredet, von einem Gasthaus zwei Seile über die Straße zu spannen, damit der Kläger darüberfalle. Tatsächlich spannte der Drittbeklagte gemeinsam mit dem vierten Beteiligten ein Seil, worüber der Kläger stolperte, aber nicht fiel. Dagegen kam er über das vom Erst- und Zweitbeklagten gespannte Seil zum Sturz und brach sich ein Bein. Ein vorsätzliches Handeln der Beteiligten wurde nicht als erwiesen erachtet. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Solidarhaftung auch des Drittbeklagten, weil er durch Teilnahme am gemeinschaftlichen Plan zu dessen Ausführung beigetragen habe, wenn auch der Unfall selbst durch die Handlung anderer Beteiligter verursacht wurde. Durch die Teilnahme am gemeinsamen Plan habe er die beiden anderen Beklagten in ihrem Vorhaben bestärkt und sie dazu angeeifert. Es muß schon fraglich sein, ob im vorgenannten Fall die Haftung des Drittbeklagten allein auf Grund einer Kausalitätsvermutung bejaht werden durfte wird doch eine Abschwächung des Kausalitätserfordernisses nur dann als gerechtfertigt erachtet, wenn vorsätzliches Handeln und damit ein besonders schwerer Schuldvorwurf vorliegt. Im Fall der Entscheidung SZ 13/193 geschah aber nur das Zusammenwirken vorsätzlich, wogegen die Schädigung fahrlässig erfolgte (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1302). Immerhin lag im Fall der Entscheidung SZ 13/193 ein gemeinschaftliches Handeln vor, das letztlich zu einer Verletzung des Klägers führte, so daß man noch sagen konnte der mit der Handlung von allen Beteiligten gemeinsam verfolgte Zweck habe das Handeln aller zu einer Einheit zusammengefaßt. Daran fehlt es hier. Die Tatsache, daß ein Minderjähriger fahrlässig handelt und der andere ihm in diesem Handeln folgt, begründet noch nicht die Haftung des ersteren für den allein vom anderen verursachten Schadenserfolg. Der Kläger erachtet die Haftung der Beklagten auch deswegen für gerechtfertigt, weil sie gehalten gewesen wären, den Schadenseintritt zu hindern. Nun trifft es zu, daß § 1301 ABGB in der "besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern", einen dem aktiven Tun gleichwertigen Tatbeitrag erblickt. Die Haftung für Unterlassen setzt aber eine Pflicht zum Handeln voraus (Koziol a. a.O. 100; Reischauer a.a.O. Rdz 3 zu § 1301), weil ohne besonderes Gebot prinzipiell keine Verpflichtung zum Tun besteht (RZ 1982/2; SZ 50/100; SZ 39/170; SZ 27/311 u.a.). Handlungspflichten können sich unmittelbar aus dem Gesetz, aus einem Vertrag oder auf Grund umfassender Interessenabwägung ergeben (Koziol a.a.O. 100), insbesondere daraus, daß jemand eine Gefahrenquelle geschaffen hat (SZ 52/5; SZ 37/97 u.a.). War aber die Handlung eines Beteiligten für den Schadenserfolg so bedeutungslos, daß deshalb seine Ersatzpflicht verneint wird, so trifft ihn keine andere Handlungspflicht als jeden anderen außenstehenden Dritten (Bydlinski, AcP 158, 422). Die Hilfeleistung ist aber jedenfalls unzumutbar, wenn sie nur unter Gefahr für das eigene Leben oder die eigene Sicherheit möglich wäre (vgl. Koziol a.a.O. 100 f). Ein aktives Tätigwerden des Erstbeklagten - der Zweitbeklagte war ohnehin, wenn auch erfolglos, bemüht, den Ausbruch des Brandes zu verhindern - war im Hinblick auf die damit verbundene eigene Gefährdung nicht zumutbar. Sie hätte wohl auch den Ausbruch des Großbrandes nicht hindern können.

Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07454

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00713.85.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19860115_OGH0002_0010OB00713_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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