Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B Handelsgesellschaft mbH & Co KG, Henndorf am Wallersee, Schoarerbergstraße 49, vertreten durch Dr.Rudolf Zitta, Dr.Eckart Fussenegger und Dr.Alexander Hacker, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei C Warenhandelsgesellschaft mbH, Wien 10., Salvatorianerplatz 1, vertreten durch Dr.Helmut Mühlgassner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 388.557,88 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. September 1985, GZ3 R 153/85-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. Mai 1985, GZ37 Cg 492/84-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.036,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.185,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die D KG erteilte am 20.September 1983 der Arno E
Gesellschaft mbH & Co KG den Auftrag zur Lieferung von 86.040 Stück Herrenhemden bis zum 15.Februar 1984. Die Arno E GesmbH & Co KG erteilte am 21.Oktober 1983 der klagenden Partei einen Auftrag gleichen Inhalts. Die klagende Partei schloß mündlich mit der beklagten Partei einen Vertrag zur Lieferung von 86.040 Stück Herrenhemden bis 6.Februar 1984 zum Preis von S 49,-- pro Stück, frei Wien, verzollt, zahlbar mittels Akkreditivs; drei Kontramuster waren der klagenden Partei bis spätestens 20.November 1983 zu übergeben. Am 27.Oktober 1983 bot der Geschäftsführer der klagenden Partei Winfried F der beklagten Partei die Eröffnung eines unwiderruflichen und übertragbaren Akkreditivs an, womit sich der Geschäftsführer der beklagten Partei, Daniel G, am 28. Oktober 1983 einverstanden erklärte. Das am 7.November 1983 eröffnete Akkreditiv entsprach der Parteienvereinbarung. Mit Schreiben vom 10.November 1983 bestätigte die klagende Partei die mündlich mit der beklagten Partei getroffene Vereinbarung und nahm hiebei auf die Akkreditiveröffnung Bezug. Mit Fernschreiben vom 11. November 1983 ersuchte die klagende Partei um Übersendung von sechs Kontramustern. Mit den Fernschreiben vom 24.November 1983, 29. November 1983 und 10.Dezember 1983 wurde die Übersendung der Muster urgiert. Mit Fernschreiben vom 19.Dezember 1983 unterrichtete die klagende Partei die beklagte Partei davon, daß ihr Kunde am 20. Dezember 1983 bei ihr im Büro anwesend sei und sie bis dahin die Muster unter allen Umständen benötige. Mit dem Schreiben vom 10. Jänner 1984 drang die klagende Partei darauf, daß die Lieferung laut Vertrag unbedingt erfolgen müsse, sie informierte die beklagte Partei davon, daß sie von ihrem Kunden im Falle der Nichterfüllung eine Schadenersatzklage gewärtige und die beklagte Partei für den entstandenen Schaden haftbar machen werde. Die beklagte Partei machte am 10.Jänner 1984 geltend, daß die Akkreditiveröffnung verspätet erfolgt sei; dem trat die klagende Partei mit dem Fernschreiben vom 16.Jänner 1984 entgegen. Die D KG setzte der Arno E Gesellschaft mbH & Co KG mit Fernschreiben vom 23. Jänner 1984 eine letzte Nachfrist bis 20.Februar 1984 und gab zugleich bekannt, daß sie im Falle der Nichtlieferung einen Deckungskauf abschließen werde. Die klagende Partei forderte ihrerseits die beklagte Partei auf, ihrer Lieferverpflichtung nachzukommen, widrigenfalls ein Deckungskauf abgeschlossen und die beklagte Partei mit den Mehrkosten belastet werde. Mit dem Schreiben vom 20.Februar 1984 machte die beklagte Partei geltend, daß das von der klagenden Partei behauptete Rechtsgeschäft nicht zustandegekommen sei; die beklagte Partei habe nur ein Anbot gestellt, ein Festverkauf sei nicht erfolgt. Die D KG erwarb im Rahmen eines Deckungskaufs 49.920 Hemden, die um S 2,50 pro Stück teurer waren als jene, die die beklagte Partei hätte liefern sollen. Über die restlichen 36.120 Hemden wurde wegen des gestiegenen Dollarkurses kein Deckungskauf abgeschlossen. Mit Schreiben vom 2. März 1984 erklärte der Vertreter der klagenden Partei den Rücktritt vom Vertrag in Ansehung der 49.920 Hemden, die die D KG anderweitig erworben hatte. Er setzte für die Lieferung der restlichen 36.120 Hemden eine Nachfrist bis zur 13.Woche des Jahres 1984 und erklärte zugleich, für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist die Liefervereinbarung für aufgelöst. Am 2.Mai 1984 stellte die D KG der Arno E Gesellschaft mbH & Co KG für entstandene Verluste wegen Nichtlieferung von 86.040 Hemden den Betrag von S 365.760,-- in Rechnung (S 124.800,-- an Preisdifferenz, S 180.000,-- an Gewinnentgang für 36.120 Hemden zuzüglich 20 % Umsatzsteuer im Betrag von S 60.960,--). Die klagende Partei hat ihrerseits den Schadensbetrag der Arno E GesmbH & Co KG geleistet. Der klagenden Partei erwuchsen an Spesen für die Eröffnung des Akkreditivs S 23.797,88.
Die klagende Partei begehrte den Betrag von S 364.760,-- als den Betrag, welchen sie wegen Nichteinhaltung der Lieferverpflichtung der Arno E GesmbH & Co KG vergütet habe, und S 23.797,88 an Akkreditivkosten, zusammen S 388.557,88 samt Anhang. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Der klagenden Partei sei zufolge des Leistungsverzugs der beklagten Partei ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages erwachsen, den die beklagte Partei zu ersetzen habe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters.
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs3 zweiter Satz ZPO).
Die Rechtsrüge wird dahin ausgeführt, daß der Schadenersatzanspruch der klagenden Partei nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die klagende Partei ein Verschulden der beklagten Partei am eingetretenen Lieferverzug behauptet und nachgewiesen hätte. Ein Vorbringen in dieser Richtung sei nicht erstattet worden, Feststellungen über eine verschuldete Nichterfüllung fehlten. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß nach der Beweislastregel des § 1298 ABGB es dem Beklagten obliegt, zu behaupten und zu beweisen, daß ein Verschulden und damit eine Haftungsgrundlage nicht vorliege (SZ 55/185; SZ 54/4; RZ 1972, 14 ua; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 27; Ehrenzweig, System 2 II/1, 191; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 330). Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht erbracht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionswerberin wendet sich auch dagegen, daß der klagenden Partei die Spesen für die Akkreditiveröffnung als Schadenersatz zugesprochen wurden, obwohl die klagende Partei sie jedenfalls zu tragen gehabt hätte. Da die klagende Partei wegen verschuldeten Leistungsverzuges von dem mit der beklagten Partei abgeschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten ist, steht ihr gemäß § 921 ABGB ein Anspruch auf Ersatz des verursachten Schadens zu. Wer wegen Nichterfüllung einer gültig begründeten Leistungsverpflichtung Ersatz zu leisten hat, muß den Zustand wiederherstellen, der im Vermögen des Gläubigers bei gehöriger Erfüllung bestünde (Nichterfüllungsschaden; Erfüllungsinteresse; SZ 46/109). Es ist richtig, daß die klagende Partei das Akkreditiv auch bei vertragsgetreuem Verhalten der beklagten Partei zu erstellen gehabt hätte, dieser Aufwand also nicht erst durch den verschuldeten Leistungsverzug der beklagten Partei entstanden ist. Bei vertragsgemäßem Verhalten der beklagten Partei wäre aber dem Aufwand der klagenden Partei die Leistung der beklagten Partei gegenübergestanden, die für die klagende Partei insofern einen entsprechenden Gegenwert dargestellt hätte, als sie nun ihrerseits den Vertrag mit der Arno E GesmbH & Co KG erfüllen hätte können und bei richtiger Kalkulation durch den von dieser bezahlten Preis auch die Kosten der Akkreditiverstellung gedeckt gehabt hätte. Aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens der beklagten Partei stand den Aufwendungen der klagenden Partei keine solche entsprechende Gegenleistung gegenüber, so daß der so frustrierte Aufwand ebenfalls als Nichterfüllungsschaden gemäß § 921 ABGB zu ersetzen ist (Koziol, JBl1981, 542; in diesem Sinne auch SZ 53/173). Der Gläubiger darf allerdings das Risiko eines schlechten Geschäftes nicht auf den Schuldner überwälzen (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 35). Es besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, daß bei Durchführung des Vertrages mit der beklagten Partei die klagende Partei nicht in der Lage gewesen wäre, ihren gesamten damit verbundenen Aufwand aus dem Vertrag mit ihrem Auftraggeber zu decken. Es gilt aber die "Rentabilitätsvermutung", also die Annahme, daß der Gläubiger seine Aufwendungen durch den Vorteil aus der erwarteten Gegenleistung wieder einbringt. Gegen diese "Rentabilitätsvermutung" wäre der beklagten Partei nur der Nachweis offengestanden, daß sich der Vertrag bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch sie für die klagende Partei als Verlustgeschäft erwiesen hätte (SZ 53/173 mwN). Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht angetreten. Demzufolge erweist sich auch der Zuspruch des Betrages von S 23.797,88 an Spesen für die Erstellung des Akkreditivs als gerechtfertigt, so daß der Revision insgesamt der Erfolg zu versagen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E07221European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00715.85.0115.000Dokumentnummer
JJT_19860115_OGH0002_0010OB00715_8500000_000