TE OGH 1986/1/16 13Os185/85

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Veröffentlicht am 16.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz P*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§§ 115; 15, 269 Abs. 1; 83, 84 Abs. 2 Z. 4) StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 17. Oktober 1985, GZ. 24 Vr 1348/85-13, sowie über den Antrag des Angeklagten auf Beigebung eines anderen Verteidigers nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und der Antrag auf Beigebung eines (anderen) Verteidigers für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung werden zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 1. März 1939 geborene Franz P*** wurde des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§§ 115; 15, 269 - unrichtig:

169 - Abs. 1; 83, 84 Abs. 2 Z. 4 - unrichtig: Z. 2) StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, sich am 25. März 1985 in Innsbruck zumindest fahrlässig durch den Genuß von Alkohol und Medikamenten in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und im Rausch 1. öffentlich die Polizeibeamten Kurt S*** und Günther T*** während der Ausübung ihres Dienstes mit Äußerungen wie "Wichser, Arschlöcher und Schweine" beschimpft;

2. die genannten Polizeibeamten mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er T*** am Hals erfaßte und beide Beamten mit Füßen trat und ihnen Schläge versetzte, an einer Amtshandlung, nämlich an der Festnahme und Verbringung in das Wachzimmer, zu hindern versucht;

3. den Polizeibeamten Hans-Peter S*** wegen der Erfüllung seiner Pflicht als Polizeibeamter durch Versetzen von Faustschlägen vorsätzlich am Körper (infolge einer Kratzwunde) verletzt und dadurch Handlungen begangen zu haben, die ihm außer dem Zustand der vollen Berauschung als Vergehen der Beleidigung nach § 115 (§ 117 Abs. 2) StGB., als Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB. und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. zugerechnet würden.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Zunächst rügt der Beschwerdeführer den in den Beweiswürdigungserwägungen enthaltenen Passus, die Polizeibeamten seien "auf öffentlicher Straße" beschimpft worden (S. 81 Mitte), als aktenwidrig, weil die Beschimpfungen nach dem Inhalt der Anzeige (S. 6) und der Aussage des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten S*** (S. 64) im Garten des Wohnhauses des Angeklagten geschehen seien. Die Relevanz dieses behaupteten Begründungsmangels erblickt der Beschwerdeführer ersichtlich im Zusammenhang mit dem hier angenommenen Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit (§ 115 Abs. 1 StGB. i.V.m. § 69 StGB.), wozu übrigens ein Begründungsmangel zur (ausdrücklich festgestellten) subjektiven Tatseite (S. 81) behauptet wird.

Indes zu Unrecht.

Nach den - insoweit ungerügten - Urteilsfeststellungen (S. 80) wurde das Einschreiten der Polizeibeamten durch renitentes Verhalten des alkoholisierten Angeklagten in seiner Wohnung ausgelöst. Schon beim Eintreffen der Polizisten befanden sich Personen aus der betroffenen (städtischen) Wohngegend auf den Balkonen und äußersten ihren Unmut über das Verhalten des Angeklagten (S. 21, 22). Wie sich aus der - vom Schöffengericht zur Gewinnung der Sachverhaltsfeststellungen u.a. herangezogenen (s. S. 81 oben) - Aussage des Zeugen S*** ergibt (s. abermals S. 64), forderte der Beschwerdeführer die Polizeibeamten nach deren Eindringen in seine Wohnung auf, ihm in den Garten zu folgen, wo es zu den konstatierten Beschimpfungen kam, die nach den Urteilsannahmen (S. 80 Mitte) so laut waren, daß sie von den "Nachbarn aus den zahlreichen, in der Nähe befindlichen Häusern" wahrgenommen werden konnten.

Unter den gegebenen Verhältnissen betrifft die Frage, ob sich die inkriminierten Beschimpfungen garten- oder straßenseitig vor dem Haus ereigneten, keine entscheidungswesentliche, das heißt auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder auf den anzuwendenden Strafsatz Einfluß ausübende Tatsache, sodaß die als aktenwidrig gerügte, allerdings aus dem Zusammenhang genommene Urteilspassage, die Beschimpfungen hätten sich "auf offener Straße" ereignet (S. 81 Mitte), keine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. zu begründen vermag.

Daß unter den festgestellten Tatumständen (Kenntnisnahme und Beobachten des renitenten Verhaltens des alkoholisierten Angeklagten durch Nachbarn im städtischen Siedlungsgebiet und des Eintreffens der herbeigerufenen Polizisten) die Beschimpfungen nicht nur (objektiv) von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden konnten und auch wahrgenommen wurden, sondern dies auch vom Angeklagten (subjektiv) billigend in Kauf genommen wurde, wird ferner - der Meinung des Nichtigkeitswerbers zuwider - unter Hinweis auf die vorstehend angeführten Umstände durchaus hinreichend (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) begründet.

Aber auch das weitere Beschwerdevorbringen, wonach das Landesgericht keine Erwägungen darüber angestellt haben soll, wie es möglich sei, daß der Polizeibeamte S*** durch Faustschläge eine Kratzwunde erlitten habe, und auch unbegründet geblieben sein soll, warum das Schöffengericht bei diesem Beamten - abweichend vom Anklagevorwurf, der eine Tätlichkeit während der Vollziehung einer Amtshandlung inkriminiert - eine solche wegen der Vollziehung einer solchen annahm, erweist sich als nicht zielführend. Das Erstgericht begründete nämlich (nach Lage des Falls abermals ausreichend im Sinn des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.), daß die Tätlichkeiten gegen die Polizeibeamten S***, S*** und T*** nur wegen des Vollrausches des Angeklagten nicht zu schwerwiegenderen Folgen, sondern nur zu einer (möglicherweise durch einen Fingernagel bewirkten) blutenden Kratzwunde führten (S. 82 Mitte). Der Kausalnexus bedurfte bei der gegebenen Fallkonstellation keiner näheren Erörterung.

Das Landesgericht begründete aber auch seine Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte dem Polizeibeamten S*** Faustschläge wegen (und nicht während) der Erfüllung seiner Pflichten versetzte und ihn dadurch vorsätzlich am Körper verletzte, auf der Basis der Aussage des Zeugen S*** (S. 75; abermals) denkrichtig und (in der Bedeutung des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) hinreichend, nämlich damit, daß der Angeklagte dem genannten Beamten die Faustschläge erst nach der Überstellung in das Landesnervenkrankenhaus, mithin (unmittelbar) nach Beendigung seiner dienstlichen Pflicht, versetzte. Im übrigen kann zu diesem Beschwerdepunkt (gleichfalls nur der Vollständigkeit halber) bemerkt werden, daß es sich bei der Körperverletzung eines Beamten während und einer solchen wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten um gleichwertige Merkmale des insoweit alternativen Mischtatbestands nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. handelt; sie sind daher ohne Beeinträchtigung von Parteienrechten austauschbar.

Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO. als offenbar unbegründet zurückzuweisen.

Für die Berufung wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO.).

Der Antrag des Angeklagten, dem ein in Innsbruck ansäßiger Rechtsanwalt als Verteidiger beigegeben wurde (s. S. 60), für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung beim Obersten Gerichtshof einen (ersichtlich gemeint: in Wien domizilierten) Verteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO. beizustellen, war zurückzuweisen, weil eine solche Umbestellung nicht in die Kompetenz des Obersten Gerichtshofs fällt (§ 45 Abs. 3 RAO, auf den nachdrücklich verwiesen wird).

Anmerkung

E07595

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00185.85.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19860116_OGH0002_0130OS00185_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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