TE OGH 1986/1/22 9Os6/86

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Veröffentlicht am 22.01.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf S*** wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4.Dezember 1985, GZ 7 Vr 1044/85-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch (und im Adhäsionserkenntnis) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen (in Rechtskraft erwachsenen) Freispruch enthaltenden Urteil wurde der am 12.August 1964 geborene Adolf S*** 1. des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB und 2. des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er

(zu 1.) im April 1985 Regina S*** dadurch, daß er sie festhielt, sich auf ihre Oberarme kniete, ihr gewaltsam den Mund öffnete und sein Glied in den Mund einführte, mit Gewalt zur Unzucht genötigt, und

(zu 2.) am 14.Oktober 1985 Karola Z*** dadurch, daß er ihr ein Messer am Hals ansetzte und ihr drohte, es ihr hineinzustoßen, wenn sie nicht mit ihm geschlechtlich verkehre, sohin durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht. Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 8 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigung kommt der Mängelrüge (Z 5) zu, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen versuchter Nötigung zum Beischlaf (laut Punkt 2 des Urteilssatzes) unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe ins Treffen führt, das Schöffengericht habe das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes des (freiwilligen) Rücktrittes vom Versuch im Sinn des § 16 Abs 1 StGB mit der Begründung negiert, daß er Angeklagte von der Vollziehung des außerehelichen Beischlafs nur auf Grund der von Karola Z***BA*** vorgetäuschten Behauptung, sie habe gerade die Monatsblutung, Abstand genommen habe; es habe jedoch dabei die sich aus der Aussage der Zeugin Z***BA*** ergebende Äußerung des Angeklagten, es sei ihm egal, ob sie "die Regel" habe, ebenso mit Stillschweigen übergangen, wie den Umstand, daß der Angeklagte mit (der von Punkt 1 des Urteilssatzes als Tatopfer betroffenen) Regina S*** im April 1985 einen Geschlechtsverkehr durchgeführt habe, obwohl diese damals "die Regel" hatte. Da das Erstgericht dem Angeklagten den Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktrittes vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) allein aus dem eingangs bezeichneten Grund nicht zugebilligt hat (vgl. S 185, 190 f, 196), wäre es zu einer gewissenhaften Erörterung der Aussage der Zeugin Z*** (vgl. S 143, 145, 150), wonach der Angeklagte erklärt habe, es sei ihm egal, ob sie "die Regel" habe, vor allem schon im Hinblick auf die Angaben der Regina S*** verpflichtet gewesen, denenzufolge es den Angeklagten bei dem mit der Genannten im April 1985 durchgeführten Geschlechtsverkehr, bei dem am Leintuch handflächengroße Flecken vom Menstruationsblut zurückgeblieben seien (vgl. S 115), nicht gestört habe, daß sie "die Regel" hatte (S 113, 161). Es ist sohin nach Lage des Falles nicht auszuschließen, daß das Schöffengericht dann, wenn es auch diese Verfahrensergebnisse in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen hätte, bei Prüfung der Frage, ob der in Rede stehende Strafaufhebungsgrund vorliegt, allenfalls zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der vom Beschwerdeführer insoweit zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel des Urteils (Z 5) betrifft demnach in der Tat "entscheidende Tatsachen" im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes. In diesem Umfang war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung der weiteren darauf bezogenen Einwände bedarf.

In dem insoweit erforderlichen zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht für den Fall, daß es zur Überzeugung gelangen sollte, der Angeklagte habe freiwillig, das heißt nicht durch wirkliche oder angenommene Hinderungsgründe veranlaßt, sondern eben aus freien Stücken, seinen Tatplan, Karola Z***BA*** durch Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, aufgegeben, zu prüfen haben, ob in dem vorliegenden Versuch eine bereits vollendete (andere) Straftat enthalten ist (qualifizierter Versuch), deren Strafbarkeit diesfalls bestehen bliebe (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 16 RN 13, § 201 RN 14, § 202 RN 11).

Im übrigen jedoch kommt der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht (laut Punkt 1. des Urteilssatzes) wendet, keine Berechtigung zu. Die vom Beschwerdeführer insoweit behauptete Unvollständigkeit der Urteilsgründe liegt nicht vor. Der Umstand, daß Regina S***, als sie der Angeklagte zu sich hinhob - ihren Angaben in der Hauptverhandlung zufolge - noch nicht klar gewesen sei, was er von ihr wollte, bedurfte - zumal das Schöffengericht dieses Vorgehen (noch) nicht als Begehungsmittel der in Rede stehenden Nötigung zur Unzucht wertete - schon im Interesse der gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO gebotenen "gedrängten Darstellung" der Urteilsgründe keiner besonderen Erwähnung. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer vermißte Erörterung des Umstandes, daß S***, als sie im November 1985 der Karola Z***BA*** ihr Erlebnis mit dem Angeklagten vom April 1985 erzählte, eine größere Menge Whisky getrunken und demzufolge allenfalls betrunken gewesen sei. Denn abgesehen davon, daß solcherart gar nicht behauptet wird, Regina S*** sei zur Tatzeit alkoholisiert gewesen und habe bedingt durch diesen Zustand das Verhalten des Angeklagten "bei weitem übertrieben", hat die Genannte das Erlebnis mit dem Angeklagten (vom April 1985) vor der Gendarmerie (vgl. S 107 ff.) und in der Hauptverhandlung (vgl. S 156 ff.) jeweils (nüchtern) detailliert dargestellt, welchen "immer gleichlautenden" Schilderungen das Schöffengericht vollen Glauben schenkte (S 187).

Den Umstand hinwieder, daß die Zeugin S*** den Vorfall mit dem Angeklagten nicht zur Anzeige brachte, hat das Schöffengericht dem Beschwerdevorbringen zuwider ohnedies in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen (vgl. S 188). Der Einwand schließlich, der einzige Widerstand der Regina S*** sei ein "zur Seite drehen" gewesen, erschöpft sich in einer unzulässigen und damit unbeachtlichen Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung mit dem Ziel, der (leugnenden) Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen; zudem übergeht die Beschwerde dabei vollkommen, daß der Angeklagte den Urteilsannahmen zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Oberkörper der Regina S*** saß und deren Oberarme mit den Knien niederdrückte (S 183 f., 187 f.), sodaß S*** praktisch keine andere Abwehrmöglichkeit gegen das gewaltsame Einführen des Gliedes des Angeklagten in ihren Mund zur Verfügung stand.

Insoweit der Beschwerdeführer eine den Vorschriften der §§ 262, 263 und 267 StPO zuwiderlaufende Anklageüberschreitung darin erblickt, daß die (in der Hauptverhandlung ausgedehnte - vgl. S 152 f.) Anklage auf versuchte Nötigung zur Unzucht lautete, während der Schuldspruch wegen des vollendeten Vergehens nach § 204 Abs 1 StGB erfolgt sei, genügt der Hinweis, daß Gegenstand der Anklage jeweils die Beteiligung des Angeklagten an einem bestimmten Ereignis bildet, das vom erkennenden Gericht entsprechend dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§§ 3, 232, 254 StPO) von Amts wegen mit Bedacht auf seine sämtlichen bedeutsamen Begleitumstände nach allen rechtlich relevanten Richtungen zu untersuchen und zu beurteilen ist, weshalb es bei seinen Sachverhaltsfeststellungen über das von der Anklagebehörde behauptete strafgesetzwidrige Geschehen zwar an dem betreffenden Ereignis (als solchen) festhalten muß, in bezug auf die Modalitäten der strafbaren Handlung aber durchaus zu abweichenden Konstatierungen gelangen kann; an die rechtliche Beurteilung der Tat durch den Ankläger ist das Gericht jedenfalls nicht gebunden (ÖJZ-LSK 1977/118; SSt. 39/35 uva).

Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist schließlich die Rechtsrüge (Z 9 lit. a), die teils unter Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge "genauere Feststellungen über das Verhalten der Regina S*** vermißt" und in der Behauptung gipfelt, für den Angeklagten sei nicht erkennbar gewesen, daß S*** mit seinen (Unzuchts-) Handlungen nicht einverstanden war. Dabei setzt sich die Beschwerde jedoch über die dem Urteil eindeutig zu entnehmenden Konstatierungen hinweg (S 184, 188, 193), wonach dem (auf den Oberarmen des Opfers knienden) Angeklagten die Ernsthaftigkeit des Widerstands der Regina S*** - die er am Kiefer gepackt hatte und ihr den Mund "aufzwängte" (vgl. S 184) - gegen die Unzuchtshandlung (Mundverkehr) bewußt war; der relevierte Rechtsirrtum wird sohin nicht, so wie dies die Prozeßordnung erfordert, aus einem Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten materiellen Strafrecht abzuleiten versucht.

In Ansehung dieser Belange war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß §§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO (gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung) zurückzuweisen.

Mit seiner durch die Teilaufhebung des Urteils gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E07390

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00006.86.0122.000

Dokumentnummer

JJT_19860122_OGH0002_0090OS00006_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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