TE OGH 1986/1/22 9Os184/85

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Veröffentlicht am 22.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Willibald G*** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17.Oktober 1985, GZ 6 Vr 2347/85-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten Willibald G*** und des Verteidigers Dr. Dürnberger zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Juni 1939 geborene Willibald G*** des verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 27. November 1982 in Köflach mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, (seine geschiedene Ehegattin) Johanna G*** durch die Androhung, sie zu erwürgen, zur Unterfertigung der ihr vorgelegten schriftlichen Erklärung, auf den ihr laut gerichtlichem Vergleich (ab 1. Dezember 1982) gegenüber Willibald G*** zustehenden monatlichen Unterhaltsanspruch in der Höhe von 1.000 S zu verzichten, sohin durch Drohung mit dem Tode zum Unterhaltsverzicht, also zu einer Handlung, die sie am Vermögen schädigte, genötigt hatte. Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 4, 5, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider ist es rechtlich unerheblich, aus welchen Motiven der Angeklagte sich vor dem Scheidungsgericht zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 1.000 S an seine Gattin Johanna bereit fand, was er zunächst zu zahlen bereit war und ob ihn der Richter darüber belehrte, daß ein Unterhaltsverzicht außergerichtlich zu vereinbaren sei. Die in der Hauptverhandlung begehrte Einvernahme des Scheidungsrichters als Zeugen zum Beweis aller dieser Umstände verfiel daher zu Recht der Ablehnung, wobei nur am Rande hinzugefügt sei, daß das Erstgericht ohnehin als erwiesen annahm, der Beschwerdeführer habe sich zunächst nur zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 100 S an seine Ehegattin bereit gefunden (vgl. S 77).

Soweit sich der Angeklagte in seiner Beschwerde aber nunmehr darauf beruft, durch den beantragten Zeugen wäre der Nachweis erbracht worden, er (der Beschwerdeführer) hätte der angeführten Unterhaltszahlung nur deshalb zugestimmt, weil seine Frau schon bei Abschluß des Vergleiches bereit gewesen sei, außergerichtlich auf ihren Anspruch zu verzichten, findet dies im Inhalt des Beweisantrages keine Deckung und gebricht es der Verfahrensrüge insoweit an den formalen Voraussetzungen. Kann doch die Erheblichkeit eines Beweisantrages ausschließlich an Hand desjenigen Beweisthemas geprüft werden, das dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung über den Beweisantrag vorlag (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 281 Abs 1 Z 4 Nr. 41).

Mit dem weiteren Hinweis in der Verfahrensrüge hingegen, aus der Mitteilung (des Stadtamtes Köflach) vom 17.Oktober 1985 gehe hervor, daß Johanna G*** in der Hauptverhandlung (am 17.Oktober 1985) als Zeugin zumindest in einem Punkt (nämlich durch die Behauptung, mit ihrem nunmehrigen Dienstgeber nicht in Lebensgemeinschaft zu leben) die Unwarheit gesagt habe, wird mangels eines entsprechenden Beweisantrages in der Hauptverhandlung weder eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO, noch, weil dieses Schriftstück in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde, eine solche nach der Z 5 der genannten Gesetzesstelle in prozeßordnungsgemäßer Weise dargetan; vielmehr handelt es sich bei diesem Teil des Beschwerdevorbringens, das ersichtlich auf eine Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin G*** abzielt, um den von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch des Beschwerdeführers, dem oben angeführten Beweisantrag durch die (formal als Neuerung zu beurteilende) Bekanntgabe eines (nach seinem Dafürhalten) die Beweislage verändernden Sachverhaltes doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Daß sich der Beschwerdeführer während des aufrechten Bestandes der Ehe und auch danach wegen schwerer Depressionen in ärztlicher Behandlung, teilweise auch im Landessonderkrankenhaus Graz und in der Nervenklinik des LKH. Graz in stationärer Behandlung befand, wurde vom Erstgericht - wie auch die Beschwerde

einräumt - konstatiert (S 73 unten). Wie oft dies der Fall war und daß einige dieser Aufenthalte auf Selbstmordversuche zurückgingen, mußte nach der im § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten gedrängten Begründungspflicht nicht detailliert werden und ist daher in der Nichterörterung des Aktenvermerkes des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark vom 11.Juli 1985 (S 27) keine Unvollständigkeit in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu erblicken. Sanktionslos ungewürdigt bleiben konnten nach der erwähnten Bestimmung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) auch die Bekundungen der Zeugin G***, sie und der Angeklagte hätten anläßlich der Scheidung im Gerichtssaal gestritten bzw. der Richter habe ihnen - der Zeugin und dem Angeklagten - erklärt, daß auf den Unterhalt verzichtet und dies auch außergerichtlich vereinbart werden könne. Denn diese Umstände stehen mit der inkriminierten Handlungsweise des Angeklagten in keinem rechtlich relevanten Zusammenhang und sind ersichtlich auch für die Würdigung der Aussage der Zeugin G*** ohne Belang. Mit den weiteren, im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Einwendungen, es lägen, abgesehen von der Aussage der Zeugin G*** keinerlei Umstände vor, welche auf die Wahrscheinlichkeit des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens hindeuteten, es mangle an Hinweisen, aus welchem Grunde er sich überhaupt zu der einvernehmlichen Scheidung und zu einer Unterhaltsverpflichtung von 1.000 S bereit erklärt haben sollte und es hätte vom Gericht berücksichtigt werden müssen, daß er als introvertierter und geistig sehr schwerfälliger Mensch seiner Gattin nur jenes Minimum an Unterhalt zukommen lassen wollte, welches ausreichend für einen allfälligen Pensionsbezug ihrerseits gewesen wäre bzw. ohne ihr diesbezügliches Einverständnis hätte für ihn nicht der geringste Grund bestanden, der von ihr gewünschten einvernehmlichen Scheidung zuzustimmen, wird weder der relevierte noch ein anderer Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, sondern im Ergebnis lediglich in unzulässiger Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung einer Kritik unterzogen und muß auf all dies daher nicht weiter eingegangen werden.

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) behauptet der Angeklagte zunächst, das Erstgericht habe völlig unberücksichtigt gelassen und keine Feststellungen darüber getroffen, daß er - der Beschwerdeführer - insofern in einem Irrtum befangen gewesen sei, als er davon ausging, seine Gattin sei auf jeden Fall verpflichtet gewesen, die gegenständliche Verzichtserklärung zu unterschreiben. Abgesehen davon, daß auch ein derartiger, einen Bereicherungsvorsatz ausschließender Irrtum nicht zur Straflosigkeit des Angeklagten, sondern allein zu einer Qualifikation seines Verhaltens als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB führen könnte, weil die von ihm als Mittel zum angestrebten Zweck geäußerten Drohungen jedenfalls gegen die guten Sitten verstießen (§ 105 Abs 2 StGB), entbehrt die Rüge einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung; hat doch das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten, von einem vereinbarten Zahlungsverzicht seiner Gattin ausgegangen zu sein, mit durchaus schlüssiger Begründung (vgl. S 76 f.) ausdrücklich als widerlegt erachtet.

Feststellungen dahin jedoch, der Angeklagte sei angesichts seines "aktenkundigen Krankheitsbildes" zum Zeitpunkt der Tat wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, diesem Zustand gleichwertigen seelischen Störung unfähig gewesen, das Unrecht der ihm zur Last gelegten Tat einzusehen und/oder nach dieser Einsicht zu handeln, waren entgegen der die Z 9 lit. b des § 281 Abs 1 StPO anrufenden Rechtsrüge weder auf Grund der konstatierten, auf Depressionen zurückgehenden Krankenhausaufenthalte noch durch die Verantwortung des Angeklagten indiziert.

Es kann aber auch den Beschwerdeführungen des Angeklagten zur Z 10 des § 281 Abs 1 StPO nicht gefolgt werden, mit welchen er die Tatbeurteilung durch das Erstgericht als vollendetes Verbrechen bekämpft und meint, daß ihm nur der Versuch der schweren Erpressung anzulasten sei.

Obschon ihm nämlich darin zu folgen ist, daß das in Frage stehende Delikt den tatsächlichen Eintritt der vom Täter angestrebten Vermögensschädigung voraussetzt (Leukauf-Steininger, StGB 2 , § 144, RN 17) - weshalb nach der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung Tatvollendung nicht schon durch die abgenötigte Unterfertigung eines (Rechte nicht begründenden, sondern bloß bescheinigenden und demnach) nur als Beweisurkunde zu wertenden Schuldscheines (§§ 1001, 1379 ABGB), sondern erst durch Erbringung der darin verbrieften Leistung eintritt - übersieht der Beschwerdeführer, daß bei den unter den Vermögensbegriff des § 144 StGB fallenden Forderungen (Kienapfel BT II, § 144 RN 48 und 49) der effektive Vermögensschaden mit der durch die Annahme der Verzichtserklärung seitens des Schuldners bewirkten Aufhebung der Verbindlichkeit eintritt (§ 1444 ABGB; GlUNF 194 u.a.). Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher insgesamt als nicht begründet und war mithin zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend nichts, zog als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und seine psychische Labilität in Betracht und verhängte über ihn gemäß §§ 41,145 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte Anwendung des § 37 Abs 2 StGB und Verhängung einer bedingten Geldstrafe an. Da - dem Rechtsmittel zuwider - nicht davon gesprochen werden kann, die Umstände des Falles kämen einem Rechtsfertigungs- oder Entschuldigungsgrund nahe und auch sonstige "besondere Gründe", welche die Verhängung einer Geldstrafe zuließen, nicht ersichtlich sind und vom Berufungswerber auch nicht behauptet werden, konnte seinem Begehren mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 2 StGB nicht nähergetreten werden und erweist sich sonach auch die Berufung als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07392

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00184.85.0122.000

Dokumentnummer

JJT_19860122_OGH0002_0090OS00184_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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