Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm.Harald K***, Geschäftsführer, Sternwartestraße 61, 1180 Wien, vertreten durch Dr.Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** IN A*** Gesellschaft m.b.H., Scheydgasse 44, 1221 Wien, vertreten durch Dr.Andreas Puletz und Dr.Franz Stadler, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2,696.739,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Juni 1986, GZ 3 R 83/86-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.Jänner 1986, GZ 11 Cg 18/85-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.311,56 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.937,41, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 1,204.949,-- (netto) und S 1,491.790,-- (brutto) s.A. im wesentlichen mit der Begründung, das der Funktion des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten zugrundeliegende Dienstverhältnis sei einvernehmlich zum 31.12.1984 beendet worden. Die Beklagte habe zwar die dem Kläger zustehende Abfertigung von S 2,237.685,-- (netto) richtig errechnet, davon aber unberechtigterweise einen Betrag von S 1,204.949,-- mit der Begründung einbehalten, daß es sich dabei um nachträglich auf Grund einer Betriebsprüfung vorgeschriebene Lohnsteuerbeträge handle, die vom Kläger zu tragen seien. Tatsächlich sei aber zwischen den Streitteilen vereinbart worden, daß die Beklagte diese Lohnsteuerbeträge zu tragen habe. Derartige Vereinbarungen seien aus Anlaß des Erwerbes einer Eigentumswohnung aus dem Vermögen der Beklagten durch den Kläger und aus Anlaß des Eintrittes des Klägers in einen von der Beklagten zur Besicherung seines Pensionsanspruches abgeschlossenen Versicherungsvertrag für den Fall getroffen worden, daß die Abgabenbehörde die vertragsmäßigen Leistungen der Beklagten als Vorteil des Klägers aus dem Dienstverhältnis qualifizieren sollte. Da dies tatsächlich geschehen sei, habe die Beklagte vereinbarungsgemäß die vorgeschriebenen Lohnsteuerbeträge zu bezahlen. Ferner habe sich die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine freiwillige Abgangsentschädigung in der Höhe von S 1,491.790,-- zu bezahlen. Die Bezeichnung dieser Entschädigung in dem von der Beklagten formulierten Vertrag als Entgelt für beratende Tätigkeit entspreche nicht dem erklärten Parteiwillen.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, sie habe nicht mit dem Kläger vereinbart, daß sie die auf die Vorteilszuwendungen an ihn entfallende Lohnsteuer zu bezahlen habe. Gemäß § 82 EStG sei die Lohnsteuer vom Dienstnehmer zu tragen. Aus Anlaß des Verkaufes der Eigentumswohnung an den Kläger habe dieser lediglich festgehalten, daß die Übertragungskosten samt Steuern von den Parteien je zur Hälfte getragen würden. Der Kläger habe die Lohnsteuervorschreibungen durch das Finanzamt anerkannt, weil er als damaliger Geschäftsführer der Beklagten nicht die Einbringung von Rechtsmitteln veranlaßt habe. Der Kläger habe auch den Aufsichtsrat der Beklagten nicht über die mit der Steuervorschreibung zusammenhängenden Probleme informiert. Da die Abgabenbehörde den Lohnsteuerbetrag richtig ermittelt habe, habe der Kläger die vorgeschriebenen Lohnsteuerbeträge zu bezahlen. Die Beklagte, die diese Beträge auf Veranlassung des Klägers zunächst berichtigt habe, sei daher zur Einbehaltung dieser Beträge berechtigt. Zwischen dem Kläger und der Beklagten sei keine Vereinbarung über die Zahlung einer freiwilligen Abgangsentschädigung getroffen worden. Vielmehr habe der Kläger mit der Muttergesellschaft der Beklagten vereinbart, daß er dieser nach dem 1.1.1985 im Bedarfsfall für Konsultationen zur Verfügung stehe; dafür hätte er die Hälfte des ihm für 1984 zustehenden Jahresbezuges erhalten sollen. Die Muttergesellschaft der Beklagten habe aber diese Vereinbarung widerrufen und der Kläger sei von ihr auch nicht als Konsulent herangezogen worden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es steht außer Streit, daß das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten einvernehmlich mit 31.12.1984 beendet wurde und daß dem Kläger eine Abfertigung im Sinne des § 23 AngG in der Höhe von S 2,237.685,-- netto zustand, ebenso der von der Beklagten vorgenommene Abzug von dieser Abfertigung von S 1,234.699,--, dessen Höhe sich aus S 732.640,-- und S 472.309,-- jeweils für Lohnsteuernachzahlungen und S 29.750,-- für Benützung des Dienstwagens zusammensetzt.
Im übrigen stellte das Erstgericht im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger war durch nahezu 20 Jahre Geschäftsführer der Beklagten.
Diese kaufte im Jahr 1976 253/1691-Anteile an der Liegenschaft EZ 1724 KG Währing, mit welchen Anteilen das Wohnungseigentum an der Wohnung top.Nr. 12 im Haus Sternwartestraße 61 verbunden ist. Grund für diesen Kauf war die Anschaffung einer großen, repräsentativen Wohnung für den Geschäftsführer. Die Wohnung wurde zunächst von der Beklagten an den Kläger vermietet und ihm im Jahr 1980 zum Kauf angeboten. Bei den Verkaufsverhandlungen kam es auf Grund eines vorher eingeholten Sachverständigengutachtens rasch zu einer Einigung über den Kaufpreis in der Höhe von S 2,510.982 und darüber, daß Grunderwerbssteuer, Eintragungsgebühr und Anwaltshonorar von beiden Teilen zu je 50 % zu tragen seien. Überdies wurde zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch ihren Aufsichtsrat, mündlich vereinbart, daß die möglicherweise anfallende Lohnsteuer von der Beklagten bezahlt werde. Im Februar 1984 stellte das Finanzamt für Körperschaften anläßlich einer Betriebsprüfung fest, daß die Differenz aus dem Verkehrswert der Liegenschaft und dem tatsächlich bezahlten Preis als Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu qualifizieren sei und forderte eine Lohnsteuernachzahlung in der Höhe von S 472.309. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben und die Beklagte bezahlte diesen Betrag.
Im Jahr 1970 schloß die Beklagte mit der A*** G***
einen Vertrag zur Besicherung der Pension des Klägers ab. Die Beklagte machte dem Kläger eine Versorgungszusage und verpflichtete sich in ihrer Pensionszusage vom 4.6.1970 mit Wirkung vom 1.1.1970 zur Leistung von monatlichen Versicherungsbeiträgen. Dazu kam noch eine Option, welche dem Kläger das Recht einräumte, in den Versicherungsvertrag einzutreten und diesen entweder fortzusetzen oder ihn in der jeweiligen Höhe in Anspruch zu nehmen. Pensionszusage und Option wurden auf Seiten der Beklagten von Dr.Walter S*** als Vorsitzender des Aufsichtsrates unterschrieben. Dr.S*** hatte Vollmacht aus Schweden und verhandelte und unterschrieb immer dann, wenn kein schwedischer Bevollmächtigter im Aufsichtsrat anwesend war. Im Aufsichtsrat wurde über beide Varianten der Versicherungseinlösung und auch über mögliche Lohnsteuerzahlungen gesprochen und mündlich vereinbart, daß die Versicherungsbeträge netto ausbezahlt würden und im Fall des Eintritts des Klägers in den Versicherungsvertrag dieser keine Lohnsteuerzahlungen zu leisten hätte. Im Dezember 1983 machte der Kläger von seinem Optionsrecht Gebrauch. Die schon erwähnte Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Körperschaften ergab, daß der Eintritt des Klägers in den Versicherungsvertrag als Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu qualifizieren und deshalb lohnsteuerpflichtig sei. Die nachträgliche Lohnsteuerforderung von S 732.640 wurde von der Beklagten beglichen.
Nach Auflösung des Dienstverhältnisses im Oktober 1983 wurde der Kläger schon ab 1.1.1984 vom Dienst freigestellt.
Anläßlich seines Ausscheidens wurde am 27.10.1983 vereinbart, daß er auch nach dem 1.1.1985 für Konsultationen im Bedarfsfall zur Verfügung stehe und hiefür die Hälfte des für 1984 gebührenden Jahresbezuges am 1.1.1985 ausbezahlt erhalte. Dieser Vertragsabfassung durch Rechtsanwalt Dr.S*** waren vor Beschlußfassung in der Aufsichtsratsitzung Gespräche des Aufsichtsrates mit dem Kläger vorangegangen, in welchen über die Möglichkeit der Gewährung einer freiwilligen Abgangsentschädigung verhandelt wurde. Beide Verhandlungspartner kamen überein, daß der Kläger eine solche freiwillige Abgangsentschädigung unabhängig von einer Gegenleistung jedenfalls erhalten solle. "Um dem Kind einen Namen zu geben", wurde aber in der Vereinbarung vom 27.10.1983 dafür die Rechtsform des Werkvertrages gewählt, in dessen Rahmen der Kläger für Konsultationen zur Verfügung stehen sollte. Zahlungspflichtig sollte jedenfalls die beklagte Firma und nicht etwa die S*** AB in Schweden sein.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Beklagte auf Grund der zwischen den Streitteilen zustandegekommenen Vereinbarung die wegen der Geschäftsfälle Eigentumswohnung und Eintritt in den Versicherungsvertrag von der Abgabenbehörde vorgeschriebene Lohnsteuer zu tragen habe. Die Beklagte sei bei dieser Vereinbarung mit ihrem damaligen Geschäftsführer durch ihren Aufsichtsrat vertreten gewesen. Der Einbehalt des Betrages von S 1,204.949,-- von der dem Kläger zustehenden Abfertigung habe daher keine Grundlage. Ungeachtet der Formulierung im Vertrag vom 27.10.1983 habe die Beklagte dem Kläger eine freiwillige Abgangsentschädigung in der begehrten Höhe zugesagt, die nicht von einer weiteren Gegenleistung (Konsulententätigkeit) des Klägers abhängig gemacht worden sei. Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, die Bestimmung des § 82 EStG enthalte kein Verbot privatrechtlicher Vereinbarungen über die Tragung der Lohnsteuer durch den Dienstgeber. Denn gemäß § 86 EStG gelte es auch nicht als Vorteil aus dem Dienstverhältnis, wenn der Dienstgeber die ihm nachträglich vorgeschriebene Lohnsteuer nicht vom Dienstnehmer, von dem er sie nicht einbehalten habe, ersetzt begehre. Den Einwand, der Kläger habe als ihr damaliger Geschäftsführer durch die Unterlassung der Bekämpfung der nachträglichen Lohnsteuervorschreibung eine zu hohe Steuernachforderung in Rechtskraft erwachsen lassen, habe die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht erhoben. Dem stünde auch ihre eigene Tatsachenbehauptung entgegen, daß die Abgabenbehörde die Lohnsteuer einwandfrei ermittelt habe. Auf Grund der vom Erstgericht festgestellten Vereinbarungen, wonach sich die Beklagte verpflichtet habe, die auf die als Vorteilszuwendungen an den Kläger aufzufassenden Leistungen entfallende Lohnsteuer selbst zu tragen, habe die Beklagte die aus dem Titel Lohnsteuer von der Abfertigung nicht ausbezahlten Beträge (insgesamt S 1,204.949,--) zu Unrecht einbehalten.
Die Beklagte habe sich auch verpflichtet, an den Kläger eine freiwillige Abgangsentschädigung in der unbestritten gebliebenen Höhe von S 1,491.790,-- zu bezahlen. Die Rechtsrüge der Beklagten sei in diesem Punkt, soweit sie vom Inhalt der schriftlichen, aber tatsächlich nicht gewollten Vereinbarung ausgehe, nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpft es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil, erforderlichenfalls auch das Urteil des Erstgerichtes, aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, erforderlichenfalls an das Erstgericht, zurückzuverweisen; hilfsweise beantragt sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Rechtsrüge der Beklagten ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Die Beklagte versucht hier gar nicht darzutun, daß der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt worden wäre; sie führt nur aus, daß die Feststellungen der Vorinstanzen über die zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen über eine dem Kläger zu gewährende freiwillige Abgangsentschädigung keine hinreichende Grundlage in den vorliegenden Beweisergebnissen hätten. Damit bekämpft die Beklagte aber in Wahrheit nur in im Revisionsverfahren nicht zulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Diese haben auf Grund vorliegender Urkunden- und Personalbeweise Feststellungen darüber getroffen, welche Erklärungen die Streitteile bei Abschluß der in Frage stehenden Vereinbarung abgaben. Die Richtigkeit dieser ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Feststellungen ist, wie die Beklagte übrigens in ihrem Rechtsmittel selbst zugesteht, im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar. Daß aber die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen unrichtig rechtlich beurteilt worden wären, wird in der Rechtsrüge der Beklagten nicht einmal behauptet.
Der Revision der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10188European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00628.86.0122.000Dokumentnummer
JJT_19860122_OGH0002_0080OB00628_8600000_000