TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/30 2004/20/0238

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Veröffentlicht am 30.06.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des Y in B, geboren 1975 (oder 1976), vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Herzog Ernst Gasse 2a, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. März 2004, Zl. 227.831/14-II/04/04, betreffend Aufhebung eines Bescheides "im Grunde des § 8 AsylG" (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Insoweit mit dem angefochtenen Bescheid Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 2. Jänner 2004 (Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG) aufgehoben wurde, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen - nämlich insoweit, als mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vom 2. Jänner 2004 (Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG) aufgehoben wurde - wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles kann auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/20/0033, verwiesen werden.

Nach Aufhebung des (gesamten) erstinstanzlichen Bescheides vom 15. März 2002 durch den am 29. August 2003 verkündeten und am 29. September 2003 schriftlich ausgefertigten Berufungsbescheid der belangten Behörde erließ das Bundesasylamt den Bescheid vom 2. Jänner 2004, mit dessen Spruchpunkt I. es den Asylantrag des Beschwerdeführers abermals gemäß § 7 AsylG abwies. In Spruchpunkt II. erteilte es dem Beschwerdeführer - ohne neuerlichen Ausspruch gemäß § 8 AsylG über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan - gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

Nur gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er beantragte, ihm Asyl zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde "in Erledigung" dieser Berufung den erstinstanzlichen Bescheid vom 2. Jänner 2004 "im Grunde des § 8 AsylG".

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Verfahrenslage, in der der angefochtene Bescheid erlassen wurde, gleicht der Situation, in der die belangte Behörde in dem im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0518, dargestellten Fall über die Berufung gegen einen gleichfalls am 2. Jänner 2004 erlassenen Bescheid des Bundesasylamtes entschied. Erfolgte dort (mit einem erst im September 2004 - nach Abschluss des verfassungsgerichtlichen Verfahrens - erlassenen Bescheid der belangten Behörde) eine Behebung nur des ersten Spruchpunktes gemäß § 66 Abs. 2 AVG, woraufhin sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die frühere Kassation "im Grunde des § 15 Abs. 2 erster Satz, erster Halbsatz, AsylG" hinsichtlich des § 7 AsylG betreffenden Spruchpunktes als klaglos gestellt erklärte, so entschloss sich die belangte Behörde im vorliegenden Fall zur Kassation des gesamten Bescheides vom 2. Jänner 2004 "im Grunde des § 8 AsylG".

Eine ins Einzelne gehende Begründung dafür erschien ihr zunächst nicht als erforderlich. Sie verwies im Wesentlichen nur darauf, dass ihr Vorgehen - jetzt nicht hinsichtlich eines fehlenden Ausspruches gemäß § 15 AsylG, sondern wegen der unterbliebenen Erneuerung des von ihr zuvor u.a. aufgehobenen Ausspruches gemäß § 8 AsylG - auf der "Unvollständigkeit" des erstinstanzlichen Bescheides beruhe. Ergänzend merkte die belangte Behörde - ähnlich wie in einem Teil der Schriftsätze zur Verteidigung der Behebung nicht bekämpfter Spruchteile "im Grunde des § 15 Abs. 2 erster Satz, erster Halbsatz, AsylG" (vgl. dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/20/0055) - an, ihre Entscheidung entziehe insoweit, als sie auch die vom Bundesasylamt erteilte Aufenthaltsberechtigung erfasse, "eine als solche unbeeinspruchte Rechtsposition", sodass "materiell gesehen eine reformatio in peius" stattfinde. Dies erscheine ihr aber weder als rechtswidrig noch als unzumutbar.

In der Gegenschrift meint die belangte Behörde, auch die vorliegende Behebung "im Grunde des § 8 AsylG" finde Deckung in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Dem folgen Ausführungen darüber, dass es sich um einen Fall von Unzuständigkeit in der speziellen Ausformung nicht der Überschreitung, sondern der Unterschreitung von Kompetenzen handle und dies vorrangig - nämlich vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Berechtigung des Asylantrages - wahrzunehmen sei. Im Übrigen sei es der belangten Behörde bei den in diesem Kontext erlassenen Bescheiden jeweils nur darum gegangen, dem "geradezu obstinaten Fehlverhalten des Bundesasylamtes" mit geeigneten Mitteln entgegenzutreten.

Darüber hinaus macht die belangte Behörde noch geltend, inzwischen sei das Bundesasylamt mit einer neuerlichen Bescheiderlassung säumig, wogegen der Beschwerdeführer im Devolutionsweg die belangte Behörde anrufen könne. Daraus ergebe sich die Unzulässigkeit der weiteren Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof kann dem zuletzt wiedergegebenen Gedanken der belangten Behörde nicht folgen. Aus dem Umstand, dass nach einer rechtswidrigen Kassation durch die Berufungsbehörde die wieder zuständig gewordene Erstbehörde ihre Entscheidungspflicht verletzt, ergibt sich nicht die Unzulässigkeit der Bekämpfung der aufhebenden Entscheidung vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Was das Verhalten des Bundesasylamtes und die damit verbundenen Rechtsschutzargumente der belangten Behörde in der Gegenschrift anlangt, so ist anzumerken, dass sich erst aus der nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes verfehlten Kassation des vom Bundesasylamt gewährten und vom Beschwerdeführer (naturgemäß) nicht bekämpften Schutzes vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat mit dem am 29. September 2003 ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde - in Verbindung damit, dass dessen normativer Gehalt, wie auch im Fall des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0518, vom Bundesasylamt offenbar nicht vollständig erkannt wurde - die von der belangten Behörde nunmehr monierte, im Vergleich zum Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. März 2002 andersartige "Unvollständigkeit" auch des Bescheides vom 2. Jänner 2004 ergeben konnte. Davon abgesehen hat die belangte Behörde in ihren letzten Schriftsätzen zur hg. Zl. 2003/20/0518 die - vom Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht geteilte - Auffassung vertreten, durch das Fehlen des Ausspruches über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat sei die Partei nach Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht (mehr) beschwert.

Ungeachtet dieser Überlegungen ist aber jedenfalls auch die Übertragung des von der belangten Behörde für den Fall eines fehlenden Ausspruches gemäß § 15 AsylG entwickelten Lösungsmodells auf den als dessen Folgewirkung (abgesehen von der rückwirkenden Kraft des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2004/20/0033) jetzt eingetretenen Fall eines fehlenden Ausspruches gemäß § 8 AsylG - nämlich die erneute Aufhebung eines in der Berufung nicht bekämpften, die Partei begünstigenden Ausspruches in Verbindung mit der Verweigerung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der auf die Entscheidung gemäß § 7 AsylG bezogenen Berufung - aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/20/0055, dargestellten, diesem Lösungsmodell schon im ursprünglichen Anwendungszusammenhang entgegenstehenden Gründen rechtswidrig.

Es war daher auch der hier angefochtene Bescheid hinsichtlich der Entscheidung gemäß § 7 AsylG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und insoweit, als erneut ein unbekämpfter Ausspruch des Bundesasylamtes (hier: die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung) behoben wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften nicht Deckung.

Wien, am 30. Juni 2005

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung KassationMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004200238.X00

Im RIS seit

28.07.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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