TE OGH 1986/1/30 7Ob512/86

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Veröffentlicht am 30.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** B*** & Comp., Salzburg, Rathausplatz 4, vertreten durch Dr. Georg Reiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Elisabeth W***, Gemeindeangestellte, Wien 4., Waltergasse 5/2/1/3, vertreten durch Dr. Herbert Machatschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 484.598 S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1985, GZ. 13 R 185/85-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 2. April 1985, GZ. 40 c Cg 347/82-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 15.874,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.443,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma Kur- und Sporthotel Alpenland Gesellschaft m.b.H. & Co KG (im folgenden kurz Fa. A***) plante die Errichtung eines Hotels in St. Johann im Pongau und wollte ihr Hotelprojekt unter anderem durch den Verkauf von sogenannten Zertifikaten über einen Alpenlandhotelanteil finanzieren. Den Erwerbern solcher Zertifikate sollte das Recht zustehen, im zu errichtenden Hotel alljährlich ein bestimmtes Hotelzimmer während eines bestimmten Zeitraumes als Hotelgast selbst zu benützen oder durch Dritte benützen zu lassen. Der Vertrieb der Zertifikate sollte über die Firma Real-Anlagen Peter V*** KG Innsbruck (im folgenden Fa. V***) erfolgen. Die Klägerin sollte den Erwerbern von Zertifikaten die nötigen Kredite gewähren.

In Zusammenarbeit zwischen der Klägerin, der Firma A*** und der Firma V*** wurden dabei unter anderem folgende Formulare entworfen und regelmäßig verwendet:

1. In einem Kaufantrag bietet der Interessent der Firma A*** den Erwerb von Hotelanteilen gemäß den Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Erwerb von Alpenland-Hotelanteilen an.

2. In diesen Vertragsbedingungen ist von einer Sicherung des Nutzungsrechtes des Zertifikatsinhabers nach Fertigstellung des Hotels durch Einverleibung des Bestandrechtes und die Anmerkung der Vorauszahlung des Bestandzinses die Rede. Außerdem ist vorgesehen, daß die eingehenden Kaufsummen an den bestellten Treuhänder Dr. Otmar T***, Rechtsanwalt in Salzburg, geleistet werden müssen, der die eingezahlten Gelder nur zweckgebunden verwenden darf. Weitere Punkte befassen sich mit der Übertragbarkeit des Nutzungsrechtes und dem Rückkauf des Zertifikates durch die Firma A***. Dem Zertifikatsinhaber sollte anstelle der Eigennutzung das Recht der Vermietung des Nutzungsrechtes an die Firma A*** gegen eine bestimmte Rendite zustehen.

3. Mit einem an die Klägerin gerichteten "Antrag zum Abschluß eines Kredit-Pfandbestellungs- und Abtretungsvertrages" bietet der Interessent an, bei der Klägerin "zum Zweck des Ankaufes eines Alpenland-Hotelanteiles ...." einen "Kredit" in bestimmter Höhe aufzunehmen. Bedingung der Kreditgewährung ist, daß die Firma A*** den Erwerbsantrag annehme. Der Kredit soll eine Laufzeit von zehn Jahren haben und mit einem bestimmten Zinssatz zu verzinsen sein. Der Antragsteller verpflichtet sich, eine bestimmte Starteinzahlung binnen drei Monaten zu leisten und kündigt an, monatlich einen bestimmten Betrag auf das zu eröffnende Kreditkonto einzuzahlen. Terminsverlust soll eintreten, wenn eine rückständige Leistung durch sechs Wochen hindurch fällig und eine bestimmte Mahnung erfolglos geblieben ist.

Mit Zustimmung der Firma A*** und des Treuhänders

Dr. T*** wird der zu erwerbende Hotelanteil zum Pfand bestellt. Zudem werden der Klägerin alle aus dem Erwerb des Hotalanteiles zustehenden Rechte abgetreten. Im Falle des Terminsverlustes soll die Klägerin zu Verwertung des Hotelanteiles in einer ganz bestimmten Weise berechtigt sein.

Der Antrag werde zwar mit der Annahmeerklärung der Klägerin wirksam, doch übernehme es die Klägerin, von der Annahme auch die Firma A*** und den Treuhänder Dr. T*** zu verständigen. Der "Kreditbetrag" soll auf das Treuhandkonto Dr. Otmar T*** ausbezahlt werden, aber auch anderweitige Verfügungen im Einvernehmen mit dem Treuhänder sollen als "Kreditausschüttung" gelten, doch müsse immer die schuldbefreiende Zahlung der Kaufsumme für den Hotelanteil gewährleistet sein.

4. Mit einem an den jeweiligen Antragsteller gerichteten Schreiben der Klägerin werde die Annahme des Antrages erklärt und mitgeteilt, daß der Kaufpreis für ein bestimmtes Zertifikat auf das Konto des Treuhänders Dr. T*** überwiesen worden sei. Es werde ersucht, ab dem vereinbarten Tag die monatlichen Beträge einzuzahlen. Zwischen der Firma A*** und der Firma V***, der Klägerin und dem Treuhänder bestanden weitere folgende Rahmenverträge:

1. Mit Bürgschafts- und Verpfändungsvertrag zwischen der Firma A***, der Klägerin und dem Treuhänder wurde vereinbart, daß von den von der Klägerin finanzierten Kaufpreissummen 15 % zur Spesenabdeckung (Verkaufsprovision) einbehalten werden dürfen, 85 % aber zum Ankauf von Pfandbriefen der S*** L***

verwendet werden müssen. Die Firma A*** übernahm gegenüber der Klägerin bezüglich aller insgesamt anfallenden Kreditverbindlichkeiten "aus der Kreditgewährung an Hotelankäufen" bis zum Höchstbetrag von 20 Millionen Schilling die Haftung als Bürge und Zahler und verpfändete hiefür die anzuschaffenden Pfandbriefe. Es wurde festgehalten, daß die Klägerin zur Kreditgewährung an die Käufer von Alpenland-Hotelanteilen nicht verpflichtet sei.

2. Die Firma V*** und die Firma A*** sagten der Klägerin zu, beim Verkauf der Alpenland-Zertifikate nur den gemeinsam aufgelegten Formularsatz zu verwenden, wobei in einigen Punkten geregelt wurde, wie beim Verkauf der Zertifikate vorzugehen sei. Auch hier ist festgehalten, daß der Klägerin bei der Annahme der Kreditanträge eine "Zensur" vorbehalten bleibe.

Die Beklagte machte von den geschilderten Angeboten Gebrauch, unterfertigte am 16. April 1980 die mit "Antrag zum Abschluß eines Kredit-, Pfandbestellungs- und Abtretungsvertrages" überschriebene Selbstauskunft und das Kreditantragsformular der Klägerin, wobei sie ein monatliches Nettoeinkommen von 12.000 S angab. In ihrem Fall betrug der Preis für das Zertifikat 412.000 S. Neben einer entsprechenden Verzinsung wurde vereinbart, daß die Beklagte binnen drei Monaten, unbeschadet der noch ausstehenden Annahme dieses Antrages die Starteinzahlung von 1.100 S und ab 1. Mai 1980 monatlich 1.100 S bis einschließlich 1. März 1990 auf das für sie eröffnete Kreditkonto einzuzahlen hat. Die Anträge der Beklagten wurden von der Firma A*** und der Klägerin angenommen. Die Klägerin gewährte auf die geschilderte Weise Kredite. Über das Vermögen der Firma A*** wurde am 8. Mai 1981 das Ausgleichsverfahren und am 16. Juni 1981 der Anschlußkonkurs eröffnet. Trotz Fertigstellung des Hotels erfolgte keine Sicherstellung der Beklagten bezüglich ihres Nutzungsrechtes. Die den Anteil der Beklagten betreffenden Leistungen der Klägerin haften im eingeklagten Betrag von 484.598 S aus. Die Beklagte wendete ein, ihre Verpflichtung könne nur im Zusammenhang mit den oben dargestellten vertraglichen Bindungen zwischen der Klägerin, der Firma A*** und der Firma V*** beurteilt werden. Auf Grund der ihr erteilten Zusagen hätte die Beklagte darauf vertrauen dürfen, daß der eingeräumte Kredit durch Pfandbriefe besichert sei. Außerdem hätte sie die Klägerin durch die unrichtige Behauptung, es handle sich bei der Firma A*** um ein seriöses Unternehmen, in Irre geführt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest, daß die Klägerin nicht die Hausbank der Firma A*** war. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die abgeschlossenen Verträge rechtfertigten nicht einen Durchgriff der Einwendungen der Beklagten gegen die Klägerin. Da eine direkte Verhandlung zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht stattgefunden habe, fehle es auch an einer Irreführung der Beklagten durch die Klägerin. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Nach wörtlicher Zitierung der zwischen allen Beteiligten abgeschlossenen Verträge, deren wesentlicher Inhalt eingangs wiedergegeben worden ist, führte es in rechtlicher Hinsicht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 691/84 im wesentlichen folgendes aus:

Schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu geschäftlichen Zwecken treten mögliche Geschäftspartner in ein Schuldverhältnis ein, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Rechtsgeschäftes verpflichte. Die Aufnahme des rechtsgeschäftlichen Kontaktes lasse Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten entstehen. Eine Verletzung von Aufklärungspflichten könne insbesondere darin liegen, daß der Geschäftspartner nicht hinreichend über die wahre Sachlage aufgeklärt, ihm wesentliche Umstände des Geschäfts verschwiegen oder ihm irreführende Angaben gemacht werden. Insbesondere falle darunter die Irreführung in bezug auf solche Umstände, bei deren Kenntnis der Vertragspartner vom Vertragsabschluß Abstand genommen oder das Geschäft anders geschlossen hätte. Aufklärungspflichten bestünden insbesondere auch für Kreditinstitute ihren Kunden gegenüber. Die Verletzung einer Aufklärungspflicht könne auch durch Schweigen erfolgen. Bei arglistiger Unterlassung einer nach der Verkehrsanschauung gebotenen Aufklärung könne der als Folge dieser Handlungsweise geschlossene Vertrag nach § 870 ABGB angefochten werden. Ebenso sei eine Anfechtung wegen eines vom andern veranlaßten Irrtums möglich. Ein durch Verletzung von Aufklärungspflichten verursachter Irrtum sei als Geschäftsirrtum anzusehen. Bei Kreditinstituten seien Aufklärungspflichten gegenüber ihren Kunden daraus abzuleiten, daß die Geschäftsbeziehung zwischen der Kreditunternehmung und dem Kunden ein Vertrauensverhältnis darstellt. Die Anforderungen an die Aufklärungspflicht dürfen nicht überspannt werden. Primär müssen dem Bankkunden zugemutet werden, daß er seine wirtschaftlichen Interessen ausreichend zu wahren wisse. Dies gelte insbesondere bei risikoreichen Geschäften, zu deren Finanzierung Bankkredite in Anspruch genommen werden. Es sei andererseits aber zu fordern, daß das Kreditinstitut vor allem gegenüber geschäftlich unerfahrenen Kunden nicht eine Vertragsgestaltung wähle, die durch die Hervorhebung eines Teiles der dem Kreditnehmer obliegenden Verpflichtungen das gesamte Ausmaß dieser Verpflichtungen unklar lasse und damit zu Irrtümern Anlaß gebe.

Rechtliche Beurteilung

Ebenso wie der Oberste Gerichtshof in der oben erwähnten Entscheidung, der ein gleichgelagerter Fall wie hier zugrunde lag, hat das Berufungsgericht auf Grund der dargestellten Verträge eine derart enge Bindung zwischen der Klägerin und den Firmen A*** und V*** angenommen, daß der Klägerin auch das Vorgehen der beiden anderen Firmen bei den Vertragsverhandlungen zur Last gelegt werden müsse. Dies ergebe sich vor allem auch daraus, daß der Verhandlung mit der Beklagten ein zwischen den drei genannten Firmen inhaltlich abgesprochenes Formular zugrundegelegt worden sei. Aus den von ihren Vertragspartnern verfaßten Vertragsformularen hätte die Beklagte nicht deutlich genug entnehmen können, daß sie allenfalls über die dort vereinbarten Zahlungen von monatlich 1.100 S hinaus noch Leistungen zu erbringen habe. Vielmehr seien die Formulare derart abgefaßt worden, daß die Beklagte der berechtigten Annahme sein konnte, sie gehe über die erwähnten Zahlungsverpflichtungen hinaus kein Risiko ein. Demnach sei die Beklagte gemäß § 871 ABGB berechtigt, die Vereinbarung, wenn sie im Sinne der nunmehr von der Klägerin vertretenen Auffassung ausgelegt werden sollte, wegen Irrtums anzufechten.

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 2 bis 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Klägerin darin, daß das Berufungsgericht zusätzlich zu den erstrichterlichen Feststellungen auch noch den wörtlichen Inhalt der zwischen den in Frage kommenden Parteien abgeschlossenen Verträge wiedergegeben hat. Damit hat das Berufungsgericht aber nicht gegen die Bestimmung des § 498 Abs. 1 ZPO verstoßen, weil es sich bei diesen Verträgen um Urkunden handelte, deren Echtheit nicht bestritten worden ist. Die bloße Wiedergabe des wörtlichen Inhaltes einer nicht bestrittenen Urkunde durch das Berufungsgericht kann aber nicht als eine zusätzliche, von den erstrichterlichen Feststellungen abweichende Tatsachenwiedergabe gewertet werden. Von einer Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht kann daher keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßen, weil die Beklagte bereits von allem Anfang an klar zu erkennen gegeben hat, daß sie bezüglich der von der Klägerin behaupteten Verpflichtung zur Übernahme eines über die monatliche Zahlung hinausgehenden Risikos in einem von der Gegenseite veranlaßten Irrtum war und daß sie dieser Irrtum von einer Zahlungspflicht befreie. Damit wurde aber mit hinreichender Deutlichkeit das Fehlen einer Zahlungspflicht wegen Irreführung geltend gemacht.

Mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wird in Wahrheit nur der Versuch unternommen, die durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der schriftlichen Verträge zu bekämpfen. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes, insbesondere die Beurteilung des Inhaltes der schriftlichen Verträge und der Frage, wie die Beklagte diese Verträge verstehen mußte, stellt einen Akt der rechtlichen Beurteilung dar, der nur mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und nicht mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft werden kann.

Was die rechtliche Beurteilung anlangt, so liegen nur scheinbar Widersprüche zwischen den beiden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 691/84 und 1 Ob 664/84 vor. Zwar führten diese beiden Verfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen, doch fehlte es im Verfahren 1 Ob 664/84 an der Einwendung einer Irreführung. Dort war nur zu prüfen, ob das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der dortigen Beklagten den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes unterliege oder nicht. Daß eine direkte Anwendung dieses Gesetzes bei Verträgen der vorliegenden Art nicht möglich ist, wurde im gegenständlichen Fall nie bestritten. Demnach ist der Oberste Gerichtshof im Verfahren 1 Ob 664/84 zu einer Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens gekommen. Im Verfahren 1 Ob 691/84 wurde dagegen wie im vorliegenden Fall ein wesentlicher Irrtum der Beklagten eingewendet. Nur die letztgenannte Entscheidung ist daher für das vorliegende Verfahren verwendbar. (Auf den Unterschied der beiden Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof im übrigen eingehend in seiner Entscheidung 3 Ob 631/85 hingewiesen.)

Der erkennende Senat tritt vollinhaltlich den Erwägungen des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 1 Ob 691/84 bei. Der Oberste Gerichtshof hatte außerdem in einem weiteren Verfahren (3 Ob 573/85) einen gleichgelagerten Fall zu entscheiden. Auch dort trat der erkennende Senat den Erwägungen des Obersten Gerichtshofes in der Entscheidung 1 Ob 691/84 bei und fügte diesen allerdings noch folgendes hinzu:

Die Besonderheit des gesamten zwischen den Streitteilen und anderen Personen bestehenden Vertragswerkes erfordert eine Analyse, welcher Vertragstypus überhaupt vorliegt. Als Ausfluß des im österreichischen bürgerlichen Recht grundsätzlich geltenden Prinzips der Vertragsfreiheit ergibt sich die sogenannte Gestaltungs- oder Inhaltsfreiheit, die es den Parteien erlaubt, einerseits im Gesetz nicht geregelte atypische Verträge, aber andererseits auch sogenannte gemischte Verträge abzuschließen, die aus verschiedenen gesetzlich geregelten Vertragsarten zusammengesetzt sind. Ein weiterer Grundsatz des österreichischen Schuldrechtes besagt, daß nicht die Benennung eines bestimmten Vertrages durch die Parteien das entscheidende Kriterium für die Einordnung dieses Vertrages unter einem bestimmten Vertragstypus darstellt, sondern der wirkliche vereinbarte Vertragsinhalt.

Unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln des § 914 ABGB ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß es nicht ausschlaggebend sein kann, ob die Beklagte schon bei Vertragsabschluß den Wunsch oder die Vorstellung hatte, sie müsse nur gewisse monatliche Raten leisten, für den Fall des Zusammenbruchs des geplanten Hotelprojektes aber nicht für einen bei der Klägerin vielleicht noch aufgenommenen, echten Kredit aufkommen, falls solches objektiv erklärt worden wäre. Umgekehrt könne die Kägerin nicht erreichen, selbst wenn sie dies durch Einbau von noch so vielen Vertragsklauseln versucht haben sollte, daß sie der Beklagten gegenüber wie ein ganz gewöhnlicher Darlehens- und Kreditgeber zu behandeln sei, falls sich aus der Gesamtwürdigung des tatsächlich erklärten Vertragswillens etwas anderes ergibt. Zwischen der Klägerin, der Firma A*** und der Firma V*** bestand eine wirtschaftliche Einheit im Sinne der früheren Judikatur zum drittfinanzierten Kauf bzw. gemäß der jetzt geltenden Bestimmung des § 18 KSchG. Es bestand wegen derartiger Finanzierungen nicht nur eine ständige Geschäftsbeziehung, sondern die Klägerin nahm auch entscheidenden Einfluß auf die Art des Vertriebes und die Gestaltung der einzelnen, einheitlich zu verwendenden und auch tatsächlich verwendeten Formulare. Organisatorisch war auf mehrfache Weise sichergestellt, daß die Valuta nur zur Finanzierung der geplanten Hotelbeteiligung bzw. der Beschaffung der Pfandbriefe - in anderen Fällen auch zur Zahlung der Prämien einer abgeschlossenen Lebensversicherung - dienen konnte, sodaß jedenfalls auch eine klare Abgrenzung zu einem gewöhnlichen Personalkredit bestand. Die Klägerin ist also im Verhältnis zur Beklagten so zu behandeln, wie wenn auch die im formell nur zwischen der Beklagten und der Firma A*** abgeschlossenen Vertrag enthaltenen Bestimmungen zwischen den Streitteilen vereinbart worden wären. Diese Auslegung entspricht der für gemischte Verträge im Gegensatz zur eher älteren "Trennungstheorie" entwickelten "Einheitstheorie".

Bezüglich des durch die verwendeten Formulare beim Vertragspartner erweckten Eindruckes stellte der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 573/85 im wesentlichen ähnliche Erwägungen an, wie der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 691/84.

Die in den beiden genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vertretene Rechtsansicht ist nach Auffassung des erkennenden Senates derart überzeugend, daß sich Ergänzungen erübrigen. Vielmehr kann auf die dargestellte Begründung der beiden Entscheidungen verwiesen werden. Damit ist aber auch die in der Revision vertretene Rechtsansicht eindeutig widerlegt. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof in der weiteren Entscheidung 3 Ob 631/85 dargelegt, daß bei einer Beurteilung der gesamten Vorgänge die Einräumung der Rechte an die Beklagte (Verschaffung und Erhaltung der Zertifikate als Verträge) als auflösende Bedingung zu werten ist und daher mangels einer solchen Einräumung keinesfalls eine Leistungspflicht der Beklagten besteht. Daß im vorliegenden Fall infolge Einschaltung des Ehegatten der Beklagten (der Partei im Verfahren 3 Ob 631/85 war) durch die Firma V*** andere Voraussetzungen als in den oben dargestellten Fällen vorgelegen wären, hat das Verfahren in erster Instanz nicht ergeben. Die diesbezüglichen Ausführungen der Revision entbehren eines entsprechenden Sachvorbringens in erster Instanz. Demnach kann nicht geprüft werden, ob dieser Umstand, wäre er eingewendet worden, zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07657

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00512.86.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19860130_OGH0002_0070OB00512_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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