TE OGH 1986/1/30 7Ob691/85

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Veröffentlicht am 30.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara B***, Pensionistin, Salzburg, Richard Knoller-Straße 13, vertreten durch Dr. Peter Böhm, Rechtsanwalt in Graz, Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Partei Erich N***, Pensionist, Chieming, Chiemsee, Strandcafe C***, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Margarida N***, Hausfrau, Graz, Kalvarienbergstraße 89, vertreten durch Dr. Robert Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 30. September 1985, GZ 3 R 347/85-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 28. Dezember 1984, GZ 8 C 57/84-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.510,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 96 Barauslagen und S 219,52 Umsatzsteuer) und dem Nebenintervenienten die mit S 2.414,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 219,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Erich N*** war mit der Beklagten verheiratet. Er war Eigentümer von 67/1739-Anteilen an der Liegenschaft EZ 1037 KG Lend, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr.13 im Hause Kalvarienberggasse 89 untrennbar verbunden ist. Mit Kaufvertrag vom 26.5.1983 verkaufte Erich N*** die Eigentumswohnung um S 350.000 der Klägerin, deren Eigentumsrecht grundbücherlich einverleibt wurde. Die Beklagte bewohnt die aus drei Zimmern und Nebenräumen bestehende Eigentumswohnung seit dem Jahre 1977. Gegen das Räumungsbegehren der Klägerin wendet sie ein, daß es sich bei der Eigentumswohnung um die ehemalige Ehewohnung handle, die der Befriedigung ihres dringenden Wohnungsbedürfnisses diene. Die Klägerin habe die Wohnung in Kenntnis dieser Umstände erworben. Der Wert der Wohnung liege weit über dem vereinbarten Kaufpreis. Wohnungsschlüssel hätten nur die Beklagte und die Kinder besessen. Eine Übergabe der Wohnung an die Klägerin habe nie stattgefunden. Die Klägerin könne sich daher nicht auf den Grundbuchsstand und auf gutgläubigen Erwerb berufen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen bot Erich N*** dem Branko B***, dem Sohn der Klägerin, auf dessen Zeitungsinserat die Eigentumswohnung zum Preise von S 450.000 an. Branko B*** bekundete sein Interesse und vereinbarte mit Erich N*** einen Besichtigungstermin für den 11.6.1982. Bei dieser Besichtigung waren nur Erich N*** und Branko B*** anwesend. Sie sprachen nicht über familiäre Verhältnisse, sondern vorwiegend über den Kaufpreis. Auf Branko B*** machte die Wohnung einen bewohnten Eindruck. Erich N*** erklärte, die Wohnung bis 31.12.1983 noch zu benötigen. Am 6.9.1982 teilte Branko B*** dem Erich N*** schriftlich mit, daß er für die Wohnung nicht mehr als S 350.000 bezahlen könne, und gab ihm die Adresse der Klägerin bekannt, mit der Erich N*** Kontakt aufnehmen könne. Im Oktober 1982 trafen die Klägerin und Erich N*** erstmals zusammen. Sie sprachen über den Kaufpreis. Die Klägerin erklärte, daß sie ein Mietzimmer in der Kindermanngasse aufgeben werde. Nachdem sich Erich N*** über dieses Zimmer erkundigt hatte, vereinbarte er mit der Klägerin, daß er ab Oktober in diesem Zimmer wohnt. Am 9.5.1983 teilte die Klägerin dem Erich N*** schriftlich mit, daß sie noch immer an der Wohnung interessiert sei, sollte der Kläger nicht mehr in der Kindermanngasse wohnen, werde sie ihn allenfalls in der Bergmanngasse aufsuchen. Nachdem sich Erich N*** mit dem von Branko B*** gebotenen Preis einverstanden erklärt hatte, wurde der Kaufvertrag mit dem sich aus Beilage F ergebenden Inhalt in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Helmut Klement abgeschlossen. Über die ehelichen Verhältnisse wurde auch bei der Kaufvertragserrichtung nicht gesprochen. Branko B*** hat vor Vertragsabschluß einmal in das Grundbuch eingesehen und festgestellt, daß Erich N*** Alleineigentümer ist. Die Beklagte hatte in der Zeit vom 25.6. bis 7.8.1982, als Erich N*** im Krankenhaus war, die Schlösser an der Wohnungstür ändern lassen. Im Dezember 1983 schrieb Branko B*** an Erich N*** unter der Anschrift der Eigentumswohnung wegen der Schlüsselübergabe. Auf dieses Schreiben antwortete die Klägerin, daß sie von einem Verkauf nichts wisse und die Schlüssel nicht übergeben würde.

Nach der Rechtsauffassung des Erstgerichtes könne jener Ehegatte, der sein Benützungsrecht an der Wohnung aus § 97 ABGB ableite, dieses Recht nur dem schlechtgläubigen Erwerber mit Erfolg entgegenhalten. Der Klägerin könne Schlechtgläubigkeit aber nicht angelastet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. § 97 ABGB komme der Beklagten nicht zugute, weil der Schutz dieser Bestimmung nicht über den Zeitpunkt der Ehescheidung hinaus wirke und diese Bestimmung nur eine Abhilfemöglichkeit gegen eine Verfügung zur Zeit aufrechter Ehe schaffe. Im vorliegenden Fall sei aber die Verfügung des Erich N*** bereits nach der Scheidung der Ehe erfolgt. Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes über die Gutgläubigkeit der Klägerin könne zwar nicht geteilt werden, doch komme es darauf nicht mehr an. Mangels eines Titels zur Benützung der Wohnung durch die Beklagte, habe das Erstgericht im Ergebnis zu Recht dem Räumungsbegehren stattgegeben. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, bis zu welchem Zeitpunkt ein Ehegatte sein aus § 97 ABGB abgeleitetes Benützungsrecht einem schlechtgläubigen Erwerber entgegenhalten könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Nach § 97 ABGB hat ein Ehegatte gegen den über eine Wohnung, die der Befriedigung seines dringenden Wohnungsbedürfnisses dient, verfügungsberechtigten anderen Ehegatten Anspruch darauf, daß dieser alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Verfügungen durch die Umstände erzwungen werden. Dem § 97 ABGB liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Ehegatte durch die Eheschließung ein Wohnrecht an der ihm nichts dur nicht allein gehörigen Wohnung, die seinem dringenden Wohnungsbedürfnis dient, erwirbt. Die Bestimmung soll diesen Ehegatten in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnungsbedürfnisses schützen (851 BlgNR 13. GP 23). Aus ihr wird ein Anspruch des Ehegatten, dem eine Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnungsbedürfnisses dient, auf Benützung dieser Wohnung, die nicht die Ehewohnung sein muß, abgeleitet (SZ 52/190). Der Anspruch besteht zwar grundsätzlich nur gegenüber dem anderen Ehegatten, er wird jedoch, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, auch gegenüber dem schlechtgläubigen Erwerber der Wohnung geschützt und steht dessen Räumungsklage entgegen (SZ 56/26; MietSlg.35.002; MietSlg.32.004/38). Dieser Rechtsprechung lagen jedoch durchwegs Fälle aufrechter Ehe zugrunde, sodaß die Frage nach der zeitlichen Beschränkung dieses Schutzes nicht zu prüfen war.

Der Oberste Gerichtshof ist zwar in der Entscheidung vom 11.7.1985, 6 Ob 598/85, zu dem Ergebnis gelangt, daß der nach § 97 ABGB gewährte Unterlassungs- und Benützungsanspruch im Falle rechtzeitiger Antragstellung nach den §§ 81 ff.EheG im Aufteilungsanspruch des Ehegatten fortbestehe und auch der geschiedene Ehegatte einem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren diesen Anspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Aufteilungsbegehren entgegenhalten könne. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der geschiedene Ehemann seine Mitmietrechte an der Ehewohnung noch nicht aufgegeben, sodaß eine Übertragung an die Beklagte in dem von ihr angestrengten Aufteilungsverfahren jedenfalls möglich war. Im vorliegenden Fall hat dagegen der geschiedene Ehemann die Ehewohnung bereits veräußert und der Erwerber infolge Eintragung seines Eigentumsrechtes im Grundbuch Eigentum erworben. Sachen, die im Eigentum Dritter stehen, unterliegen aber grundsätzlich nicht der Aufteilung. Die Übertragung von Rechten und Pflichten an solchen Sachen könnte nur mit Zustimmung des Dritten erfolgen (§ 86 Abs.2 EheG). Der einem Ehegatten nach der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe zustehende Aufteilungsanspruch genießt aber den gleichen Schutz gegen Beeinträchtigungen durch Dritte wie jedes andere Forderungsrecht. Die Verletzung eines fremden Forderungsrechtes gewährt dem Betroffenen einen grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichteten Schadenersatzanspruch, wenn der Schuldner zum Vertragsbruch verleitet wurde, bei arglistigem Zusammenwirken mit dem Schuldner zum Nachteil des Gläubigers oder bei Verletzung eines durch den Besitz typischerweise erkennbaren Forderungsrechtes (JBl.1981, 535 mwN; JBl.1977, 257; MietSlg.31.248). Liegt eine solche Verletzung des Aufteilungsanspruches eines Ehegatten vor, werden auch, unbeschadet des formellen Eigentums des Dritten, Rechte und Pflichten durch den Außerstreitrichter im Aufteilungsverfahren begründet werden können. Eine eingehendere Erörterung dieser Frage und auch der damit zusammenhängenden verfahrensrechtlichen Fragen erübrigt sich jedoch hier. Nach § 95 EheG erlischt nämlich der Aufteilungsanspruch, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung gerichtlich geltend gemacht wird, wobei diese Frist nach ständiger Rechtsprechung bereits mit Rechtskraft eines Teilurteiles, mit dem die Scheidung ausgesprochen wird, zu laufen beginnt (SZ 55/34; SZ 55/26). Ist der Aufteilungsanspruch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in dem vom Dritten gegen den Ehegatten angestrengten Räumungsverfahren wegen Fristablaufes erloschen, kann er auch dem Räumungsbegehren nicht mehr wirksam entgegengehalten werden. Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte zwar auf ihren Aufteilungsanspruch und dessen Geltendmachung im Außerstreitverfahren in erster Instanz berufen, eine Erörterung dieser Frage durch die Vorinstanzen unterblieb jedoch. Eine Aufhebung zur Verfahrensergänzung wäre aber ein überflüssiger Formalismus, ergibt sich doch aus dem Akt 31 F 34/83 des Erstgerichtes, daß der Aufteilungsantrag der Beklagten wegen nicht rechtzeitiger Antragstellung rechtskräftig abgewiesen wurde und ihr Aufteilungsanspruch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz gemäß § 95 EheG bereits erloschen war. Es ist daher auch zur Frage der Schlechtgläubigkeit der Klägerin nicht mehr Stellung zu nehmen.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Dem Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes kommt nur für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision Bedeutung zu.

Anmerkung

E07535

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00691.85.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19860130_OGH0002_0070OB00691_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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