Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut S*** und einen anderen wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Helmut S*** und Heinz W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Juni 1985, GZ 3 c Vr 13557/84-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - in Ansehung des Angeklagten W*** auch einen (in Rechtskraft erwachsenen) Freispruch enthaltenden - Urteil wurden der am 5.Mai 1956 geborene Helmut S*** und der am 15. Jänner 1942 geborene Heinz W*** des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB (Punkt I/1 des Urteilssatzes), S*** außerdem auch noch des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB (Punkt I/2) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (Punkt II) schuldig erkannt.
Darnach haben sie in Wien
(zu I/1) am 24.November 1984 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Sylvia S*** durch die wiederholte Äußerung, "sie müsse tun, was sie von ihr verlangen, sonst passiere etwas, sowie dadurch, daß sie ihr Schläge versetzten, sie an den Haaren zerrten und sich ihrem nackten Körper mit einer brennenden Zigarette näherten", sohin mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Unzucht, nämlich zur Ausführung eines Mundverkehrs, genötigt; Helmut S*** ferner allein
(zu I/2) Sylvia S*** durch die zuvor bezeichneten Handlungen zum außerehelichen Beischlaf genötigt und
(zu II) am 25.November 1984 Gerhard N*** durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Prellung des rechten Auges und der Augenumgebung mit (zwei) Rißquetschwunden, einen Bluterguß in den Lidern und einer Blutung in der Aderhaut des Augenhintergrundes, zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Den (nominell) auf die Z 5, 9 lit. a und b sowie vom Angeklagten S*** auch auf Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Zum Schuldspruch wegen Nötigung zum Beischlaf
und zur Unzucht (I/1 und 2):
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen kamen die beiden Angeklagten am Samstag, dem 24.November 1984 gegen 17,30 Uhr in das im Haus Wien 15, Plunkergasse 11 etablierte Cafe "G***", wo der Angeklagte W*** von dem dort beschäftigten Kellner Alfred H*** eine Geldforderung für einen Bekannten einzutreiben hatte. Währenddessen lud S*** die Sylvia S***, die in diesem Lokal als Serviererin fallweise aushalf, sich jedoch an diesem Tag dort als Gast aufhielt, ein, an seinem Tisch Platz zu nehmen. S***, der die gewalttätige Veranlagung des Angeklagten S*** bekannt war, wagte es nicht, diese Einladung auszuschlagen, trank das ihr angebotene Getränk und begab sich hierauf zu einem anderen Tisch. In weiterer Folge "beorderte" sie der Erstangeklagte (S***), diesmal schon energischer, mit den Worten "du machst, was ich will, sonst passiert etwas", erneut an seinen Tisch. Die Kaffeehausbesitzerin S***, "der dies aufgefallen war", wollte S*** von den Männern wegbringen und außerdem verhindern, daß sie der Ehegatte der S*** alkoholisiert sieht. Sie forderte Sylvia S*** auf, mit ihr in ein anderes Lokal zu fahren und bestellte ein Taxi, das jedoch nicht gleich kam. S*** und S*** begaben sich daher wieder ins Lokal. Als später ein Taxi eintraf, lehnte S*** die Mitfahrt ab. Nachdem S*** weggefahren war, setzte sich S***, "die sich vor den Angeklagten fürchtete", wieder zu diesen. Als S*** hierauf ein Taxi anforderte, fuhr Sylvia S*** "eingeschüchtert durch die Drohung, du machst, was ich will, sonst passiert etwas", mit. Die Fahrt führte zu einem Stundenhotel im 16. Wiener Gemeindebezirk. Nach einem Aufenthalt an der Hotelbar, wo S*** trank, was ihr geboten wurde und sich mit Wurstfleckerln "füttern" ließ, begaben sich die Angeklagten mit S*** in ein Zimmer, welches der Angeklagte W*** jedoch schon "nach wenigen Augenblicken" wieder verließ. "Eingeschüchtert durch die vorangegangenen Drohungen" zog sich S*** über Aufforderung des Angeklagten S*** aus und half sodann auch ihm beim Entkleiden. "Durch die Drohungen eingeschüchtert", mußte sie bei S*** einen Mundverkehr durchführen. "Währenddessen" kam der Angeklagte W*** ins Zimmer, entkleidete sich und versetzte Sylvia S*** vorerst mit einem Hosenriemen zwei Schläge auf das Gesäß. Er näherte sich ihr auch mit einer brennenden Zigarette, ließ jedoch über Aufforderung des S*** davon ab, sie "tatsächlich zu verbrennen". Der Angeklagte W*** verlangte dann auch einen Mundverkehr, den S***, die damals die Regel hatte, vornahm. Gleichzeitig zog ihr S*** den Tampon aus der Scheide und unternahm einen Geschlechtsverkehr. Als S*** hierauf das Hotelzimmer verlassen durfte, begab sie sich zur Bar, "erzählte dort mit keinem Wort etwas von dem Vorfall und ließ ein Taxi holen". Mit diesem begab sie sich wieder in das Cafe "G***", wo sie "nach eigenen Angaben um ca. 20,30 Uhr - bis 21 Uhr, tatsächlich aber gegen 22 Uhr eintraf". Sie war verweint, nervlich fertig und gestand einer dort als (Stamm-) Gast anwesenden Frau, die nicht ausgeforscht werden konnte, "was ihr passiert war" (S 386 ff.).
Diese Feststellungen stützte das Schöffengericht (vgl. S 394, 396 f.) im wesentlichen auf die Angaben der "einzigen Tatzeugin" Sylvia S*** mit der Begründung, daß S*** beim Untersuchungsrichter "im wesentlichen gleichlautende" Angaben gemacht habe wie vor der Polizei; sie habe zwar abweichend von ihrer späteren Aussage in der Hauptverhandlung, wonach nur S*** die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs versucht habe, im Vorverfahren angegeben, auch "Heinzi" (W***) habe einen Geschlechtsverkehr durchgeführt, doch könnten ihr diese "geringfügigen Widersprüche" die Glaubwürdigkeit nicht nehmen. Hiedurch erachtete das Erstgericht die (leugnende) Verantwortung der beiden Angeklagten, S*** sei mit der Vornahme eines Mundverkehrs - zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs sei es zufolge der Monatsblutung nicht gekommen - einverstanden gewesen. Mit Recht reklamieren die beiden Angeklagten in bezug auf mehrere Prämissen, aus denen das Schöffengericht bei der Prüfung der sie belastenden Aussage der Zeugin S*** auf deren Glaubwürdigkeit geschlossen hatte, formelle Begründungsmängel des Urteils (Z 5). Denn zum einen hat das Erstgericht, welches ersichtlich auch schon das Verhalten des Angeklagten S*** gegenüber Sylvia S*** im Cafe "G***" und hier insbesondere dessen als erwiesen angenommene Äußerung "du machst, was ich will, sonst passiert etwas", als einleitendes Tatmittel wertete, jene Bekundungen der für glaubwürdig erachteten (vgl. S 395) Zeugin Margit S*** (der Besitzerin des Cafes "G***") und der damals dienstversehenden Kellnerin Monika H*** mit Stillschweigen übergangen, wonach S***, die damals nach einem Streit mit ihrem Ehegatten das Kaffeehaus (in dessen unmittelbarer Nähe sich ihre Wohnung befindet) aufgesucht hatte und betrunken war (S 342), mit dem Angeklagten S*** "geschmust" habe, beide Angeklagten "irgendwie animiert" habe (S 343), den Wunsch der Kaffeehausbesitzerin S***, die befürchtete, S*** könne bedingt durch ihre Trunkenheit "etwas anstellen" (vgl. S 342), mit ihr mit einem Taxi wegzufahren, ausgeschlagen habe und von S*** auf die Erklärung der S***, sie habe sich zu den Angeklagten setzen müssen, weil diese sonst das Lokal zusammenschlagen würden, zur Antwort bekommen habe, die Angeklagten könnten das Lokal ruhig zusammenschlagen, weil sie ohnehin versichert sei und außerdem die Polizei eintreffen werde, bevor sie mit dem Demolieren fertig seien (S 238).
In diesem Zusammenhang läßt das Urteil - von der Beschwerde des Angeklagten W*** gleichfalls zutreffend gerügt - außerdem eine Begründung dafür vermissen, worauf das Schöffengericht die Annahme einer Mittäterschaft des Angeklagten W*** letztlich tatsächlich stützt. Denn die Urteilspassage (S 397), wenn auch "diese Drohungen bloß von S*** gesetzt" worden seien, verantworte sie auch der Angeklagte W***, "der damit durchaus einverstanden war und sie (die Drohungen) in keiner Weise abstellte, im Gegenteil, später noch durch Tätlichkeiten unterstrich", läßt völlig unberücksichtigt, daß der Angeklagte W***, während des Aufenthaltes im Cafe "G***" zumindest vorübergehend mit dem Kellner H*** wegen einer Darlehensrückzahlung verhandelte, beim Herauszerren der Sylvia S*** aus dem Taxi nicht mitgewirkt hat, zu diesem Zeitpunkt nach den Angaben der Sylvia S*** (vgl. S 326) vielmehr die Klingel beim Hoteleingang betätigte und W*** nach einem vorangegangenen (gemeinsamen) Aufenthalt an der Hotelbar, wo er den Bekundungen der Zeugin S*** in der Hauptverhandlung zufolge "gar nichts gesagt" hat (vgl. S 327), erst (wieder) in das von S*** bestellte Zimmer (Nr. 6) kam, als S*** im Bett nackt am Bauch liegend bei S*** einen Mundverkehr durchführte (vgl. S 389 iVm 91, 327). Da der Angeklagte W*** nach den Urteilsannahmen der Zeugin S***, die sich an das Hotelpersonal nicht um Hilfe gewendet hatte - dessen Aussage zufolge jedoch einen "ziemlich betrunkenen" (Zeuge Paul S*** S 348) bzw. "besoffenen" Eindruck machte (Zeugin Karin S*** S 340) - mit "einem Hosenriemen zwei Schläge auf das Gesäß" zu einem Zeitpunkt versetzte, zudem S*** einen Mundverkehr bei S*** durchführte, wäre das Schöffengericht jedenfalls gehalten gewesen, auch zur Frage Stellung zu nehmen, von welchem Vorsatz sich der Angeklagte W*** bei der Verabreichung der Schläge wie auch der offenbar zur selben Zeit erfolgten Annäherung an S*** mit einer brennenden Zigarette - das Ersturteil spricht bei Wiedergabe der Angaben der Sylvia S*** vor der Polizei in aktenwidriger Weise davon, "Heinzi brannte sie (S***) mit einer Zigarette" (S 394) - leiten ließ und ob er sich der Ernsthaftigkeit des Widerstandes der Sylvia S*** gegen die Unzuchtshandlungen auch bewußt war. Das im Urteilsspruch als weiteres Nötigungsmittel genannte Zerren an den Haaren des Opfers bleibt in den Entscheidungsgründen überhaupt unerwähnt.
Gleiches gilt - worauf die Beschwerden abermals zutreffend hinweisen - für die vom Erstgericht ersichtlich zur Stützung der Glaubwürdigkeit der Zeugin S*** angeführte, den Urteilsannahmen zufolge von den beiden Schlägen des Angeklagten W*** herrührende Verletzung der Genannten am Gesäß. Insoweit durfte das Schöffengericht die im polizeiamtsärztlichen Gutachten (S 39) beurkundeten Verletzungen an der "linken Gesichtshälfte" der Sylvia S*** nicht ohne Erörterung aller weiteren darauf bezughabenden Verfahrensergebnisse hinsichtlich des betroffenen Körperteils einfach als irrtümlich und in Wahrheit das Gesäß betreffend werten (vgl. S 389). Denn Sylvia S***, die gar keine Anzeige über die verfahrensgegenständlichen Vorfälle erstatten wollte und diese der Polizei gegenüber zunächst überhaupt bestritt (vgl. S 31), gab bei ihrer polizeilichen Vernehmung in den Abendstunden (vgl. S 33) des 29. November 1984 an, daß sie am Sonntag (25.November) vormittags "Schmerzen im Gesäß" bekommen, hierauf gesehen habe, daß sie dort "ganz blau" gewesen sei und davon auch "heute" (29.November - Tag der Polizeivernehmung) "noch Spuren" zu sehen seien (vgl. S 35/36). Von der die Vernehmung leitenden Kriminalbeamtin wurden sodann die von S*** "angegebenen Verletzungsspuren" als "einige rote Striemen" wahrgenommen und die Genannte für den nächsten Tag (8 Uhr früh) zum Polizeiamtsarzt bestellt (S 37). Aus dessen Befund und Gutachten vom 30.November 1984 ergibt sich, daß die "linke Gesichtshälfte" Reste von länglichen "Abschürfungen und gelbgrünen Verfärbungen" aufwies. Zu einer eingehenden Würdigung auch dieser Verfahrensergebnisse wäre das Gericht nicht zuletzt schon deshalb gehalten gewesen, weil der Vater der Sylvia S***, ihren eigenen Angaben zufolge, noch in derselben Nacht (gegen 1 Uhr früh - S 328) wegen des in Rede stehenden Vorfalles aufgebracht in die Wohnung gekommen sei und ihr aufgrund der Bemerkung, daß "ihn das nichts angehe", zwei Ohrfeigen versetzt habe, die sie, wenngleich sie nach ihren Angaben zwar ohne Folgen blieben, jedenfalls "gespürt" habe (S 376).
Ebenso verhält es sich schließlich mit den Depositionen der Zeugen Hermann K*** und Karin S*** über den Zustand der Sylvia S*** beim Verlassen des Stundenhotels. Die Aussagen der genannten Zeugen erfahren im Ersturteil nur insoweit eine Würdigung (vgl. S 394 f.), als sie in Ansehung des Umstands, S*** habe beim Eintreffen im Hotel "mit keiner Silbe erwähnt, daß sie gezwungen in das Etablissement komme", als unbedenklich gewertet wurden, während im übrigen bloß die Behauptung der Karin S*** (S 340), S*** habe im Zimmer (des Stundenhotels) gelacht, als unglaubwürdig abgelehnt wurde (S 395). Solcherart blieb jedoch unerörtert - worauf der Beschwerdeführer S*** zutreffend hinweist - daß Sylvia S*** nach den Angaben der zuvor erwähnten Zeugen beim Verlassen des Stundenhotels und dem unmittelbar davor erfolgten Bestellen eines Taxis nicht den Eindruck machte, daß sie "verweint, aufgeregt oder aufgeschreckt" gewesen wäre (Zeuge K*** S 86), nicht verweint, vielmehr "besoffen" gewesen sei und vor der Abfahrt mit dem Taxi dem Angeklagten S*** "noch ein Busserl gegeben" habe (Zeugin Karin S*** S 340). Zu einer ausdrücklichen Erörterung auch dieser Verfahrensergebnisse wäre das Erstgericht vor allem deshalb verpflichtet gewesen, weil es abweichend von der Darstellung der Zeugin S*** - obwohl diese durch die insoweit gleichfalls ungewürdigt gebliebenen Angaben der Zeugin S*** bestätigt wird, wonach sie "um 21 Uhr" (vgl. S 341) vom Kellner in ihrer Wohnung angerufen und über die Rückkehr S*** ins Kaffeehaus sowie über den Vorfall verständigt worden sei - sie sei um ca. "20,30 Uhr - 21 Uhr, demnach vom Stundenhotel in das Cafe "G***" unmittelbar zurückgekehrt, insoweit der Zeugenaussage des damals dort als Kellner beschäftigt gewesene Alfred H*** folgend, diesen Zeitpunkt erst mit "gegen 22 Uhr" (vgl. S 389) bzw. an anderer Stelle mit "um 23 Uhr" (vgl. S 396) festgestellt hat. Da Sylvia S*** den Urteilsannahmen zufolge "verweint und nervlich fertig" in das Cafe zurückkehrte, durfte sich das Schöffengericht - welches zudem über den Alkoholisierungsgrad der S*** zu diesem Zeitpunkt ebensowenig absprach, wie über ihre Aussage (vgl. S 328), sie wisse nicht, warum sie noch einmal dorthin (Cafe "G***") gegangen sei - über die zuvor erwähnten Verfahrensergebnisse nicht einfach mit dem bloßen Hinweis hinwegsetzen, es fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, daß S*** "in dieser Zeit anderswo ein Erlebnis hatte, aufgrund dessen sie nervlich fertig war, und das sie nunmehr den beiden Angeklagten anlastet" (S 396).
Die von den beiden Beschwerdeführern insoweit zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel des Urteils (Z 5) betreffen demnach entscheidungswesentliche Tatsachen im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes und machen eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich.
Zum Schuldspruch wegen Körperverletzung (II):
Nach den zu diesem Punkt des Schuldspruchs getroffenen Urteilsfeststellungen kamen auch die beiden Angeklagten, nachdem Sylvia S*** das Cafe "G***" bereits wieder verlassen hatte, in das Kaffeehaus zurück, wo sie von dem dort als Gast anwesenden Gerhard N*** wegen des Vorfalles mit Sylvia S*** angestänkert und beschimpft wurden. Als S*** und N*** aufgefordert wurden, "sie sollten sich das auf der Straße ausmachen", schlug N***, ehe sie noch das Lokal verließen, den vor ihm gehenden S*** "in den Rücken". Darauf drehte sich der Angeklagte S*** um und versetzte N*** mehrere Schläge ins Gesicht, wodurch dieser die eingangs bezeichnete (schwere) Verletzung erlitt. Das Vorliegen einer Notwehr-Situation auf Seiten des Angeklagten S*** verneinte das Erstgericht mit der Begründung, daß sich dieser durch Annahme der Aufforderung, das Lokal zu verlassen, freiwillig in die Gefahr begeben habe und zudem die Verabreichung von fünf bis sechs Faustschlägen ins Gesicht nicht mehr als jene Verteidigung bezeichnet werden kann, die notwendig war, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwehren (vgl. S 390, 398). Zu Recht wirft der Angeklagte S*** dem Erstgericht auch insoweit Begründungsmängel des Urteils (im Sinn einer Unvollständigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO) mit der Argumentation vor, es habe bei seinen Sachverhaltsfeststellungen den Tatablauf und die körperliche Konstitution des Gerhard N*** betreffende wesentliche Verfahrensergebnisse, so insbesondere die Angaben der Zeugen Alfred H*** und Ernst P*** übergangen. Schon die Tatsache, daß N*** die Tätlichkeiten, den Urteilskonstatierungen zufolge, durch einen Angriff gegen den Angeklagten S*** eröffnete, hätte dem Erstgericht Anlaß geben müssen, sich mit der Darstellung der Zeugen H*** und P***, wonach es aufgrund des von N*** gegen den Angeklagten S*** geführten Schlages zu einer Rauferei (S 335) bzw. zu einer Ranglerei (S 371) gekommen sei, ebenso eingehend auseinandersetzen müssen, wie mit der Verantwortung des (insoweit freigesprochenen) Mitangeklagten W***, es sei nach der Schlagführung des N*** zwischen diesem und S*** zu einem "Schlagabtausch, zu einer Kette von Abwehr- und Angriffsbewegungen" (vgl. S 185) bzw. zu einem Raufhandel gekommen (S 324); dies umso mehr, als den bezeichneten Worten nicht zu entnehmen ist, wer von den an der Auseinandersetzung Beteiligten Angriffs- bzw. Abwehrhandlungen setzte.
Insoweit durfte das Erstgericht nicht - so wie dies letztlich geschah - bloß global auf die Angaben der genannten Zeugen verweisen, denen zudem gar nicht entnommen werden kann, daß der damals unter erheblichem Alkoholeinfluß gestandene (vgl. S 171) Angeklagte S***, nachdem N*** ihm einen Schlag versetzt hatte, fünf- oder sechsmal zurückgeschlagen hat. Die zuvor wiedergegebene Darstellung des Mitangeklagten W*** hinwieder blieb durch den an sich inhaltsleeren, sich zudem ersichtlich ausschließlich auf dessen Verantwortung zu den Vorfällen mit Sylvia S*** beziehenden Satz:
"Die Darstellung des W*** scheint zwar (gegenüber jener S***) logischer, ist aber ebenfalls widerlegt" (S 393), letztlich ungewürdigt.
Gleichfalls mit Recht macht der Angeklagte S*** (unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit bzw. eines Feststellungsmangels) geltend, das Urteil lasse Erörterungen über die Konstitution und die (allgemein, wie auch ihm bekannte) Neigung des Gerhard N*** zu Gewalttätigkeiten vermissen - nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten ON 40 wurden bei der Untersuchung N*** eine Jochbeinfraktur links, ein Nasenbeinbruch und eine Verbiegung der Nasenscheidewand als alte Verletzungen festgestellt (vgl. S 248) - obwohl er bei seiner Zeugenaussage in der Hauptverhandlung selbst zugab (S 238), auch schon früher Raufereien gehabt zu haben und die Frage, ob er als Schläger bekannt sei, ausdrücklich offen ließ.
Die aufgezeigten Begründungsmängel betreffen entscheidungswesentliche Tatsachen, weil, abgesehen davon, daß die bei Gerhard N*** aufgetretene Verletzung dem gerichtsmedizinischen Gutachten zufolge schon durch einen (einzigen) Schlag entstanden sein konnte (vgl. S 249) - erst nach Abklärung auch dieser Tatumstände über die Frage des Vorliegens einer Notwehr-Situation, eines Notwehrexzesses bzw. einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung abgesprochen werden kann.
Dies erfordert auch in Ansehung des Schuldspruchfaktums II die Aufhebung des Urteils und die Anordnung einer Verfahrenserneuerung. Den Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten war sohin nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 e StPO bereits in einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.
In diesem Zusammenhang sei jedoch nur der Vollständigkeit halber zur Rechtsrüge des Angeklagten S*** betreffend die Urteilsfakten I/1 und 2 noch angemerkt, daß Idealkonkurrenz zwischen Nötigung zum Beischlaf und Nötigung zur Unzucht nicht möglich ist, jedoch Realkonkurrenz dann gegeben sein kann, wenn die Unzuchtshandlungen nicht bloße Vorbereitungshandlungen (bzw. Zwischen- oder Nachphasen) der Beischlafshandlung waren, sondern getrennte, auf gesonderten Willensentschlüssen des Täters beruhende Tathandlungen vorliegen (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 202 RN 20 und die dort zitierte Judikatur).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E07555European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00012.86.0212.000Dokumentnummer
JJT_19860212_OGH0002_0090OS00012_8600000_000