Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günter L*** wegen des Vergehens des Notbetruges nach § 150 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 17. Juni 1985, GZ 4 U 11/84-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 17.Juni 1985, GZ 4 U 11/84-16, mit welchem die dem Günter L*** gemäß § 13 Abs. 1 JGG bestimmte Probezeit auf vier Jahre verlängert wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 12 Abs. 2 JGG. Dieser Beschluß und sämtliche darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben.
Der Antrag des Bezirksanwaltes auf Verlängerung der Probezeit wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 29. Februar 1984, GZ 4 U 11/84-4, wurde der am 5.April 1966 geborene Hilfsarbeiter Günter L*** des Vergehens des Notbetruges nach § 150 StGB schuldig erkannt; gemäß § 13 (Abs. 1) JGG wurden der Ausspruch und die Vollstreckung der Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.
Mit dem ebenfalls in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18.Dezember 1984, GZ 18 Vr 268/84-41, wurde Günter L*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB, des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer, gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen, Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Von diesen Straftaten wurden der Diebstahl und die Sachbeschädigung zeitlich nach der ersterwähnten Verurteilung (der Diebstahl noch am selben Tag) verübt.
Am 3.Juni 1985 beantragte der Bezirksanwalt im Verfahren 4 U 11/84 des Bezirksgerichtes Leoben, die Probezeit zu verlängern (S 52 dA). Diesem Antrag gab das Bezirksgericht mit dem Beschluß vom 17. Juni 1985 dahin Folge, daß es die Probezeit auf vier Jahre verlängerte (ON 16 dA).
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluß, der vom Bezirksanwalt und vom Verurteilten unbekämpft geblieben ist, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Möglichkeit einer nachträglichen Verlängerung der Probezeit, wie sie im Abs. 2 des § 13 JGG 1949, BGBl. 272/49, bis zum Höchstmaß von fünf Jahren vorgesehen war, besteht nicht mehr. § 13 Abs. 2 JGG 1961 bestimmt nunmehr lediglich, daß dann, wenn sich innerhalb der Probezeit zeigt, daß die Besserung sonst nicht erzielt werden kann, die Strafe auszusprechen und zu vollziehen ist. Eine analoge Heranziehung der nach § 53 Abs. 2 StGB zulässigen Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre ist nicht möglich, weil das Jugendgerichtsgesetz die lex spexialis gegenüber dem Strafgesetzbuch darstellt (vgl. Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht 2 , ENr. 23 und Leukauf-Steininger, Nebengesetze 2 , Anmerkung C/ und Entscheidung Nr. 7 jeweils zu § 13 JGG).
Der rechtswidrige Beschluß des Bezirksgerichtes könnte sich zum Nachteil des Verurteilten auswirken, weil das Ende der 6-Monatsfrist des § 13 Abs. 2 zweiter Satz JGG um zwei Jahre hinausgeschoben wurde und die allfällige Begehung einer neuen Straftat innerhalb der verlängerten Probezeit zu einer nachträglichen Festsetzung und Vollziehung der Strafe (§§ 13 Abs. 2, 46 Abs. 4 JGG) führen könnte. Einem Antrag auf Festsetzung und Vollziehung der Strafe wegen der erwähnten nachträglichen Verurteilung vom 18.Dezember 1984 steht das Verschlimmerungsverbot (§ 290 Abs. 2 StPO) entgegen. Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E07582European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00023.86.0213.000Dokumentnummer
JJT_19860213_OGH0002_0120OS00023_8600000_000